Kitabı oku: «Zehn Jahre nach Oscar Cullmanns Tod: Rückblick und Ausblick», sayfa 4

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Wie zu erwarten war, fand Bultmanns Miszelle ein gemischtes Echo. Schon in der übernächsten Nummer der Theologischen Blätter druckte Karl Ludwig Schmidt die emotionale Reaktion eines ehemaligen elsässischen Pfarrers, Paul Diesner, mit dem Titel Noch einmal: Mitarbeit an der Revue d’Histoire et de Philosophie religieuses? ab, gab aber Bultmann die Gelegen­heit zu einer Replik, die dem Beitrag von Diesner als Antwort unmittelbar folgte.162 Diesner bestreitet Bultmann nicht die gute Absicht, hält aber das Bestreben, durch die Unterstützung der Revue die Gemeinschaft über die Grenzen hinweg zu erhalten, für naiv. Er erinnert an die noch immer mehr­heitlich deutsche Kultur der elsässischen Bevölkerung, an die Bestrebungen der neuen Machthaber, die Assimilation an das französische Wesen mit Hoch­druck zu betreiben, und an die entrüstete Reaktion darauf im deutsch­spra­chigen Elsass selbst. Die Strassburger Revue diene «keineswegs nur wis­sen­schaftlichen oder kirchlichen Zwecken. Nein, sie soll auch mitarbeiten an der kulturellen Französisierung des Landes.» Wie die Universität selbst sei sie ein Instrument der französischen Kulturpolitik, die darauf abziele, das Elsass seiner deutschen Wurzeln zu berauben. Diesner fühlt sich gedrungen, von einer Mitarbeit an der Revue dringend abzuraten. «Vorerst ist das Elsaß noch kein geeigneter Boden für deutsch-französische Verständigung.» Gegen Annäherungsversuche deutscher Wissenschaftler anderswo in Frankreich ist nichts einzuwenden, aber «in Straßburg blutet uns das deutsche Herz!»

Noch vor dem Abdruck seiner Replik schrieb Bultmann am 26. Sep­tember 1930 an Cullmann eine Karte mit einer weiteren Anfrage bezüglich der Re­vue.163 Ein alter Strassburger Kollege164 hatte ihn in seiner ablehnenden |54| Reak­tion auf Bultmanns Artikel darauf hingewiesen, dass das neue Thomas­stift keine deutschen Zeitschriften halte. Wieder fragt er nach dem tat­sächlichen Sachverhalt, der ihm in seiner Auseinandersetzung mit deutschen Kollegen wichtig sei. Cullmann muss sofort geantwortet und berichtet haben, dass das Stift drei deutsche Zeitschriften abonniere und in der Seminar­bibliothek mehr als elf auslägen. Im ersten Punkt seiner Replik an Diesner macht Bultmann Gebrauch von dieser Information. Gerade die jetzige Strass­burger Fakultät mit ihrer so viel besseren Ausstattung als die der anderen protestantischen Ausbildungsstätten in Frankreich sei keine Winkel­institu­tion, sondern habe eine universale Bedeutung für den französischen Protes­tan­tis­mus. Auch Diesner weiss, dass der französische Unterrichts­betrieb deutschsprachige Theologie im Elsass und an der Fakultät nicht ausschliesst. Entgegen dem Gerücht ist Zugang zu deutschen theologischen Fachzeit­schriften im Strass­burger Seminar und im Thomasstift ohne weiteres vor­han­den. Im zweiten Punkt folgert Bultmannn, dass die Revue kein Provinz­blatt sei, sondern sich über die Jahre als Organ für den gesamten französi­schen Protestantismus erwiesen habe, auch und gerade im dauernden Gespräch mit der zeitgenössi­schen deutschen Theologie. Sie verdiene deshalb Unter­stützung, genau wie die Fakultät. Im dritten Punkt wendet er sich mit aller Schärfe gegen Diesners Hauptthese. «Eines […] kann ich schlechter­dings nicht anerkennen, daß die Frage, um die es sich hier handelt, in Zusammen­hang gebracht werde mit dem Problem einer französischen Kulturpropa­ganda im Elsaß.» Es gehe um die Sache, den Austausch über ge­mein­same wissenschaftliche Probleme, die keine nationalen Grenzen kennten, sondern Zusammenarbeit erforderten. Hier kann selbst ein so weltoffener Wissen­schaftler wie Bultmann einen «nationalen» Ton anschlagen: «Herr Pfarr­er Diesner verkennt, daß die Mitarbeit von Deutschen an einer fran­zösischen Zeitschrift […] ein Dienst am Deutschtum ist – freilich nicht ein Dienst an deutscher ‹Kulturpropaganda›. Aber wenn ich theologische Wissenschaft treibe und in Aufsätzen vertrete, so treibe ich überhaupt keine Kultur­propaganda, sondern suche der Sache, der theologischen Wissenschaft und der Kirche, zu dienen.» Das ist eine Einstel­lung, zu der sich Rudolf Bultmann zeit seines Lebens bekannt hat. Dieses Bekenntnis ist auch sein letztes Wort |55| in der Auseinandersetzung über die deutsche Mitarbeit an der Strassburger Revue. Die nächsten erhaltenen Bultmannbriefe im Cullmann-Archiv kom­men nicht mehr darauf zurück.165

Der hier besprochene frühe Briefwechsel darf als ein Beispiel dienen für die grosse Bedeutung, die dem Cullmann-Nachlass für die Theologiege­schichte des zwanzigsten Jahrhunderts zukommt. Sie charakterisiert zwei einflussreiche Teilnehmer an dieser Geschichte zu einem Zeitpunkt, an dem Grundüberzeugungen sich bildeten, aber auch sich bewähren mussten. Nach dem ersten Weltkrieg hatten theologische Fragen unausweichlich eine politi­sche Dimension, die Gräben aufriss, Feindschaften schuf und Vorurteile ze­mentierte. Die Herausforderung war, einen Weg zu finden, wie Christen auf beiden Seiten von nicht von ihnen errichteten Zäunen im vollen Bewusst­sein ihrer erzwungenen Trennung miteinander in Gemeinschaft leben und den­ken konnten. Für den jungen Cullmann war die politische Dimension der hautnah erlebte und durchlittene Kampf des Elsässers um die Gewinnung einer tragbaren Identität zwischen deutscher Prägung und französischer Zukunft. Seine Entscheidung für eine akademische Laufbahn an der wieder­errichteten französischen Universität und sein entschlossener Einsatz für die neue Revue zeigen, dass sich bei ihm die Grundüberzeugung durchsetzte, dass verantwortlich betriebene wissenschaftlich-theologische Arbeit Gemein­samkeit schafft und für den Christen die errichteten Gräben und Zäune überwindet. Es ist diese Überzeugung, die sich in seinem späteren Engage­ment für die grössere Ökumene bewähren sollte.

Für Bultmann war es die Zeit der Bewährung langjähriger Grundsätze. Für ihn war die theologische Wissenschaft als Lebensaufgabe schon immer der Boden, auf dem christliche Gemeinschaft Wirklichkeit wird, über alle Grenzen und Zäune hinweg. Die Wissenschaft lebt vom Dialog. In der politi­schen Dimension der deutschen Nachkriegszeit sah er die Gefahr, dass der Dialog ausfiel, dass die Theologie im besiegten Deutschland in die Isolation geriet. Bultmann hat sich in den zwanziger Jahren energisch und unermüd­lich für den internationalen Austausch, für das Gespräch zwischen der deut­schen und der ausländischen wissenschaftlichen Forschung eingesetzt, der skandinavischen, der englischsprachigen und der französischen. Die Ausein­andersetzung über seine Mitarbeit an der Strassburger Revue, die auf diesen Seiten dokumentiert ist, kann als hervorragender Beleg für eine von Bult­manns Grundüberzeugungen gelten. Sie ist auf dem Boden des christli­chen |56| Glaubens gewachsen, aber sie gilt weit über den theologischen Bereich hin­aus: «[…] ich mache die Erfahrung, daß die sachliche Arbeit zu einer die staatlichen Grenzen überbrückenden Gemeinschaft führt, in der Mißtrauen und Feindseligkeit überwunden wird und gegenseitige Achtung und gegen­seitige Dienstbereitschaft wächst.»166 Es kann kein Zweifel sein – Cullmann und Bultmann waren sich an diesem Punkt vollkommen einig. |57|

Anhang
Umschriften der frühesten erhaltenen Korrespondenz zwischen Rudolf Bultmann und Oscar Cullmann
1

Bultmann an Cullmann, 20. Juni 1926

UBB, NL 353, B.I.a.224

Marburg, 20.VI.26

Sehr verehrter Herr Cullmann!

In den Nummern 5 und 6 (1925) der Revue las ich die mir freundlichst zugesandten Aufsätze, les récentes études sur la formation de la tradition évangé­lique. Ich bin Ihnen für die verständnisvolle und lehrreiche Bespre­chung herzlich dankbar und freue mich ihrer auch als über ein Zeichen der sich wieder knüpfenden Arbeitsgemeinschaft über die Grenzen hinweg. So­eben ist von mir im Verlag der Deutschen Bibliothek (Berlin) ein Büchlein «Jesus» erschienen. Ich habe den Verlag gebeten, es für Sie an das Bureau der Revue zu schicken, da ich leider Ihre Adresse nicht kenne. Ich würde mich freuen, wenn Sie diesem Büchlein eine Besprechung in der Revue widmen wollten. Mit den besten Empfehlungen bin ich

Ihr sehr ergebener

Rudolf Bultmann. |58|

2

Bultmann an Cullmann, 27. Februar 1928

UBB, NL 353, B.I.a.224

Marburg, 27.II.28

Sehr geehrter Herr Cullmann!

Es tut mir leid, daß Sie so lange auf Antwort warten mußten. Herr Prof[essor] Hermelink, der Vorsitzende des Studentenheims, wird Ihnen hof­fentlich inzwischen auch offiziell geantwortet haben. Der von Ihnen emp­fohlene Student kann in dem sehr schönen «Forsthof», unserem einen Stu­denten­wohnhaus, in dem meist Theologen wohnen, ein Zimmer bekommen, das monatl[ich] 22 M kostet. Pension gibt es dort nicht. Für den Kaffee mor­gens sorgen die Studenten selbst. Das Abendessen kann man sich auch selbst bereiten oder wie das Mittagessen an der «Mensa» einnehmen, wo Abend- und Mittagessen je 55 pf. kosten, oder in einem Gasthaus bzw. an einem Pri­vat-Mittagstisch, wo der Preis etwa 1 M beträgt (dort ist das Essen aber wesentl[ich] besser als an der Mensa, wie ich Ihnen offen gestehen will). – Die Vorlesungen des Sommer-Sem[esters] werden wohl Ende April begin­nen; ich denke am 30. April anzufangen. Kommt ihr Schützling / einige Tage früher, so wird es ja für seine Orientierung in Marburg gut sein. Ich bitte ihn, daß er mich dann gleich aufsucht, – vorausgesetzt, daß er sich für Marburg entscheidet, was mich sehr freuen würde. – Vielen Dank für Ihre Zusendung der Goguelschen Besprechung! Ich werde Ihnen demnächst einige Kleinig­keiten senden. Mit besten Grüßen

Ihr ergebener

R. Bultmann. |59|

3

Bultmann an Cullmann, 24. März 1929

UBB, NL 353, B.I.a.224

Prof. D. R. Bultmann

Marburg a. d. Lahn

Friedrichstr. 1

Marburg, 24.III.29

Sehr verehrter Herr Cullmann!

Durch den Verlag sind Sie inzwischen ja unterrichtet worden, daß er dem Austausch Ihrer Revue mit unserer Theol[ogischen] Rundschau, den Herr v. Soden u[nd] ich befürwortet haben, zugestimmt hat, und mit Freude habe ich inzwischen die Hefte der Revue vom Januar bis zum Oktober 1928 erhalten.

Ich möchte heute noch eine andere Frage ganz offen mit Ihnen bespre­chen. Schon im Jahre 1927 hatten sowohl Sie wie Herr Causse mich gebeten, Ihnen gelegentlich einen Beitrag für die Revue zur Verfügung zu stellen, und ich habe damals zugesagt. Ich habe im vorigen Jahre einen Aufsatz über «das christliche Gebot der Nächstenliebe» geschrieben, den ich Ihnen senden wollte. Da wurden in den Kreisen der deutschen Kollegen Bedenken dage­gen geäußert, daß deutsche Professoren an der Strassburger Revue mitarbei­ten, und zwar gingen diese Bedenken, wie Sie begreifen werden, von den früheren deutschen Professoren in Straßburg aus. Ich habe mich in den Ge­sprächen über diese Frage gegen solche Bedenken geäußert. Da wurde mir erwidert, daß Ihre Revue finanziell unterstützt werde durch ein Comité, des­sen Aufgabe die Bekämpfung der deutschen Sprache im Elsaß sei. Sie wer­den verstehen, daß mich diese Tatsache, wenn sie wirklich wahr ist, in eine sehr schwierige Lage bringt. Denn ich könnte mich an der Unterdrückung der deutschen Sprache natürlich nicht – auch nur indirekt – beteiligen. Ich weiß sehr wohl, daß auch Deutschland vor dem Kriege in Grenzgebieten die fremden Sprachen deutscher Untertanen mit nicht zu billigenden Mitteln bekämp­fte. Ich habe das früher für Unrecht gehalten und halte es auch jetzt für unrecht. – Ich habe nun an sich gar kein Bedenken dagegen, eine / Arbeit von mir in französischer Sprache drucken zu lassen, also etwa in Paris. Aber ich möchte nicht dadurch, daß ich in Straßburg etwas in französischer Spra­che veröffentliche, als ein solcher erscheinen, der an der Bekämpfung der deut­schen Sprache im Elsaß teilnimmt.

Ich hoffe, daß Sie meine Bedenken verstehen werden, und bitte Sie, mir offen zu antworten und mich über den Tatbestand zu unterrichten. Ich |60| möchte gerne alles tun, was ich kann, um die Gemeinschaft zwischen Ihnen und uns zu festigen. Wenn es möglich ist, daß mein Aufsatz in deutscher Sprache in der Revue erscheint, werde ich ihn Ihnen sofort senden. Sie haben vielleicht die Güte, diese Frage auch mit Herrn Causse zu besprechen und mir dann Antwort zu geben.

Ich bitte Sie, mich Herrn Causse zu empfehlen, und bin mit herzlichem Gruß an Sie

Ihr sehr ergebener

R. Bultmann.

4

[Entwurf Cullmann an Bultmann], Ende März 1929

UBB, NL 353, B.III.1

Für Ihre so offene Aussprache bin ich Ihnen von Herzen dankbar u[nd] ich werde Ihnen mit derselben Offenheit antworten. Obwohl Herr Causse gegen­wärtig in seiner südfranzösischen Heimat seine Osterferien verbringt, u[nd] es mir daher vor 2–3 Wochen nicht möglich sein wird, mit ihm über die Angelegenheit zu sprechen, möchte ich Sie schon jetzt über den Tatbestand unterrichten u[nd] Ihnen meine persönliche Ansicht unterbreiten, wobei ich mir erlaube, Sie auf den vertraulichen Charakter dieser Mitteilungen auf­merksam zu machen. Ich werde Ihnen nochmals schreiben, nachdem ich mit Herrn Causse Rücksprache genommen haben werde.

Schon vor einigen Monaten habe ich von dem von ehemaligen Straßbur­ger Prof[essoren] redigierten Manifest Kenntnis erhalten. Da ich selbst Ad­ministrator unserer Revue bin, kann ich Ihnen versichern, dass die Tatsache, auf die sich das Dokument beruft, der Wahrheit nicht entspricht. Unsere Revue wird weder direkt noch indirekt von einem Comité unterstützt, des­sen Aufgabe die Bekämpfung der deutschen Sprache im Elsass ist. Ich selbst würde nicht an unserer Revue mitarbeiten, wenn ich wüsste, dass ich auf die­se Weise eine Unterdrückung der deutschen Sprache begünstigte, obwohl ich persönlich das Französische im selben Masse beherrsche wie das Deut­sche. Wir könnten, wenn es nötig wäre, den finanziellen Stand unserer Zeit­schrift jedem unterbreiten. Wir haben nichts zu verbergen, was den finanzi­ellen Stand unserer rein wissenschaftlichen Zeitschrift betrifft. Die Ausgaben wer­den durch 2 Quellen bestritten: 1. durch die Abonnenten, die den für sie festgesetzten / Preis zahlen. Ich könnte Ihnen die genaue Summe der da­durch erzielten Einnahmen angeben. Obwohl wir unter den gegebenen Ver­hält­nissen – |61| die rein wissenschaftlich-theologisch interessierten protestan­tischen Kreise sind naturgemäss in Frankreich weniger zahlreich als in Deutschland – eine überraschend grosse und stets zunehmende Abonnen­ten­zahl haben, genügen diese Einnahmen natürlich nicht, um die hohen Druck­kosten zu decken. 2. Die benötigte Unterstützung erfolgt auf ganz normale Weise von Seiten der Cunitz-Stiftung. Cunitz, der an der französi­schen Fakultät vor 1870 als Prof[essor] tätig war und nach 1870 an der deut­schen Universität Strassburgs seine Vorlesungen fortsetzte, hat testamenta­risch sein ganzes Vermögen der Strassburger Universität vermacht u[nd] be­stimmt, dass es nur für wissenschaftliche Strassburger Veröffentlichungen aller Fa­kul­täten Verwendung finden solle. Das aus Theologieprofessoren zu­sam­men­gestellte Comité, das die in das theologische Gebiet gehörenden Publica­tionen zu bestimmen hat, denen ein Zuschuss aus dem Legat gewährt werden soll, hat gewiss im Sinne des Stifters gehandelt, indem es neben vie­len an­deren Werken auch unsere Revue als solche bezeichnet hat, war doch Cunitz selbst Mitarbeiter an der von Ed[uard] Reuss u[nd] Scherer be­gr[ündeten] Strassb[urger] Revue de Théol[ogie] et de Philos[ophie] chrét[ein­ne], die dann durch unsere Zeitschrift wieder aufgenommen wor­den ist. Dass dieses Comité / ganz unparteiisch bei der Verteilung der Gelder vorgeht, das dürfte wohl die Tatsache beweisen, dass [es] in den letzten Jahren die gesamten Druck­kosten der von Pfarrer Adam deutsch geschriebenen 2 bändigen Ge­schichte des Elsasses übernommen hat, deren 1. Band 1922 und deren 2. B[an]d letztes Jahr erschienen ist (cf. Anrichs Besprechung in der letzten Nummer der Theol[ogischen] Literaturz[eitung). –

Es ist unmöglich, einem Comité, das statutengemäss nur rein wissen­schaftlichen Arbeiten Unterstützung gewährt, Bekämpfung der deutschen Sprache unterzuschieben; es existiert aber kein anderes Comité, von dem die Revue auch nur einen Centime erhielte. Ich kann mir diese Unterstellung nur aus einer menschlich verständlichen Verbitterung ehemaliger zur deut­schen Zeit hier wirkender Theologen erklären. – Merkwürdig u[nd] interes­sant ist es für einen hier im Lande lebenden Elsässer immerhin festzustellen, dass französische Chauvinisten im Elsass – gottlob sind sie nicht allzu zahl­reich – elsässischen Unternehmungen gegenüber, die in deutscher Sprache rein wissenschaftlicher, z. B. historischer Forschung dienen wollen, genau mit denselben unwahren Behauptungen arbeiten der auf nichts sich grün­denden finanziellen Unterstützung durch deutsche Nationalisten. [Dies] beweist in solchen Fällen meistens nur, dass man keine sachlichen Gründe gegen derartige Unternehmungen vorzubringen weiss. / Sie kennen unsere Zeitschrift u[nd] haben sich wohl selbst davon überzeugen können, dass ihr Inhalt keinerlei Anlass gibt, ihr irgend einen politischen Zweck unterzu­schieben. Welches Interesse hätte denn irgend ein chauvinistisches Comité, |62| das sich die Bekämpfung der deutschen Sprache im Elsass zum Ziele setzte, eine derartige Veröffentlichung zu unterstützen? Von diesem Gesichtspunkt aus erscheint mir die Unterstellung der Verfasser des Dokuments geradezu als absurd. Der Leserkreis unserer Zeitschrift setzt sich folgendermassen zusammen: wissenschaftlich interessierte, der orthodoxen Partei nicht ange­hörige Pfarrer aus dem Elsass; deren Zahl ist dem allgemeinen Prozentsatz entsprechend nicht erheblich u[nd] sie machen den geringsten Teil unserer Leser aus, ungefähr dieselben, die, soweit es mir bekannt ist, auch auf die Christliche Welt abonniert sind. Laien kommen, abgesehen von den Univer­sitäts- und einigen Gymnasialprofessoren als Leser kaum in Betracht; der grösste Teil unserer Abonnenten setzt sich aus Theologen Innerfrankreichs, Belgiens und der französischen Schweiz zusammen. Auch bei zahlreichen katholischen Theologen Innerfrankreichs und Belgiens findet unsere Revue grossen / Anklang. Die grossen katholischen Zeitschriften bringen regelmäs­sig ausführliche Besprechungen unserer Artikel. Mehrere Professoren der Sorbonne und der Ecole des Hautes Etudes gehören zu den Mitarbeitern. Dazu kommt endlich die Leserzahl im nicht französisch sprachigen Ausland: besonders stark sind Italien, die Tschechoslowakei, England und die skandi­navischen Länder vertreten.

Unsere Revue ist, wie gesagt, eine Wiederaufnahme der von Ed[uard] Reuss und Colani begründeten ehemaligen Revue aus der Zeit vor 1871. Sie setzt sich wie jene genau dasselbe Hauptziel: ein Bindeglied zwischen der deutschen und französischen Theologie herzustellen; die Arbeiten französi­scher Theologen den deutschen Theologen vom Fach übermitteln; die Ar­beiten deutscher und französischer Th[eologie] einem theologisch interes­sierten gebildeten weitern Kreis Französischer Zunge.

Unsere Revue ist, wissenschaftlich gesehen, die einzige allgemein theo­lo­gische protestantische Veröffentlichung französischer Sprache. (Die Lau­san­­ner Revue ist fast ausschliesslich systematisch interessiert). Die vor dem Krieg von Goguel geleiteten Annales de Bibliographie sind übrigens in unse­rer Strassburger Revue aufgegangen, die so als wissenschaftl[iches] Organ des gesamten franz[ösischen] Protestantismus erscheint, wenn auch der Strassburger Fakultät, wie es ganz verständlich ist, eine besondere Rolle zu­kommt. Ein Blick auf die Liste der Mitglieder des Redaktionskomités dürfte Sie davon überzeugen, dass es sich nicht um ein bloss elsässisches Unter­nehmen handelt. Verleger unserer Revue ist übrigens der Verlag F. Alcan in Paris. Diese Tatsache sowie der vorhin definierte Zweck u[nd] der beschrie­bene Leserkreis wird es Ihnen verständlich machen, dass Herr Causse, der Her­aus­geber der Revue, alle ausländischen Artikel ins französische überset­zen lässt. Ich glaube Ihnen versichern zu können, dass ihm jeder chauvinisti­sche Gedanke fern liegt. Ebenso wie die deutschen lässt er auch die angel­sächsischen |63| Artikel auf franz[ösisch] erscheinen. Deutsche allgemein theo­logische Zeitschriften tun dies übrigens auch; ich erinnere mich z. B. an engli­sche Artikel, die in den Theol[ogischen] Blättern in deutscher Überset­zung erschienen sind. Bei Spezialzeitschriften wie ZNTW ist dies selbstver­ständ­lich nicht notwendig. Unsere Revue kann sich nicht durch Rücksichten auf engherzige Lokalpolitik dazu bestimmen lassen, das Ziel aufzugeben, das sie verfolgt, u[nd] das in / hohem Masse dazu geeignet ist, Verständi­gung zwischen Frankreich und Deutschland u[nd] auf diese Weise doch in letzter Linie auch am besten dem Elsass selbst zu dienen. Die letzten Jahr­gänge unserer Zeitschrift beweisen, dass dieses Ziel allen Anfeindungen zum Trotz zum Teil schon verwirklicht ist. Sie werden dort mehr als einen deut­schen Mitarbeiter finden. In der nächsten Nummer wird übrigens ein Artikel Ihres Marburger Kollegen Hölscher erscheinen. Es hat im Elsass, soweit mir be­kannt ist, noch niemand an dieser Mitarbeit Anstoss genommen; im Ge­genteil, mir gegenüber haben mehrere meiner Landsleute ihre Freude darü­ber ausgedrückt, u[nd] zu Ehren der innerfranzösischen Leser sei es gesagt, dass auch sie sich über die Anknüpfung der wissen­schaftlichen Beziehungen über die Grenzen hinweg gefreut haben. Dass dem Elsass bei dem Austausch zwischen franz[ösischer] u[nd] deutscher Wis­senschaft naturgemäss die Vermittlerrolle zukommt, sollte sich von selbst verstehen. (Aber diese Rolle kann es freilich nur spielen, wenn Franzosen wie Deutsche es nicht daran hindern. Bis jetzt aber geschieht hier von beiden Seiten unserm Land Un­recht. Will man einmal einen Redner aus Deutschland in Strassburg vorstel­len, da wird einem von den franz[ösischen] Behörden immer der Bescheid gegeben: In Strassburg geht das / nicht, aber in Paris natürlich. – Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich an diese ganz geläufige Stellungnahme auch durch Ihre Erklärung erinnert wurde, dass Sie bereit wären, in Paris eine Arbeit auf franz[ösisch] zu veröffentlichen, aber nicht in) [Diese acht Zeilen in Klammern sind im Entwurf ausgestrichen.]

Mit unfruchtbarer Polemik und einer nur negativen und passiven Hal­tung allem Französischen gegenüber ist weder dem Elsass noch Deutschland noch Frankreich geholfen. Die, welche 1918 unser Land verlassen haben, mögen den Zurückgebliebenen nicht in die Aufgaben dreinreden, die sich jetzt für sie hier in den gegebenen Verhältnissen stellen. Den in Deutschland ansässigen Elsässern fehlt nicht nur die genaue Sachkenntnis in Bezug auf unsere gegenwärtige Lage u[nd] in Bezug auf Frankreich, sondern ihr Blick wird notwendiger- u[nd] verständlicherweise etwas getrübt durch die für sie schmerzlichen Erinnerungen. Die beste Garantie dafür, dass deutsches Geis­tesleben dem Elsass zugänglich bleibt, liegt nicht darin, dass sich der Elsässer hermetisch dem französischen Geistesleben gegenüber abschliesst, sondern dass er gerade durch aktive Teilnahme auch an französischer Kultur in erster |64| Reihe an der / Zusammenarbeit mitzuwirken vermag, damit so der Graben zwischen D[eutschland] und F[rankreich] verschwindet u[nd] für das Elsass einmal eine gesündere Atmosphäre geschaffen wird, die ihm die Ruhe si­chert, deren es endlich einmal bedarf. In Paris werden schon lange deutsche Professoren zu wissenschaftlichen Veranstaltungen eingeladen, nur in Strass­burg machen die französischen Behörden zuweilen noch Schwierig­keiten. Sollten nun die Deutschen zu dieser doch mindestens anormalen u[nd] für den Elsässer wenig erfreulichen Situation auch ihrerseits beitragen, werden auch sie sich weigern, jede auch noch so unpolitische deutsch-fran­zösische Zusammenarbeit, die irgendwie mit Strassburg zusammenhängt, zu unter­stützen? Ich hoffe, dass dem nicht so sein wird. Auch von französischer Seite fängt man an, einzusehen, dass die französisch-deutsche Verständigung nicht im Elsass halt machen darf, sondern gerade von hier auszugehen hat. So hat vor 14 Tagen der Philosoph Husserl auf Einladung Prof[essor] He­rings, des Systematikers unserer Strassb[urger] theol[ogischen] Fakultät, vor den versammelten Prof[essoren] der Universität reden können.

Ich schliesse in der Hoffnung, Sie durch diese ganz offene Aussprache in keiner Weise verletzt zu haben u[nd] mit der nochmaligen Bitte, die in mei­nem Brief enthaltenen Angaben über den Tatsachenbestand nur zu eigener Verwertung zu benutzen, im übrigen aber diese Zeilen als vertraulich zu behandeln. [Ende des Entwurfs]

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9783290177416
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