Kitabı oku: «Kyla – Kriegerin der grünen Wasser», sayfa 2

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»Mein Name ist Yola«, stellte die Älteste sich vor. »Das sind T’hana und Lylha. Wir werden uns um Euer Wohl kümmern, solange Ihr hier in der ‘Kriegerin der grünen Wasser’ logiert, Kyla – Kriegerin der grünen Wasser.« Beinahe hätte Kyla aufgelacht, weil wohl niemand zuvor bedacht hatte, wie seltsam es anmutete, wenn die Unterkunft ebenso hieß, wie der Gast. Sie sah es den dafür verantwortlichen Chyrrta jedoch nach, denn sie war sich sicher, dass sie es nur gut gemeint hatten. In Windeseile wurde ihr ihr Zimmer gezeigt, das gleich aus mehreren Räumen bestand – in Wahrheit war es so, dass man ihr ein komplettes Stockwerk zugedacht hatte.

Kyla war für diesen Umstand dankbar, denn die Aussichten auf eine ungestörte Nacht waren damit fast greifbar. Als man jedoch Musiker holte, die auf dem Gang ein Lied nach dem anderen spielten, um ihre Nerven zu beruhigen, musste Kyla sich enorm beherrschen, diese in freundlichem Ton zu bitten, erst beim nächsten Sonnenlicht wieder zu erscheinen. Sie hoffte, die Männer nahmen es nicht zu wörtlich und ließen sie ausschlafen. Kyla gab jedem von ihnen ein paar Münzen und atmete tief durch, als endlich alles still war. Doch kaum hatte sie einen weiteren Atemzug getan, klopfte es an ihrer Tür. Sie öffnete, und sofort strömten die drei Frauen herein, die sich um sie kümmerten. Yola trug einen großen Korb mit Obst bei sich, den sie auf einen niedrigen Tisch stellte, der mitten im Raum von mehreren Sitzmöbeln umgeben war. T’hana trug in einem ganz ähnlichen Korb mit Brot, Käse, Butter, Fleisch und Marmelade herbei. Lylha schließlich hatte eine Kiste bei sich, in der eine Vielzahl von Büchern untergebracht war. Sie wirkte unsicher, wo sie ihre schwere Last abladen durfte. Kyla wollte ihr gerade helfen, da ließ Lylha die Kiste bereits so ungeschickt auf den Schrank plumpsen, auf dem Kyla ihre Tasche mit den Waffen abgestellt hatte, dass die Tasche umkippte. Ein Kurzschwert und ein Messer fielen heraus und zu Boden. Das Messer blieb mit der Spitze im Holz stecken, das Heft vibrierte. Lylha war ganz blass vor Schreck geworden. Sie bückte sich rasch und griff nach dem Messer.

»Nein, nicht!«, rief Kyla, doch da hatte die junge Frau sich bereits die Hand aufgeschnitten. Sie sah mit weit geöffnetem Mund ungläubig auf das Blut und sank dann zu Boden.

»Oh nein!« Yola schlug sich die Hand vor den Mund, fasste sich dann jedoch wieder und bedeutete T’hana, ihr zu helfen. Gemeinsam fächelten sie Lylha Luft zu und halfen der Erwachenden auf die Beine. Kyla indes zog das Messer aus dem Holz und legte es mit dem Schwert zusammen auf den Schrank.

»Wir werden den Boden gleich säubern, sobald wir Lylha zu einem Heiler gebracht haben«, versicherte Yola eilig.

»Ich werde das Blut selbst entfernen. Und danach werde ich mich zur Nachtruhe begeben.« Kyla hoffte, sie war nicht zu abweisend. Die Frauen nickten rasch und wünschten ihr eine gute Nacht, dann verließen sie das Zimmer. Kyla sah ihnen nach. Es tat ihr leid, als sie sah, dass Lylha gestützt werden musste – und das nur wegen ein wenig Blut. Kyla wurde sich bewusst, wie seltsam sie manch anderer Frau vorkommen musste, weil sie bei Kämpfen oftmals regelrecht in Blut badete – in dem ihrer Feinde, aber oft genug auch in ihrem eigenen, ohne dass ihr die Sinne deswegen schwanden. Was würden diese Chyrrta, die sie so hofierten, eigentlich von ihr denken, wenn sie Zeuginnen davon würden, wie sie einem Feind die Kehle durchschnitt? Oder ihm einen Dolch in den Leib jagte und einen Schnitt ausführte, sodass dessen Eingeweide ihm aus dem Körper hingen. Sicher würde ihnen der Appetit für geraume Zeit vergehen. Und sie würden Kyla fürchten. Doch wollte sie das? Ihre Gedanken wurden düster. Was, wenn Lanari sie in Wahrheit auch fürchtete? Vielleicht hatte sie die Freundschaft zwischen ihnen immer nur vorgespielt, weil sie als Tochter ihrer Dienerin dazu verpflichtet gewesen war. Vermutlich war sie froh, dass Kyla nun endlich weit von ihr entfernt war und sie Freundschaft, Liebe und Verständnis bei Thonda fand. Thonda ... Kyla beneidete ihn zutiefst.

Sie entledigte sich ihrer Kampfkleidung, zündete die bereitstehende Laterne an, ergriff sie und machte sich daran, in dünnen Beinkleidern und einem Hemdchen die anderen Räume zu erkunden. Das Badezimmer wies eine Wanne aus Metall auf, die auf Krallenfüßen stand. Eine große Waschschüssel befand sich auf einem Tisch. Und daneben – Kyla konnte es kaum glauben – standen drei Fläschchen, in der Art wie sie kurz zuvor eines erworben hatte. Barfuß ging sie auf dem steinernen Boden bis zu dem Tisch. Sie stellte die Laterne ab und öffnete die erste Phiole. Der Duft war etwas zu süßlich für ihren Geschmack. Sie probierte die zweite und stellte fest, dass ihr dieses Duftwasser fast ebenso zusagte wie das, welches sie selbst gekauft hatte. Die dritte Duftnote roch nach etwas Würzigem, das Kyla zwar mochte, das sie aber nicht auf ihrem Körper tragen wollte.

Sie entschied sich, den Inhalt des mittleren Fläschchens solange zu benutzen, wie sie in diesen Räumen verweilte. So konnte sie ihre eigene Phiole noch verstaut lassen und brauchte nicht zu befürchten, dass der Duft mit der Zeit verflog, wenn sie den Deckel öffnete. Kyla nahm die Laterne und ging in den nächsten Raum. Er war sehr groß, und sie hätte beinahe das Bett übersehen, das hinter Vorhängen verborgen war. Das war also ihr Schlafgemach. Kyla befühlte die Matratze – sie war angenehm. Vielleicht sollte sie sofort zu Bett gehen. Doch sie entschied sich, auch die weiteren Räume zu erkunden. Einer war jedoch vollkommen leer, während ein anderer klein und komplett mit Dingen zum Reinemachen voll gestellt war. Offenbar hatte man wirklich noch nicht mit ihrem Aufenthalt im Gasthaus gerechnet, ansonsten hätte man diese Dinge wohl an einem anderen Ort untergebracht. Kyla kehrte in das Hauptzimmer zurück und ließ ihren Blick über die Bücher schweifen, die Lylha ihr gebracht hatte. Einige davon kannte sie bereits. Es waren Werke, die über das alte Chyrrta berichteten. Ob sie der Wahrheit entsprachen, wagte Kyla zu bezweifeln, denn in keinem von ihnen war davon die Rede, dass die Wasser einst rein und ungefährlich gewesen waren. Vielmehr schien es so, als hätte Olha damals recht gehabt, als sie Kyla erklärte, dass sie lernen würde, selbst einzuschätzen, was sie glauben durfte, und was nicht.

Damals hatte Kyla nicht mal einen einzigen Buchstaben gekannt, und sie hatte es ihrer Ziehmutter zu verdanken, dass sie das Lesen und Schreiben erlernt hatte. Das schien so unglaublich lange her zu sein, dass es ihr vorkam, als wäre es in einem anderen Leben gewesen. Mit Wehmut dachte sie an die meist freundliche Olha zurück. Sie hatte ihr vieles zu verdanken. Kylas Fingerspitzen strichen über einen Einband aus dunklem Leder. Es befand sich kein Titel darauf. Sie schlug das Buch auf und begann die ersten Zeilen zu lesen.

Diese berichteten von einem großen Untier, das ganze Dörfer niedertrampelte. Die Chyrrta schlossen sich zusammen, um die Gefahr gemeinsam zu bekämpfen. Kyla dachte darüber nach. Was mochte Paraila wohl von diesem Buch halten, wo sie doch so sehr darauf bedacht war, dass ihr Volk jeglichen Zusammenschluss zum Kampfe unterließ – einzige Ausnahme waren Kyla und die Reiter der Herrscherin. Nur sie als Kämpferin und die Männer, die sich in Parailas Dienst gestellt und ihr bedingungslose Treue geschworen hatten, durften gemeinsam in den Kampf ziehen. Doch Kyla wusste, dass es mit der Zeit immer schwieriger werden würde, dem gegnerischen Ansturm von jenseits der Undurchdringlichen Mauern Stand zu halten. Irgendwann würde sich jeder Chyrrta in Parailas Reich darauf einstellen müssen, das Land zu verteidigen, auf dem er lebte. Doch daran wollte sie jetzt nicht denken. Die Reiter der Herrscherin würden in der nächsten Zeit auch ohne sie und ihre taktischen Überlegungen auskommen müssen, denn Kyla hatte eine Aufgabe zu erledigen. Sie sollte Quyntyr ausfindig machen, den Paraila vor den Augen aller hinrichten lassen wollte.

Kyla hatte jedoch ihre ganz eigenen Gründe, warum sie ihren ehemaligen Kampflehrer unbedingt finden wollte. In einem Brief hatte er ihr offenbart, mehr über sie zu wissen, als sie selbst es tat. Vielleicht hatte er es nur geschrieben, um sie dafür zu bestrafen, dass sie ihm den Befehl gegeben hatte, sie vor aller Augen zur Frau zu machen. Aber möglicherweise hatte er tatsächlich Wissen über sie, das Kyla verborgen geblieben war. Quyntyr hatte sie bislang niemals belogen, soweit sie das beurteilen konnte. Es war immerhin denkbar, dass er auch in seinem Brief die Wahrheit geschrieben hatte. So oder so würde sie es herausfinden müssen. Doch was sie tun sollte, wenn sie ihn am Berg Ultay fand, wusste Kyla jetzt noch nicht.

Würde sie ihn festnehmen und Parailas grausamer Rache ausliefern, die vielleicht gar nicht gerechtfertigt war? Doch was blieb ihr sonst schon übrig? Sie hatte ihrer Herrscherin einen Schwur geleistet – den, ihr immer treu zu dienen. Wenn sie Quyntyr nicht auslieferte, würde sie ihr Gelübde brechen. Kyla verfluchte sich selbst dafür, weil sie sich all diese Gedanken machte, während sie auf dem Weg ins Bett war. Sie nahm sich vor, augenblicklich damit aufzuhören und die Dinge auf sich zukommen zu lassen. Sie ließ die Vorhänge geöffnet, denn so konnte sie durch das Fenster nach draußen blicken. Es war kaum zu glauben, dass sie immer noch die gleichen Sterne wie von den Palastfenstern aus sah. Chyrrta war eine kleine Welt – doch sie war voller großer Probleme.

»So wird das nichts. Konzentriere dich gefälligst auf deine Aufgabe!«

Das war doch Zygals Stimme! Aber das konnte nicht sein ... Kyla sprang aus dem Bett und blickte aus dem Fenster. Sie war noch vom Schlaf benommen, doch sie erkannte, dass es nicht ihr Ziehvater gewesen war, der die Rüge erteilte, sondern ein vollkommen anderer Mann. Vom Leibesumfang her entsprach er tatsächlich Zygal, doch der Rest wollte so gar nicht stimmen. Es war ein kahlköpfiger, breitnasiger Händler, der einen jungen Burschen harsch anwies, wie er den Stand aufzubauen hatte.

Die Sonne war noch nicht aufgegangen, doch Kyla konnte im Schein der zahlreichen Fackeln sehen, dass auf dem Marktplatz bereits rege Betriebsamkeit herrschte. Männer und Frauen bereiteten sich darauf vor, ihre Waren feilzubieten. Das Licht war zu schwach, als dass Kyla in einiger Entfernung Einzelheiten hätte erkennen können, aber sie war sich sicher, dass es alles geben würde, was das Herz begehrte. Ihr Körper hingegen begehrte momentan lediglich mehr Schlaf. Also ging Kyla ins Bett zurück, zog sich die Decke bis zum Kinn und schloss die Augen. Sie hörte den Händler wieder schimpfen, der sie geweckt hatte. Eine gewisse Ähnlichkeit mit Zygals Stimme war eindeutig vorhanden – und es tat ihr weh, das zu hören. Wie sehr sie diesen grobschlächtigen Mann immer noch vermisste, obwohl er und Olha inzwischen bereits seit vielen Jahreszeiten tot waren. Wären sie stolz auf sie, wenn sie sie heute sehen könnten? Immerhin hatten sie alles getan, um sie auf ihre Aufgaben als Kriegerin vorzubereiten. Doch was hatte sie bislang schon wirklich erreicht?

Sie hatte viele Schlachten angeführt und sie erfolgreich geschlagen. Sie verteidigte ihre Herrscherin und das Reich gegen Feinde und Gefahren. Zudem versuchte sie immer, anderen Chyrrta zu helfen, wo es nur ging, aber reichte das? Waren diese Dinge eine Berechtigung, den Stand einer Kriegerin einzunehmen? Noch dazu eine, die am Palast lebte, und der alle dienen mussten, außer der Herrscherin selbst? Kyla drehte sich zur Seite und bettete ihren Kopf bequemer auf dem Kissen. Was nutzten schon diese Gedanken? Die Umstände waren nun einmal so, wie sie waren. Und sie führte zwar ein privilegiertes Leben, doch es konnte auch jederzeit gewaltsam enden. Jeder Kampf, jede auch noch so kleine Auseinandersetzung, zu der sie gerufen wurde, konnte ihren Tod bedeuten. Oftmals gab sie Dorfbewohnern den Rat, Ärger aus dem Weg zu gehen – insbesondere denen, die junge Kinder hatten. Für sie selbst galt dieser Rat jedoch nicht, denn es war ihr Schicksal, sich einzumischen, wann immer Gefahr drohte.

Kyla war gerade wieder eingeschlafen, da schwoll der Lärm draußen erneut an. Es polterte – gefolgt vom Brüllen des Mannes, dessen Stimme Kyla inzwischen zu Genüge kannte. Sie seufzte und gab ihren Plan, noch länger zu schlafen, endgültig auf. Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihr, dass der Stand des Kahlköpfigen zusammengebrochen war. Schuld daran war wohl sein Gehilfe, der mit eingezogenem Kopf die Schimpftirade über sich ergehen ließ. Der junge Mann tat Kyla leid. Ihr blieb jedoch keine Zeit, sich darüber länger Gedanken zu machen, denn bereits im nächsten Moment klopfte jemand an ihre Tür.

»Wer ist da?«, rief Kyla. »Ich bin es, T’hana. Yola lässt Euch ausrichten, dass Euer Frühstück bereitsteht. Möchtet Ihr es im Speisesaal einnehmen?«

Kyla seufzte leise, dann rief sie: »Ja, ich komme gleich.« Man hielt offenbar nicht viel von Langschläfern in dieser Stadt. Kyla hätte T’hana lieber geantwortet, dass sie in ihren Räumen frühstücken wollte, aber ganz sicher würde man es ihr übelnehmen, wenn sie nicht die Gasträume nutzte, die eigens für sie hergerichtet worden waren. Während sie ihre Kampfkleidung anlegte, fragte sich Kyla insgeheim, warum sie überhaupt so diplomatisch war. Paraila blieb in solchen Fällen bestimmt nichts anderes übrig, als die Dienste ihrer Gastgeber in Anspruch zu nehmen. Aber sie selbst war keine Herrscherin, die den Regeln der Höflichkeit Genüge tun musste, sondern eine Kriegerin, die die meiste Zeit ihres Lebens mit den Gewalttätigkeiten anderer Chyrrta umzugehen hatte. Wenn sie dem einmal nicht ausgesetzt war, hieß das jedoch nicht, dass sie sich in eine Edeldame verwandeln musste. Ganz im Gegenteil sogar, war es doch nur zu verständlich, dass sie die Chyrrta blieb, die sie nun einmal war. Und diese speiste entweder allein in ihren Räumen des Palastes oder inmitten der unfeinen Männer auf dem Schlachtfeld, indem sie rasch irgendetwas Essbares hinunterschlang.

Sie schmunzelte, als sie sich vorstellte, dass sie wie die Reiter der Herrscherin es in Gasthäusern taten, nun die Füße auf den Essenstisch legen und Wein am frühen Morgen ordern könnte. Aber auch wenn die Vorstellung sie erheiterte, so verzichtete sie doch darauf, als sie nur wenig später in einem lichtdurchfluteten Raum saß, der Platz für viele Gäste bot. Einige der Tische waren besetzt. Kyla versuchte, nicht darauf zu achten, dass sie immer wieder neugierig beäugt wurde. Sie griff zu einem großen Tonkrug und goss sich Wasser in einen Becher. Das Brot, das vor ihr stand, duftete herrlich. Vermutlich kam es gerade aus dem Ofen, denn der kleine Laib war noch ganz warm. Kyla brach ein Stück davon ab und schob es sich in den Mund. Es schmeckte köstlich!

Sie blickte zum Fenster hinaus. Die Sonne war inzwischen über die Berge gestiegen, die Tritam umgaben. Es würde ein heißer Tag werden. Lylha kam an ihren Tisch und brachte Kyla gebratene Tilanifrüchte. »Yola bereitet frischen Rula-Sud vor. Er ist gleich fertig«, berichtete sie mit gepresster Stimme. Kyla fiel auf, dass die junge Frau einen dicken Verband um ihre Hand trug. »Hat sich die Wunde entzündet?«, fragte sie. Lylha schüttelte den Kopf. »Nein, aber bei mir dauert es sehr lange, bis eine Wunde zu bluten aufhört. Es ist ... eine Krankheit, glaube ich.«

»Oh«, machte Kyla, die nicht wusste, was sie dazu sagen sollte. Denn jetzt fiel ihr auf, dass der Verband stellenweise immer noch von frischem Blut befleckt war. Ganz sicher wäre sie inzwischen längst tot, wenn sie eine solche Krankheit ebenfalls hätte, denn ihre Wunden waren für gewöhnlich um einiges größer und tiefer. »Dann solltest du dich ausruhen, anstatt zu arbeiten. Und vielleicht solltest du auch einen Heiler aufsuchen, der die Wunde behandeln kann, damit du bald wieder genesen bist«, schlug Kyla vor.

»Das kann ich nicht. Ich habe zwei kleine Töchter, und mein Mann ... er ist fort.«

Kyla begriff. »Hole mir den Besitzer dieses Gasthauses her!«, befahl sie. Lylha sah sie erstaunt an. Sie lächelte leicht. »Die Besitzerin ist Yola.« Kyla kam sich augenblicklich dumm vor. Warum hatte sie nicht eher daran gedacht, dass die Besitzerin es sich natürlich nicht nehmen lassen würde, sie als Erste willkommen zu heißen und ihre Dienste anzubieten? Sie ließ sich ihre Verwirrung jedoch nicht anmerken, als Yola mit dem Rula-Sud an ihren Tisch kam. Während die Gasthaus-Besitzerin das dunkle Gebräu in einen kleinen Becher füllte, sagte Kyla entschieden: »Du wirst Lylha heute und für die kommenden beiden Sonnenlichter von ihren Pflichten entbinden. Sie wird einen Heiler aufsuchen und bald wieder bei Kräften sein, um ihren Dienst zu verrichten. Die Bezahlung für sie und den Heiler erhältst du von mir, sobald ich abreise. Füge die Summe meiner Rechnung hinzu.«

»Und wer soll dann die anstehenden Arbeiten übernehmen? Lylha war tollpatschig und ist selbst schuld, dass sie sich verletzt hat«, erwiderte Yola aufgebracht.

»Was tut das zur Sache?«, herrschte Kyla sie an. Sofort senkte Yola den Kopf und murmelte: »Nichts ... natürlich.«

»Dann lass sie nach Hause gehen. Es wird genügend Chyrrta in dieser Stadt geben, die ihre Arbeit einstweilen übernehmen möchten.«

»Aber niemand von denen ist so gut unterwiesen, dass wir unsere Arbeit schaffen könnten. Es gibt noch so vieles zu tun, um das Festmahl vorzubereiten.«

»Welches Festmahl?«, fragte Kyla.

»Das heutige Mahl Euch zu Ehren. Viele Würdenträger der Stadt werden hierher kommen, um Euch zu sehen und Euch Ihre Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen.«

Kyla drehte sich bei diesen Worten fast der Magen um. Sie schob den Rula-Sud von sich, den sie ohnehin nicht hatte trinken wollen.

»Dann wird das Festmahl eben ausfallen. Meine Verpflichtungen lassen es auch gar nicht zu, daran teilzunehmen.« Yola sah nun so enttäuscht aus, dass es Kyla beinahe leid tat, sie so vor den Kopf zu stoßen.

»Meine Zeit hier ist begrenzt«, erklärte sie. »Ich muss so bald wie möglich weiter reiten. Ich bin nur hier, um ...« Ja, wozu eigentlich? Kyla konnte natürlich schlecht sagen, dass sie nur hergekommen war, um wiejede andere junge Frau die Schönheiten der Stadt zu entdecken. Sie war nun einmal nicht wie andere Frauen ihres Alters. Hier, innerhalb der Undurchdringlichen Mauern, wäre sie das jedoch ganz gerne gewesen. Denn im Reiche Parailas waren Frauen ebenso angesehen wie Männer. Es waren sogar ausschließlich Frauen aus der Gallan-Familie, die über die Chyrrta hier herrschten. Und niemals hatten sie jemanden versklavt, soweit Kyla informiert war. Damals, als Kyla noch jenseits der Mauern gelebt hatte, hatte sie jedoch eine ganz andere Welt kennengelernt.

Dort waren die Frauen wie das Eigentum der Männer behandelt worden – und die junge Kriegerin war froh, kein solches Leben führen zu müssen. Sie wies sich also selbst zurecht und nahm es hin, dass sie dafür einen gewissen Preis zahlen musste. Es war um so vieles besser, hofiert zu werden, statt mit Körper und Seele jemandem dienen zu müssen. Vor allem war es ihr unerträglich, dass diese Sklavenhalter ihren Stand durch nichts weiter als ihrer geschlechtlichen Zugehörigkeit verdient hatten. Welcher Verdienst das eigentlich sein sollte, war Kyla ein Rätsel. Sicher, Männer zeugten Kinder – aber waren es denn nicht die Frauen, die die Nachkommen so lange in ihren Leibern trugen, bis diese lebensfähig waren? Und waren sie es nicht, deren Schöße zerfetzt wurden, wenn sie Töchter und Söhne gebaren? Viele von ihnen starben sogar dabei. Doch statt dies wertzuschätzen, wurden sie auf der anderen Seite der Mauern behandelt, als wären sie minderwertige Kreaturen. Kyla wurde zornig bei dem Gedanken. Nein, die Chyrrta von jenseits der Undurchdringlichen Mauern durften niemals Parailas Welt in ihre Gewalt bringen, denn dann wäre alles verloren, was die Gallan-Frauen aufgebaut hatten. Ihr Volk war zufrieden. Es war freundlich zueinander – auch wenn es hier ebenfalls Bedienstete und Arbeiter gab, die ihren Geldgebern gehorchen mussten. Doch es stand ihnen frei, sich nach anderen Stellen umzusehen. Niemand wurde hier wie Eigentum behandelt. Auch wenn der junge Mann, der am Morgen von dem Kaufmann ausgeschimpft worden war, das derzeit sicher anders sehen würde. Und doch war auch er frei – frei wie Kyla, die sich aussuchen durfte, wo sie am Abend speisen würde.

»Es bleibt dabei, dieses Festmahl wird nicht stattfinden. Vielleicht ein anderes Mal, bei einem anderen Besuch.«

Yola grollte offensichtlich, doch sie unterdrückte ihre Wut. »So soll es sein. Ein anderes Mal ...« Sie sah zu Lylha, die alles mit angehört hatte, und machte ihr eine Geste, dass sie verschwinden solle. Kyla bemerkte, dass die junge Frau gleichsam erleichtert wie besorgt aussah. Sie konnte sich denken, was in ihrem Kopf vor sich ging – und in dem von Yola.

»Ich wünsche, dass Lylha ihre Stelle hier behält! Du wirst keine finanzielle Einbuße durch ihren Ausfall erleiden«, stellte Kyla mit Nachdruck klar.

»Sie wird ihre Stelle behalten. Hauptsache, Ihr seid zufrieden, Kyla, Kriegerin der grünen Wasser.«

»Das bin ich, wenn du tust, was ich angeordnet habe. Bei Sonnenuntergang werde ich aufbrechen. Bitte sorge dafür, dass mein Pferd dann gesattelt bereitsteht.« Yola nickte und versprach es. Als Kyla wenig später über den Marktplatz ging, fragte sie sich, ob sie richtig gehandelt hatte. Es war gar nicht so einfach, alles so zu machen, dass jedem Genüge getan wurde. Langsam begriff sie, welch schwierige Aufgabe Paraila zu bewältigen hatte, von der bei jedem Sonnenlicht aufs Neue erwartet wurde, dass sie so überaus vielen Chyrrta gerecht wurde. Kyla hatte sehr wohl gespürt, wie gerne Yola ihr die Meinung gesagt hätte. Und zweifellos gab es auch Chyrrta, die nicht mit den Entscheidungen von Paraila einverstanden waren. Doch sie hatte noch nie so deutlich gemerkt, dass jemand der Herrscherin Widerworte hatte geben wollen, wie Yola es bei ihr tun wollte.

Die junge Kriegerin begriff, dass sie noch viel zu lernen hatte, wenn sie das Reich auch außerhalb der Palastmauern würdig vertreten wollte. Sie ging zwischen den Ständen hindurch, an denen verschiedene Waren feilgeboten wurden. Hier gab es nicht nur alles zu kaufen, was im Hause benötigt wurde, sondern auch Dinge, die die Sinne erfreuten. Duftwasser, kulinarische Köstlichkeiten, Schals mit eingewobenen Goldfäden, Spielzeug für die Kinder – aber auch wundersame Dinge für Erwachsene, deren Einsatzmöglichkeiten Kyla die Röte in die Wangen trieb. Gerade, als sie es endlich wagte, eines dieser absonderlichen Holzinstrumente in die Hand zu nehmen, spürte sie jemanden neben sich stehen. Rasch legte sie das glatt polierte Holzstück wieder zurück, ihre Hand schloss sich stattdessen um den Griff des mitgeführten Messers, als der Mann auch schon seine Worte an sie richtete.

»Kyla, Kriegerin der grünen Wasser? – Wie lange ist unser Treffen jetzt her? Es kommt mir vor wie Ewigkeiten!« Der Mann strahlte übers ganze Gesicht. Kyla konnte eine Reihe gelblicher Zähne zwischen einem dunklen Vollbart auftauchen sehen, bevor der Mann den Mund wieder schloss und sich verlegen am Kopf kratzte.

»Ich Narr stelle mich dir in den Weg, obwohl ich um deine Kampfkunst weiß, und bringe mich damit in Gefahr. Denn natürlich erinnerst du dich gar nicht mehr an mich. Du musst mich für einen Dieb, oder eine andere zwielichtige Gestalt halten.«

»Der Gedanke ist mir tatsächlich gekommen. Zudem halte ich dich für recht unverschämt, weil du mich so vertraulich ansprichst, als seien wir alte Freunde. Mag sein, dass du mein Gedächtnis diesbezüglich auffrischen musst, aber wie auch immer ... Es stimmt, meine Kampfkunst solltest du besser nicht unterschätzen.« Sie zeigte ihm das Messer, das sie bereits in der Hand hielt, um sich notfalls verteidigen zu können. Der Mann lächelte. »Ich unterschätze dich schon seit damals nicht mehr, als du nach Lam Olhana kamst.«

Endlich begriff Kyla, warum ihr die Gesichtszüge des Mannes bekannt vorkamen.

»Lopal! Du bist es!«

»Du kennst meinen Namen noch?«, wunderte er sich.

»Aber natürlich! Es war eine aufregende Zeit damals. Sie hat sich mir ganz besonders ins Gedächtnis gegraben.«

»Ich wünschte, es wären schönere Dinge gewesen, an die du dich zurückerinnern kannst.« Er sah sie unglücklich an. Kyla steckte das Messer ein. »Es gibt genügend schöne Erinnerungen, sorge dich nicht. Wenn du etwas Zeit hast, dann erzähle mir doch, was dich hierher geführt hat. Und wie es dir und den Bewohnern deines Dorfes inzwischen ergangen ist.«

»Das werde ich sehr gerne tun. Aber vielleicht sollten wir dafür einen ruhigeren Ort wählen.« Einige Marktbesucher drängten sich an ihnen vorbei und stießen sie dabei immer wieder an.

»Ich hörte von einem Wirtshaus in der Nähe, das recht gemütlich sein soll. ‘Handuls Schenke’, wenn ich mich recht entsinne.«

»’Handuls Schenke’? Ja, die ist mir bekannt. Eine gute Wahl!« Lopal deutete in die Richtung, in die sie gehen mussten. Kyla folgte ihm, bis sie vor dem Gebäude ankamen. Es war unscheinbar im Gegensatz zu dem Gasthaus, das nach ihr benannt worden war. Kyla schloss die Schenke sofort ins Herz und sah sich neugierig um, als sie sie betraten. Es war düster darin, aber auf eine angenehme Art.

Der Wirt hieß sie willkommen und erkundigte sich nach ihren Wünschen, als Kyla und Lopal an einem Tisch in der Ecke Platz genommen hatten. Kyla wusste bereits, was sie trinken wollte, denn auf einem Schild hatte sie gesehen, dass hier Blandur ausgeschenkt wurde – ein Bier, das in Tritam gebraut wurde und den Namen seines Braumeisters trug. Sie freute sich darauf, das alkoholische Getränk endlich probieren zu können. Kyla wusste, dass ihr Lehrer Hirlay eine Vorliebe für dieses Gebräu hatte. Einmal, kurz vor ihrer Abreise, hatte sie ihn angetroffen, als er dem Getränk über die Maßen zugesprochen hatte. Normalerweise war es ihr alter Lehrer gewesen, der stets wollte, dass sie ihm zuhörte, doch an diesem Abend hatte er ihr mit Interesse gelauscht, und wohl zum ersten Mal wirklich begriffen, welchen Verlust Kyla an dem Tag erlebt hatte, bevor sie Bahanda in wilder und auch reichlich törichter Wut zu einem Kampf auf Leben und Tod herausgefordert hatte. Hirlay hatte schließlich tief geseufzt und gesagt: »Die Verluste und die Schmerzen, die man durchleidet, bringen manchmal etwas Neues hervor. Oft ist es etwas, das wir nicht wollen. Eigenschaften, die uns innerlich zerfressen. Aber Verluste sind auch notwendig, um zu reifen ... um eine neue Richtung einzuschlagen.« Kyla – durch den engen Kontakt mit ihm mutiger geworden – hatte ihn gefragt, ob auch er einen Verlust erlebt hatte, durch den er eine neue Richtung eingeschlagen hatte.

»Ich wäre niemals Lehrer geworden, wenn es nicht ... einen Vorfall gegeben hätte.« Als er daraufhin schwieg, hatte Kyla sich nach dem besagten Vorfall erkundigt, doch egal wie viel Blandur Hirlay an dem Abend noch trank, er gab ihr darauf keine Antwort mehr, sondern war wieder in die Rolle des Lehrers geschlüpft. Er hatte ihr von den Sternen erzählt, die sie am Himmel sahen, und von den Pflanzen, die um sie herum wuchsen. Kyla hatte es schließlich aufgegeben.

Das Bier hatte ihr nicht alle Wahrheiten gebracht, die sie erhofft hatte, doch es jetzt mit Lopal zu genießen, kam ihr nur gerecht vor. Es machte sie beschwingt und frei – und Kyla fand, dass das durchaus akzeptabel war. Denn als sie sich das letzte Mal in Lam Olhana gesehen hatten, war dies ihre Feuerprobe als Kämpferin gewesen. Eigentlich hatte sie nur den Schmied Braylon aus diesem Dorf abholen sollen, doch dann war sie auf den einsamen Wächter Lopal getroffen, der völlig verzweifelt gewesen war, weil er sein Dorf nicht mehr gegen die Eindringlinge von außerhalb der Undurchdringlichen Mauern hatte schützen können.

Kyla hatte damals spontan entschieden, ihren eigentlichen Auftrag aufzuschieben und Lopal so gut zu unterstützen, wie es ihr möglich war. Wie sich herausstellte, war sie ihm eine große Hilfe. Sie hatte mit ihrem Geschick im Kampf und ihrer Entschlossenheit gezeigt, dass sie ihren Status als Kriegerin der Herrscherin absolut verdient hatte und ihren Aufgaben gewachsen war. Damals war sie jedoch noch ein Kind gewesen, und seitdem hatten Lopal und sie sich nicht mehr gesehen. Dass er sie trotz ihres Standes immer noch mit Du ansprach, fand Kyla nur gerecht. Nun, da sie bei einem Bier zusammensaßen, und der Wächter sie immer wieder lächelnd betrachtete, als könne er diesen Zufall noch nicht ganz fassen, fragte Kyla: »Ähnle ich dem Kind von einst so sehr, dass du mich sofort erkannt hast?«

»Was? Nein, keineswegs! Aus dir ist eine schöne und stolze Frau geworden – ganz so, wie ich es mir schon dachte. Doch dass ich dich erkannte, ist wohl kaum ein Wunder in dieser Stadt, meinst du nicht auch?« Er lächelte nun mit mildem Spott.

»Ich verstehe nicht ... Warum ist es kein Wunder in dieser Stadt? Ich war zuvor noch nie hier.«

Lopal nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Krug und stellte ihn dann ab. Jetzt hatte er beide Hände frei und wies damit auf die Wände zu ihrer rechten und linken Seite. Kyla folgte der Geste mit ihrem Blick, verschluckte sich vor Schreck am Bier und hustete heftig. Lopal wartete, bis sie sich wieder beruhigt hatte und sagte dann grinsend: »Ist dir bisher noch nicht aufgefallen, dass es hier überall Gemälde von dir gibt? Die Chyrrta dieser Stadt verehren dich. Zugegeben, die Bilder weichen ein wenig von der Realität ab, doch ich habe dich sofort erkannt. Und das werden ganz sicher auch noch andere Stadtbewohner tun. Sei also darauf gefasst, dass man dich hier mit Geschenken und Wohlwollen überhäufen wird.«

»Der Händler, bei dem ich ein Duftwasser erstand, hat mir dennoch sehr gerne mein Geld abgenommen – und nicht gerade wenig, wie ich wohl anmerken darf. Wenn er mich erkannt hat, dann wusste er das gut zu überspielen.« Nun lachte Lopal. »Die Händler sind ein ganz eigenes Völkchen. Die müssen immer auf Profit aus sein, sonst werden sie ganz schnell zum Verräter ihrer eigenen Zunft. Und glaube mir, sie sind blind für das Aussehen ihrer Kunden, denn es ist einzig und allein deren Geld, das sie im Blick haben.«

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