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1. Die Möblierung des Kirchhofs

Eine Friedhofsszene aus dem Totentanz von Heinrich Knoblochtzer37 zeigt exemplarisch die als notwendig erachtete Möblierung eines mittelalterlichen Kirchhofs (Abb. 5). Zunächst lässt er aber erst einmal erkennen, dass sich die Toten tatsächlich quicklebendig aus ihren Gräbern erheben, um sich auf den weiteren Bildern zu einem Totentanzreigen zu formieren. Ihren Lebens- und Wirkkreis begrenzt jedoch die Friedhofsmauer.


Abb. 5: Heinrich Knoblochtzer, Friedhofsszene, Holzschnitt aus: Heidelberger Totentanz, Ende 15. Jh.

Wenn wir davon sprachen, dass sie im Idealfall rund ist oder sich zumindest dem Kreis annähert, dann deshalb, weil der Kreis an sich eine begrenzende, apotropäische, d. h. Unheil abwehrende, Funktion besitzt. Nun muss allerdings die Kirchhofsmauer eine Pforte besitzen, um ihn betreten und etwa zur Kirche gelangen zu können, und genau diese durchlässige Torsituation ist durch einen Rost gesichert. Man bezeichnet ihn als Beinbrecher, der auch sonst auf Wegen in Weidegebieten das Überschreiten durch Huftiere verhindern soll. Ähnlich dachte man, die Toten könnten diesen Beinbrecher nicht überwinden; im Volksmund nannte man diese Roste denn auch gerne Hexengitter oder Laurentiusrost. Dass er tatsächlich auch praktisch verhinderte, dass Pfarrers oder Mesners Kuh das Kirchhofsareal verlies oder fremde Tiere es betraten, soll nicht bestritten werden, aber seine apotropäische Funktion ist ebenfalls evident. Er fehlt deshalb auf dem Bild von Knoblochtzer nicht.

Bei der Bestattung der Toten oder beim Kirchgang mussten die Lebenden den Kirchhof betreten, wodurch es zur Begegnung zwischen Lebenden und Toten kommen konnte. Sie zu entschärfen, war Aufgabe der Totenleuchte, in der ein ewiges Licht Tag und Nacht brannte. Das Licht des Lebens bot den Lebenden Schirm und Schutz vor den Nachstellungen der Toten und bewahrte die Toten vor den Dämonen und Teufeln der Finsternis. Die Menschen des Mittelalters dachten und handelten sehr konkret. Versammelt und wie eingesperrt im Beinhaus wirken die Schädel und Gebeine derjenigen Toten, die man schon vor Jahr und Tag aus den Gräbern exhumierte, um sie wiederzubelegen. Und bei genauer Betrachtung der Architektur dieser Beinhäuser wird man ebenfalls feststellen, dass sie beschützende und trennende Funktionen besitzen konnten. Auf Knoblochtzers Holzschnitt vermisst man bei der sonst recht präzisen Wiedergabe das Hochkreuz, von dem wir allerdings nicht sagen können, dass es zur Grundausstattung des mittelalterlichen Kirchhofes zählte. Erst aus dem Spätmittelalter haben sich Beispiele erhalten, und aus ihm haben sich wohl auch die Kalvarienberge oder die berühmten Calvaires in der Bretagne entwickelt.

Der mittelalterliche Kirchhof war ein besonderer, wenn auch kein besonders gestalteter Ort. Aber er besaß nach Anlage und Ausstattung die notwendigen Voraussetzungen, um das Seelenheil der Verstorbenen zu sichern und das Verhältnis zu den Lebenden zu befrieden.

2. Karner, Beinhaus und Zweitbestattung

Sowohl aus räumlichen Gründen wie auch aufgrund der begrenzten Ausstrahlung von Reliquien konnten die Kirchhöfe nicht nach Bedarf erweitert werden. War er belegt, mussten die Gräber für neue Bestattungen geräumt werden. Das geschah vielerorts bereits nach fünf bis zehn Jahren und demnach in einem Zeitraum, in dem zumal Schädel und größere Knochen noch nicht vergangen waren. Räumte man die Gräber, so verbrachte man die sterblichen Überreste in ein Beinhaus, das in unterschiedlichen Formen als freistehendes Gebäude, als an die Kirche angebauter Schuppen oder als unterirdische Beinkammer auf jedem mittelalterlichen Kirchhof anzutreffen war. Die Vielfalt der gefundenen architektonischen Lösungen beschreibt Stephan Zilkens in seinem Buch Karner-Kapellen in Deutschland.38 Kaum eine architektonische Lösung wurde ausgelassen, um dieser besonderen Aufgabe der Zweitbestattung gerecht zu werden. Erstaunlich einheitlich und architektonisch bedeutsam sind die in Süddeutschland und im östlichen Alpenraum während des Hochmittelalters errichteten Beinhäuser, die man in diesen Gegenden Karner nennt.39 Die Mauern sind dick, rund und nahezu fensterlos, die Gebäude besitzen ein Kellergeschoss für die Gebeine und ein Kapellengeschoss für die Andacht und tragen ein kegelförmiges Dach. Ihre runde Bauform hat ähnliche Gründe wie beim im Idealfall kreisrund angelegten Kirchhof. Der Kreis wirkt wie eine undurchdringliche Grenze, und um diese Grenze nicht zu unterbrechen, sind kaum oder nur sehr schmale, lanzettförmige Fensterchen vorhanden. Die Kreisform ist fast heilig, denn selbst die kultisch gewollte Apsis im oberen Kapellengeschoss ragt nicht über die Mauer hinaus, sondern ist lediglich als Vertiefung im dicken Mauerwerk ausgebildet. Es gibt auch Karner mit einer Apsis im Obergeschoss, doch wird diese dann im Idealfall von einem abgetreppten Sockel gehalten, damit die schädliche Ausbuchtung den Kreis des Karners nicht beeinträchtigt, wo er mit dem Beingeschoss schließlich im Erdreich gründet.

Im Untergeschoss des Karners türmen sich fein geschichtet die Schädel und Knochen von Generationen von Menschen. Hierzu hatte über einige nach unten führende Treppenstufen und durch eine niedrige Tür nur der Totengräber Zutritt. Um seinen Seelenfrieden musste man sich keine Gedanken machen, denn sein Handwerk zählte ohnehin zu den unehrlichen Berufen, denen das Paradies versagt blieb. Das kapellenartige Obergeschoss diente der Andacht und der Fürbitte für die Verstorbenen; es konnte reich mit Fresken ausgestattet sein, passend zum Ort mit einem Weltgericht. Der wohl schönste Karner in deutschen Landen steht im oberpfälzischen Perschen40 und stammt aus dem 12. Jahrhundert mit Malereien aus der Erbauungszeit. Er variiert das bedeutungsvolle Kreissystem, indem Kapellenbau und Apsis zwei Kreise bilden, die ineinandergreifen. Der Karner in Perschen war wie viele seiner Geschwister dem heiligen Michael, dem Seelenwäger, geweiht (Abb. 6).


Abb. 6: Perschen (Opf.), Beinhaus (Karner), 12. Jh.

Ein schon spätmittelalterlicher Karner soll hier noch erwähnt werden, der in Metnitz in Kärnten steht. Er hat zwar bereits die archetypische Rundform verlassen, bildet aber immerhin noch einen Zentralbau über einem achteckigen Grundriss. Sonst ist seine doppelgeschossige Struktur durchaus den romanischen Rundkarnern vergleichbar. Ihn zeichnen jedoch zwei erhaltene Besonderheiten aus, die durchaus zum typischen Repertoire der Friedhofsarchitektur gehört haben. In seinem Kapellengeschoss brannte ein Ewiges Licht, das durch einen Oculus über dem Eingang Segen bringend auf den Kirchhof hinausstrahlte. Und seine Außenwände umzog ein Totentanzgemälde, das genau jene Begegnung zwischen Lebenden und Toten zeigt, die auf dem Kirchhof stattfand (Abb. 7).


Abb. 7: Metnitz (Kärnten), Karner mit Totentanzfresko, 16. Jh.

Die Verbringung von Schädeln und Gebeinen ins Beinhaus zählt phänomenologisch zur sog. Zweitbestattung, die interkulturell und global in unterschiedlichen Formen anzutreffen ist. In Europa und im deutschen Sprachraum war sie das Mittelalter hindurch üblich und blieb dort, wo nicht die Reformation ein neues Friedhofswesen mit sich brachte, bis ins 19. Jahrhundert lebendig. Zu den bedeutendsten Beispielen dieser Tradition zählt die Zweitbestattung im Beinhaus von Hallstatt im Salzkammergut. Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert ging man zu der Sitte über, die exkarnierten (wörtlich: die entfleischten) Schädel der Verstorbenen liebevoll zu bemalen (Abb. 8). Sie trugen dann den Namen des Verstorbenen und waren zudem mit Blatt- und Blumenornamenten und Kreuzen geschmückt. Derartige Schädelmalereien waren in Österreich und Deutschland weit verbreitet41, doch nur in Hallstatt hat sich diese Tradition lebendig erhalten. Etwa 1200 Schädel liegen hier im Beinhaus, und davon ist etwa die Hälfte malerisch verziert. Zwar lag auch hier die Blütezeit zwischen 1800 und 1900, doch wird dieser Brauch auf ausdrücklichen Wunsch der Verstorbenen heute noch geübt. Die durch die Beschriftung der Schädel erfolgte Individualisierung der Toten trägt dem Wunsch nach Sicherung der Identität Rechnung, wie sie auf dem Friedhof durch die namentliche Kennzeichnung der Grabstätten zur selben Zeit allmählich üblich geworden war.


Abb. 8: Hallstatt (Salzkammergut), Bemalte und beschriftete Totenschädel im Beinhaus

3. Totenleuchten, Ölberge und Calvaires

Neben dem Beinhaus oder Karner zählt die Totenleuchte42 zu den markanten und charakteristischen Bestandteilen des mittelalterlichen Kirchhofs. Ihr Licht war eine Grundlage für die notwendige Befriedung dieses prinzipiell gefahrvollen Ortes, an dem sich Lebende und Tote begegneten. Die ältesten erhaltenen Totenleuchten stammen aus dem 12. Jahrhundert. Meist erhebt sich über einem hohen Schaft die Laterne, in der das Licht Tag und Nacht brennt. Totenleuchten waren oftmals Stiftungen, die neben der Leuchte selbst auch ihre dauerhafte Beschickung mit Licht gewährleisten sollte (Abb. 9).


Abb. 9: Keutschach, Mittelalterliche Totenleuchte

Seit dem ausgehenden Mittelalter zählt auch eine meist plastische Darstellung des Ölbergs zur typischen Möblierung des Friedhofs, wodurch die Begräbnisstätte zu dem neutestamentlichen Bild von der größten Anfechtung Christi in Beziehung gesetzt wird.43 Dort, wo in Offenburg ein Hochkreuz neben der Heilig-Kreuz-Kirche an den alten Friedhof erinnert, steht der 1524 errichtete Ölberg, der seinerseits eine verkleinerte Kopie der Darstellung des 1498 gestifteten, lebensgroßen Ölberges der Straßburger Thomaskirche44 darstellt. Seit 1500 besaß fast jede süddeutsche Pfarrkirche eine Ölberggruppe als Relief oder vollplastische Darstellung, wobei die Gruppe meist an der dem Friedhof zugewandten Seite als Mahnung und Trost aufgebaut war.45 Oder anstelle der Ölberggruppen wurden Kreuzigungsgruppen oder Kalvarienberge errichtet, deren berühmteste Vertreter in der Bretagne als Calvaires bekannt sind. Dort sind sie ein konstitutiver Teil des ummauerten Pfarrbezirks, der auch den Friedhof umfasst.

Somit kann man feststellen, dass der Friedhof als Bestattungsplatz zwar selbst gestalterisch wenig Aufmerksamkeit erfuhr, aber seine Möblierung durch Bildwerke immer stärker aufgewertet wurde.

B. Privilegierte Gräber

Verstorbene kamen immer irgendwie unter die Erde, in der großen Mehrzahl der Fälle wurde um ihre Gräber jedoch kein Aufsehen gemacht, sie blieben ohne Kennzeichnung und ohne Pflege. Im Mittelalter wurden sie auf dem die Kirche umgebenden Friedhof beigesetzt, wo gerade Platz war. Dies bedeutete keine Missachtung ihrer Person, denn sie ruhten ja in geweihter Erde und hatten an den Segnungen der heiligen Reliquien und der gelesenen Messen Anteil. Einer zahlenmäßig kleinen Oberschicht von weltlichen oder geistlichen Würdenträgern genügte diese Form der Beisetzung jedoch nicht. Sie strebten danach, in der Kirche selbst bestattet zu werden.

1. Die Kirchenbestattung

Dieses Verlangen, möglichst nahe bei den Märtyrern und deshalb in der Kirche zu ruhen, gab es seit altchristlicher Zeit und wurde aus theologischen Erwägungen immer wieder verboten, doch war es nicht gelungen, diesen Wunsch gänzlich auszurotten. Dabei entwickelten sich die Gräber im Kirchenraum immer mehr zu einer Demonstration des sozialen Prestiges der Bestatteten. Dennoch dauerte es bis ins Hochmittelalter, bis die Grablegen der Berühmtheiten auch entsprechend geschmückt oder sogar mit figürlichen Grabplatten versehen wurden. Als älteste Grabplatte mit dem Reliefbild des Verstorbenen gilt die Bronzeplatte des Rudolf von Schwaben (gest. 1080) im Dom zu Merseburg, die sogar vergoldet und mit Edelsteinen besetzt war. Grabplatten aus Stein folgten und bedeckten allmählich den gesamten Boden einer Kirche, die im Mittelalter als überdachter Friedhof bezeichnet werden kann. Um den Platz zu erweitern, wurden Grüfte angelegt, Grabkapellen angebaut, und im Inneren der Kirche wuchsen die Gräber allmählich in die Höhe. Dem Tumba-Grab folgte der Baldachin, die Grabstätten wurden immer dominanter, und es kam zu einem regelrechten Wettstreit um die prächtigste Grabstelle bis hin zu prunkvollen und luxuriösen Grabmonumenten. Meist stand ikonografisch die Person des Verstorbenen im Mittelpunkt. Manche Kirchen und Dome gerieten so zu kolossalen Ahnengalerien, und besonders eindrucksvoll kann dies heute noch im Dom von Mainz erlebt werden. Er birgt die größte und auch kunsthistorisch bedeutendste Ansammlung von Grabdenkmälern nördlich der Alpen, die von den Mainzer Erzbischöfen errichtet wurden, die damit ihrem Selbstverständnis als ranghöchste Reichsfürsten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und ihrem Ehrentitel als Primas Germaniae46 Ausdruck verliehen. Das älteste dieser Denkmäler ist die (ursprünglich liegende) Grabplatte des Erzbischofs Siegfried III. von Eppstein (1249). Dann folgen auch Wanddenkmäler, Tumbagräber sowie Statuen und liefern so einen kunstgeschichtlich einprägsamen Rundgang durch die geschichtliche Entwicklung des Grabdenkmals.

2. Ausblick auf die späteren Formen privilegierter Bestattungen

Hier soll zumindest schon so weit auf spätere Zeiten verwiesen werden, um zu verdeutlichen, dass die Sitte der privilegierten Gräber auch durch die Reformation nicht unterbrochen wurde. Obwohl der Nähe zu den Heil schaffenden Reliquien im reformatorischen Glauben keine Bedeutung mehr beigemessen wurde, hielt die Oberschicht an ihrem Privileg der Kirchenbestattung fest, um ihren gesellschaftlichen Rang zu dokumentieren. Man wird sogar feststellen, dass das Privileg der Kirchenbestattung auf breitere Bevölkerungsschichten ausgedehnt wurde, denn in ihren Genuss kam nun auch das gehobene Bürgertum, soweit es sich diese teuren Grablegen leisten konnte. Begräbnisplätze in den Kirchen sicherten sich aber ebenso Zünfte und Gilden, um ihre Mitglieder an würdigem Ort zu bestatten. Und diese Sitte der Kirchenbestattung blieb unabhängig von der Konfession teilweise bis ins 19. Jahrhundert lebendig, trotz aller theologischen und hygienischen Einwände. Ausgedehnte Grüfte unter den Kirchen erlebten im 18. und 19. Jahrhundert eine ungeheure Beliebtheit. Hinter dem Konzept der Gruftbestattung stand das Bedürfnis gehobener Schichten, zumal des selbstbewussten Großbürgertums, sich auch nach dem Tode noch als bedeutende Person des sozialen Lebens im allgemeinen Bewusstsein und in der Erinnerung zu erhalten. Bemerkenswerte Beispiele sind die Gruftgewölbe unter der Parochialkirche in Berlin und unter dem Michel in Hamburg. Schon früher als im protestantischen Norden war man im katholischen Wien zur allgemeinen Gruftbestattung unter den Kirchen übergegangen.

Aber selbst dort, wo man nach der Reformation dem Begehren nach einer Kirchenbestattung nicht mehr nachkommen wollte, erfand man eigene Formen für privilegierte Gräber. Auf dem protestantischen Friedhofstyp des Campo Santo waren dies die Grufthäuser und Nischengräber entlang den Friedhofsmauern, die nicht selten das Ausmaß monumentaler Mausoleen annahmen, während inmitten des Friedhofs die Gräber der normalen Bevölkerung lagen, meist nicht gekennzeichnet und nicht eigens gepflegt. Aus der historischen Friedhofsentwicklung haben sich deshalb fast ausschließlich Grabmale der sozialen Oberschicht erhalten.

Selbst der kommunale Friedhof des 19. Jahrhunderts hielt an dieser sozialen Differenzierung fest und bot eine Reihe besonders privilegierter Gräber. Sie lagen wie schon beim Campo-Santo-Friedhof als Wandgräber entlang der Friedhofsmauer, besaßen gemauerte Grüfte und waren rechtlich als Erbbegräbnisse organisiert, die als Vorläufer der heutigen Familien- oder sog. Wahlgrabstätten zu gelten haben. Oder die großen Familiengräber besetzten die Lagen entlang der Hauptwege. Selbst große, freistehende Mausoleen wurden noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet und dokumentierten die gesellschaftliche Hierarchie. Die seit der Aufklärung herrschenden Bestrebungen zur Demokratisierung der Friedhöfe blieben immer wieder in Ansätzen stecken, und erst die Friedhofsreform zu Beginn des 20. Jahrhunderts versuchte ihre konsequente Umsetzung, ohne sie allerdings wirklich erreichen zu können. Grundsätzlich bedeuten schon die Wahl- oder Familiengrabstätten, die es auf fast allen Friedhöfen gibt, ein Privileg gegenüber den einfachen Reihengräbern, die nach Ablauf der Ruhezeit wieder beräumt werden. Allerdings ging das Bedürfnis, sein Sozialprestige über Gräber zum Ausdruck zu bringen, im Laufe des 20. Jahrhunderts kontinuierlich zurück und gipfelte in der weiten Verbreitung der anonymen Bestattungen. Doch seit Beginn des 21. Jahrhunderts scheint sich diese Entwicklung wieder umzukehren. Um seiner Identität sichtbare Gestalt zu geben, wählt man alternative Beisetzungsformen, und auch eine Renaissance der wirklich großen Gräber scheint es zu geben. Davon zeugen die neuen Mausoleen auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg (Abb. 10), die in ihrem postklassizistischen Stil an die Grabmonumente des 19. Jahrhundert Anschluss finden.


Abb. 10: Hamburg, Ohlsdorfer Friedhof, Familien-Mausoleum, 2006

C. Kirchenburgen und Wehrkirchhöfe

In einem mittelalterlichen Dorf, oftmals sogar in einer Stadt, war die Kirche das herausragende Bauwerk und setzte mit dem sie umgebenden Kirchhof den örtlichen Akzent. Sie war nicht selten das einzige gemauerte, feste Bauwerk und konnte mit der Friedhofsmauer einen wehrhaften Schutzraum bilden, den man entsprechend als Wehrkirchhof oder Kirchenburg bezeichnet. Deshalb geschah es häufiger, dass sich entlang der Kirchhofsmauer zunächst provisorische Schuppen, dann sogar feste Bauten entwickelten, die das Hab und Gut, auch die Ernte der Siedler und Bauern, aufnahmen. In Zeiten äußerer Gefahr konnte dann inmitten des Wehrkirchhofs die gesamte Bevölkerung Zuflucht und für gewisse Zeit Schutz finden. In bestimmten Gegenden erfolgte in unsicheren Zeiten ein regelrechter fortifikatorischer Ausbau, der die Kirche zur Kirchenburg und den Kirchhof zum Wehrkirchhof werden ließ. Besonders eindrucksvoll sind die erhaltenen Beispiele von Kirchenburgen in Siebenbürgen47, in denen die Menschen bei Gefahr sogar monatelang ausharren konnten (Abb. 11). Unter solchen Bedingungen errichtete man an der Kirchhofsmauer sogar Schulen, um den Kindern einen Unterricht zu ermöglichen. Die Mehrzahl solcher Kirchenburgen, die in ganz Europa anzutreffen sind, stammt aus dem 15. und dem 16. Jahrhundert.


Abb. 11: Prejmer (dt. Tartlau), Siebenbürgen, Kirchenburg, 15./16. Jh.

D. Siechen- und Pestfriedhöfe

Nicht wenige der seit der Frühen Neuzeit außerhalb der Ortschaften angelegten Friedhöfe besaßen mittelalterliche Vorläufer, die Siechen- und Pestfriedhöfe.48 Sie lagen meist vor der Stadt, müssen aber von ihrem Charakter her unterschieden werden. Selbst in jener Epoche, als die Bestattung auf dem Kirchhof bei der Pfarrkirche die Regel war, kannte man bestimmte hygienische Vorkehrungen, um gesundheitliche Gefahren von der Bevölkerung abzuwehren. Menschen mit ansteckenden Krankheiten pflegte man in den sog. Siechenkobeln oder Leprosenhäusern, die außerhalb der Gemeinwesen lagen. Sie besaßen eigene Friedhöfe, die trotz ihrer besonderen Lage jedoch als reguläre Begräbnisplätze betrachtet werden müssen. Anders verhält es sich mit den Pestfriedhöfen, die als echte Notfriedhöfe eingerichtet wurden, wenn die Kapazität des Pfarrkirchhofs durch den massenhaften Anstieg der Pestopfer erschöpft war. Während die Siechenfriedhöfe meist der beim Spital liegenden Kapelle zugeordnet werden konnten, fehlten ähnliche kirchliche Einrichtungen bei den Pestfriedhöfen. Diese wurden auch nur temporär genutzt, solange die Pest anhielt, während die Siechenfriedhöfe permanente Einrichtungen waren.

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