Kitabı oku: «Polizeiorganisation in Nordrhein-Westfalen», sayfa 4

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3.5.5 Amtshandlungen von Angehörigen der Zollverwaltung in NRW

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Durch das „Gesetz zur Änderung des Polizeiorganisationsgesetzes“ vom 17. Mai 2018 (GV. NRW. 2018 S. 270) wurde § 9 Abs. 3 neu gefasst. Im Gesetzentwurf der Landesregierung (LT NRW 17/2114) wird dafür folgende Begründung gegeben: „Durch § 12d des Zollverwaltungsgesetzes (ZollVG) hat der Bundesgesetzgeber eine Öffnungsklausel geschaffen, die es den Zollvollzugsbediensteten nach Maßgabe der Landesgesetze erlaubt, in Eilfällen polizeiliche Amtshandlungen vorzunehmen. (…) Die Zollbediensteten in den Vollzugsbereichen der Zollverwaltung sind im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung immer wieder Situationen ausgesetzt, in denen ein unmittelbares polizeiliches Handeln geboten erscheint.“ Die Ergänzung des § 9 Abs. 3 erlaubt, dass Bedienstete in den Vollzugsbereichen der Zollverwaltung auf dem Gebiet des Landes NRW im Rahmen ihrer originären Aufgabenwahrnehmung im Eilfall im Zuständigkeitsbereich der Landespolizei zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung tätig werden (vgl. § 9 RN 7).

3.6 Aktuelle Polizeiorganisation
3.6.1 Polizeibeauftragter

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Als erster „Polizeibeauftragter“ der Polizei NRW nahm am 1. März 2019 Thorsten Hoffmann im Innenministerium die Arbeit auf. Er wurde aufgrund eines Kabinettsbeschlusses vom 12. Februar 2019 von der Landesregierung eingesetzt (Pressemitteilung vom gleichen Tag auf https://www.land.nrw/de/). Der Polizeibeauftragte ist nicht Angehöriger der Polizeiabteilung im Innenministerium, sondern ist außerhalb der Linie (RN 10), wie eine Stabsstelle, dem Minister zugeordnet. Nach der Pressemitteilung der Landesregierung ist der Polizeibeauftragte „an Weisungen nicht gebunden und wird nach pflichtgemäßem Ermessen allein aufgrund eigener Entscheidung tätig. Alle Angehörigen der NRW-Polizei können sich jederzeit und ohne Einhaltung des Dienstweges mit Anregungen, Einwendungen und Hinweisen an ihn wenden.“

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Der Kabinettsbeschluss (RN 41) war nach § 10 der „Geschäftsordnung der Landesregierung“ (GGO) vom 3. September 2019 (MBl. NRW 2019 S. 400, ber. S. 604 = SMBl. NRW 1102) erforderlich, weil der Polizeibeauftragte als Regierungsbeschäftigter mit einer außertariflichen Vergütung oberhalb der Besoldungsgruppe A 16 analog eingestellt werden sollte. Für die Ausgestaltung der Funktion des Polizeibeauftragten sind die Vorgaben der „Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Nordrhein-Westfalen“ vom 19. Dezember 2014 (MBl. NRW. 2014 S. 826), zuletzt geändert am 6. April 2021 (MBl. NRW. 2021 S. 206), maßgeblich. Der „Behördenaufbau“ wird in § 4 dieser Geschäftsordnung geregelt. Nach § 4 Abs. 1 S. 2 gliedern sich Ministerien „grundsätzlich in Abteilungen und abteilungsangehörige Referate“. Außerhalb der Abteilungen „sollen“ nach § 4 Abs. 6 S. 1 GGO „keine selbständigen Organisationseinheiten gebildet werden“. Ausnahmen sind nach § 4 Abs. 6 S. 2 GGO „insbesondere bei Organisationseinheiten möglich, denen ausschließlich und auf Dauer Aufgaben des unmittelbaren Leitungsbereiches oder bestimmte Funktionsstellen zugewiesen sind“. Eine solche „Funktionsstelle“ könnte der Polizeibeauftragte sein.

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Der Landtag NRW wurde über die neue Funktion des Polizeibeauftragten durch den Innenminister in der Sitzung des Innenausschusses am 14. März 2019 informiert. In der schriftlichen Vorlage für die Sitzung (LT NRW Vorlage 17/1951) wird beschrieben, welche Aufgaben der Polizeibeauftragte hat und wie mit Eingaben von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei NRW verfahren wird: „Der Polizeibeauftragte bearbeitet ihre Anregungen und Beschwerden im Zusammenhang mit allen dienstlichen Belangen (mit Ausnahme von Einzelbeurteilungen, Stellenbesetzungs- und Personalentwicklungsfragen, Disziplinar- und Strafverfahrensangelegenheiten, anhängigen oder nachfolgenden Gerichts-, Petitions- oder Untersuchungsausschussverfahren). Mit Mitteln der Mediation und der partnerschaftlichen Kommunikation wird die Polizeibeauftragte oder der Polizeibeauftragte bei der Lösung innerpolizeilicher Konflikte mitwirken.“

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Nach der Pressemitteilung (RN 41) „wird“ der Polizeibeauftragte „einmal im Jahr den Abgeordneten des Landtags schriftlich über seine Tätigkeit berichten“. Eine rechtlich verbindliche Regelung dafür ist nicht bekannt. Im August 2020 wurde der erste Tätigkeitsbericht vorgelegt (LT NRW Vorlage 17/3749). Inhaltliche Schwerpunkte der 243 Eingaben waren danach die Themen:

– Soziales Miteinander (Konflikte auf kollegialer Ebene, Konflikte in hierarchischen Beziehungen, Empfinden mangelnder Anerkennung, Empfinden mangelnder Wertschätzung und Respekts, Vorwurf des Mobbings).

– Fürsorgepflicht des Dienstherrn (Anerkennung eines Dienstunfalles, Kostenübernahme, Schadensersatz, Schmerzensgeldansprüche und Anerkennung der Spätfolgen nach Dienstunfällen).

– Beruflicher Status (Verfahren zur Feststellung der Polizeidiensttauglichkeit, Vereinbarkeit Beruf, Familie und Pflege, Verlängerung der Lebensarbeitszeit, unbefriedigende Beförderungs- und Entwicklungsperspektiven, Beurteilungen und Beförderungen, Versetzungsverfahren, Verlängerung der Probezeit und Entlassungen aus dem Beamtenverhältnis während der Ausbildung).

– Arbeitsplatzsituation (Schichtdienstregelungen, Arbeitsüberlastung in einzelnen Aufgabenbereichen oder im Rahmen einer BAO (vgl. RN 6), Neuorganisation von Organisationseinheiten, Einführung des Vorgangsbearbeitungssystems der Polizei NRW, Telearbeit, Arbeitszeitverordnung (AZVO Pol. NRW), neue Liegenschaft, Mangel an Bereitschaftsärzten, Ausstattung der Büros und Arbeitsräume, Ausstattung mit Dienst- und Funktionskleidung und deren Nutzung).

– Gesundheit (gesundheitsbedingte Verwendungseinschränkungen, Polizeidiensttauglichkeit und Laufbahnwechsel).

Diese Übersicht zeigt, dass sehr viele Beschwerden beamtenrechtliche Entscheidungen betreffen, die mit förmlichen Rechtsmitteln überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden können. Andere persönliche Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden von den Personalvertretungen, den Schwerbehindertenvertretungen, Gleichstellungsbeauftragten und von Berufsverbänden und Gewerkschaften vertreten. Bei Konflikten und psychischen Belastungen kümmern sich „Soziale Ansprechpartner“ (SAP) um die Betroffenen. Im Unterschied zum Polizeibeauftragten sind deren Aufgaben und Kompetenzen geregelt, und zwar im RdErl. des Innenministeriums „Grundsätze zur Tätigkeit der Sozialen Ansprechpartner“ vom 10. Juni 2016 (MBl. NRW. 2016 S. 416). Ergänzend dazu sei auf den Landesteil D der Polizeidienstvorschrift 100 (VS-NfD) „Psychosoziale Unterstützung nach belastenden Einsätzen“ hingewiesen. Es stellt sich die Frage, ob es neben diesen Angeboten noch unmittelbar bei der Innenministerin oder dem Innenminister einen Beauftragten geben muss. Nach § 2 S. 1 der „Gemeinsamen Geschäftsordnung“ (RN 42) sollen Ministerien Aufgaben wahrnehmen, die „der Erfüllung oder Unterstützung von Regierungsfunktionen dienen“. Nach § 2 Abs. 1 S. 4 sind operative Aufgaben und die „Bearbeitung von Einzelfällen“ in der Regel den „Dienststellen des Geschäftsbereichs vorbehalten“.

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Gravierender als die Bedenken wegen fehlender Effizienz sind die fehlenden Regelungen für den Schutz personenbezogener Daten bei der Tätigkeit des Polizeibeauftragten. In einem Informationsschreiben an alle Beschäftigten der Polizei NRW vom 1. April 2019, das als Anlage der Information des Innenministers für den Innenausschuss (RN 43) beigefügt ist, schreibt der Polizeibeauftragte: „Zur Wahrnehmung meiner Aufgaben kann ich innerhalb der Polizei mündlich, schriftlich oder elektronisch alle Auskünfte verlangen, die hierzu erforderlich sind und um Einsicht in Akten und Unterlagen ersuchen. Hierfür kann ich, auch jede Polizeidienststelle aufsuchen.“ Es ist davon auszugehen, dass bei der Bearbeitung der Eingaben durch den Polizeibeauftragten auch personenbezogene Daten von Dritten erhoben, gespeichert und unter Umständen auch weitergegeben werden. Dabei kann es sich, z. B. bei Konflikten mit Vorgesetzten, um sensible Personaldaten handeln. Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist nur aufgrund einer bereichsspezifischen gesetzlichen Regelung zulässig (BVerfGE 65, 1). Eine solche ist für die Tätigkeit des Polizeibeauftragten nicht bekannt.

3.6.2 Stabsstelle Rechtsextremismus

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In einer Pressekonferenz am 16. September 2020 berichtete Innenminister Herbert Reul von dem Verdacht, dass innerhalb einer „Chatgruppe“, die im Wesentlichen aus Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten der Polizeiinspektion Mülheim/Ruhr (PP Essen) bestand, rechtsextremistische Äußerungen und Bilder im erheblichen Umfang verbreitet worden seien. Bekannt geworden war dies im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen einen einzelnen Beamten dieser Dienststelle wegen Geheimnisverrats. In der Sitzung des Innenausschusses des Landtags NRW am 24. September 2020 berichtete der Innenminister über die Anzahl der Fälle in der Polizei NRW, bei denen wegen des Verdachts rechtsextremistischen oder rassistischen Verhaltens ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde. Danach gab es insgesamt 104 Verdachtsfälle. In vier Fällen waren Mitarbeiter des Innenministeriums betroffen. Von den 100 von den Polizeibehörden gemeldeten Verdachtsfällen waren zum Zeitpunkt der Berichterstattung 29 Verfahren abgeschlossen. In acht Fällen wurde eine Disziplinarmaßnahme getroffen. Von den 71 noch laufenden Verfahren entfielen auf den „Gesamtkomplex Essen“ zum Zeitpunkt des Berichts 31 Verfahren.

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Am 15. Oktober 2020 wurde der stellvertretende Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im Innenministerium vom Minister zum „Sonderbeauftragten“ bestellt und eine „Stabsstelle Rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei NRW“ eingerichtet, mit dem Auftrag, ein „Handlungskonzept zur Früherkennung, Entgegnung und Vorbeugung rechtsextremistischer Tendenzen bei der Polizei NRW zu erarbeiten“. In einem ersten Schritt sollte die Stabsstelle ein „erweitertes Landeslagebild über fremdenfeindliche, rassistische und rechtsextremistische Vorfälle in der Polizei NRW zwischen dem 1. Januar 2017 und dem 31. Dezember 2020“ erstellen. Die „Ermittlung von Einflussfaktoren für das Entstehen rechtsextremistischer Haltungen oder Verhaltensweisen“ sollte durch zwei wissenschaftliche Erhebungen unterstützt werden, und zwar „durch Experteninterviews und sogenannte teilnehmende Beobachtungen“.

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Ob es sich tatsächlich um eine „Stabsstelle“ im Sinn der Organisationslehre (RN 7) handelt, ist allerdings fraglich. Denn es handelt sich wohl um eine Organisationseinheit, die nur für eine begrenzte Zeit und mit einem konkreten Auftrag tätig ist. Die Bezeichnung „Projektgruppe“ oder „Arbeitsgruppe“ wäre deshalb treffender. Ungewöhnlich ist die Entscheidung, die Organisationseinheit nicht in der fachlich zuständigen Polizeiabteilung einzurichten, sondern als unmittelbar dem Minister nachgeordnete Stelle. Solche Stabsstellen sind in der verbindlichen Geschäftsordnung für die Landesministerien (RN 42) nicht vorgesehen. Nach § 2 Abs. 1 der Geschäftsordnung ist außerdem die Ausrichtung eines Ministeriums „auf ministerielle Kernaufgaben“ durch „ständige Aufgabenkritik sicherzustellen“. Ob die Aufgabenbeschreibung der Stabsstelle einer solchen Aufgabenkritik standhalten würde, ist zweifelhaft. Das gilt insbesondere für die Durchführung sozialwissenschaftlicher Untersuchungen. Die Vergabe eines Forschungsauftrages an ein Forschungsinstitut oder eine Hochschule wäre nicht nur ressourcenschonender gewesen, sondern hätte auch eine wissenschaftliche Unabhängigkeit und damit eine höhere Akzeptanz der Ergebnisse gewährleistet.

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Mit Schreiben vom 10. März 2021 berichtet der Innenminister dem Innenausschuss des Landtags NRW über die Ergebnisse einer „Sonderinspektion“ des PP Essen durch das LAFP (LT NRW Vorlage 17/4803). Am 31. März 2021 sandte der Innenminister dem Innenausschuss einen Nachbericht zu dieser Sonderinspektion (LT NRW Vorlage 17/4926). Danach werden im Inspektionsbericht 133 Handlungsempfehlungen bzw. Präventionsansätze in den Themenfeldern Führung, Personal, Aus- und Fortbildung, Organisation, Disziplinarverfahren und Beschwerdesachbearbeitung sowie Extremismusprävention aufgezeigt (ebd., S. 3). Der Minister kündigte in dem Bericht für den Innenausschuss an, dass die Stabsstelle Rechtsextremismus (RN 47) „kurzfristig im Rahmen einer Pilotierung in 15 Kreispolizeibehörden durch geschulte Fachkräfte Maßnahmen der Supervision bzw. Alltagsreflexion“ durchführen wird (ebd.). Auch dabei stellt sich die Frage nach der sachlichen Zuständigkeit der Stabsstelle.

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In der Presse wurde umfangreich über die Verdachtsfälle und die Ermittlungen, an denen zeitweise 200 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte beteiligt waren, berichtet. Schon früh wurde von einem „rechtsextremistischen Netzwerk in der Polizei“ des Landes gesprochen. Die Wohnungsdurchsuchungen (in der Presse als „Razzien“ bezeichnet) wurden als Indiz für die Schwere der Straftaten gewertet. Die Öffentlichkeitsarbeit des Innenministeriums war außergewöhnlich offensiv und wich deutlich von den üblichen Verfahren beim Verdacht eines Dienstvergehens ab. Wenn beim Verdacht eines Dienstvergehens zugleich der Verdacht einer Straftat besteht, trifft § 14 Landesdisziplinargesetz NRW Regelungen für den Fall, dass zusätzlich eine Disziplinarmaßnahme verhängt werden soll. Das Disziplinarverfahren ruht dann, solange die strafrechtlichen Ermittlungen andauern. Aus dem Bericht des Innenministers an den Innenausschuss vom 10. März 2021 (RN 49) wird deutlich, dass bei den Verdachtsfällen wegen Rechtsextremismus anders verfahren wurde. Die Ermittlungen in den Disziplinarverfahren wurden zentral vom „Einsatzabschnitt Disziplinarverfahren“ der beim LAFP NRW eingerichteten „BAO Extremismus“ und das strafrechtliche Ermittlungsverfahren parallel von der beim PP Bochum eingerichteten Ermittlungskommission „Janus“ durchgeführt.

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Aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage vom 31. März 2021 (LT NRW Drucks. 17/13250) ergibt sich, dass von der „mit den strafrechtlichen Ermittlungen“ beauftragten „BAO Janus“ (RN 50) alle 12.700 Kontaktdaten, die auf den Mobiltelefonen der 24 unter Verdacht stehenden Polizeibeamtinnen und -beamten gespeichert waren, an sämtliche Landeskriminalämter, das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, das Zollkriminalinstitut sowie an den Verfassungsschutz NRW und das Bundesamt für Verfassungsschutz mit der Bitte um Mitteilung etwaiger Erkenntnisse über die Zugehörigkeit zur rechtsextremen Szene übermittelt wurden. Als Rechtsgrundlage für die Datenübermittlung an die genannten Polizeibehörden wird von der Landesregierung § 27 Abs. 1 S. 1 PolG NRW genannt (ebd., S. 2). Aufgrund dieser Befugnis dürfen personenbezogene Daten von einer Polizeibehörde an eine andere Polizeibehörde übermittelt werden, wenn dies für die Aufgabenerfüllung der übermittelnden oder der empfangenen Stelle „erforderlich“ ist. In Betracht kommt nur die Aufgabe der Gefahrenabwehr nach § 1 Abs. 1 PolG NRW (dazu RN 62). „Nach Angaben der Landesregierung wurden die Kontakt- und Netzwerkdaten aus sichergestellten Mobiltelefonen von Beschuldigten der BAO Janus mit dem Zweck übermittelt, die Daten auf relevante Übereinstimmungen und Verbindungen zu bereits erkannten rechtsextremistischen Netzwerken zu prüfen“ (ebd.), was eher auf eine strafprozessuale Ermittlungshandlung hinweist. Dafür benötigt die Polizei aber eine Befugnis aus der Strafprozessordnung. Als Rechtsgrundlage für die Übermittlung der Kontaktdaten an die Verfassungsschutzbehörden wird in der Antwort der Landesregierung § 18 Abs. 1b Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) genannt. Danach besteht u. a. für Polizeibehörden die Verpflichtung zur Übermittlung von Informationen einschließlich personenbezogener Daten, über „Bestrebungen und Tätigkeiten“ im Sinne von § 3 Abs. 1 BVerfSchG, also über verfassungsfeindliche oder geheimdienstliche Tätigkeiten, „wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist“. Im vorliegenden Fall diente die Datenübermittlung aber der Erkenntnisgewinnung in einem polizeilichen Ermittlungsverfahren. Insgesamt bestehen also erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Weitergabe der Kontaktdaten.

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Es ist selbstverständlich, dass die Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz (RN 58) auch für interne Verfahren gilt. Das Recht auf ein faires Verfahren und auf größtmöglichen Schutz der Persönlichkeitsrechte gelten hierbei ebenso wie das verfassungsrechtliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Das Bemühen, rechtsextremistische Tendenzen innerhalb der Polizeiorganisation frühzeitig aufzudecken, entsprechendes Verhalten zu verhindern oder gegebenenfalls zu sanktionieren, rechtfertigt nicht jedes Mittel. Ein negatives Beispiel ist die beabsichtige Entlassung einer Kommissaranwärterin, die sich im Zuge der bekannt gewordenen Aktivitäten in einer Chatgruppe (RN 46) an ihren Vorgesetzen gewandt hatte, weil sie solche Mitteilungen ebenfalls (allerdings unbemerkt) empfangen hatte. Durch Beschluss vom 25. März 2021 (Az. 6 B 2055/20) hob das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW das ausgesprochene Verbot der Dienstgeschäfte auf. Das OVG äußerte sich sehr deutlich zu den erheblichen Verfahrensfehlern bei der Ermittlung und Bewertung des Tatbestandes. Bemerkenswert ist folgende Ausführung in Ziffer 4 der Begründung des Beschlusses:

„Keine Frage der Rechtmäßigkeit, sondern der Zweckmäßigkeit der Maßnahme ist es, welches Signal es aussendet und welche Folgewirkungen es hat, wenn der Dienstherr ausgerechnet diejenige Kommissaranwärterin, die auf problematische Inhalte in dienstlichen Chatgruppen aufmerksam gemacht hat, die Führung der Dienstgeschäfte verbietet und ein Entlassungsverfahren einleitet, während er gegenüber den übrigen diesen Gruppen angehörenden Beamten zugleich nichts unternimmt.“

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Bereits zuvor hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 22. Oktober 2020 (Az. 2 L 1910/20) das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte aufgehoben, welches wegen des Erhalts von „zumindest“ einem Bild „mit rechtsradikalem Gedankengut von strafrechtlicher Relevanz“ vom LAFP als zuständiger Polizeibehörde (RN 50) angeordnet worden war. Neben Formfehlern (es fehlte die erforderliche schriftliche Begründung des Verwaltungsaktes), war für das Gericht nicht ersichtlich, dass „durch eine weitere Ausübung des Dienstes durch die Antragstellerin der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären“. Außerdem würde es sich bei dem Inhalt des Chats um eine „Hitler-Parodie“ handeln, deren Verbreitung nicht strafbar sei und auch nicht die Annahme rechtfertigt, dass die betroffene Polizeibeamtin ein „schwerwiegendes Dienstvergehen“ begangen und gegen die „politische Treuepflicht“ verstoßen habe. Daraufhin hat das LAFP nach Presseberichten die Suspendierung in acht gleichgelagerten Fällen aufgehoben.

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Es ist wahrscheinlich, dass durch die Einrichtung einer „Sonderorganisation“ mit der Verlagerung der sachlichen Zuständigkeit für die Disziplinarverfahren und der begleitenden offensiven Öffentlichkeitsarbeit des Innenministeriums unerwünschte Wirkungen erzielt wurden. Skeptiker könnten nach Abschluss einiger Verfahren durch Einstellung zu der Ansicht gelangen, die Aufklärung der in der Pressekonferenz des Innenministers (RN 46) geschilderten „ungeheuren Vorwürfe“ sei vertuscht worden, und die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des Landes könnten sich fragen, ob die „dramatische“ Darstellung der Verdachtsfälle und die Einordnung als „rechtsextremes Netzwerk“ nicht zu einem irreparablen Vertrauensverlust bei der Bevölkerung in die Integrität der Polizei geführt haben. Gefragt werden wird auch, ob das Innenministerium in Verdachtsfällen wegen unrechtmäßiger Polizeigewalt ähnlich entschlossen mit einem vergleichbaren Aufwand vorgehen wird.

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