Kitabı oku: «Ruhe sanft», sayfa 3
D. Erdbestattung contra Feuerbestattung
Die Verbrennung des Leichnams ist kulturanthropologisch jünger als die Körperbestattung, doch seit jeher gab es mehrfache Wechsel zwischen Erd- und Brandbestattung. Dafür mag es sowohl religiöse als auch praktische Gründe gegeben haben. Die in der römischen Kaiserzeit geübte Brandbestattung wurde zu Beginn der Spätantike von der Körperbestattung abgelöst. Da gegen Ende des 2. Jahrhunderts der Einfluss des Christentums auf die Gesellschaft noch sehr gering war, dürfen für diesen Wandel keine christlich-religiösen Motive verantwortlich gemacht werden, vielmehr war durch den Raubbau an den Wäldern das für die Verbrennung erforderlich Holz knapp geworden, sodass die ab dem Beginn des 3. Jahrhunderts allgemein geübte Erdbestattung eine praktische Folge der veränderten Umweltsituation war. Aus den ersten beiden Jahrhunderten kennen wir bis heute keine christlichen Gräber, und es ist denkbar, dass die Christen dieser Zeit genauso die Brandbestattung übten wie ihre pagane Umwelt. Erst in der Folge entwickelte sich die den Körper bewahrende Erdbestattung zu einem christlichen Glaubenssatz, während die den Körper verzehrende Brandbestattung als heidnisch angesehen wurde. Als abendländischer Erbe des christlichen Römischen Reiches erließ Karl der Große im Juli 782 auf der Reichsversammlung bei Lippspringe und im Edikt von Paderborn 785 Gesetze, die bei Androhung der Todesstrafe die Leichenverbrennung untersagten. Immerhin war die Brandbestattung bei den von ihm unterworfenen Völkern und den Nachbarn des Reiches noch üblich. Noch im 10. Jahrhundert übten die Slawen etwa im Gebiet der Oberlausitz die Verbrennung der Toten, sammelten ihre Asche in Gefäßen und begruben sie unter aufgeworfenen Hügeln. Zu den größten slawischen Brandgräberfeldern gehören die Hügelgräber von Biaogórze wenige Kilometer östlich von Görlitz mit etwa 200 bekannten Bestattungen. Erst mit der Missionierung der heidnischen Völker entwickelte sich ab dem hohen Mittelalter die Körper-Erdbestattung zur einzigen Begräbnisform im christlichen Abendland. Und sie blieb es bis zu Wiedereinführung der Kremation in der Neuzeit, als 1878 in Gotha die erste Feuerbestattungsanlage der Moderne auf deutschem Boden errichtet wurde.
Wenn während dieser 1000 Jahre bestehenden Sitte der Körperbestattung dennoch Leichen verbrannt wurden, dann war dies eine Sanktion gegen missliebige Personen; traurige Berühmtheit haben die bis in die Neuzeit andauernden Hexenverbrennungen erlangt. Auch nach verlustreichen Schlachten wusste man sich manchmal nicht anders zu behelfen, als die Toten zu verbrennen. Doch als christliches Begräbnis galt ausschließlich die Erdbestattung. An dieser Auffassung hielt die katholische Kirche bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil 1963 fest, ehe sie dem Trend der Zeit folgend die Möglichkeit der Kremation auch Katholiken einräumte. Mit der dahinterstehenden Ideologie, die Auferstehung des Fleisches sei an die Bewahrung der sterblichen Überreste in einem Grab gebunden, lieferte sie den Freidenkern eine offene Flanke, die den Kampf um die Wiedereinführung der Kremation zu einem antikirchlichen Fanal stilisierten. Dieser alte Streit um die Feuerbestattung lässt sich noch in der Gegenwart ablesen. Im (protestantischen und „heidnischen“) Norden und Osten der Republik hat die Feuerbestattung zumindest in der Tendenz weit höhere Anteile als im (katholischen) Süden und Westen. Dagegen zeigte sich der liberale Protestantismus früher den Gedanken der Feuerbestattungsbewegung aufgeschlossen, weshalb es nicht verwundert, dass das erste moderne Krematorium in Gotha auf dem Gebiet der aufgeklärt-protestantischen Herrschaft des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha lag.
E. Der Kirchhof
Herkömmlich bezeichnet man einen Begräbnisplatz, der um eine Kirche herum angelegt ist, als Kirchhof. Er stellte vom frühen Mittelalter bis zum Beginn der frühen Neuzeit die Hauptform des christlichen Friedhofes dar. In erstaunlich großer Zahl haben sich solche Kirchhöfe sogar bis in unsere Zeit erhalten, doch haben sie sich in ihrem Aussehen dabei radikal geändert. Denn Kirchhöfe sind heute wie andere Friedhöfe durch das Nebeneinander von einzelnen, gekennzeichneten Grabstätten geprägt, die es auf dem mittelalterlichen Kirchhof nicht gab. In der Gegenwart lassen deshalb solche Kirchhöfe das mittelalterliche Bild besser erahnen, die von ihren Grabstätten beräumt wurden. Denn eine grüne, eher wenig gepflegte, vielleicht von einigen Obstbäumen bestandene Wiese charakterisiert sein mittelalterliches Wesen besser. Dennoch fehlt uns eine wirkliche Vorstellung, denn ein mittelalterlicher Friedhof war kein stiller und beschaulicher, sondern ein viel begangener, auch von Handel und Wandel bestimmter Ort. Dort standen Buden und Stände, Gaukler und Handwerker waren zugange, kurzum, es herrschte Leben und buntes Treiben. Dabei war der Ort rund um die Kirche jedoch in zwei Bereiche sauber getrennt, den eigentlichen Begräbnisplatz, den man nach lateinischem Terminus cimiterium oder coemeterium (Schlafstätte) nannte, und den öffentlichen Ort für die genannte Betriebsamkeit, den man als atrium (Vorhof) bezeichnete. Beide Bereiche zusammen bildeten den Kirchhof. Die Gräber auf dem Friedhofsareal waren einfache Gruben, die von den Totengräbern mehr oder weniger planlos ausgehoben wurden, wo gerade Platz war. Markierungen oder gar eine Gestaltung des Grabhügels gab es dabei nicht (Abb. 3).
Abb. 3: Brixen, Domkreuzgang, Detail aus dem Wandmalereizyklus „Die 7 Werke der Barmherzigkeit“. 15. Jh.: Die Bestattung der Toten
Neben den Kirchhöfen, die einer Pfarrgemeinde zugeordnet waren, besaßen auch die Klöster das Recht zur Unterhaltung eines Friedhofes. Das früheste Zeugnis für einen planmäßig angelegten Klosterfriedhof bietet der Klosterplan von St. Gallen aus dem frühen 9. Jahrhundert.
1. Die Entstehung des Kirchhofs
Steht uns der mittelalterliche Kirchhof in seiner Grundstruktur recht deutlich vor Augen, wie das im folgenden Kapitel näher erläutert wird, so undeutlich ist der Weg dorthin, der sich über mehrere Jahrhunderte erstreckte. Allenfalls im linksrheinischen Gebiet, dort, wo die Römer die Kultur beeinflusst hatten, gibt es eine Kontinuität von den spätantiken Nekropolen zu den Kirchhöfen. Dort haben die Begräbnisstätten mit ihren Kirchen, wie bspw. in Trier, sogar die Siedlungskerne um sich geschart, doch außerhalb der römischen Einflusssphäre gibt es Brüche und friedhofskulturell entstanden die sog. Reihengräberfelder.29 Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie wie die antiken Nekropolen außerhalb der Siedlungen lagen, nicht selten an herausgehobenen Örtlichkeiten, und sich Grab an Grab reihte. Dadurch wirken sie ausgesprochen planmäßig, aber es ist unklar, wer für diese Planmäßigkeit verantwortlich zeichnete. Die Planmäßigkeit geht so weit, dass man zu der Annahme neigt, die Gräber seien mit obertägigen Grabmarkierungen versehen gewesen, um Überschneidungen und Mehrfachbelegungen zu vermeiden. Solche Reihengräberfelder finden sich bei Merowingern und Franken ebenso wie bei Bajuwaren und Alemannen, und sie sind typisch für die Bestattungskultur der Völkerwanderungszeit, also zwischen dem 5. und 9. Jahrhundert.
Hunderte solcher Reihengräberfelder mit tausenden von Grabbeigaben sind mittlerweile archäologisch untersucht und geben Aufschluss über die Sozialstruktur, über Tracht und Beigabensitte, über Lebensgewohnheiten und Todesursachen der Bestatteten und vieles mehr. Doch mangels schriftlicher Quellen können die archäologischen Befunde nichts über die Organisationsstruktur der Friedhöfe aussagen. Es gibt Reihengräberfelder, deren Gräber schlicht in der Reihenfolge des Ablebens der Verstorbenen angelegt wurden, ohne dass auf familiäre Beziehungen Rücksicht genommen worden wäre. Oft ist jedoch das Grab einer herausragenden Person als Ausgangspunkt anzusehen. Andere Gräberfelder lassen wiederum familiäre Strukturen erkennen, und wieder andere gruppieren sich um hervorstechende Grabbauten, die mit reichen Grabbeigaben ausgestattet sind. Die Orientierung der Gräberfelder ist uneinheitlich, manchmal Nord-Süd-, manchmal West-Ost-gerichtet, ohne dass daraus Rückschlüsse auf die Religion der Bestatteten zu ziehen wären. Auch die in der Tendenz zu beobachtende Beigabenlosigkeit kann nicht ohne Weiteres als christliches Bekenntnis der Verstorbenen gedeutet werden.
Immerhin kann man feststellen, dass sich selbst in den rechtsrheinischen Gebieten seit dem 5. Jahrhundert fast überall die Erdbestattung durchgesetzt hatte, doch die Verwendung von Särgen war regional unterschiedlich. Im merowingisch-fränkischen Raum kam es teilweise zur Wiederverwendung antiker Sarkophage, andernorts bevorzugte man hölzerne Särge, oder man verzichtete ganz auf Särge. Die lang zurückreichende Sitte der Baumsärge findet sich noch auf alemannischen Gräberfeldern, und sie waren gemessen an ihrer Dekoration noch dem paganen Glauben verpflichtet. Anders steht es mit den berühmten Goldblattkreuzen, die man auf die Gewänder der Toten nähte; sie glaubt man mit christlichen Vorstellungen in Verbindung bringen zu dürfen. Man kann daraus erkennen, dass das Frühmittelalter eine echte, sehr lang andauernde Übergangszeit gewesen ist, die sich einer einheitlichen Beurteilung entzieht.
Man glaubt schließlich eine Nobilitierung einzelner Familien durch Separatbestattungen feststellen zu können, die ab dem 8. und 9. Jahrhundert mit Kirchen, den sog. Eigenkirchen30, versehen werden. Hier ist ein Beginn des mittelalterlichen Friedhofs zu sehen. Andererseits wird noch auf Gräberfeldern beigesetzt, obwohl es bereits örtliche Kirchen gegeben hat. Den Beisetzungen auf den Gräberfeldern setzen erst die Bestimmungen Karls des Großen zwischen 786 und 813 ein Ende, wodurch die Bestattung bei den Kirchen zwingend vorgeschrieben wurde. Doch selbst diese historischen Fakten führen nicht sofort zur Aufgabe der Reihengräberfelder, die regional noch bis ins 12./13. Jahrhundert belegt werden: „Der Übergang vom Reihengräberfeld zum ausgebildeten mittelalterlichen Friedhof vollzog sich in einem vielschichtigen, räumlich und zeitlich unterschiedlichen Prozess vom 7. bis zum 12./13. Jahrhundert.“31 Konkret kann dieser Übergang jeweils nur an einzelnen Beispielen für sich betrachtet werden, soweit die archäologischen Befunde dies erlauben.32
So viel scheint festzustehen, dass die Reihengräberfelder noch nicht kirchlicher Verwaltung unterworfen waren, sondern ihre Entstehung und Verwaltung (wenn man von einer solchen sprechen kann) den herrschenden Clans zuzuschreiben ist. Mit dem Übertritt der Clanfrüher zum Christentum konnten ihre Kirchen den Status einer Pfarrkirche übernehmen und weitere Gräber um sich scharen. Oder die Erlasse Karls des Großen führten qua Verordnung zu einer Umstrukturierung der Friedhöfe. Am Ende dieses Prozesses war die Totenfürsorge aus der Hand der Familie oder des Clans in kirchliche Verantwortung übergegangen.
2. Der Visitationsbericht des Regino von Prüm
Im Trierer Land war im frühen 9. Jahrhundert die Christianisierung so weit erfolgreich abgeschlossen, dass der Bischof in den einzelnen Gemeinden Visitationen durchführen ließ, mit denen der Zustand der Gemeinden überprüft werden sollte. Einer dieser Visitatoren war Regino von Prüm, zwischen 892 bis 899 Abt des gleichnamigen Klosters in der Eifel. Von unschätzbarem Wert ist sein erhaltenes Visitationshandbuch, dessen standardisierter Fragenkatalog auch den Kirchhof betraf.33 Aufschlussreich ist, dass eine Umfriedung des Raums um die Kirche zwingend vorgeschrieben ist, für deren Unterhaltung der Pfarrer verantwortlich ist. Sinn der Umfriedung ist es dem Bericht zufolge, den Kirchhof vor Verunreinigung und Entheiligung zu schützen. Vermutlich kann eine solche Einfriedung sowohl in Form einer Mauer als auch einer natürlich gewachsenen Hecke bestanden haben. Doch gleichzeitig sorgte eine solche Umfriedung für die klare Definition des Kirchhofs im Sinne eines Rechtsraumes; erst so konnte festgestellt werden, ob eine Bestattung auf dem kirchlichen Cimiterium stattfand. Weiter ist wichtig, dass terminologisch zwischen dem eigentlichen Bestattungsplatz, cimiterium genannt, und dem Raum für das soziale, öffentliche Leben, als atrium bezeichnet, unterschieden wird. Der oftmals erweckte Eindruck, dass auf dem Kirchhof, und damit gewissermaßen über den Gräbern, auch Handel und Wandel nebst öffentlichem Spektakel betrieben wurde, muss demnach dahin präzisiert werden, dass beide Bereiche auf dem Kirchhof vorhanden, aber strikt voneinander getrennt waren. Es gab den Raum der geheiligten Stätte für die Beerdigungen einerseits und den Ort für öffentliche Handlungen.
Das Wort Friedhof findet sich in diesem Zusammenhang nicht, sondern ist erst später aus dem altertümlich freithof oder vrithof entstanden, das einen umfriedeten Raum bezeichnet, der im rechtlichen Sinn auch einen Asylraum bezeichnet.
3. Der St. Galler Klosterplan
Wir wissen wenig über die Anlage von Friedhöfen im Frühen Mittelalter, noch weniger über ihr Aussehen. Man weiß lediglich, dass es gewisse Grundanforderungen an einen christlichen Bestattungsplatz gab, und ist geneigt, lediglich eine konzeptionslose Zweckeinrichtung zu vermuten. Allerdings besitzen wir mit dem Klosterplan von St. Gallen (Schweiz) aus dem frühen 9. Jahrhundert ein herausragendes Zeugnis für eine frühmittelalterliche Klosteranlage, und sie enthält auch einen Friedhof (Abb. 4).34
Abb. 4: St. Gallen, Klosterplan, frühes 9. Jh., mit Friedhofsareal rechts oben
Er ist auf dem Plan eingezeichnet, mit einem Kreuz markiert (oben rechts neben der Apsis) und auch beschriftet (in Übersetzung): „Unter diesen Hölzern der Erde ist das heiligst immer das Kreuz, / an dem duften die Früchte des ewigen Heils. / Um es herum sollen liegen die Leiber der verstorbenen Brüder; / wenn es wieder erglänzt, mögen sie empfangen die Reiche des Himmels.“ Hier wurden also die Verstorbenen des Klosters auf einem Areal bestattet, das von Obstbäumen bestanden war. Einzig das (Hoch-)Kreuz kennzeichnet diesen Ort als besondere Begräbnisstätte.
Hinsichtlich des Klosterplanes ist es umstritten, ob es sich um eine konkrete Anlage oder einen idealtypischen Plan handelt, doch spielt das hier keine Rolle. Wichtig ist, dass ein Friedhof als konstitutives Element dieses Klosters berücksichtig ist und eine Gestalt besitzt. Es handelt sich um ein rechteckiges Areal mit Baumbestand und einem Hochkreuz. Doch muss auch berücksichtigt werden, dass es sich um einen Klosterfriedhof und nicht um einen normalen Gemeindefriedhof handelt. Die klösterlichen Verhältnisse dürfen also nicht zwangsläufig verallgemeinert werden, aber sie bezeugen zumindest grundsätzlich, dass die Friedhofsplanung als elementare Aufgabe berücksichtigt ist.
II. Mittelalter
Die kirchliche Totenfürsorge als Werk der christlichen Barmherzigkeit
Im Mittelalter war das Friedhofswesen fest in kirchlicher Hand, und es gab kein Bestattungsrecht ohne kirchlichen Segen, wenn man einmal von den jüdischen Friedhöfen absieht. Theologisch und seelsorgerlich gesehen gehörte das Bestatten der Toten zu den sieben Werken der Barmherzigkeit, und es wurde auch in aller Ernsthaftigkeit von Kirchengemeinden und klösterlichen Gemeinschaften wahrgenommen. Wie gewissenhaft die kirchlichen Obrigkeiten das Bestattungswesen nahmen, belegt der Visitationsbericht des 915 gestorbenen Regino von Prüm.35 Als er seine Gemeinden im Trierer Land besuchte, standen auch Anmerkungen zum kirchlichen Friedhof in seinem Protokoll. Aber das Monopol der Kirche über Bestattung und Friedhof entwickelte sich auch zu einem Machtinstrument gegenüber missliebigen und suspekten Personen. Ketzer und Sektierer, Schwerverbrecher und Andersgläubige blieben von einem kirchlichen Begräbnis ausgeschlossen. Ja selbst den Angehörigen von sog. unehrlichen Berufen, Fremden und ungetauften Kindern blieb das Begräbnis auf dem Kirchhof verwehrt. Der kirchliche Friedhof war ein Instrument zur Regelung der öffentlichen Ordnung. Andererseits räumte man den Adeligen, Kirchenfürsten und anderen Honoratioren durchaus besondere Privilegien ein, indem man ihnen sogar die Bestattung in den Kirchen gewährte, während sich das einfache Volk mit einem Grab auf dem Kirchhof zufriedengeben musste. Aber auch er war gut organisiert und mit dem heilsnotwendigen Mobiliar ausgestattet. Er besaß eine Kirchhofsmauer, ein Hochkreuz und eine Totenleuchte mit dem ewigen Licht. Die ewige Ruhe war den Bestatteten aufgrund des beschränkten Platzes auf dem Kirchhof zwar nicht gewährt, doch trug man ihre aus den Gräbern wieder entfernten Gebeine pietätvoll im Beinhaus zusammen. Anders verfuhren die Juden mit ihren Toten: Das Haus für die Ewigkeit, wie sie ihren Friedhof nannten, bot den Gräbern zumindest einen dauerhaften Ort für die irdische Ewigkeit. Gräber werden nach jüdischem Brauch nicht wieder belegt, sondern bleiben dauerhaft.
Ungeachtet dieser Einschränkung blieb das kirchliche Friedhofswesen das ganze Mittelalter hindurch stabil und unangefochten. Lediglich die Pest, die seit dem 14. Jahrhundert in immer neuen Wellen Europa heimsuchte und Millionen von Opfern forderte, brachte das normale Begräbniswesen in Schwierigkeiten, weil die kleinen Kirchhöfe für die massenhaft anfallenden Toten kaum mehr ausreichten. Und immer häufiger gab es keine Priester mehr, um die Verstorbenen kirchlich zu bestatten. Ob damals schon eigene Pestfriedhöfe eingerichtet wurden, ist nicht klar erkenntlich. Auch ist umstritten, ob die Pest den Anstoß für die bildliche Ausstattung der Kirchhöfe mit Totentanz-Darstellungen gab. Immerhin mehrten sich gegen Ende des 15. Jahrhunderts die Stimmen, die einen Zusammenhang zwischen Pest und Friedhof sahen, und es erhob sich die Forderung, die Kirchhöfe im Zentrum der Gemeinwesen zu schließen und draußen vor den Toren der Stadt neue, hygienisch unbedenkliche Begräbnisplätze anzulegen. Das Mittelalter, das religiös dachte und lebte, ging zu Ende, und die Vernunft begann sich zu Wort zu melden, auch im Bestattungswesen.
A. Die Lage und kultische Ausstattung des Kirchhofs
Kein mittelalterlicher Kirchhof hat sich so erhalten, wie er zu seiner Zeit im Mittel- oder Hochmittelalter gewesen ist, doch können wir ihn in seiner Grunddisposition rekonstruieren.36 Die örtliche Pfarrkirche bildete das Zentrum. In ihren Altären ruhten die Reliquien der Heiligen, an deren Segnungen die Lebenden und die Toten Anteil haben sollten, die in der Communio Sanctorum, der Gemeinschaft der Heiligen, miteinander verbunden waren. Auf verschiedenen kirchlichen Synoden war festgelegt worden, wie weit konkret die Strahlkraft der Reliquien reichte, und sie bestimmte die Größe des Friedhofes. Im Idealfall verlief die Begrenzung des Kirchhofs kreisförmig um die Kirche. Innerhalb dieser Begrenzung bestattete man die Toten in Gräbern, die jedoch nicht unseren Vorstellungen von einem Grab entsprachen. Es fehlten Grabzeichen ebenso wie eine Grabbepflanzung, eher glich der Kirchhof einer holprigen Wiese mit Grabhügeln oder tiefen Mulden, wo sich die Bestattungen bereits gesetzt hatten. Bei der Neuanlage von Gräbern hatten die Totengräber oftmals Schwierigkeiten, eine unbelegte Stelle zu finden. Spätere archäologische Ausgrabungen ließen dann auch erkennen, dass die neuen Gräber ältere Bestattungen überschnitten. Oftmals wurden große Gruben ausgehoben, in denen man bestattete, und die man erst schloss, nachdem sie gefüllt waren. Das einzelne Grab war eher ein Privileg als die Regel. Auf diesem Kirchhof weideten die Kühe und Schafe, die dem Pfarrer oder dem Mesner ein kleines Zubrot eintrugen. Hatten die Totengräber, wie es oft in Visitationsberichten bemängelt wurde, die Gräber aus Bequemlichkeit oder im angetrunkenen Zustand nicht tief genug ausgehoben, dann scharrten die grasenden Tiere oft Leichenteile oder Knochen hervor. Es mag wohl Friedhöfe gegeben haben, auf denen eine geregelte Ordnung herrschte, aber insgesamt haben die alten Kirchhöfe bei den Kirchen keinen Anspruch auf eine Ästhetik der Gestaltung erhoben. Darauf kam es aber ebenso wenig an wie auf das Aussehen der einzelnen Gräber, denn nicht das Grab war der Ort der Trauer, vielmehr wurde der Toten in geistlichen Übungen bei Fürbittgebet und Seelenmesse gedacht. Wichtig war indes eine Grundausstattung des Friedhofes, die ebenfalls rekonstruiert werden muss.
Der Kirchhof hatte neben seinem primären Zweck der Bestattung der Toten zwei wichtige Funktionen. Als heiliger und geweihter Ort sollte er das Seelenheil der Verstorbenen sichern helfen, gleichzeitig war es seine wichtige Aufgabe, das gespannte Verhältnis zwischen Lebenden und Toten zu befrieden. Dies ist nicht ohne die archaische Vorstellung von den lebenden Toten zu begreifen, von deren Existenz man im Mittelalter überzeugt war. Religiös gesprochen bildeten die Toten mit den Lebenden wohl die Gemeinschaft der Heiligen, doch gemäß dem herrschenden Volksglauben gebärdeten sich die lebenden Toten keineswegs immer heilig, sondern konnten als Wiedergänger oder Nachzehrer sogar sehr gefährlich werden. Diese Vorstellungen existieren global in den meisten Kulturen, weshalb Vorkehrungen zu treffen waren, die Toten von den Lebenden zu separieren. Schon das alte römische Zwölftafelgesetz, das eine Bestattung innerhalb der Stadt verbot, muss im Sinne einer solchen Trennung von Lebenden und Toten verstanden werden. Man mag die zahlreichen Vorkehrungen, die zur Bannung der Toten getroffen wurden, als magische Praktiken bezeichnen, sie entsprechen aber letztlich dem Grundsatz der modernen Trauerpsychologie vom notwendigen Ablösungs- und Trennungsprozess der Angehörigen von ihren Verstorbenen. Der mittelalterliche Kirchhof, der mitten in Dorf oder Stadt um die Kirche angelegt war, scheint diesem Grundsatz der Separierung zu widersprechen, doch zeigen verschiedene Details, dass man diese Problemlage durchaus zu meistern wusste, wie uns die typische Möblierung des Kirchhofs zeigt.