Kitabı oku: «Polizeiorganisation in Nordrhein-Westfalen», sayfa 5
3.6.3 Neuordnung der Dienst- und Fachaufsicht
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In der 17. Wahlperiode hat der Landtag bis zum Frühjahr 2021 zwei Gesetze zur Änderung des POG beschlossen. Nach der Neufassung des § 9 Abs. 3 (RN 40) wurde durch das „Zweite Gesetz zur Änderung des Polizeiorganisationsgesetzes“ vom 8. Oktober 2020 (GV. NRW. S. 1008) die Dienst- und Fachaufsicht neu geordnet. Nach der Neufassung des § 5 Abs. 1 führt das Innenministerium die Dienstaufsicht über die drei Landesoberbehörden (RN 80) und die Kreispolizeibehörden (RN 85). Die Fachaufsicht über die Kreispolizeibehörden führen die Landesoberbehörden im Rahmen ihrer jeweiligen sachlichen Zuständigkeit. Dem Innenministerium obliegt die Fachaufsicht über die drei LOB. Damit gilt für die Fachaufsicht wieder ein dreistufiger Aufbau, wie er bis zum Jahr 2006 mit den Bezirksregierungen als Mittelinstanz gegolten hat.
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Nach der Herauslösung der Polizei aus den Bezirksregierungen (RN 35 f.) beaufsichtigte das Ministerium nach § 5 Abs. 1 nicht nur die drei Landesoberbehörden, sondern führte auch unmittelbar die Dienst- und Fachaufsicht über die 47 Kreispolizeibehörden. Lediglich Teile der Dienstaufsicht waren dem LAFP übertragen worden. Bereits während der Gesetzesberatung im Innenausschuss des Landtags im Jahr 2006 äußerten Experten bei der Sachverständigenanhörung im Innenausschuss Bedenken wegen der Konzentration der Dienst- und Fachaufsicht im Innenministerium. Mehr als zehn Jahre später kam die Landesregierung in der Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung des § 5 (LT NRW Drucks. 17/9787, S. 1) zu folgender Erkenntnis: „Mit der unmittelbaren Aufsicht über die Kreispolizeibehörden sieht sich das Ministerium mit einer großen Führungsspanne konfrontiert. Der Wegfall einer kompletten Hierarchieebene belastet das Ministerium mit einer Vielzahl fachlicher Einzel- und Detailfragen; dies geht zulasten der nach § 5 Abs. 1 LOG NRW eigentlich für oberste Landesbehörden vorgesehenen Strategie- und Führungsaufgaben. Die Aufsichtsunterstützung durch die Landesoberbehörden vermag die geschilderten Defizite nicht zu kompensieren und birgt zudem die Gefahr eines ineffizienten Nebeneinanders verschiedener Aufsichtsstränge. In der Gesamtschau ist eine systematische und ganzheitliche Aufsicht innerhalb der derzeitigen Aufsichtsarchitektur nicht zu realisieren.“
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Vorbereitet wurde der Gesetzentwurf zur Änderung des § 5 durch die „Landesarbeitsgruppe Aufsicht“ (LAG), die zu Beginn des Jahres 2020 vom Innenministerium eingesetzt wurde (Lesmeister Streife H. 2/2020, S. 22). Ziel der LAG war es, einen Vorschlag für eine „vom Einzelfall unabhängige Fachaufsicht“ zu machen, die „nicht erst interveniert, wenn sich ein Problem auftut“. Dadurch sollen in Zukunft „sowohl Verbesserungspotenziale als auch Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt werden“ (ebd.). Die Novellierung soll im Hinblick auf die Fachaufsicht „zu moderneren, interdisziplinären Strukturen“ führen, und die „regelmäßige Durchführung von ganzheitlichen, anlassunabhängigen Audits“ soll gewährleistet sein (ebd.).
4. Aufgaben und Zuständigkeiten der Polizei
4.1 Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
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Die Polizei gehört zur Eingriffsverwaltung. Als Teil der vollziehenden Gewalt (Exekutive) ist sie nach Art. 20 Abs. 3 GG „an Recht und Gesetz gebunden“. Aus diesem Grundsatz der „Gesetzmäßigkeit der Verwaltung“ folgt der Grundsatz des Vorbehaltes und Vorrang des Gesetzes.
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Vorbehalt des Gesetzes bedeutet, dass die Polizei bei ihrem Einsatz nur aufgrund einer gesetzlichen Erlaubnis („Befugnis“) in (Grund-)Rechte eingreifen darf. Der parlamentarische Gesetzgeber muss in der Befugnisnorm die Voraussetzungen und Modalitäten des zugelassenen Eingriffs bestimmen. Die Zuweisung einer Aufgabe (RN 61) bedeutet nicht, dass damit auch die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Befugnisse verbunden sind. Umgekehrt ist es aber zulässig, bei fehlender Aufgabenzuweisung von einer der Polizei eingeräumten Befugnis auf eine damit verbundene Aufgabe zu schließen, denn sonst wäre die Befugnisnorm sinnlos.
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Vorrang des Gesetzes bedeutet, dass der in Form eines Gesetzes geäußerte Staatswille rechtlich allen anderen staatlichen Willensäußerungen vorgeht. Gemeint ist der Vorrang der Gesetzgebung vor der Verwaltung als Funktion (Dietel/Gintzel, S. 9 ff.). Die Polizei als Teil der Verwaltung darf also nichts tun, was einem Gesetz zuwider ist, d. h., sie darf
– nicht die gesetzlich bestimmten Grenzen ihrer Zuständigkeiten überschreiten,
– nicht die gesetzlich zugewiesenen Aufgaben missachten,
– nicht die Grenzen der eingeräumten Befugnisse überschreiten,
– keine Befugnisse aus einem Gesetz ableiten, das im Widerspruch zu einem ranghöheren Gesetz steht.
4.2 Aufgaben der Polizei
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Aus dem verfassungsrechtlichen Prinzip vom „Vorrang des Gesetzes“ (RN 60) folgt, dass die Polizei nur innerhalb der gesetzlichen Grenzen tätig werden darf. Das bedeutet auch, dass sie keine anderen Aufgaben wahrnehmen darf als die vom Gesetzgeber vorgesehenen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Polizei bei ihrem Tätigwerden in Grundrechte eingreift (z. B. bei der Wohnungsdurchsuchung) oder nicht, also „schlicht-hoheitlich“ handelt (z. B. bei der Streifentätigkeit). Die Polizei darf nicht tätig werden, wenn es an einer gesetzlichen Aufgabenzuweisung fehlt.
Beispiel: Aus einem Bericht des Innenministeriums für die Sitzung des Innenausschusses des Landtags NRW am 15. April 2021 (LT NRW Vorlage 17/4969) geht hervor, dass im April 2021 die für die Schulen des Landes beschafften Corona-Selbsttests von Streifenwagenbesatzungen der Polizei bei einem Zentrallager der LZPD in Lünen abgeholt und durch die örtlichen Polizeidienststellen an insgesamt 320 Schulen verteilt wurden. Bei einem Versand durch die Firma DHL wäre eine rechtzeitige Zustellung nicht gewährleistet gewesen. Eine gesetzliche Aufgabenzuweisung für eine solche Tätigkeit der Polizei ist nicht ersichtlich.
Im Bericht des Innenministeriums wird es als „sachgerecht“ bezeichnet, „diese Aufgabe des Landes zur Überbrückung durch hauptamtliche, verfügbare Kräfte der Polizei erbringen zu lassen, statt ehrenamtliche Einsatzkräfte der Kommunen heranzuziehen“ (LT NRW Vorlage 17/4969, S. 4). Die „Überbringung der Tests durch Polizeikräfte“ sei innerhalb der Regelarbeitszeit nach Anordnung im Rahmen des Direktionsrechts des Dienstherrn“ erfolgt (ebd.). Diese Auffassung ist sowohl aus verfassungsrechtlicher als auch aus haushaltsrechtlicher Sicht bedenklich. Ein „Direktionsrecht des Dienstherrn“ gibt es nur für Weisungen im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Aufgaben. Selbst wenn man den Transport und die Zustellung als Beitrag zur Gefahrenabwehr ansieht, wäre dafür nicht die Polizei, sondern die Ordnungsbehörde zuständig (vgl. RN 62). Wenn eine Ordnungsbehörde dazu personell nicht in der Lage gewesen wäre, hätten andere Bedienstete der Kommune oder private Firmen die Leistung erbringen können. Gesetzliche Aufgabenzuweisungen in einem Rechtsstaat sollen nämlich auch gewährleisten, dass Behörden und deren Bedienstete für die zugewiesenen Tätigkeiten tatsächlich zur Verfügung stehen und nicht sachfremd eingesetzt werden.
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Die zentrale gesetzliche Aufgabenzuweisung für die Polizei des Landes NRW ist § 1 des Polizeigesetzes (PolG NRW). Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift weist der Polizei die Aufgabe der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu. Es handelt sich dabei um die Fälle, die nicht in einem speziellen Gesetz zur Gefahrenabwehr geregelt sind. Man kann daher auch von der Aufgabe der „Allgemeinen Gefahrenabwehr“ sprechen. Sind neben der Polizei noch andere Behörden für die Gefahrenabwehr zuständig, darf die Polizei nach § 1 Abs. 1 Satz 3 PolG NRW die Aufgabe aber nur dann wahrnehmen, wenn ein Handeln dieser Behörden zur Gefahrenabwehr „nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint“. Bei gleicher Aufgabenzuweisung sind die anderen Behörden demnach primär und die Polizei hingegen subsidiär zuständig. Ihr kommt lediglich eine Eilfallzuständigkeit zu, wenn die andere Behörde nicht rechtzeitig auf die Gefahrensituation reagieren und eine Notzuständigkeit, wenn die Mittel der anderen Behörde nicht ausreichen, um zur Gefahrenabwehr in diesem Fall tätig zu werden. Die nicht spezialisierte Gefahrenabwehr ist in Nordrhein-Westfalen die originäre Aufgabe der Ordnungsbehörden. Hat die Polizei von einer Gefahrensituation Kenntnis, die ein Eingreifen der Ordnungsbehörde oder einer anderen zuständigen Behörde erfordert, so hat sie nach § 1 Abs. 1 Satz 4 PolG NRW diese Behörden unverzüglich zu unterrichten.
Beispiel: An einem Werktag gegen 21.25 Uhr gingen bei der Einsatzleitstelle des PP Köln mehrere Anrufe wegen einer erheblichen Ruhestörung durch lautes Gebell mehrerer Hunde ein. Weil der Hundehalter nicht zu Hause war, entschloss sich die entsandte Funkstreifenbesatzung vor Ort, die Tür des Hauses durch einen Schlüsseldienst öffnen zu lassen, um die Hunde in ein Tierheim transportieren zu lassen. Während des Einsatzes traf der Halter der drei erwachsenen Hunde und sechs Welpen am Einsatzort ein. Das VG Köln stellte in seinem Urteil vom 28. Januar 2010 (Az. 20 K 6419/08) fest, dass der Hundehalter die Kosten des Schlüsseldienstes nicht bezahlen muss, weil die Maßnahme der Polizei formell rechtswidrig gewesen sei. Grund dafür war, dass zum Zeitpunkt der Ruhestörung das zuständige Ordnungsamt Köln erreichbar gewesen sei und rechtzeitig hätte tätig werden können.
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Im Rahmen der Gefahrenabwehr wird der Polizei in § 1 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW die originäre Aufgabe der „Vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten“ übertragen. Unter diesem – semantisch verfehlten und historisch belasteten – Begriff fallen die „Verhütung von Straftaten“ und die „Vorsorge für die künftige Strafverfolgung“. Im Hinblick auf die „Verhütung von Straftaten“ gibt es keinen Zweifel daran, dass die Polizei dabei die Aufgabe der Gefahrenabwehr wahrnimmt. Es geht darum, Störungen der Rechtsordnung und/oder Schäden an den durch das Strafrecht geschützten Individualrechtsgütern des Einzelnen zu verhindern. Es handelt sich dabei um eine originäre Aufgabe der Polizei, die der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 Satz 2 PolG NW deshalb besonders erwähnt hat. Die Tätigkeiten der Polizei in diesem Aufgabenfeld sind höchst unterschiedlich. Die Verhinderung einer konkret angedrohten Straftat gehört genauso dazu wie die Information und Beratung zur Kriminalprävention. Schwieriger ist die Einordnung der „Vorsorge für die künftige Strafverfolgung“ in den Bereich der Gefahrenabwehr. Schon seit vielen Jahren speichert die Polizei in den „Kriminalpolizeilichen Sammlungen“ Informationen über Straftäter. Bekannt sind die bei der erkennungsdienstlichen Behandlung angelegten „Fingerabdruckbogen“ und das „dreiteilige Lichtbild“ in den Kriminalakten, um eine künftige Straftat einer Person zuordnen zu können. Der Gesetzgeber hat dies der Gefahrenabwehr zugeordnet, weil die Strafprozessordnung nur das Verfahren bei der Verfolgung einer bereits geschehenen Straftat regelt. In § 1 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW wird der Polizei auch aufgetragen, „die erforderlichen Vorbereitungen für die Hilfeleistung und das Handeln in Gefahrenfällen zu treffen“.
Beispiel: Die Einsatzleitstelle eines Polizeipräsidiums speichert Namen, Anschriften sowie die telefonische Erreichbarkeit der Inhaber von Schlüsseldiensten, um diese im Bedarfsfall in Gefahrensituationen zügig mit dem Öffnen verschlossener Türen beauftragen zu können.
Die Speicherung personenbezogener Daten ist ein Eingriff in das „Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“ aus Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 65,1). Nach § 22 Abs. 1 PolG NRW darf die Polizei rechtmäßig erlangte personenbezogene Daten speichern, sofern dies zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlich ist. Die Aufgabenzuweisung ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW.
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In § 1 Abs. 2 PolG NRW weist der Gesetzgeber der Polizei die Aufgabe zu, im Rahmen der Gefahrenabwehr ausnahmsweise auch zum Schutz privater Rechte tätig zu werden. Allerdings geschieht dies grundsätzlich nur auf Antrag desjenigen, dessen Rechtsansprüche zu sichern sind. Die Polizei darf einen solchen Schutz niemandem gegen seinen Willen aufdrängen. Dies folgt aus der im Privatrecht geltenden Vertragsfreiheit und der im Zivilprozess herrschenden Dispositionsfreiheit. Die Polizei darf nicht mehr an privaten Rechten schützen, als der Inhaber selbst gewahrt haben möchte. Weil für zivilrechtliche Streitigkeiten nach § 13 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ausschließlich die Zivilgerichte zuständig sind, wird die Polizei nach § 1 Abs. 2 PolG NRW nur dann (subsidiär) zur Sicherung privater Rechtsansprüche tätig, wenn „gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist“. Eine weitere dort genannte Voraussetzung für das Tätigwerden ist, dass „ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde“.
Beispiel: In einem Porzellangeschäft auf der Düsseldorfer Königsallee stößt eine Kundin mit ihrer Handtasche eine kostbare Bodenvase um, die zerbricht. Der Geschäftsinhaber will den Schaden ersetzt haben, aber die Dame weigert sich mit den Worten: „Dann müssen Sie ihre Waren halt besser platzieren.“ Als die Kundin sich auch noch weigert, ihre Personalien anzugeben, verständigt der Ladeninhaber die Polizei. Eine Fußstreife der Polizeiinspektion lässt sich von der Dame ihren Personalausweis aushändigen und nennt Namen und Anschrift der Dame dem Geschädigten.
Die Befugnis für die Identitätsfeststellung ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW, weil der Geschäftsmann ohne die Personalien der Kundin seine Rechtsansprüche nicht durchsetzen kann und somit die Gefahr besteht, dass ihm ein finanzieller Schaden entsteht. Ausnahmsweise hat die Polizei die Aufgabe der Sicherung dieser privaten Rechtsansprüche, weil die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 PolG NRW gegeben sind.
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In der zentralen Aufgabenzuweisung in § 1 PolG NW wird zwar die sogenannte „vorbeugende Bekämpfung von Straftaten“ ausdrücklich erwähnt und als Teilbereich der Gefahrenabwehr behandelt (RN 63), aber das neben der Gefahrenabwehr bedeutsamste Aufgabenfeld der Polizei, nämlich deren Mitwirkung bei der Aufklärung von Straftaten (Strafverfolgung), wird nicht genannt. Der Gesetzgeber verweist stattdessen in § 1 Abs. 4 PolG NRW auf die Aufgaben, die der Polizei „durch andere Rechtsvorschriften übertragen sind“. Zu diesen Rechtsvorschriften gehört auch § 163 Abs. 1 StPO. Danach haben die „Beamten und Behörden des Polizeidienstes Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten“. Die Formulierung „haben“ bedeutet „müssen“, sodass die Polizei ebenso wie die Staatsanwaltschaft dem Legalitätsprinzip verpflichtet ist. Im Ermittlungsverfahren soll festgestellt werden, ob eine Straftat begangen worden ist und wer als Täter oder Teilnehmer daran in Betracht kommt. In den meisten Fällen wird das Ermittlungsverfahren durch eine Strafanzeige nach § 158 StPO in Gang gesetzt. Eine Verpflichtung zur Aufnahme der Ermittlungen besteht aber auch dann, wenn die Strafverfolgungsbehörden auf andere Weise von einer Straftat Kenntnis erlangen.
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In der Literatur ist umstritten, ob die Polizei in § 163 StPO die Ermittlungen als eigenen Auftrag zugewiesen bekommen hat oder ob sie auch in diesem Fall als „Mandatar“ (also als „verlängerter Arm“) im Auftrag der Staatsanwaltschaft tätig wird. Denn nach § 160 Abs. 1 StPO betreibt die Staatsanwaltschaft (StA) das Ermittlungsverfahren. Nach § 152 Abs. 2 StPO ist die StA „verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten“. Die StPO kennt nur ein einheitliches Ermittlungsverfahren unter der Gesamtverantwortung der Staatsanwaltschaft. Die StA wird deshalb als „Herrin des Verfahrens“ bezeichnet. In diesem Zusammenhang wird für die StA aber auch der Begriff „Kopf ohne Hände“ gebraucht. Damit soll ausgedrückt werden, dass die StA auf die Polizei als ihren „verlängerten Arm“ angewiesen ist. Wenn der Staatsanwalt die Ermittlungen also nicht selbst tätigt, kann er sich nach § 161 Abs. 1 Satz 2 StPO mit einem „Ersuchen“ um Aufnahme der Ermittlungen an die Polizeibehörde wenden oder einen Polizeibeamten als „Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft“ (§ 152 GVG) mit den Ermittlungen beauftragen. In der Praxis sind es aber Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die Sachbeweise erheben (z. B. Spuren am Tatort sichern), Zeugen befragen, den Beschuldigten vernehmen und Beweismittel beschlagnahmen. Dies geschieht oftmals, bevor der Staatsanwalt von der Straftat Kenntnis erhält. Er erfährt in den meisten Fällen (insbesondere bei Delikten der sogenannten „Massenkriminalität“) erst dann von dem Fall, wenn ihm von der Polizei die Ermittlungsakte geschickt wird. Nur vereinzelt kommt es dann vor, dass der Staatsanwalt noch weitere Ermittlungen anordnet. Die Aufgabenstellung von StA und Polizei ist im Ermittlungsverfahren in jeder Beziehung deckungsgleich. Die Polizei braucht und darf im Rahmen des § 163 Abs. 1 S. 1 StPO nicht eine Weisung der Staatsanwaltschaft abwarten. In der Praxis ist das eigeninitiativ bedingte Tätigwerden der Polizei, also das Einleiten eines Ermittlungsverfahrens bei zureichendem Tatverdacht und eigene Ermittlungsführung zu dem in § 160 StPO bezeichneten Zweck, die Regel. Damit soll das Weisungsrecht der StA und deren „Sachleitungsbefugnis“ im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren allerdings nicht infrage gestellt werden.
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Eine ähnliche Aufgabenzuweisung wie § 163 Abs. 1 Satz 1 StPO ist § 53 Abs. 1 Satz 1 im „Gesetz über Ordnungswidrigkeiten“ (OWiG). Ordnungswidrigkeiten sind nach § 1 OWiG alle Verstöße gegen Rechtsvorschriften, die mit einer Geldbuße geahndet werden können. Das OWiG enthält im dritten Teil (§§ 111–131) Ordnungswidrigkeitentatbestände, ist aber ansonsten ein Verfahrensgesetz wie die StPO. Nach § 53 Abs. 1 OWiG haben die Behörden und Beamten des Polizeidienstes die Aufgabe „nach pflichtgemäßem Ermessen Ordnungswidrigkeiten zu erforschen und dabei alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten“. Es besteht keine unbedingte Pflicht zur Verfolgung (Legalitätsprinzip), sondern ein – wenn auch begrenzter – Ermessensspielraum (Opportunitätsprinzip).
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Nachdem die Polizei die erforderlichen Beweise für eine Ordnungswidrigkeit gesichert hat, muss sie nach § 53 Abs. 1 Satz 3 OWiG den Vorgang unverzüglich an die zuständige Verwaltungsbehörde abgeben. Diese ist nach § 35 OWiG für die Verfolgung und Ahndung der Ordnungswidrigkeit zuständig und ist – wie die Staatsanwaltschaft im Strafverfahren – die Herrin des Ermittlungsverfahrens. Die zuständige Verwaltungsbehörde wird nach § 36 OWiG durch Gesetz oder Rechtsverordnung bestimmt. Für die polizeiliche Praxis sind folgende Bestimmungen über Verwaltungsbehörden besonders relevant:
– Verordnung zur Bestimmung der für die Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständigen Verwaltungsbehörden vom 25. September 1979 (GV. NW. 1979 S. 652 = SGV. NRW. 45). Nach § 1 Abs. 1 dieser VO sind die Kreisordnungsbehörden (Straßenverkehrsämter) als Verwaltungsbehörde zuständig für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach den §§ 23, 24, 24a und 24c des Straßenverkehrsgesetzes (StVG).
– Verordnung zur Bestimmung der für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem Dritten Teil des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und nach dem Vierten Strafrechtsänderungsgesetz zuständigen Verwaltungsbehörden (ZustVO-OWiG) vom 11. März 1975 (GV. NW 1975 S. 258 = SGV. NRW. 45). In § 1 Abs. 1 wird den örtlichen Ordnungsbehörden die Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach §§ 111, 117 bis 121, 125 und 126 OWiG übertragen.
Auch die Polizei kann durch Rechtsverordnung oder Gesetz zur zuständigen Verwaltungsbehörde bestimmt werden. Beispiele:
– Nach § 5 der Verordnung zur Durchführung des Waffengesetzes vom 8. April 2003 (GV. NRW S. 217 = SGV. NRW. 2005) sind die KPB für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 53 Waffengesetz zuständig.
– Nach § 1 Abs. 3 ZustVO-OWiG sind die KPB für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 113 OWiG (Unerlaubte Ansammlung), nach § 115 OWiG (Unbefugter Kontakt mit Gefangenen), sofern es sich um Gefangene im polizeilichen Gewahrsam handelt, sowie nach § 127 OWiG (Herstellen oder Verwenden von Sachen, die zur Geld- oder Urkundenfälschung benutzt werden können), soweit es sich um öffentliche Urkunden und Beglaubigungszeichen handelt, zuständig.
– Nach § 32 des Entwurfs eines nordrhein-westfälischen Versammlungsgesetzes (LT NRW Drucks. 17/12423) sind die KPB für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 28 des Gesetzes zuständig.
Nach § 56 Abs. 1 OWiG kann die Verwaltungsbehörde bei einer geringfügigen Ordnungswidrigkeit den Betroffenen verwarnen und ein Verwarnungsgeld erheben. Nach § 57 Abs. 2 OWiG steht diese Befugnis auch „den hierzu ermächtigten Beamten des Polizeidienstes“ zu. Die Ermächtigung erteilt gem. § 58 Abs. 1 S. 1 OWiG die „oberste Dienstbehörde des Beamten oder die von ihr beauftragte Stelle“. Praktische Bedeutung hat das Verfahren insbesondere bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG, bei denen im Bußgeldkatalog (BKatV) eine Geldzahlung von bis zu 55 Euro vorgesehen ist (vgl. zu den Einzelheiten Krumm SVR 2014, 449).
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