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A. Das Prinzip der familiären Totenfürsorge in der Antike
Die abendländischen antiken Kulturen kannten keine öffentlichen Friedhöfe in unserem Sinn, sondern das Bestattungswesen und die Grabvorsorge waren Privatangelegenheit. An den großen Ausfallstraßen entlang lagen die Gräber, oder die familiären Grabstätten verdichteten sich zu Totenstädten, also Nekropolen. Soweit die Römer südlich der Donau und entlang dem Rhein nach Germanien vorgedrungen waren, brachten sie auch ihre Bestattungs- und Friedhofskultur in das ferne Land. Was man in Rom, Pompeji oder Aquileia sehen konnte und teilweise noch sehen kann, gab es auch in Mainz, Trier oder Köln. Es gab Grabgärten für die Bestattung und die Totenfeiern, aber auch bescheidene Gräber am Straßenrand, hochaufragende Monumente und schlichte Urnen.
1. Rechtliche und organisatorische Grundlagen
Als man im aufgeklärten Europa seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann, nach neuen gestalterischen und philosophischen Grundlagen für die Bestattungs- und Friedhofskultur zu suchen, fanden die gebildeten Schichten des Bürgertums ihr Heil in der Antike. So „Wie die Alten den Tod gebildet“6, sollte auch der moderne Umgang mit Tod und Trauer gestaltet sein. Man idealisierte lodernde Scheiterhaufen als Inbegriff der Reinigung der Materie und etablierte ein neues Todesbild, das dem drohenden Sensenmann des Mittelalters den sanfteren antiken Thanatos als des Schlafes Bruder entgegensetzte. Hatte der antikisierende Klassizismus die Formensprache der Architektur erobert, so galt dies auch für die Grabmalgestaltung. Man kannte inzwischen längst die Gräberstraßen im alten Rom, Pompeji mit seinen Grabhäuschen und Grabgärten war entdeckt, und das antike Grab galt als vorbildlich. Dass diese idealisierte Sichtweise der Antike nicht der Wirklichkeit entsprach, konnte man damals nicht wissen. Die Kenntnisse über das antike Bestattungs- und Friedhofswesen waren lediglich fragmentarisch, und erst die jüngere Forschung begann, ein realistischeres Bild zu zeichnen.7
Ein Vorbild für unsere Friedhofskultur konnten die römischen Friedhöfe nicht sein, weil es sie nicht gab. Es gab stattdessen sehr unterschiedliche Möglichkeiten, zu einer Grabstätte zu gelangen. Aus den agrarisch-patriarchalischen Strukturen stammt die Form der „familia“; damit sind jene Grabstätten gemeint, die der Familienvorstand für sich und seine Angehörigen samt der abhängigen Klientel auf eigenem Grund und Boden errichten ließ. Wer als Familienmitglied oder auch als Bediensteter einer solchen Familie angehörte, musste sich um seinen Grabplatz keine Sorgen machen. In urbanen Gemeinschaften war diese Voraussetzung nicht selbstverständlich, und es galt der Grundsatz, für sein Grab eigenverantwortlich vorzusorgen. In den antiken Großstädten hatte sich dazu ein freier Markt herausgebildet, auf dem das Grab als „Immobilie“ verkauft, gehandelt, vermittelt und vermietet wurde. Dieser Markt wurde von Grundbesitzern, Investoren, Kapitalgesellschaften und Maklern bedient, und je nach Vermögen konnte man sich hier einkaufen. Man erwarb entweder eine Einzelgrabstelle, auf der man sogar ein Grabmal oder ein Mausoleum errichten konnte, kaufte sich in ein kommerzielles Kollektivgrab ein – oder hatte bei mangelnder Finanzkraft das Nachsehen. Deshalb spielten die Begräbnisvereine mit eigener Totenfürsorge und vereinseigenen Grabplätzen eine wichtige Rolle. Deswegen gab es neben den repräsentativen Grabstätten mit Grabgarten entlang der Ausfallstraßen die für den Normalbürger typischen Gräber im Kolumbarium. Hier reihte sich Nische an Nische, und für die Identität des Verstorbenen blieb allenfalls ein kleines Täfelchen mit seinem Namen. In ähnlicher Weise sorgten berufsständische Zünfte für die Bestattung ihrer Mitglieder.
In Großstädten wie Rom, Antiochia oder Alexandria wurden allerdings bereits während der Kaiserzeit die „herrenlosen“, unbestatteten Leichen zu einem Entsorgungsproblem, dessen sich die Städte annehmen mussten. Zumindest für Rom ist man recht genau über die öffentlichen Abfallgruben informiert, die neben Unrat und Tierkadavern auch menschliche Leichname aufnehmen mussten. Man nannte sie schon in der Antike verächtlich „puticuli“8, was man vielleicht mit Verwesungsgruben übersetzen kann. Bei Nacht waren die Träger unterwegs, um die Leichen aufzusammeln und zu entsorgen. In die Gruben geworfen, bedeckte man die Leichen mit ungelöschtem Kalk, um die Seuchengefahr zu mindern. Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurden etwa 75 solcher Gruben entdeckt, von denen manche bis zu 800 Leichen, vermengt mit Kadavern und Hausmüll, enthielten.9 Seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. waren auch Massenverbrennungen üblich geworden, wohl um weiterhin für eine Minimierung der hygienischen Probleme zu sorgen.10
Die altrömische Pietas verdient ihren Namen kaum, wenn es um die Totenfürsorge geht, eher wird man dem antiken Bestattungswesen gerecht, wenn man es unter rein ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet11, was im Übrigen auch für das kommerzielle Bestattungswesen gilt, dessen gut organisierte und differenzierte Dienstleister im Ruf standen, geldgierig und raffiniert zu sein.
Die Verhältnisse in den antiken Großstädten dürfen zwar nicht ohne Weiteres auf die germanischen Provinzen des Römischen Reiches übertragen werden, aber die sozialen Unterschiede, die sich in monumentalen Grabanlagen der Reichen, Super- und Neureichen einerseits und in Armengräbern am Rande der Nekropolen andererseits ausdrücken, galten auch hier. Leichenbrände in billigen Amphoren im Straßengraben haben sich auch in Germanien gefunden, seit man der Erforschung der Nekropolen mehr Aufmerksamkeit schenkt und nicht allein nach der Sicherung und Erforschung der monumentalen Sarkophage, Grabbauten und Monumente trachtet.
2. Römische Nekropolen und Familiengrabstätten in Germanien
Das römische Bestattungs- und Friedhofswesen galt auch in den germanischen Provinzen des Reiches, und antike Nekropolen und Familiengrabstätten finden sich von Passau, dem alten Batavis, bis nach Xanten am Niederrhein. Ihre Monumente können teilweise noch an originalen Stätten besucht werden, wie die sog. Igeler Säule bei Trier12, oder in den Museen. Zu den herausragenden Objekten zählt das annähernd 15 Meter hohe Grabmal des Legionsveteranen Lucius Poblicius13 im Römisch-Germanischen Museum in Köln, das in seiner Dimension nur Staunen hervorruft. Poblicius hatte in Xanten gedient und sich im Alter in der Veteranenkolonie Köln niedergelassen, wo er um 40 n. Chr. starb. Im Vergleich zur Monumentalität des Grabbaues ist die Inschrift ausgesprochen sachlich und nüchtern: „Für Lucius Poblicius, Sohn des Lucius, aus dem Wahlbezirk Teretina, Veteran der 5. Legion Alauda, nach seinem Testament errichtet, und für seine Tochter Paulla und für die noch lebenden [Ehefrau und Sohn und die Freigelassenen – – –] Modestus und Lucius Poblicius – – –. Dieses Grab geht nicht an den Erben über.“14 Die Inschrift schildert Anlass und benennt die Rechtsverhältnisse. Die gebrauchte Formel15 „hat juristische Bedeutung. Sie löst einen Grabbezirk aus der Erbmasse heraus, das Grab geht demnach nicht in den vollständigen Besitz des Erben über. Auf diese Weise versuchten Begründer eines Gemeinschaftsgrabes die Öffnung des Monumentes für fremde Personen oder gar die immer wieder zu beobachtende Veräußerung einzelner Ruheplätze auf dem freien Markt zu verhindern.“ Dagegen vermisst man eine Charakterisierung der verstorbenen Person oder irgendwelche Trauerbekundungen.
Dieses und andere Grabmale waren kilometerweit entlang den vier großen Fernstraßen errichtet, die aus Köln hinausführten, und damit sind die Verhältnisse jenen vergleichbar, die man auch in Rom antrifft. Ist man zunächst fasziniert von der Monumentalität solcher Grabarchitekturen, so wird man bei genauerem Hinsehen auch alle anderen im römischen Reich gebräuchlichen Grabformen finden, die Grabgärten und die Armengräber am Straßenrand.16 Zu den wenigen römischen Gräberstraßen, die konserviert und zugänglich erhalten wurden, zählt jene zwischen 1982 und 1992 erforschte in Mainz-Weisenau mit Grabgärten und einfachen Brandbestattungen. Auf einer Fläche von 250 m Länge und maximal 60 m Breite konnten insgesamt 270 Beisetzungen festgestellt werden, sämtlich Brandbestattungen, wie sie bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. hier üblich waren. Hier stehen topfartige Gefäße und Urnen mit den sterblichen Überresten der kleinen Leute, wie sie so eindrucksvoll kaum an anderer Stelle zu sehen sind.
Für sich genommen kann die Archäologie zwar nichts über die Organisation von Friedhöfen und den Graberwerb aussagen, doch sind die erkennbaren Strukturen den römisch-antiken Verhältnissen so vergleichbar, dass die aus den schriftlichen Quellen erhobenen Bedingungen auch in Germanien anzunehmen sind.17
B. Kollektive Totenfürsorge im Frühen Christentum
Die Bedingungen des Graberwerbs hatten sich mit Anbruch der christlichen Ära nicht geändert, vielmehr war in den expandierenden Großstädten die Zahl nicht begüterter Menschen weiter gestiegen, und das Problem der Grabvorsorge aus eigener Kraft hatte sich verschärft. Während sich in den ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderten die christliche Bestattungspraxis kaum tiefgreifend verändert hatte und die Archäologen deshalb in dieser Zeit christliche und pagane Gräber nicht voneinander unterscheiden können, erfolgte gegen Ende des 2. Jahrhunderts eine Neuorientierung.
1. Theologische und organisatorische Grundlagen
Mit dem Christentum waren ein neues Menschenbild und ein modifizierter Blick auf die Gesellschaft herangewachsen. An die Stelle der biologischen Familie war die christliche Gemeinde getreten. Die neue Gemeinde-Familie regelte dabei nicht nur das soziale Zusammenleben ihrer Mitglieder, sondern sorgte sich auch wie die biologische Familie um die Totenfürsorge, und dazu zählte die Bereitstellung einer Grabstätte. Dabei konnte sie auf das Vorbild der Begräbnisvereine zurückgreifen und verband damit zwei bisher in der Antike bekannte Modelle der Grabvorsorge. Die ersten Gemeindefriedhöfe verdankten dabei ihre Entstehung der Stiftung eines Grundstücks durch vermögende Gemeindemitglieder. Diese wiederum orientierten sich an dem ebenfalls bereits bekannten Brauch des großherzigen Grabgeschenks, den man als Bestattungseuergetismus bezeichnet.18 Solche euergetischen Geschenke reichten von Gratis-Essen und -Wein über die Pflasterung von Straßen bis zur Stiftung von Grabplätzen, vermittelten dem edlen Spender ein gutes Gefühl und trugen ihm Anerkennung seitens der Gesellschaft ein.
So wurden Areale für Bestattungen gestiftet, wobei die Spender bisweilen Personengruppen, wie z. B. Selbstmörder, freiwillige Gladiatoren oder solche, die ein „unanständiges“ Gewerbe ausübten, vom Recht auf eine Beisetzung ausschlossen. Dieses konnte wiederum auf sozial Bedürftige eingeschränkt werden, womit die Stiftung zu einer Spende für die Armen wurde. Dieses Prinzip lässt sich an den ältesten christlichen Bestattungsplätzen in Rom ablesen, die nach ihren Gönnerinnen etwa Priscilla-, Domitilla- oder Generosakatakombe heißen. Wahrscheinlich waren diese Katakomben genannten, unterirdischen Totenstädte die ältesten christlichen Gemeindefriedhöfe.19 Roms Topografie und der herrschende Grundstücksmangel hatten zur Anlage von Katakomben geführt, die sich zudem durch eine Optimierung der Raumausnutzung auszeichneten. In den engen unterirdischen Galerien reihte sich Grabnische an Grabnische. Dieses für Rom so typische Begräbniswesen gab es im gesamten Römischen Reich überall dort, wo es die geologischen und topografischen Verhältnisse zuließen, wobei man vielerorts auf die Tradition der Felsgräberbestattung zurückgriff. Ein Blick in eine sizilianische Katakombe zeigt beispielhaft den geizigen Umgang mit dem Raum; an den Wänden reihen sich die Loculus genannten Wandgräber dicht an dicht, und auch der Boden ist in ähnlicher Weise mit Formae bestückt (Abb. 1).
Abb. 1: Cava d’Ispica (Sizilien), Katakombe mit Wand-(Loculus) und Bodengräbern (Forma), 4./5. Jh. n. Chr.
Weder die kollektiven Begräbnisplätze noch die unterirdischen Bestattungen sind eine Erfindung des Christentums, doch wurden sie innerhalb der christlichen Gemeinden zum beispielgebenden Friedhofstyp. Allerdings waren Friedhöfe unter freiem Himmel, die man sub divo20 nannte, ebenso verbreitet, und oftmals verbanden sich unter- und oberirdische Friedhöfe zu einer Einheit. Es wurde fast zur Regel, dass die christlichen Friedhöfe mit einer Begräbniskirche verbunden waren, und auch in ihnen reihte sich Grab an Grab (Abb. 2); diese Stellen waren besonders begehrt, denn die Kirchen waren über den Gräbern der Märtyrer errichtet.
Abb. 2: Rom, Begräbnis-(Coemeterial-)Basilika an der Via Appia mit dicht gedrängten Bodengräbern, 4. Jh. n. Chr.
Im Zuge der Tolerierung des Christentums nach dem Mailänder Edikt von 313 n. Chr. und erst recht nach seiner faktischen Erhebung zur staatstragenden Religion unter Kaiser Theodosius 391 n. Chr. galt das kollektive Friedhofswesen der Kirche bald als das einzig gültige. Nun organisierte die Kirche das Bestattungswesen, stellte die Grabplätze zur Verfügung und leitete damit eine Entwicklung ein, die über fast zweitausend Jahre hinweg Gültigkeit behalten sollte, indem die Beisetzung der Verstorbenen nicht mehr eine Angelegenheit des Einzelnen und der Familie, sondern eine Aufgabe der Gemeinschaft war. Die Versorgung mit Grabplätzen erfolgte nicht mehr auf dem freien Markt, sondern in geregelten Bahnen, die gewährleisteten, dass jeder Christenmensch ein Grab erhielt, ohne eigene Vorsorge betreiben zu müssen. Schlichte Gräber wurden dabei – zumindest in der Anfangszeit – kostenlos abgegeben, und man musste nur für die Grabinschrift einen Obolus an den Handwerker entrichten. Mit der Verbreitung des kollektiven Gemeindefriedhofs waren allerdings die sozialen Unterschiede nicht gänzlich aufgehoben, denn aufwändigere Gräber wie Familiengrabstätten in den unterirdischen Grabkammern, die sog. Cubicula, oder Grabkapellen auf den Friedhöfen mussten natürlich bezahlt werden und sicherten so die Möglichkeit, den gesellschaftlichen Status zu dokumentieren.
2. Die ältesten christlichen Friedhöfe auf deutschem Boden
In der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts lebte in Trier eine wohlhabende Frau namens Albana. Sie gewährte den ersten Trierer Bischöfen Eucharius und Valerius nicht nur das Gastrecht in ihrem Haus, sondern ließ sie später in ihrem eigenem Familien-Mausoleum beisetzen. Um diese Grabstätte herum haben sich in der Folgezeit mehrere tausend Bestattungen, teils in Sarkophagen, teils sogar in weiteren Grabbauten angelagert. Damit haben wir einen ersten frühchristlichen Friedhof vor uns, der räumlich deutlich von dem älteren paganen Gräberfeld mit seinen Brandbestattungen abgesetzt ist. Ähnlich den Verhältnissen in Rom kann man auch in Trier davon ausgehen, dass das Gelände dieses Friedhofs eine Stiftung dieser Albana ist. Spätestens seit dem 5. Jahrhundert findet sich dann eine Basilika auf dem Friedhof, die Vorgängerin der heutigen Abteikirche St. Matthias.21 Diese Rom sehr ähnliche Entstehungsgeschichte eines christlichen Friedhofs darf zwar für den germanischen Raum nicht verallgemeinert werden, doch zumindest in den römisch besetzten Teilen ist dies kein Einzelfall.
Eigentums- und Besitzverhältnisse spätantik-frühchristlicher Friedhöfe sind zwar schwer nachweisbar, doch archäologisch ist oftmals ein herausgehobenes (Heiligen-)Grab als Ausgangspunkt eines frühchristlichen Friedhofs festzumachen. Im Falle der Cella Memoria unter dem Bonner Münster, in dem die Märtyrer Cassius und Florentius beigesetzt wurden, soll es sich sogar um eine kaiserliche Stiftung durch Helena, der Mutter Konstantins, handeln. Ähnlich sind in Köln oder Xanten besondere Gräber Ausgangspunkt nicht nur für die Entstehung von Friedhöfen, sondern sogar für die weitere Stadtentwicklung. Denn meist wurden die ursprünglichen Grabbauten in der Folgezeit durch Kirchen ersetzt, die dann im Mittelalter als Pfarrkirchen die Siedlungskerne an sich zogen. Im Rhein-Mosel-Raum zeugen von diesen frühen christlichen Friedhöfen auch viele Grabinschriften, wovon sich die meisten wiederum in Trier erhalten haben.
C. Die Bestattung „ad sanctos“ – bei den Heiligen
Zu den Besonderheiten des christlichen Friedhofs gehört, dass sich seine Gräber bevorzugt um die Grablegen von Märtyrern und Heiligen scharen, auf deren hilfreiche Unterstützung bei der erwarteten Auferstehung man vertraute. Dies galt in den Katakomben genauso wie in den Begräbniskirchen, und dieser Wunsch nach einer Bestattung „ad sanctos“22 sollte ebenfalls das Begräbniswesen zumindest bis zur Reformation beherrschen. Viele antike und zunächst pagane Nekropolen wurden durch die Gräber von Heiligen und die Gräber von Christen, die sie anzogen, allmählich christianisiert. Zumal in den Provinzen konnten die Blutzeugen nicht anders bestattet werden als auf den bestehenden Nekropolen. Nicht selten errichtete man über ihren Grabstätten kleine Grabhäuschen, die sich zu besuchten und verehrten Memorien entwickelten, an denen christliche Gedächtnisfeiern abgehalten wurden. Durch den Wunsch, in ihrer Nähe bestattet zu werden, kam es im Umfeld solcher Grabkapellen zu immer weiteren Bestattungen, und der Begräbnisplatz wurde langsam christlich überformt. Daraus resultierten auch die begehrten Kirchenbestattungen, die sich trotz aller Verbote nie ganz ausmerzen ließen, bis sie im 19. Jahrhundert durch die staatlichen Vorschriften mit aller Strenge verboten wurden.
1. Der Grabstein der Sarmannina in Regensburg
Ein wichtiges Zeugnis für diesen Wunsch, bei den Märtyrern bestattet zu sein, ist ein Grabstein für eine sonst nicht bekannte Frau mit dem Namen Sarmannina23, die um 400 n. Chr., vielleicht auch etwas später, auf der großen römischen Nekropole im Norden des Kastells Kumpfmühl in Regensburg beigesetzt wurde.24 Sie gilt als die älteste (bekannte) Christin der alten Provinz Raetien. Die Inschrift auf dem schlichten Kalkstein (38 × 56 × 10 cm) lautet: IN BEATUM MEMORIAM SARMANNINE QUIESCENTI IN PACE MARTYRIBUS SOCIETAE. „Zum seligen Gedächtnis der Sarmannina, die im Frieden ruht, den Märtyrern beigesellt“, könnte man diese Inschrift übersetzen. Es ist nicht bekannt, welche Märtyrer hier gemeint sind, in deren Nachbarschaft sie bestattet wurde, aber es ist der Wunsch der Nähe bei den Märtyrern verbürgt. Und diese Gewissheit war wichtiger als die Nennung der Lebensdaten oder sonstiger biografischer Angaben. Trotz umstrittener Zeitstellung dieses spätantik-christlichen Grabsteins handelt es sich um einen der ältesten Belege für eine Bestattung ad sanctos auf deutschem Boden.
Unter den oben bereits erwähnten Trierer Grabinschriften belegt die Grabplatte des Subdiakons Ursinianus aus dem 6. Jahrhundert die besondere Qualität der Grabesruhe bei den Heiligen: „Ursinianus’, des Subdiakons Leichnam liegt hier im Grabe, der es verdient hat, nahe den Gräbern der Heiligen zu ruhen, dem nicht des Tartarus Wut und grausame Rache nun schadet. Ludula hat den Grabstein gesetzt, seine liebste Gemahlin. Er starb am 27. November und hatte 33 Jahre gelebt.“25
2. Das Begräbnis bei den Blutzeugen und die Kirchenbestattung
Gemäß dem Grundsatz sicut in coelis et in terra26 manifestierte sich nach altchristlicher Anschauung das göttliche Heilshandeln nicht nur an der unmittelbaren Aufnahme der Märtyrer in den Himmel, wo sie bei Gott als Fürsprecher für die Menschen eintreten konnten, sondern auch an ihren Gräbern, die dadurch zu Orten besonderer Gnade wurden, weshalb man ihre Nähe bei der eigenen Bestattung suchte. Die Heiligen waren so bedeutsam, dass ihre Gräber und in der Folge ihre Reliquien zu Altären in den Kirchen erhoben wurden27. Kein Altar sollte künftig ohne Reliquien auskommen, weshalb es zur Überführung von Gebeinen in die Kirchen kam. Zu den ersten Reliquientranslationen kam es in Rom, als man in der ausgehenden Spätantike und in unsicheren Zeiten begann, die verehrungswürdigen Leiber aus den Katakomben in die innerstädtischen Kirchen zu überführen. Um weiterhin eine Bestattung in ihrer Nähe zu ermöglichen, setzte man das antike Begräbnisverbot innerhalb der Stadt außer Kraft, und es kam zur Anlage innerstädtischer Friedhöfe. Die karolingischen Reformkonzile des 9. Jahrhunderts tolerierten sogar die Bestattung hochrangiger Persönlichkeiten in den Kirchen.28 Damit war die weitere Entwicklung hin zum Kirchhof und zur Kirchenbestattung vorgegeben. Die besondere Bedeutung der Heiligen bestimmte die Bestattungs- und Friedhofskultur zumindest bis zur Reformation.