Kitabı oku: «Kyla – Kriegerin der grünen Wasser», sayfa 4

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Die junge Kriegerin überlegte, dann sagte sie: »Ja, wenn du etwas zu schreiben für mich hättest, damit ich eine Botschaft schicken kann, wäre das vortrefflich.«

Er öffnete eine Schublade und zog daraus einen Bogen Papier und eine Schreibfeder samt Tintenfass hervor. Kyla dankte ihm und verfasste eine Nachricht an Paraila, in der sie ihr von ihrem Besuch in dem Bücherladen berichtete. Sie informierte sie darüber, dass Quyntyr offenbar nicht versucht hatte, seine Bücher hier zu Geld zu machen. Und sie teilte ihr mit, sie würde sich in den umliegenden Dörfern nach ihm erkundigen, weil sie vermutete, dass er in einem preiswerten Gasthof oder auch bei einfachen Leuten, die sich ein paar Münzen verdienen wollten, Unterschlupf gesucht hatte. Kyla verabschiedete sich von dem alten Mann, nahm ihr Buch samt Karte und verließ das Geschäft. Schon an der nächsten Ecke fand sie einen Boten, der in ihrem Namen die Nachricht zum Palast bringen würde. Der Mann ritt auf einem alten Pferd, das die Strecke schon mehrfach bewältigt hatte, laut dem Boten jedoch etwas länger als üblich benötigte. Kyla lobte ihn für seine Ehrlichkeit und beruhigte ihn, indem sie ihm versicherte, die Botschaft sei nicht ganz so eilig. Natürlich würde Paraila das anders sehen, aber Kyla beruhigte der Gedanke, dass sie auf diese Art Zeit gewann.

Zufrieden schlenderte sie durch die Straßen der Stadt und beobachtete erneut ein paar Glinthas, die geradezu räuberisch über einen Brotstand herfielen. Der Verkäufer versuchte sie abzuwehren, indem er mit den Armen fuchtelte und die Vögel anschrie. Das Ergebnis war, dass die Tiere hektisch einige Brotlaibe mit ihren Schnäbeln zerhackten und auf anderen vor Schreck ihre Exkremente fallen ließen.

Kyla verging der Appetit auf Brot vorerst. So schön das Gefieder der Glinthas auch anmuten mochte, Kyla verstand, warum die Bewohner von Tritam sie als Plage ansahen und gleich in Massen verbrannten. Dennoch war sie froh, dieses Schauspiel nicht mit ansehen zu müssen. Sie wollte sich gerade auf den Rückweg zum Gasthaus machen, als sie den Blick eines jungen Mannes bemerkte. Ein schlaksiger Kerl mit einem Bart, der an manchen Stellen bereits prächtig spross, an anderen jedoch nur Flaum zustande brachte. Der Mann sah Kyla an und wagte es sogar zu lächeln, als sie zurückblickte. Kylas Hand ging zum Griff ihres Messers. Zwar wirkte ihr Beobachter harmlos, doch der Schein trog oft, wie sie inzwischen wusste. In Kämpfen wurden die zarten Männer oft eingesetzt, um die größten Schäden anzurichten. Der Feind nutzte es, dass man denen, die schwächlich aussahen, nicht zutraute, vernichtend zuzuschlagen – und viele Kämpfer hatten ihre Fehleinschätzung schon mit dem Leben bezahlt. Kyla hingegen war immer auf der Hut und bereit, auch diejenigen zu töten, die ihr lächelnd die Kehle durchschneiden wollten. Der Jüngling kam näher. Er senkte den Blick und deutete eine Verbeugung an.

»Was möchtest du? Sprich!«, wies sie ihn an. Nun, da er die Erlaubnis hatte, blickte er ihr wieder in die Augen und seine Wangen erröteten.

»Ihr seid Kyla, Kriegerin der grünen Wasser, habe ich recht?«

Kyla nickte. Sie hoffte, dass die Chyrrta in ihrer Nähe ihn nicht gehört hatten.

»Es ist so eine Ehre, auf Euch zu treffen! Und Euch Dank zu sagen.«

»Dank ist nicht notwendig. Ich schütze Parailas Volk, weil es meine Bestimmung ist.« Der junge Mann sah kurz verwirrt aus, dann lächelte er etwas unbeholfen.

»Verzeiht, dass ich mich so schwer ausdrücke. Es ist ... ich bin es nicht gewohnt, mit Chyrrta von so hohem Rang umzugehen. Ganz im Gegensatz zu meiner zukünftigen Braut, die Euch schon so lange am Palast dienen darf. Dafür, dass Ihr sie immer gut behandelt habt, wollte ich Euch ganz besonders danken.«

Kyla hatte keine Ahnung, von wem er sprechen könnte. Einen schrecklichen Moment lang glaubte sie, er könne Lanari meinen – doch wie sollte das möglich sein, da diese ja Tondha erwählt hatte? Der junge Mann bemerkte Kylas Ratlosigkeit, mit einem abermals scheuen Lächeln erklärte er: »Eure Dienerin Tari ist meine Verlobte. Sie hat ihre Ausbildung zur Dienerin erfolgreich beendet und wird hierher nach Tritam kommen. Ich bin sehr glücklich, dass sie hier Arbeit gefunden hat.«

Kyla war von diesen Neuigkeiten völlig überrannt. Warum hatte man ihr gar nichts davon gesagt? Andererseits war ihr Aufbruch sehr überstürzt gewesen. Dennoch, dass Tari sie verlassen würde, war sicher schon länger geplant. Und vermutlich stand bereits eine andere junge Frau bereit, um ihre Stelle zu übernehmen. Hatte Paraila nie darüber nachgedacht, dass sie in dieser Hinsicht gerne ein Wörtchen mitreden würde? Immerhin erhielt eine Dienerin einen sehr intimen Einblick in ihr Leben, und Kyla wünschte sich daher, bei solchen Entscheidungen zumindest einbezogen zu werden. Der junge Mann betrachtete sie eingehend. »Ihr habt gar nicht gewusst, dass Tari Euch verlässt«, schlussfolgerte er schließlich.

»Das stimmt. Ich wusste es nicht.« Kyla ärgerte sich maßlos, dass sie so eine wichtige Nachricht nie erhalten hatte, doch der Jüngling nickte nur wissend.

»Es ist Galynda. Sie organisiert alles, aber sie behält Dinge auch gerne für sich.«

»Galynda? Aber warum sollte sie mir so etwas verschweigen? Es gibt doch keinen Grund dafür, denn ich erfahre es ja ohnehin.«

»Das weiß ich nicht. Von Tari weiß ich nur, dass Galynda oftmals sehr geheimnisvoll tut, und sie froh ist, die Zeit im Palast nun hinter sich zu haben.«

Er wurde tiefrot, als ihm klar wurde, dass er damit auch Kyla indirekt beleidigt hatte.

»Verzeiht mir bitte! Ich spreche oft, ohne vorher zu denken. Tari wirft mir das immer wieder vor. Und sie ist so viel gewandter als ich, was Sprache angeht.«

So sehr Kyla auch nachdachte, ihr fiel keine Gelegenheit ein, bei der Tari von dieser Fähigkeit in ihrer Gegenwart Gebrauch gemacht hatte. Aber das war auch nur zu verständlich, denn ihrer Herrin gegenüber hätte sie ganz gewiss niemals großartig das Wort ergriffen. Außerdem hatte Galynda stets über alles entschieden, und Tari – als lernende Dienerin – hatte auch deren Befehle stets befolgt, ohne nur einmal zu murren.

Es war sicher nicht immer leicht für sie gewesen. Kyla erinnerte sich, wie oft die junge Tari hatte ausharren müssen, nur weil Galynda alles perfekt haben wollte. Selbst Kyla war ab und an deswegen in Ungeduld geraten. Doch Tari hatte sowohl ihr als auch ihrer Ausbilderin gehorchen müssen. Kein Wunder, dass sie sich freute, dass die Zeit im Palast bald hinter ihr lag. Kyla tat es nur leid, dass sie sich nicht persönlich von ihr würde verabschieden können. Sie blickte sich um und sah einen Stand mit den farbenprächtigsten Tüchern, die sie je zu Gesicht bekommen hatte.

»Warte einen Moment«, wies sie den jungen Mann an, ging zu dem Stand und kaufte ein Tuch, das zu Taris blauen Augen passen würde. Sie ging zum Verlobten ihrer Dienerin zurück und reichte ihm das Tuch. »Bitte gib dies Tari als Geschenk von mir. Und richte ihr meinen Dank für ihre treuen Dienste aus. Sie hat ihre Sache hervorragend gemacht, und ich wünsche euch eine glückliche Ehe mit zahlreichen Kindern.«

Der junge Mann strahlte. »Habt Dank! Tari wird außer sich vor Freude sein, wenn ich ihr von unserem Treffen berichte.« Kyla lächelte und verabschiedete sich dann.

Während sie zum Gasthaus zurückging, dachte sie darüber nach, ob sie selbst sich über einen solchen Wunsch freuen würde: eine glückliche Ehe mit zahlreichen Kindern. Nein, das war es ganz gewiss nicht, was sie sich ersehnte, und sie flehte stumm, dass ihre körperliche Zusammenkunft mit Quyntyr nicht dafür gesorgt hatte, dass in ihrem Körper ein Kind heranwuchs. Sie horchte in sich, aber ihr war klar, dass sie so keine Gewissheit erlangen würde. Diese käme erst mit ihrer nächsten Blutung. Kyla hatte sich noch nie im Leben so sehr gewünscht, das verhasste Blut zwischen ihren Schenkeln zu sehen, wie in diesem Augenblick. Doch auch bis dahin würde es noch dauern – und solange galt es, Ruhe zu bewahren, denn es gab nichts Schlimmeres, als eine kopflose Kriegerin, die sorgenvoll in die Zukunft blickte, während um sie herum vielleicht schon Dinge geschahen, die sie verhindern musste.

2. Kapitel

Die Sonne stand bereits tief und ließ Tritam abermals in kräftigem Gold und Kupfer erstrahlen. Das Treiben auf dem Markt hatte sich beruhigt, die Straßen der Stadt waren jedoch noch voller Chyrrta. Kyla führte Golan am Zügel und wollte sich nicht länger aufhalten lassen, auch wenn ihre Neugier immer noch sehr groß war, mehr über das Leben hier zu erfahren. Ihr war klar, dass sie nur wenig von Tritam gesehen hatte – viel zu wenig, wie sie begriff, als sie mitbekam, wie ein Neuankömmling von einer Einheimischen in Kenntnis gesetzt wurde, was zu sehen sich lohnte. Sie würde einen zweiten, wesentlich längeren Besuch ins Auge fassen. Doch nun galt es, sich so schnell wie möglich auf den Weg zum Berg Ultay zu machen.

Als Kyla das Stadttor passierte, grüßte der Wachmann, der sie auch willkommen geheißen hatte, und wünschte ihr eine sichere Reise. Vermutlich hätte er dieser Floskel mehr Gewicht verliehen, wenn er geahnt hätte, was sie vorhatte. Doch niemand wusste darüber Bescheid, außer Paraila und Quyntyr, der sogar ihr Ziel vorgegeben hatte.

Es war seltsam, die beiden Namen auf diese Art in Verbindung zu bringen. Denn so sehr wie Quyntyr Paraila liebte, so sehr hasste die Herrscherin ihn. Und nur Kyla kannte die Wahrheit darüber, denn sogar die beiden Chyrrta selbst ahnten nichts von den starken – und gegensätzlichen – Gefühlen des jeweils anderen.

Kyla kam zu dem Schluss, dass die Dinge sich oftmals sehr eigenartig entwickelten. Am Brunnen vor dem Tor füllte sie ihre Flaschen und ließ Golan an der Tränke solange trinken, bis er genug hatte. Dann schwang sie sich in den Sattel und trieb ihn an, damit er die Berge hinaufstieg, die sie aus dem Talkessel hinausführten, in dem die Stadt Tritam erbaut worden war.

Ein langer Weg lag vor ihnen, und langsam brach die Nacht herein. Kyla ritt gemächlich, denn Golan würde seine Kraft benötigen, falls ihnen eine Bande gefährlich werden sollte. Sie wusste, dass sie ganz auf sich gestellt war. Es war längst dunkel, als sie in den Wald hineinritt, der der letzte vor der großen Einöde war. Obwohl es in jedem Busch zu rascheln schien, und hinter jedem Baumstamm ein Feind lauern konnte, fühlte Kyla sich hier wohl. Es erinnerte sie an ihre Kindheit – die Zeit, bevor sich alles so sehr verändert hatte.

Niemals hätte sie damals geglaubt, vom Volk als eine Anführerin betrachtet zu werden. Es war die Zeit gewesen, als sie andere Chyrrta nur vom Sehen und Belauschen gekannt hatte. Nun erkannten sie so viele, dass sie sich selbst oft genug unter Beobachtung fühlte. Doch hier, inmitten des düsteren Waldes, spürte Kyla ihre Verbundenheit mit der Natur. Sicher, diese war nicht immer gut zu ihr gewesen – und doch hatte sie ihr Schutz geboten, den Kyla damals so dringend benötigt hatte. Auch jetzt hüllte sie sie ein und schien sie mit ihren dunklen Geheimnissen liebevoll zu umarmen. Golans Hufe waren auf dem erdigen Boden nur gedämpft zu hören. In der Nähe gab ein Firi seinen typisch trällernden Ton von sich. Kyla erinnerte sich daran, wie sie so einen Vogel getötet und verspeist hatte. Lang war es her, dass sie ihre Zähne in den noch warmen weichen Körper eines solchen Tieres gegraben hatte. Nun konnte sie sich nicht mehr erinnern, warum er ihr so gut geschmeckt hatte, denn alleine schon bei dem Gedanken daran wurde ihr übel. Und doch war sie sich sicher, dass sie es wieder würde erlernen können, wenn sie dazu gezwungen sein sollte.

Was ihr mehr Sorgen bereitete, war die Tatsache, dass sie diesen Wald schon bald verlassen musste, um ihren Weg über ungeschütztes, offenes Gelände fortzusetzen. Das einzige, was dort den Aufzeichnungen nach existierte, waren kurze Gebirgsketten, in denen die Banden ihren Unterschlupf hatten und Opfer schon von weitem erspähten. Ihnen blieb so genügend Zeit, sich aufzustellen, damit ihnen niemand entkam, den sie ins Visier genommen hatten.

Noch bevor die Sonne wieder aufging, wurden die Bäume lichter, und schließlich ließ Kyla den Wald hinter sich. So früh hatte sie gar nicht damit gerechnet, doch sie wollte keine Rast machen, nur um das Tageslicht abzuwarten, denn der Weg war auch so noch weit genug. Golans warmer Körper und sein gelegentliches Schnauben spendeten ihr Trost. Was auch immer nun geschehen würde, solange er bei ihr war, wäre sie nicht einsam. Am liebsten hätte Kyla ihr Pferd angetrieben, um die gefährliche Strecke so rasch wie möglich hinter sich zu bringen. Aber ihr war klar, dass das ebene Gelände sich dafür über einen zu großen Raum erstreckte. Golan würde auf keinen Fall so lange durchhalten können. Also hielt sie sich selbst dazu an, Ruhe zu bewahren, und den Weg in gemäßigtem Tempo zu bewältigen. Wenn Gefahr drohte, würde Golan noch früh genug an seine Grenzen gebracht werden.

Während sie dahin ritt, blickte Kyla ab und zu in den Sternenhimmel. Die kleinen, glänzenden Punkte gaben ihr ebenso Kraft wie Golan. Es tat gut, diese Begleiter zu haben. Manchmal ließ sie Golan anhalten, um in die Dunkelheit zu lauschen. Dann ritt sie weiter und versuchte, nicht darüber nachzudenken, dass sie schon bald das erste Gebirge passieren musste. Es waren große Felsmassive, die sich gegen den etwas helleren Himmel abhoben. Eine recht enge Passage gab den Weg zum dahinterliegenden Land frei. Die Felsen erstreckten sich, soweit man blicken konnte. Kyla griff zur Wasserflasche und nahm ein paar Schlucke.

Dann hielt sie ihr Pferd an, stieg ab und ließ Golan Wasser aus ihrer gewölbten Hand trinken. Sie wusste, dass er bald mehr brauchen würde, aber in der Dunkelheit wollte sie nicht riskieren, längere Zeit auf einem Fleck zu verweilen. Nachdem sie die Flasche wieder verstaut hatte, stieg sie auf Golans Rücken und trieb ihn an, schneller zu laufen. Das Gebirge war schon bald unmittelbar vor ihr. Kylas Herz schlug hart gegen ihre Rippen. Mit der Hand griff sie nach dem Heft ihres Schwertes. Sie passierte den engen Durchlass. Im Dunkeln konnte sie nicht sehen, wie nah die Felsen zu beiden Seiten waren, doch Golans Hufgeräusche hallten von den Wänden wider. Es war irritierend und übertönte jeden anderen Laut. Die junge Kriegerin spitzte die Ohren und ihr war, als würde sie etwas hören – jemanden. Sie zog ihr Schwert, doch bereits im gleichen Augenblick wurde sie vom Pferd gerissen. Der Aufprall war hart, Kyla rang nach Atem. Golan wieherte laut – er stieg. Dann ein Schrei, der abrupt verstummte. Kyla versuchte in der Schwärze der Nacht zu erkennen, was geschehen war. Neben ihr bäumte sich etwas auf, erneut stieg Golan in die Höhe.

»Tötet das Pferd! Es wird uns noch alle umbringen!«, schrie nun einer der Angreifer. Kyla sprang auf die Füße und hieb mit ihrem Schwert nach den Männern, die auf Golan zustürmten. Sie konnte sie nicht sehen, aber die Trainingseinheiten mit Quyntyr, in denen er ihr die Augen verbunden hatte, zahlten sich nun in der Tat aus. Sie spürte in die Dunkelheit hinein und schwang ihr Schwert mit überraschender Präzision, wie die Schreie und erstickten Laute ihrer Gegner bewiesen. Golan setzte sich ebenfalls zur Wehr, wenn ihm jemand zu Nahe kam. Niemals hatte Kyla damit gerechnet, in ihm einen wirklichen Mitkämpfer zu haben, doch das Pferd schlug offenbar so manchen Angreifer mit seinen schweren Hufen zu Boden.

Vermutlich brach er ihnen die Schädel, doch Kyla hatte kein Mitleid. Diese Bande hätte sowohl ihr Pferd als auch sie selbst getötet, wenn sie ihnen die Gelegenheit dazu gegeben hätten. Erst als Stille einkehrte, ließ Kyla das Schwert sinken. Sie stand da und atmete schwer. Dann hielt sie den Atem an – das schwere Atmen blieb. Plötzlich wollte sich ein scharfer Gegenstand durch Kylas Stiefel bohren, doch das Leder war dick genug und der Angreifer so schwach, dass er sie nicht ernsthaft verletzte. Sie hob ihr Schwert und stieß die Klinge in den Körper des am Boden liegenden Feindes. Das fremde Atmen erstarb. Nun rang nur noch Kyla nach Atem, und Golan schnaubte von Zeit zu Zeit.

»Warum haben wir uns nur auf diesen Weg gemacht?«, fragte sie und tätschelte in der Düsternis Golans Schulter. »Bist du verwundet?« Sie tastete über den mächtigen Pferdekörper und lauschte auf Golans Atmung. Auch er schien immer noch aufgeregt zu sein, aber unversehrt.

»Und das ist erst der Anfang unserer Reise. Bis die nächste Dunkelheit hereinbricht, werden wir aber voraussichtlich am Berg Ultay sein. Und damit hoffentlich in Sicherheit.« Golan wieherte leise, als wolle er zustimmen. Kyla steckte das Schwert zurück. Es war besser, diesen Ort zu verlassen, bevor gefährliche Tiere vom Blutgeruch angezogen wurden.

Sie brachten die Enge ohne weitere Zwischenfälle hinter sich. Endlich war es Kyla wieder möglich, die Sterne am Himmel zu sehen. Wie Hirlay es ihr beigebracht hatte, orientierte sie sich daran, um so auf den entfernten Berg Ultay zuzusteuern. Die Weite des Landes machte die Umgebung auf wundersame Art ein wenig heller. Langsam aber stetig bewegten Golan und Kyla sich voran. Die nächsten Berge durchritt sie mit einem mulmigen Gefühl, doch sie ließen die Gesteinsmassive hinter sich, ohne angegriffen zu werden, dabei war der Weg hindurch gut doppelt so lang wie der zuvor. Kyla schöpfte neuen Mut, als der Horizont heller wurde. Schon bald würde die Sonne aufgehen und ihr damit ein Gefühl der Sicherheit geben. Sie wusste, dass es trügerisch war, denn auch das Tageslicht würde ihr nichts nutzen, wenn sich Feinde in einem Hinterhalt versteckten. Und einen Nachteil brachte das Sonnenlicht sogar mit sich: Golan und sie selbst würden mehr Durst haben, als in der ungleich kühleren Nacht. Doch darum würde sie sich Gedanken machen, wenn es soweit war. Es war besser, ein Problem nach dem anderen zu lösen. Auch diese Weisheit hatte sie von Hirlay erworben.

Der alte Lehrer fehlte ihr. Sein Wissen, seine Ruhe und seine tiefe Zuversicht, dass die Dinge sich stets so entwickelten, wie es vorherbestimmt war, fehlten ihr nun schmerzlich. Sie selbst konnte diese Art von Schicksalsergebenheit nämlich nicht empfinden, so sehr sie sich auch bemühte.

Hirlay war der Meinung, dass jedes Lebewesen einem Plan unterstellt war, der auch unter widrigsten Umständen eingehalten wurde. Sich selbst nahm er gerne als Beispiel, da er als junger Mann so viele Krankheiten hinter sich gebracht hatte, und am Ende doch der alte Lehrer geworden war, der er – seiner Meinung nach – schon von Beginn seines Lebens an hatte werden sollen. Und auch Quyntyr sah er gerne als Beweis dafür, dass jeder sich in die Richtung entwickelte, die ihm vorherbestimmt war. Denn in ihm sah er einen Benachteiligten, der aus seiner körperlichen Schwäche eine Stärke gemacht hatte. Kyla sah das anders. Sie hatte eher das Gefühl, dass Quyntyrs Fähigkeiten im Kampf ihm nur eine vorgespielte Kraft gaben. In Wahrheit war er so verletzlich wie kaum jemand, den Kyla bislang kennengelernt hatte. Er war gebrochen worden – mehr als einmal. Und zuletzt hatte sie ihm diesen Frevel angetan. Vielleicht war das der wahre Grund, warum sie sich auf diesen gefährlichen Weg gemacht hatte. Es war ihre Art der Buße.

Als die Sonne begann, ihre Wärme über dem Land zu verteilen, hielt Kyla Golan an. Sie ließ sich von seinem Rücken gleiten und suchte aus den Satteltaschen das Tongefäß, das sie auf dem Markt in Tritam erstanden hatte. Dann nahm sie eine der mit Wasser gefüllten Flaschen und goss einen guten Teil in das Gefäß, um es schließlich vor Golan zu stellen.

»Trink langsam, mein Freund, unser Vorrat ist bescheiden.« Sie kam ihrer Mahnung selbst nach, als sie sich die Flaschenöffnung an die Lippen setzte und nur wenige Schlucke trank. Gerade als sie sie wieder sinken ließ, fiel ihr eine Staubwolke zu ihrer Rechten auf.

Kyla blickte in die andere Richtung, und auch von dort näherten sich Gestalten. Sie kamen zu Fuß, wohl in Ermangelung von Pferden. Natürlich, in diesem Gebiet war es beinahe unmöglich, den Wasser- und Futterbedarf eines Pferdes zu decken. Golan war auch ihr Rettung und Mühsal zugleich. Doch an Letzteres wollte sie nicht denken, denn er war ihr Gefährte, der sie nicht nur vor Feinden retten konnte, sondern auch vor dem Gefühl der Einsamkeit. Abermals sah Kyla in beide Richtungen. Dieser geplante Überfall würde wohl kaum zur Gefahr für sie werden. Die Angreifer waren noch weit genug entfernt und bewegten sich im Vergleich zu einem galoppierenden Pferd geradezu kriechend fort. Aber sie kamen näher.

»Zeit für uns, die kleine Pause zu beenden«, sagte Kyla gerade an Golan gerichtet, als ihr klar wurde, dass die Angreifer sie nicht nur von beiden Seiten in die Zange nehmen wollten, sondern auch von vorne eine Gruppe Männer auf sie zukam. Um keinem von ihnen in die Arme zu laufen, blieb also nur der Weg nach hinten. Einen Rückzug schloss Kyla jedoch vollkommen aus. Sie musste dieses Gebiet passieren – und das um jeden Preis.

Die Feinde schienen dies zu wissen, denn sie steuerten beharrlich auf sie zu. Zahlenmäßig waren sie ihr um ein Vielfaches überlegen, und wie ihre Waffen beschaffen waren, konnte Kyla noch nicht erkennen. Sie ging jedoch davon aus, dass sie recht primitiv waren. Dennoch, wenn genügend Männer bereit waren, sich ihr mit minderwertigen Waffen in den Weg zu stellen, dann würden ihr auch rostige Klingen und stumpfe Dolche nur zu schnell zum Verhängnis werden können.

Wenn sie nicht töricht sein wollte, blieb ihr wohl doch nur der Rückzug. Sie könnte den Männern problemlos entkommen, wenn sie nun die Richtung einschlug, aus der sie gekommen war. Aber dann wäre zweifellos auch ihre Reise zum Berg Ultay beendet – und das war nicht akzeptabel! Vielleicht war es dumm gewesen, alleine hierher zu kommen. Doch wer wäre bereit gewesen, an ihrer Seite zu sein und sich den Entbehrungen und Gefahren in der Einöde auszusetzen? Lopal vielleicht? Er hatte Frau und Kind – zudem hatte er so lange im Dorf Lam Olhana ausgeharrt und sein Leben aufs Spiel gesetzt, dass er es sich redlich verdient hatte, nun die Annehmlichkeiten und den Schutz der Stadt zu genießen. Oder hätten die Reiter der Herrscherin sie begleiten sollen? Das hatte Paraila nicht gewollt, ansonsten hätte sie Kyla nicht alleine auf die Suche nach Quyntyr geschickt.

Die Feinde kamen unaufhaltsam näher. Golan wurde unruhig. Kyla spürte, dass er sich umwenden wollte, doch sie hinderte ihn nachdrücklich daran. Stattdessen entschied sie, einer der Gruppen entgegen zu reiten, um zumindest für kurze Zeit einer begrenzten Zahl von Gegnern gegenüberzustehen. Mit ruhiger Stimme sagte sie an Golan gerichtet: »Wenn wir schon unser Leben lassen müssen, werden wir es im Kampf tun. Denn wenn wir jetzt fliehen, bin ich keine Kriegerin mehr, und du nicht das Ross einer solchen. Und was wären wir dann noch? Wir können unser Leben verlieren, aber nicht unseren Stolz. Geh voran, Golan! Jetzt ist unsere Zeit.«

Langsam aber stetig bewegten sie sich auf die Männer zu, die ihnen entgegenkamen. Ab und an blickte Kyla zu den Seiten und konnte verfolgen, wie auch die Feinde zu ihrer Rechten und Linken sich immer weiter auf sie zubewegten. Kyla zog ihr Schwert. Die Angreifer hoben ihre Waffen. Einer von ihnen kam frontal auf sie zu. Im Schein der Sonne funkelte die Schneide seines Schwertes auf – ein Schwert, ganz ähnlich wie das, welches sie selbst in Position brachte, um seinen Angriff parieren zu können. Doch plötzlich löste sich die Gruppe der Männer auf, die ihr entgegenkam. Sie verteilten sich zu den Seiten, stießen Schreie aus und stürzten sich auf die anderen Angreifer, die Kyla und Golan bedrängten.

Nicht im Entferntesten hatte Kyla diese Wendung kommen sehen. Drei Gruppierungen hatten sich ihr genähert, doch offensichtlich waren es untereinander verfeindete Banden. Es war ihr schon vor ihrem Aufbruch bekannt gewesen, dass die verschiedenen Lager sich gegenseitig bekämpften. Doch das waren Vorgänge, von denen sie geglaubt hatte, sie höchstens aus der Ferne zu beobachten. Nun befand sie sich jedoch inmitten einer solchen Schlacht und konnte nicht entkommen, es sei denn, sie ritt in die falsche Richtung. Das Schicksal trieb wahrlich ein seltsames Spiel ...

Kyla blickte sich um. Überall wurden Arme gehoben, Waffen gestoßen und geschwungen. Auch verbogene Klingen ohne Griffe, rostige Äxte und großgliedrige Ketten wurden als Waffen benutzt. Das Metallgerassel war ohrenbetäubend. Wann immer es einem der Angreifer gelang, einen anderen zu Boden zu bringen, brach Gejohle aus, das Kyla wie das Heulen wilder Tiere vorkam.

Hier wurde nicht mit Geschick gekämpft – niemand hatte diese Männer unterrichtet. Blanke Gewalt und blinder Körpereinsatz ließen die Schlacht zum puren Gemetzel werden. Der Mann, der frontal auf sie zugekommen war, verharrte jedoch reglos vor Golan, während neben ihm Körper zu Boden sanken. Blut spritzte umher, ein paar Tropfen trafen Kyla im Gesicht, doch auch sie war reglos. Ihr Blick war auf die Augen des Mannes gerichtet, der sie ebenfalls ins Visier genommen hatte. Wie seine Waffe, so sah auch er anders aus, als die Männer, mit denen er gekommen war.

Er hatte offenbar schon viele Sommer gesehen. Sein Gesicht war zerfurcht, die Haut fast schon ledrig. Ein grauer Bart bedeckte teilweise das Antlitz des Mannes. Von Gestalt war er außergewöhnlich groß und breitschultrig, sodass seine Stärke und sein Alter nicht zusammen zu passen schienen. Es war seltsam, diesen bereits betagten und verharrenden Mann inmitten der jungen, haltlos kämpfenden Männer zu sehen. Kyla schätzte, dass er mindestens dreimal so lange gelebt hatte wie sie selbst.

Doch er war nicht gebückt, wie sie es von vielen älteren Chyrrta kannte. Im Gegenteil: Er schien immer noch ein wahrer Hüne zu sein. Seine Kleidung war schlicht und zweckmäßig für einen Kämpfer, und obwohl sie teilweise zerrissen war, strahlte der Mann eine Würde aus, die Kyla tief beeindruckte.

Der Mann wich nicht einmal zur Seite, als einer seiner Begleiter unmittelbar neben ihm stöhnend zu Boden fiel. Kyla sah, dass der Verletzte sich wand und seine Hand ausstreckte, um nach dem Bein des alten Mannes zu greifen. Immer wieder bewegten sich seine Lippen, als würde er ihn um Hilfe anflehen.

Kyla wusste, dass niemand diesem Todgeweihten mehr helfen konnte, doch wenigstens einen Blick könnte der Alte ihm doch schenken, wenn der Sterbende so darum bettelte. Doch der Mann ließ seine Augen nur auf Kyla ruhen und wandte keinen einzigen Moment lang die Aufmerksamkeit von ihr ab. Eine Staubwolke, die durch die Kämpfe aufgewirbelt worden war, traf Kyla und hüllte sie ein. Golan wurde unruhig, doch er blieb auf der Stelle stehen.

Die junge Kriegerin musste kurz die Augen schließen, um sie vor den Sandkörnern zu schützen. Als sie die Lider wieder öffnete, erkannte sie gerade noch, dass der Mann, der ihr bislang reglos gegenüber gestanden hatte, nun auf sie zu preschte. Er hatte die Hand mit dem Schwert erhoben, doch er würde nicht sie treffen, sondern ihr Pferd. Vermutlich wollte er seine Gegnerin auf diese Art wehrlos machen und ihr dann im Kampf einen tödlichen Schlag versetzen. Möglicherweise wollte er sie jedoch auch gefangen nehmen, damit sie ihm und seinen Männern zu Willen sein musste.

Der Gedanke war so erschreckend, dass Kyla einen Augenblick lang Panik befiel. Sie beschwor sich selbst, einen kühlen Kopf zu bewahren. Zunächst galt es, den Angriff des Mannes abzuwehren, bevor er Golan verletzen konnte. Also ließ sie sich so schnell wie möglich vom Rücken des Pferdes gleiten. Nun war das Schwert des Mannes auf ihrer Kopfhöhe, und ihr blieb kaum noch genügend Zeit, das ihre zu heben. Sie riss es hoch, doch ihr war klar, dass der Winkel nicht mehr ausreichen würde, den Angriff zu verhindern.

Um sich selbst retten zu können, hätte sie Golan opfern müssen – doch dazu war sie nicht imstande gewesen. Eine Schwäche, die sich nun furchtbar rächte. Sie fragte sich, ob es sehr schmerzen würde, wenn der Gegner ihre Kehle mit dem Ort seines Schwertes durchstach. Oder war der Schmerz nur von kurzer Dauer und wurde rasch vom vergleichsweise gnädigen Tod abgelöst? Einen Wimpernschlag später würde sie es wissen. Doch dann sah sie eine weitere Bewegung – ein zweites Schwert tauchte in ihrem Blickfeld auf, es war breit und geradezu grotesk verbogen. Dennoch, es würde jeden Augenblick ihren Hals treffen. Dieser seitliche Angreifer wollte ihr offenbar den Kopf vom Rumpf trennen.

Kyla wurde sich bewusst, dass sie also so oder so sterben würde. Ihr letzter Gedanke galt Lanari, von der sie sich nicht einmal richtig verabschiedet hatte. Hätte sie es doch nur getan ... Nun kam das Bedauern zu spät. Ein metallenes Geräusch klirrte in Kylas Ohren; das verbogene Schwert flog durch die Luft und landete auf dem sandigen Boden.

Das zweite Schwert wurde weggezogen, und nun schrie der bärtige Mann sie an: »Verteidige dich! Hilf uns, die Feinde zu bekämpfen! Wir sind in der Unterzahl und nur hergekommen, um dich zu schützen. Wenn du wahrhaft Kyla – die Kriegerin der grünen Wasser bist, dann wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, deine Künste zu beweisen!« Kaum hatte er das gesagt, wandte er sich um und lief in eine Gruppe hinein, die einem der seinigen Männer ihre stumpfen Waffen in den Leib bohrten.

Der Bärtige hob das Schwert, mit dem er Kyla nur kurz zuvor das Leben gerettet hatte, und beendete das der Angreifer damit. Einen nach dem anderen fällte er wie morsche Bäume. Sie fielen unter röchelnden Lauten zu Boden und tränkten ihn mit ihrem Blut. Endlich erwachte Kyla aus ihrer Starre. Diese Männer waren gekommen, um sie zu retten – und viele von ihnen hatten bereits ihr Leben gelassen. So wie jener, der nach dem Bein des Bärtigen gegriffen hatte. Kyla sah, dass ein Feind dessen Leiche eine Mistgabel in den Bauch rammte.

»Tod dir, Jandha, du Verräter!«, schrie er. Dass der Mann, auf den er einstach, bereits tot war, schien den Kerl nicht zu stören. Er zog die Spitzen der Gabel heraus und trieb sie dann erneut in den inzwischen von Blut und Exkrementen besudelten Leib. Der Fäkalgestank ließ Kyla die Widerwärtigkeit der Szene vollends begreifen.

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