Kitabı oku: «Systemische Erlebnispädagogik», sayfa 4
So Ihr beiden, ich werde nun von meinem hungrigen Sohn an die Milchbar gerufen!
Bis bald, seid lieb von mir gegrüßt. Karin
18.3. I Betreff: Perspektivenwechsel
Liebe Karin, lieber Peter,
Mit einem Schmunzeln habe ich Deine Zitate Aristid von Schlippes gelesen, Peter. Die treffen natürlich genau das, was ich gemeint habe. Ernüchternd und erhebend zugleich. Von Schlippe formuliert hier kurz und bündig eine sehr gute Zusammenfassung von dem, was ich mühevoll formuliert hatte. Das ist ernüchternd. Erhebend ist aber, dass andere meine Erfahrung teilen und vergleichbare Schlüsse daraus ziehen.
Ich stelle ebenso wie Ihr beide fest, dass sich meine Wahrnehmung in den vergangenen Jahren deutlich verändert hat. Das wirkt sich bei mir vor allem darauf aus, wie ich Ereignisse und Eindrücke deute und wie ich sie in mein Welt- und Menschenbild einordne.
Ich bin eher in der Lage, das, was mir begegnet, als Ressource zu sehen und mich von der Frage leiten zu lassen, welche Hinweise ich darin für mein Handeln finde. Eine neue Deutung, die sich an Wachstum und Weiterentwicklung orientiert.
Diese Veränderung ist etwa so, als würde ich einen Schritt zurücktreten, um die Dinge mit etwas mehr Abstand zu betrachten. Dieser Abstand weitet nicht nur den Blick für vorhandene Ressourcen, sondern schafft gleichzeitig so etwas wie einen Sicherheitsabstand. Emotional betrachtet, nehme ich mir viele Dinge nicht mehr so zu Herzen und systemisch betrachtet bedeutet es, dass ich so eher in der Lage bin, einzelne Systeme neutraler wahrzunehmen und aktiv und reflektiert zu agieren, anstatt mich passiv darin verstricken zu lassen. Die Energien bleiben so dort, wo sie hingehören. Ich glaube, durch ein unbedachtes „Sich-in-Zusammenhänge-verstricken(-lassen)“ raube ich einem System Energie, die in ihm selbst benötigt wird.
Genau wie Du, Karin, fühle ich mich bezüglich der Frage nach der Verantwortung dadurch freier. Übertragen auf Situationen, in denen ich Verantwortung habe, beispielsweise in Leitungsfunktionen, heißt das auch für mich, dass ich nicht allein für den Verlauf von Prozessen verantwortlich bin, sondern dass es auf das Mittun aller am System Beteiligten ankommt.
Erstaunlicherweise entdecke ich immer mehr einen Zusammenhang zwischen dem, was ich Systemen zutraue, und dem, was sie zu leisten imstande sind. Je mehr ich auf diese Leistungsfähigkeit und vor allem darauf vertraue, dass alle Teile ihren Beitrag leisten, desto erfolgreicher verlaufen Prozesse, die ich initiiere und desto zufriedener bin ich. Offensichtlich hat allein meine innere Haltung einen wesentlichen Einfluss auf die Dynamik in Gruppen und Prozessen.
Zum Thema Veränderung will ich noch anmerken, dass ich interessanterweise auch Monate nach dem Ende des Lehrgangs noch immer das Gefühl habe, mich in einem Veränderungsprozess zu befinden. Ich bin zwar nicht sicher, ob meine Umwelt das genauso wahrnimmt, aber es fühlt sich an wie Unterwegssein, wie Wachstum mit viel Spannung und Vorfreude. Für mich macht dieses Unterwegssein einen großen Teil Menschsein aus.
So Ihr beiden, das waren meine Gedanken für heute (zumindest zu diesem Thema). Ich werde mich jetzt meinem Haushalt widmen (auch beim Bügeln kann man unterwegs sein) und grüße Euch ganz herzlich. Bis bald. Andi
30.3. I Betreff: Bewegung
Lieber Andi, lieber Peter,
Beim Weiterdenken am Thema Wahrnehmung bin ich auf das Stichwort Handlungsorientierung gestoßen. Den Auslöser gab Deine Beschreibung, Andi, dass Du die Dinge inzwischen mit einem gewissen Abstand zu betrachten in der Lage bist. Mir geht es auch so, dass ich oft einen Schritt zurücktreten und dadurch einen breiteren Blick auf die Geschehnisse werfen kann. Wenn wir es dabei belassen würden, wäre das aber zu wenig. An dieser Stelle muss etwas in Bewegung kommen. Und die beste Möglichkeit, in Bewegung zu kommen, ist handeln.
Nach der Betrachtung einer Situation gehen meine Gedanken schneller als früher in Richtung des nächsten Schrittes. Wie kann es weitergehen? Wie kommt Bewegung in festgefahrene, schwere und komplexe Situationen? Immer wieder mache ich die wohltuende Erfahrung, dass allein der Beginn des Handelns dabei das lösende Moment sein kann. Manchmal hilft es schon, aufzustehen, den Ort zu wechseln und ein paar Schritte zu laufen, damit sich neue Ideen einfinden können. Oder um ein ganz konkretes Mutter-Kind-Beispiel zu nennen: Wenn mein Sohn schreit und tobt und ich ihn beruhigen will, dann gehe ich mit ihm durch die Wohnung. In dieser Situation sitzen zu bleiben würde mich und wahrscheinlich auch ihn in den Wahnsinn treiben.
In meiner beruflichen Rolle verstehe ich meine Aufgabe darin, anderen neue Bewegung zu ermöglichen. Das geschieht dann mit den Möglichkeiten, die sich dafür eignen. Manchmal ist das körperliche Bewegung, aber es ist ebenso das Repertoire der sprachlichen Begleitung, also Fragen entsprechend zu stellen, um neue Perspektiven zu ermöglichen. Handeln beginnt auch im Kopf!
Wenn ich es genau überlege, hat die Krpg meine Geduld, in schwierigen Situationen endlos auszuharren sehr verringert. Darüber bin ich richtig froh. Im Grunde bin ich schon immer eine sehr lebensfrohe Person gewesen und trotzdem ist mir sehr viel klarer geworden, wie destruktiv es sein kann, ungute Situationen auszuhalten. Manchmal habe ich das Gefühl, es treibt mich richtig in die Bewegung, weil ich weiß, dass es nicht so sehr darauf ankommt, ob der nächste Schritt die Komplettlösung bringt, sondern dass zunächst einmal Bewegung ins Gesamte kommt.
Ich schicke Euch ganz herzliche Grüße. Karin
09.4. I Betreff: Ich vermisse das Handeln und ein Hauch Philosophie
Liebe Karin, lieber Andi, heute schreibe ich Euch aus dem ICE zwischen Heidelberg und Stuttgart. Ich befinde mich auf der Heimfahrt von meiner Ausbildung als „Systemischer Berater“. Diese ist für mich eine gelungene Vertiefung zu dem, was ich im Krpg-Lehrgang bereits gelernt habe, zugleich aber auch eine Art Trockenversion davon, weil es an Handlungsorientierung fehlt.
Wir haben heute drei Fälle aus unterschiedlichen familiären Milieus bearbeitet. Ein Fall wurde im Wesentlichen besprochen, zum zweiten gab es ein Rollenspiel und beim dritten Fall eine Aufstellung. Es wird Euch wenig verwundern: Für mich – und wohl für den größten Teil der Gruppe – war die Aufstellung das eindrücklichste Element des Tages. Hier hat sich wesentlich mehr verdichtet und geklärt als bei den anderen Methoden der Supervision.
Ganz oft genieße ich im Rahmen dieses Lernens, die Theorie weiter zu vertiefen. Wenn es dann aber an die Umsetzung geht, dann wünsche ich mir mehr Handeln. Auch wir arbeiten mit Aufstellungen, Bewegungsübungen, Rollenspielen und vielem mehr. Trotzdem fehlt es mir an kreativen und rituellen Elementen und vor allem an der Naturerfahrung, die ich so fruchtbar erlebt habe. Erst jetzt wird mir so richtig klar, wie wichtig diese Methoden für meinen Lernprozess waren.
Könnt Ihr Euch noch an das Kapitel aus den „Wagnissen des Lernens“ erinnern, in dem Astrid Habiba Kreszmeier und Hans-Peter Hufenus schreiben: „Schöpferisches Chaos und Wahrnehmung, beseelte Natur und Beziehung, tragender Lebensstrom und Verantwortung – das sind die zentralen Stichworte am ‚gewagten‘ Grund der Kreativ-rituellen Prozessgestaltung.“ 6
Für mich hat sich dieser gewagte Grund immer schön und reizvoll angehört, auch wenn ich ihn in manchen Punkten noch gar nicht vollständig verstehe oder auch nicht mit denselben Worten beschreiben würde.
Am Beispiel der beseelten Natur kann ich das gut verdeutlichen: Heute Morgen, es ist Sonntag, habe ich den Psalm 148 entdeckt, in dem davon gesungen wird, dass Engel, Sonne, Mond, Himmel, Wasser, Meeresdrachen, Feuer und Hagel, Schnee, Nebel, Sturmwind, Berge und Hügel, Fruchtbäume, Zedern, wilde Tiere und alles Vieh und der Mensch den Schöpfer loben sollen. Das ist doch auch eine wunderschöne Beschreibung für eine Natur, in der in jedem Teil etwas Göttliches steckt. Sicher ganz anders als die animistische Annäherung im oben genannten Buch, aber für mich mit derselben Konsequenz für den Umgang mit und das Lernen in der Natur.
Am meisten beeindruckt und getragen hat mich der Gedanke, dass „alle Menschen einen Platz haben und einen Weg beschreiten können, der ihren Möglichkeiten entspricht. Das Leben lädt uns ein, mitzufahren, einzusteigen in den großen Fluss, mitzuschwimmen.“ 7 Für mich ist das der Kern der Philosophie einer Kreativ-rituellen Prozessgestaltung. Und noch besser als in dem Buch von Seligmann, von dem ich euch geschrieben habe, steht das für mich in anderen Worten in meinem philosophischen Lieblingsbuch „Schönes Leben?“ von Wilhelm Schmid. Aus dem Buch mag ich Euch zum Schluss noch eine Passage zitieren, weil sie so trefflich formuliert, dass es im Leben nicht um dauerndes Glücklichsein geht, sondern um viel mehr:
„Lebenskunst kann (…) heißen, sich ein schönes Leben zu machen, im Sinne von: Das Leben bejahenswerter zu machen, und hierzu eine Arbeit an sich selbst, am eigenen Leben, am Leben mit Anderen und an den Verhältnissen, die dieses Leben bedingen, zu leisten. Die Selbstmächtigkeit, die kunstvolle Gestaltung der Existenz, der Akt der Wahl, die Sensibilität und Urteilskraft, die Realisierung von Schönheit: All diese Momente kommen darin überein, zu einem erfüllten Leben beizutragen, das bejahenswert ist. Dieses Leben besteht nicht nur aus Glücksmomenten, die Widersprüche sind aus ihm nicht ausgeschlossen, sondern bestenfalls zu einer spannungsvollen Harmonie zusammengefügt; es handelt sich nicht unbedingt um das, was man ein leichtes Leben nennt, eher um eines, das voller Schwierigkeiten ist, die zu bewältigen, ja sogar zu suchen sind, voller Widerstände, Komplikationen, Entbehrungen, Konflikte, die ausgefochten oder ausgehalten werden – all das, was gemeinhin nicht zum guten Leben und zum Glücklichsein zählt. Erst in der Bedrängnis leuchtet das Schöne.“ 8
Und damit schließe ich auch meinen kleinen philosophischen Ausflug und mache jetzt einen konkreten Ausflug hinaus in einen wunderbar sonnigen Tag.
Ein lieber Gruß. Peter
Literatur
Campbell, Joseph (1999): Der Heros in tausend Gestalten. Frankfurt am Main (Insel TB)
Seligman, Martin E. P. (2005): Der Glücksfaktor. Warum Optimisten länger leben. Bergisch Gladbach (Bastei-Lübbe)
Furman, Ben (1999): Es ist nie zu spät, eine schöne Kindheit gehabt zu haben. Basel (Borgmann)
Schlippe, A. v. (1991): Systemische Sichtweise und psychotherapeutische Ethik. In: Praxis der Kinderpsychologie und -psychatrie 40 (10)
Foerster, H. v. (1981): Das Konstruieren einer Wirklichkeit. In: Watzlawick, P. (Hrsg.) (1981): Die erfundene Wirklichkeit. München (Piper)
Kreszmeier, Hufenus (2000): Wagnisse des Lernens. Aus der Praxis der Kreativ-rituellen Prozessgestaltung. Bern (Haupt)
Schmid, Wilhelm (2000): Schönes Leben? Einführung in die Lebenskunst. Frankfurt am Main (Suhrkamp)
Fischer, Klawe, Thiesen (1985): (Er) leben statt reden. Weinheim (Juventa)
Andreas Bühler
Jahrgang 1969, lebt in Vaihingen / Enz (Deutschland)
Aus- und Weiterbildungen: Diplom-Sozialpädagoge (FH), Krpg
Derzeitige Tätigkeit: Projektleiter bei einem Bildungsprojekt für benachteiligte Jugendliche, Bildungsreferent bei einem kirchlichen Jugendverband
E-Mail: andi-buehler@t-online.de
Peter Thomas
Jahrgang 1969, lebt in Sindelfinden (Deutschland)
Aus- und Weiterbildungen: Diplompädagoge, Krpg, Systemischer Berater
Derzeitige Tätigkeit: Leiter des Bischöflichen Jugendamtes und Diözesanleiter des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend in der Diözese Rottenburg-Stuttgart
E-Mail: peter.thomas@t-online.de
Karin Wabersich
Jahrgang 1974, lebt in Filderstadt (Deutschland)
Aus- und Weiterbildungen: Diplom-Sozialpädagogin (BA), Krpg, Führen und Leiten Derzeitige Tätigkeit: Bereichsleiterin im Bischöflichen Jugendamt der Diözese Rottenburg-Stuttgart
E-Mail: karin.wabersich@gmx.de
1 Vgl. Campbell, Joseph (1999): Der Heros in tausend Gestalten, Frankfurt am Main
2 Seligman, Martin E.P. (2005): Der Glücksfaktor. Warum Optimisten länger leben, Bergisch Gladbach
3 Vgl. Furman, Ben (1999): Es ist nie zu spät, eine schöne Kindheit gehabt zu haben, Basel
4 Schlippe, Astrid von (1991): Systemische Sichtweise und psychotherapeutische Ethik. In: Praxis der Kinderpsychologie und -psychatrie 40 (10), S. 371
5 Foerster, Heinz von (1981): Das Konstruieren einer Wirklichkeit. In: Watzlawick, P. (Hrsg.) (1981): Die erfundene Wirklichkeit, S. 60
6 Kreszmeier, Astrid H., Hufenus, Hans-Peter (2000): Wagnisse des Lernens. Aus der Praxis der Kreativ-rituellen Prozessgestaltung, Bern, Stuttgart, Wien, S. 37
7 a. a. O., S. 36
8 Schmid, Wilhelm (2000): Schönes Leben? Einführung in die Lebenskunst, Frankfurt am Main, S. 179f.
In der Lösung liegt die Kraft
Andrea Zuffellato
Die Auseinandersetzung mit dem Begriff Lösung führt rasch zu dem wohltuenden, öffnenden und bisweilen rettenden Tunwort lösen, welches die Bildhaftigkeit wohl besonders entfalten kann, wenn heilende Hände verkrampfte und verhärtete Muskeln lösen, wenn rettende Hände die Fesseln von Gefangenen lösen oder geduldige Hände die Knoten eines Wollknäuels lösen – lösen bedingt handeln, bedingt Veränderung und einen Zustand oder Ausgangspunkt, der reif für Veränderung ist.
Im pädagogischen und therapeutischen Kontext dreht sich das Lösen meist um Problemsituationen, Zustände der Unzufriedenheit und Krisen. Es geht um Lösungen von Anliegen. Auch in der Begleitung von Menschen ist Handeln von zentraler Bedeutung und auch das Lösen von Problemen ist wohltuend und öffnend, vielleicht manchmal sogar rettend.
Lösungsorientierung ist indes eine Haltung, sie bedarf keiner aktuellen oder akuten Probleme, sie ist eine treibende Kraft, die Menschen mit ihrem Potenzial wahrnimmt, das eigene Leben glücklich zu meistern. Sie basiert auf einem Vertrauen in das Leben und dessen fließenden und wandelnden Charakter. Lösungsorientierung ist aber gleichermaßen auch Methode und bietet viel praktisches Handwerkszeug.
In diesem Exkurs lade ich ein auf eine Forschungsreise in den Bereich der Lösungen und Möglichkeiten. Lade ein, den Versuch eines Querschnittes durch lösungsorientierte Ansätze in der Kreativ-rituellen Prozessgestaltung zu explorieren und Wirkungsmöglichkeiten in Praxisbeispielen zu entdecken. Vom Großen ins Kleine führt der Text von Gedanken rund um die Auswirkungen der lösungsorientierten Arbeit im pädagogischen Kontext, über eine Pendelbewegung zwischen Sprache und Handlung, hin zu Prinzipien und zur konkreten Technik lösungsorientierten Handelns, bis zur Einbettung in die Kreativ-rituelle Prozessgestaltung.
Lösungen sind gesund
Time-out Schule und passage-moti sind zwei Programme, die Kinder und Jugendliche dabei unterstützen, Lösungen zu erarbeiten und diese zu realisieren. passage-moti integriert erfolgreich stellensuchende Jugendliche aus allen Bildungsschichten und Herkunftsländern nachhaltig in die Arbeitswelt. Die Time-out Schule bietet der Volksschule die Hand im Umgang mit betreuungsaufwändigen Schülerinnen und Schülern in schwierigen Situationen, mit dem Ziel einer Reintegration. Zwei Institutionen, die schon von der Anlage her Lösungen generieren sollen – nachhaltige Anschlusslösungen als Auftrag, persönliche Problemlösungen als Ziel.
Gerade in der Arbeit in diesen potenziellen „Problemfeldern“ und mit vorbelasteten Menschen scheint mir die eigene Ausrichtung besonders entscheidend. Für die Begleitung von Kindern und Jugendlichen in solchen Programmen lassen sich einige Leitlinien etwa wie folgt formulieren:
Für Menschen, die in potenziellen Problemfeldern arbeiten, scheint mir die Ausrichtung besonders entscheidend.
Wir versuchen, Probleme zu sehen und anzuerkennen, doch unsere Energie und Arbeitskraft richtet sich auf die gemeinsame Arbeit an Lösungsszenarien und deren konkrete Umsetzungen. Lösungen sind existent, sie sind im System vorhanden und werden oft als unscheinbare Ausnahmen beschrieben. Unsere Aufgabe ist die Suche nach diesem positiven Ausnahmezustand sowie schrittweise dessen Stärkung und Ausbau.
Die nötigen Ressourcen zur Erreichung der Lösung sind ebenfalls im System vorhanden. Die Arbeit in der Begleitung ist das Sichtbarmachen, Aktivieren und Festigen dieser Ressourcen.
Stellensuchende Jugendliche sind oft enttäuscht und desillusioniert; sie hängen im leeren Raum zwischen dem Gefühl, nicht gebraucht zu werden und nichts zu können. Kinder, die in ein Time-out kommen, sind meist Symptomträger blank liegender Systeme. Die ausgesprochenen und mitunter auch lauthals verschwiegenen Androhungen von Schulausschluss und Heimplatzierungen werfen ihre Schatten über Familien, Klassen und Lehrkräfte.
In diesen Situationen ist ein Standortgespräch mit Lösungsfokus, ein Aufzeigen von verschiedenen Möglichkeiten nicht selten der erste Silberstreif am Horizont seit langem. Das Suchen und Festhalten von vorhandenen Fähigkeiten, Talenten und Ressourcen, die Ausnahmen der alles überschattenden Problemwelt sind die Anknüpfpunkte, die für uns ein Miteinander oft überhaupt erst ermöglichen.
Die Überzeugung, dass es eine Lösung gibt, pflanzt sich wie ein Antikörper in ein krankmachendes Problemsystem.
In dieser Arbeit sind Ressourcen- und Lösungsorientierung nicht bloß Schlagworte und leere Hülsen, häufig sind dies die Grundlagen unserer Arbeit überhaupt. Unsere Behauptung und die feste Überzeugung, dass es irgendwo da draußen, respektive da drinnen, eine Lösung gibt, pflanzt sich wie ein Antikörper in ein krankmachendes Problemsystem. Die konsequente Fokussierung auf Erfolge und bereits bestehende oder noch zu entdeckende Ressourcen beschleunigen und sichern den „Heilungsprozess“.
Die Wirkung der systemischen Haltung ist wechselseitig, sie mobilisiert bei den Protagonisten Selbstwirksamkeitskräfte und Eigenverantwortung und fördert durch den Fokuswechsel vom Problem zur Lösung bei der professionellen Begleitung die Motivation und Freude an der Arbeit und wirkt so last but not least Burnout-prophylaktisch.
Zwischen Handlung und Sprache
Der systemisch lösungsorientierte Ansatz, wie er in die Kreativ-rituelle Prozessgestaltung einfließt, ist geprägt von den konstruktivistischen Theorien Watzlawicks und wurde unter anderem ausformuliert, erforscht und erfolgreich angewendet von Insoo Kim Berg, Steve de Shazer u. a.
Die Sprache ist ein zu wirksames Instrument, um auf sie zu verzichten.
Ein Credo der Krpg ist die Handlungsorientierung und damit verbunden, so ist man versucht zu denken, eine gewisse Abkehr von der versprachlichten Welt. Krpg versucht jedoch den goldenen Mittelweg zu gehen, so wenig Sprache wie möglich, so viel als nötig. Und wenn schon Sprache, dann gezielt, effizient und im Sinne des Auftrages, also lösungsorientiert. Die Sprache ist ein zu wirksames Instrument, um auf sie zu verzichten. Einmal abgesehen davon, dass auch dies bekanntlich Kommunikation wäre. In der Sprache liegt große Kraft und in gewissem Sinne ist unsere Identität immer auch Sprachidentität. Die Frage ist demnach nicht, ob sprechen, sondern was und wie?
Der Vorteil einer handlungsorientierten Vorgehensweise wie der Kreativ-rituellen Prozessgestaltung liegt in der Möglichkeit, Sprache metaphorisch sichtbar oder auch konkret erfahrbar zu machen, Lösungsszenarien zu erleben.
Ein faszinierendes Lösungsexperiment gelang uns mit einer Teilnehmerin vom Motivationssemester, einer kecken, jungen Frau mit tragischer Biografie, langjähriger Heimkarriere, vielen Jahren Therapiererfahrung, Drogenkindheit und längerem Leben auf der Straße. In der Zeit im moti war sie clean und hatte ein funktionierendes Zuhause, sie war damals 22 Jahre alt und die Älteste der Gruppe. Sie hatte Charisma, war eine starke Persönlichkeit mit sturem Kopf, eisernem Willen, strahlendem Lachen und beachtlichen Führungstalenten. Ihre Ressourcen setzte sie leider oft gegen die Leitung ein, sie wurde dann intrigant, extrem kritisch und mitunter sehr destruktiv. Es fiel ihr leicht, sich schnell eine entsprechende Oppositionsposition zu schaffen und weitere Teilnehmer um sich zu scharen, um dann auf Kollisionskurs zu steuern. Dieses Verhalten schien in langjährigem Umgang und Kampf mit Sozialpädagoginnen und Therapeuten gelernt, eine Strategie, die durch zahlreiche Verletzungen entstanden war. Gleichzeitig war sie jedoch auch fasziniert von unserem Programm, den neuen Möglichkeiten und unserem Umgang mit ihr und sie engagierte sich immer wieder fürs Gruppengeschehen. Irgendwie roch die Situation nach einem Schritt in die Erwachsenenwelt.
In der Praktikumszeit konnten wir sie für einen Einsatz als Co-Leiterin für eine erlebnispädagogische Intensivwoche im Time-out gewinnen. Eine Funktion, die ihr genau diesen Ebenenwechsel abverlangte. Sie war schnell zu begeistern und ließ sich auf diese Erfahrung ein. Die Woche verlief nicht reibungslos, doch sie konnte sich immer wieder aufraffen und leistete wirklich gute Arbeit. Sie durchlief einen bewegenden Prozess, über den sie in Coachings erzählen konnte, und kam damit ihren selbst formulierten Zielen große Schritte näher. Am eindrücklichsten für mich bleiben aber die ersten zehn Minuten; ihre Gegenüberstellung mit den ihrerseits unbändigen, frechen und destruktiven, aber auch verletzten und unsicheren Mädchen vom Time-out, sechs bis acht Jahre jünger, ähnliche Geschichten, ähnliches Potenzial. Diese Mädchen sahen in ihr jedoch nicht ein größeres Vorbild, sondern irgendeine junge Sozi-Praktikantin, und so begegneten sie ihr. Zehn initiatorische Minuten!
Kanufahren als Sinnbild für handlungsorientiertes Arbeiten an Lösungen.
Sinnbild für handlungsorientiertes Arbeiten an Lösungen im erlebnispädagogischen Kontext ist für mich das Kanufahren. Wo sonst kann so lebensnah erfahren und erlebt werden, wie direkt sich die Fokussierung von Durchfahrten oder Hindernissen, von Lösungen oder Problemen auf unser Weiterkommen bzw. sogar auf unser Wohlbefinden auswirkt? Kein Fluss sollte ohne Kenntnis über die Schwierigkeitsstufen, über die Hindernisse und Schlüsselstellen befahren werden. Auf der Kanufahrt selbst müssen wir jedoch immer nach der Durchfahrt Ausschau halten, uns auf das fließende Wasser konzentrieren. Im Fluss sein, ist dann gleichbedeutend, wie sich in einem Prozess befinden. Es braucht die Fähigkeiten des Sich-Einlassens, sowie das Gewahrsein der Hindernisse mit der ständigen Ausrichtung auf die Durchfahrt.
Wenn wir mit Jugendlichen aus passage-moti oder des Time-out Schule auf Flüssen unterwegs sind, also mit vornehmlich urbanen und konsumorientierten Paddel-Greenhorns, wirkt diese Metapher oft ohne weitere Erklärungen. Auffahrkollisionen und kleinere Tauchgänge, erfolgreiche Durchfahrten und elegante Manöver machen die Zusammenhänge kommentarlos deutlich. Die Jugendlichen entwickeln die kreativsten Manövriertechniken und steuern sich so den Fluss hinunter. Gelebtes Chairman-Prinzip.
In der Praxis stellten sich die theoretischen Erkenntnisse der lösungsorientierten Ansätze für mich als sehr sinnig und praktikabel, als unglaublich nützlich und erfolgreich heraus. In erster Linie manifestiert sich der Unterschied jedoch im angenehmeren Arbeitsklima und einem wertschätzenden Umgang mit den Menschen.
Ein schulisches Time-out beginnt für jeden Schüler mit einem Eintrittsgespräch. Zu diesem „runden Tisch“ kommen Kind und Eltern, Klassenlehrerin und evtl. Fachlehrer, Schulleiterin und allenfalls andere Bezugspersonen wie Beistände, Therapeuten o. Ä. Ein großer Aufmarsch, viel Kompetenz, großes Potenzial, aber auch große Bedrohung für Eltern und Kind. Als wir mit unserer Arbeit im Time-out begannen, wurden wir mit vielen eskalierten Situationen konfrontiert. In den Gesprächen wurde Dampf abgelassen und Feuer gelöscht. Oft füllten die vielen Erklärungen der Ursachen und die Ausführungen der genauen Problematik Gesprächsstunden. Für die Kinder war unser erster Kontakt dann geprägt von den Schilderungen ihrer Verfehlungen und Auflistungen ihrer Missetaten und Fehler. Grundsteine der Zusammenarbeit waren die Probleme, dementsprechend schwierig gestaltete sich oft die Einstiegszeit im Time-out. Obwohl wir um die Wichtigkeit sowohl der Kenntnis der Problematik, als auch der Psychohygiene der Lehrkräfte wussten, waren diese Bedingungen für uns eine unbefriedigende Ausgangslage.
Wir konzipierten daraufhin einen Gesprächsleitfaden nach lösungsorientierten Kriterien, inspiriert von den Forschungsarbeiten de Shazer‘s im bftc (brief family therapy center).
Die Konzeptänderung der Eintrittsgespräche veränderte wesentlich das Arbeitsklima im Time-out Schule.
Dieser Leitfaden und die gestärkte Haltung, mit der wir durch dessen Erarbeitung an den nachfolgenden Eintrittsgesprächen auftraten, zogen weit greifende Konsequenzen nach sich. Die Problemsituation wurde praktisch ausschließlich in einem vorgängigen Telefonat besprochen, im Eintrittsgespräch wurden bezüglich der Problematik höchstens noch Verständnisfragen gestellt oder die Sicht der Eltern und des Kindes eingeholt. Die verbleibende Zeit wurde von uns dazu genutzt, vorhandene Ressourcen zu aktivieren, gemeinsame Lösungsszenarien zu entwickeln und Zielvereinbarungen festzuhalten. Das Gesprächsklima war im Gegensatz zu den anfänglichen Gesprächen geprägt von Hoffnung und Tatendrang, anstatt von Schuldgefühlen,
Aggressionen und aussichtsloser Wut. Die Möglichkeit einer Veränderung und die Fähigkeiten, die wir bei den Einzelnen bereits erkannten, bildeten fortan die Grundsteine. Diese Konzeptanpassung der Eintrittsgespräche veränderte wesentlich das Arbeitsklima im Time-out Schule, die Arbeitsverhältnisse zu den Eltern und Herkunftssystemen und nicht zuletzt unsere Erfolgszahlen. Viele Kinder fingen an, sich auf ein Time-out zu freuen, waren überzeugt, dass ihnen die Auszeit weiterhilft, und sie hatten oft bereits eine Ahnung von dem, was sie lernen wollten. Die Lösungen zeichneten sich ab, vom ersten Tag an. Es gab sogar das eine oder andere Gespräch, das zu keinem Eintritt ins Timeout führte, weil innerhalb des Kind-Eltern-Schule-Systems so etwas wie eine gesunde „Wir schaffen das aus eigenen Kräften“-Überzeugung entstanden war.
Die Einfachheit, die den Unterschied ausmacht
Reframing, das Umdeuten von Sachzusammenhängen in andere Erfahrens- oder Lebensbereiche, Techniken wie Skalierungsfragen, zirkuläre Interviews oder die Wunderfrage sind einfache und wirkungsvolle Techniken. Wenn diese Art der Gesprächsführung beherrscht, mit einer ehrlichen Neugier gepaart und einer authentisch wohlwollenden Haltung gelebt wird, sind die Kriterien für erfolgversprechende Lösungsorientierung erfüllt.
„Wenn etwas funktioniert, mach mehr davon, wenn etwas nicht funktioniert, mach was anderes!“
„Wenn etwas funktioniert, mach mehr davon, wenn etwas nicht funktioniert, mach was anderes!“ Die Leitlinien von lösungsorientierten Gesprächsformen und Arbeitshaltungen sind oft verblüffend einfach, wenn auch in der Praxis nicht immer leicht zu realisieren. Wenn mich im pädagogischen Alltag ein frecher Jugendlicher permanent nervt, dann schaffe auch ich es nicht immer, ihm zu seinem Durchsetzungsvermögen und seiner vielen Energie zu gratulieren. Vielleicht gelingt es mir aber ab und zu, ihn auf dieser Ebene abzuholen, und ihn beispielsweise bei einer Öffentlichkeitsumfrage in die Verantwortung zu nehmen.
Das „Mehr-desselben“-Prinzip ist in unserer Kultur weit verbreitet, leider nicht nur in Situationen, in denen dies auch angebracht wäre. Viel öfter finden wir es in festgefahrenen Problemszenarien, bei Gewalt und Repressionen in Familien oder Schulklassen, bei erfolglosen Bewerbungsstrategien, bei Lerntechniken und Prüfungsangst oder bei Gruppenprozessen und Lärmpegelkontrollen. Schaffen wir in diesen Situationen einen Schritt zur Seite, zurück von der Front des pädagogischen Alltags, besinnen uns auf unseren Auftrag und erspinnen alternative Lösungsstrategien, spüren wir oft eine angenehme Erleichterung. Es gelingt uns dann, zu relativieren und lockerer am Puls des Geschehens zu sein.
Der Schlüssel liegt auch in diesen Situationen nicht selten offen auf der Hand. „Versuch es doch mal so …“-Lösungen fokussieren heißt oft erst mal, Druck abbauen, Kräfte sammeln und umleiten, selbst erzeugte Eingrenzungen überwinden, anderes ausprobieren. Beispielsweise könnte das bedeuten, sich persönlich in Betrieben vorzustellen und zu bewerben anstatt nur Briefe zu schreiben, keine Strafaufgaben für fehlende Aufgaben zu verteilen, sondern einmal freiwillige Hausaufgaben machen zu lassen und diese zu würdigen, die Sitzdistanz in einer Gruppenarbeit zu verdoppeln, um laute Kommunikation zu provozieren.
Beratungsgespräche werden zu Backstuben von Lösungen.
Kreativität ist eine der wichtigen Fähigkeiten, die Menschen die Entwicklung von Lösungsszenarien erleichtern. Je flexibler du denken kannst, desto vielseitiger wirst du an Probleme herangehen können. Je empathischer du dich in der Wirklichkeit einer Jugendlichen bewegen kannst, desto eher wird sie dich auf Entdeckungsreise mitnehmen. Dann wird es möglich, mit ihr Hintertüren zu öffnen und sie auf neue Aussichtspunkte zu führen, um gemeinsam neue Zusammenhänge zu entdecken, alternative Wege zu gehen, revolutionär Wände und Barrieren einzureißen oder Fakten umzudeuten. Mit einer Mischung aus Querdenken, Verrücktheit, aufrichtiger Neugier und gesundem Forschergeist, mit viel Respekt und Feingefühl werden so Beratungsgespräche zu Backstuben von Lösungen.
Wichtig scheint mir die Ausgangslage, dass wir nicht von der Lösung für ein bestehendes Problem sprechen, sondern von einer Vielzahl so genannter Lösungsszenarien, von einer breiten Palette an Lösungsmöglichkeiten, die wir zusammen mit der Protagonistin explorieren und Schritt für Schritt herausarbeiten. Diese Tatsache entlastet insofern, dass wir nicht auf eine ominöse, optimale Lösung fixiert zu sein brauchen, sondern Bewegungs- und Denkfreiheit bekommen. Viele Wege führen nach Rom!
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