Kitabı oku: «Rassismus», sayfa 2

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Bezeichnenderweise ignorieren die Beiträge in Palmers Buch, indem sie zu zeigen versuchen, dass die Vertreter anti-rassistischer Politik nichts weiter sind als politisch motivierte Agitatoren, samt und sonders das umfangreiche Beweismaterial über Wesenszüge und Ausmaß des Rassismus und damit verbundener Ausgrenzungspraktiken in Großbritannien. Ich will hier nur drei Beispiele nennen. Unerwähnt bleiben die Untersuchungen über die weit reichenden Ausgrenzungspraktiken, die Menschen karibischer und asiatischer Herkunft erfahren haben (Daniel 1968, Smith 1977, Brown 1984); nicht berücksichtigt wird das vor kurzem freigegebene Beweismaterial, das zeigt, wie die verschiedenen britischen Regierungen der späten vierziger und frühen fünfziger Jahre nach einem Weg suchten, um »farbige« britische Untertanen daran zu hindern, ihr verbrieftes Recht wahrzunehmen und sich in Großbritannien niederzulassen, während zugleich »weiße« britische Untertanen aus den Kolonien oder dem Commonwealth dieses Recht in Anspruch nehmen durften (vgl. etwa Joshi und Carter 1984, Harris 1987); unerwähnt bleiben schließlich auch die Untersuchungen zur weiten Verbreitung rassistischer Ansichten z. B. in der Londoner Polizei und bei Personalchefs in Betrieben und Konzernen (D.J. Smith 1983, Jenkins 1986).

Ich vertrete in diesem Buch nicht die Auffassung, der Rassismus (und damit zusammenhängende Ausgrenzungspraktiken) sei nur eine zweitrangige – wo nicht gar unbedeutende – Determinante der strukturellen Position und Erfahrung von Bevölkerungsgruppen, die rassisch konstruiert worden sind. Vielmehr ist der vom Rassismus und verwandten Ausgrenzungspraktiken ausgehende Einfluss immer Bestandteil einer umfassenderen Struktur von klassenspezifischer Benachteiligung und Ausgrenzung. Die eigentliche Herausforderung liegt darin, die Wirkungsweisen des Rassismus und verwandter Ausgrenzungspraktiken im Zusammenhang mit klassenspezifischen Positionen von Menschen karibischer und asiatischer Herkunft zu untersuchen: teils um die Besonderheit dieser Wirkungsweisen zu beleuchten, teils um die Ähnlichkeit mit der Wirkungsweise klassenbedingter Erfahrungen dieser und der eingeborenen Bevölkerungsgruppen zu untersuchen. Mit anderen Worten stellt sich – vor dem Hintergrund des umfangreichen Beweismaterials über Umfang und Auswirkungen des Rassismus und verwandter Ausgrenzungspraktiken – die Aufgabe, die verschiedenen Formen und Ebenen der Determination, die Verknüpfungen zwischen Rassismus, Sexismus und Nationalismus und die von diesen Ideologien abgeleiteten Ausgrenzungspraktiken im Kontext der Reproduktion der kapitalistischen Produktionsweise zu entwirren.

Schlussbemerkung

Wie der Rassismus sein Objekt brutalisiert und entmenscht, so brutalisiert und entmenscht er auch seine Anhänger. Er stellt einerseits Beziehungen zwischen Menschen in Klassenstrukturen her, und leugnet andererseits deren Menschsein, auch wenn diese Verleugnung jeweils unterschiedliche Bedeutungen hat, je nachdem, ob sich die Personen in dieser Beziehung auf der Seite der Herrschenden oder der Beherrschten befinden. Dergestalt ist der Rassismus ein Problem für alle, die in einem gesellschaftlichen Kontext leben, in dem er sich äußert und Ausgrenzungspraktiken aufrechterhält. Als Vermittlungsinstanz weist er allen, die Zeugen seiner Präsenz sind, eine (bisweilen besondere) Rolle bei seiner Identifikation, Erklärung, Verurteilung und Beseitigung zu.

Kapitel 1:
Darstellungsformen des Anderen
Einleitung

Seit Jahrtausenden sind die durch Produktion, Handel und Kriegführung determinierten Migrationsbewegungen die Vorbedingung für das Zusammentreffen von Individuen und Gruppen gewesen. Im Verlauf dieser Austauschbeziehungen haben alle Beteiligten Bilder, Vorstellungen und Bewertungen des Anderen hervorgebracht und reproduziert, um Erscheinung und Verhalten derjenigen zu erklären, mit denen sie in Kontakt getreten waren, und um Interaktions- und Reaktionsstrategien zu entwerfen. Daraus ergab sich die Produktion von Darstellungsformen oder »Repräsentationen« (vgl. Moscovici 1981, 1982, 1984) des Anderen, d. h. von Bildern und Vorstellungen, die, gemessen am je eigenen Selbst, andere Menschen nach wirklichen oder zugeschriebenen Eigenschaften kategorisieren. Von daher gibt es eine Dialektik zwischen dem Selbst und dem Anderen, in der die dem Anderen zugeschriebenen Charakterzüge eine Widerspiegelungsform entgegen gesetzter Charakterzüge des eigenen Selbst (und umgekehrt) darstellen. Dies Kapitel will zunächst den Inhalt dieser Bilder, Vorstellungen und Bewertungen beschreiben, die ich insgesamt als »Diskurs« bezeichne (Macdonell 1986: 1ff., Potter und Wetherell 1987: 7).

Ich will mich hier jedoch nicht mit allen Diskurs- und Interaktionsformen beschäftigen. Aus den bereits angegebenen Gründen konzentriere ich mich in erster Linie auf die Darstellungsformen, in denen die westliche Welt sich ihr Bild von anderen Bevölkerungen gestaltete. Damit sei nicht geleugnet, dass, wo immer Gruppen aufeinander trafen, beide Seiten ihre je eigenen Bilder, Vorstellungen und Bewertungen des Anderen wie auch der Konsequenzen seiner Anwesenheit entworfen haben (vgl. Dickason 1984: 22ff.). So gab es zum Beispiel in der islamischen Welt Darstellungsformen von außerislamischen Bevölkerungen, die den Anderen hauptsächlich aufgrund der Religion identifizierten (Lewis 1982: 64). Des Weiteren haben die Bevölkerungen, mit denen europäische Handelskapitalisten Kontakt aufnahmen (und von denen später einige kolonisiert wurden), die europäischen Kaufleute, Soldaten und Verwaltungsbeamten in bildnerischen Werken (Malereien, Zeichnungen, Skulpturen), in Artefakten, wie auch im geschriebenen Wort dargestellt. Diese Bilder waren oftmals klischeehaft oder stellten den Anderen vom Standpunkt der jeweils eigenen physischen und kulturellen Normen aus dar (Volkenkundig Museum Nusantara 1986). Und schließlich berichten europäische Entdecker und Missionare von der Faszination (oftmals auch der Furcht), der bestimmte Gruppen in Afrika bei ihrem ersten Kontakt mit Menschen europäischer Herkunft Ausdruck verliehen. Eine Eigenschaft der Europäer, die besondere Aufmerksamkeit erregte, war, so wird berichtet, die Hautfarbe (Cole 1972: 64, Hibbert 1984: 48, 62, 89, 101, 146).

Was die Anwesenheit von Europäern an Folgen mit sich brachte, findet seinen Ausdruck auch bei denen, die unter dieser Anwesenheit zu leiden hatten, und ihre Schilderungen spiegeln die unterschiedliche Erfahrung und Existenzweise der Kolonisierten wider. In dem folgenden literarischen Beispiel erfindet André Brink eine Beurteilung, die von einem durch holländische Siedler versklavten Afrikaner »gedacht« wird:

Wir vom Stamme der Khoin haben uns diese Berge und Ebenen, diese weiten Steppen und Sümpfe niemals als wilde Gegenden, die man zähmen müsse, vorgestellt. Es waren die Weißen, die von ihnen als einer Wildnis sprachen, angefüllt mit wilden Tieren und wilden Menschen. Uns gegenüber haben sich diese Gegenden immer freundlich und zahm verhalten. Sie haben uns noch bei der schlimmsten Trockenheit Speise und Trank und Schutz geboten. Die Wildnis zog hier erst mit den Weißen ein, als sie begannen zu graben, aufzureißen, zu schießen und die Tiere zu vertreiben. (Brink 1983: 21)

In dieser besonderen Themenstellung besteht mein zweites Ziel darin, eine Verschiebung im Inhalt und in den Bewertungsmaßstäben der Darstellungsformen des Anderen nachzuweisen. Nicht alle Elemente dieser Formen verändern sich im Lauf der Zeit, doch bleibt die Zusammensetzung nicht statisch. Und obgleich bestimmte Darstellungsformen in einem gegebenen Zeitraum vorherrschen können, bleiben sie nicht notwendigerweise unhinterfragt. Diese Veränderung der Bild- und Vorstellungswelten macht es erforderlich, die Geschichtlichkeit der Darstellungsformen systematisch zu erfassen.

Erst aufgrund der Erkenntnis dieser dynamischen Elemente in westlichen Darstellungsformen des Anderen kann man eine bedeutsame Transformation verstehen, die sich in der Methodik dieser Formen vollzogen hat. Von daher besteht mein drittes Ziel darin, die Entstehung des Gebrauchs wissenschaftlicher Kriterien bei der wertenden Darstellung des Anderen aufzuzeigen. Diese Transformation führte neue, universalistische Kriterien der Messung und Taxierung ein und brachte einen neuen Gradmesser von Wahrheit mit sich, der den westlichen Darstellungsformen einen neuen Status zuwies. Mittlerweile ist deutlich geworden, dass diese »wissenschaftlichen« Taxierungen des Anderen falsch waren. Doch sind viele der daraus entstandenen Ideen noch immer nicht beseitigt, sondern strukturieren auch weiterhin die Alltagsdiskurse über den Anderen.

Diese Ziele stoßen an bestimmte Grenzen, deren Horizont ich kurz umreiße. Mein Anspruch ist nicht, eine umfassende Analyse der westlichen Darstellungsformen des Anderen zu liefern; es geht mir um signifikante Beispiele, die meine Ziel Vorstellungen illustrieren. Kontakte zwischen den Bevölkerungen von Territorien, die uns heute als europäische Nationalstaaten geläufig sind, und Menschen anderer Erdteile hat es seit tausenden von Jahren gegeben, und ihre systematische Analyse würde einen sehr viel umfangreicheren und anderen Text als diesen erfordern. Ich beziehe viele meiner Beispiele aus der Geschichte des englischen Kolonialismus. Des Weiteren endet meine Analyse mit dem Ausgang des Zweiten Weltkriegs. Die Gründe dafür werde ich im nächsten Kapitel verdeutlichen.

Bevor Europa sich ausweitete

Viele Arbeiten, die sich mit der Geschichte der europäischen Darstellungsformen des Anderen auseinandersetzen, beginnen ihre Analyse mit der Epoche der europäischen Entdeckung und Kolonisierung von Nord- und Südamerika (z. B. Sivanandan 1973), andere widmen ihr nur begrenzte Aufmerksamkeit (vgl. Cox 1970: 322-32). Sie konzentrieren sich auf den Diskurs über afrikanische Bevölkerungen oder wenden sich den Berichten spanischer, portugiesischer, französischer, englischer und holländischer Entdecker und Kaufleute über die Bevölkerungen der beiden Amerika zu, lassen dabei aber die Verbindungen mit zeitlich früheren Darstellungsformen des Anderen außer Acht. Wenn die europäischen Entdecker und Kaufleute des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts sich auf die Reise begaben, so hegten sie bereits gewisse Erwartungen hinsichtlich der Charakterzüge der Völker, denen sie begegnen würden. Immerhin nahmen sie Klassenpositionen in feudalistischen Gesellschaften ein, denen Darstellungs- und Vorstellungsweisen des Anderen seit langem – zum Teil aus der Erfahrung direkter Kontaktnahme – geläufig waren. So fanden sich, um ein Beispiel zu nennen, Darstellungsformen des afrikanischen Menschen im europäischen Denken, lange bevor Europa sich in den Sklavenhandel einschaltete (Walvin 1973: 2ff., Jordan 1968: 6, Walvin 1986: 69ff.).

Zu bemerken wäre auch die Entstehung und Reproduktion früherer Darstellungsformen in einem geopolitischen Zusammenhang, in dem das heutige Europa noch gar nicht existent war. Die wirtschaftliche und politische Vorherrschaft des nordwestlichen Europa ist eine geschichtliche Besonderheit. Vor dem fünfzehnten Jahrhundert war die heute Europa genannte geographische Region verschiedenen asiatischen Invasionen ausgesetzt (Baudet 1976: 4) und die »alten, dauerhaften Nationen« Europas waren gerade erst im Entstehen begriffen (Seton-Watson 1977: 21-87). Eine bestimmte Vorstellung von einer Entität namens »Europa« begann sich im achten Jahrhundert herauszubilden (Lewis 1982: 18). Aber wenigstens bis zum zwölften Jahrhundert war die so bezeichnete Region zum Teil der wirtschaftlichen und politisch-militärischen Macht der islamischen Welt unterstellt und die Bevölkerung praktisch kolonisiert (Kaye 1985: 61). Tatsächlich konnte Europa als eine durch die (allen gemeinsame) christliche Religion konstituierte Einheit gedacht werden, weil sowohl der Islam als auch das Christentum sich als die jeweiligen legitimen Träger von Gottes Wahrheit sahen, die die heilige Pflicht hatten, diese der gesamten Menschheit weiterzugeben. In diesem Kampf um die Vorherrschaft konstituierten sie sich gegenseitig als religiöse Einheiten.

Darüber hinaus waren die europäischen Regionen, die vor dem fünfzehnten Jahrhundert ökonomische und politisch-militärische Bedeutung erlangten, rund um das Mittelmeer situiert, nicht aber im Nordwesten Europas. Vorher bereits hatten das heutige Italien und Griechenland eine – zum Teil durch militärische Mittel unterstützte –Position ökonomischer und kultureller Vorherrschaft aufgebaut und befestigt. Es waren Klassengesellschaften, die ihre Basis großenteils in der Sklavenarbeit besaßen (Finley 1980: 67-92), und die imperialistischen Aktivitäten ihrer herrschenden Klassen brachten sie mit anderen Bevölkerungen in ganz Europa und Teilen von Nordafrika in Berührung. Unter den verschiedenen Kontakt- und Interaktionsebenen sind als wichtigste diejenigen zu nennen, die sich im Zusammenhang mit Reise-, Handels- und militärischen Aktivitäten abspielten. Reiseberichte sorgten für Informationen über Bevölkerungen, die als kulturell und physisch verschieden wahrgenommen wurden, während Handels- und militärische Unternehmungen (eingeschlossen die Okkupation von Teilen Afrikas) ausgedehntere und direktere Kontaktmöglichkeiten boten.

Vor dem Hintergrund zunehmender Kenntnisse über die geographische Verbreitung der Menschen entwickelte sich im antiken (d. h. gräkoromanischen) Denken eine Idee von der Einheit der Menschengattung. Man nahm an, dass die Menschen – bei aller Vielfältigkeit und räumlichen Disparatheit – dennoch durch Charakterzüge vereint wurden, die sie von Tieren wie Göttern gleichermaßen unterschieden.

Diese Vorstellung wurde in unterschiedlichen Formen fünf Jahrhunderte lang weiterentwickelt, ohne indes die fortdauernde Struktur der Klassen- und Geschlechterteilungen in der antiken Gesellschaft ernsthaft in Frage zu stellen (Baldry 1965: 24f., 122, 198-203). Unberührt blieb davon auch die Annahme, dass jenseits der Grenzen dieser Gesellschaft »Barbaren« existierten, d. h. jene Anderen, denen die Fähigkeit zu intelligibler Sprache und Vernunft –was die Griechen und Römer für die Quintessenz der eigenen Kultur hielten – abging. Dennoch galten auch »Barbaren« als menschliche Wesen (Baldry 1965: 21f., 143).

In Anbetracht der Ausdehnung des gräkoromanischen Reiches nach Afrika und der damit verbundenen Darstellungsformen afrikanischer Menschen in der europäischen Kultur ist es wichtig, die Wesensmerkmale des Diskurses über den Afrikaner in ihrer Vielschichtigkeit näher zu untersuchen. Zudem gründeten sich diese Darstellungsformen durch die Anwesenheit von Afrikanern im mediterranen Europa auf direkte Erfahrung. Wie alle Kriegsgefangenen wurden auch Afrikaner, die bei militärischen Auseinandersetzungen in die Hände des Feindes fielen, versklavt, andere praktisch zu Söldnern gemacht. Desgleichen bereisten Afrikaner die Regionen der antiken Welt oder ließen sich dort nieder, um erzieherischen, diplomatischen und kaufmännischen Aufgaben nachzugehen (Snowden 1970: 121f., 186; 1983: 33). Wie schlug sich diese Interaktion in den antiken Darstellungsformen afrikanischer Menschen nieder?

Zunächst wurden Afrikaner aufgrund bestimmter physischer Merkmale, vor allem Hautfarbe, Haarstruktur und Nasenform, identifiziert (Snowden 1970: 2ff., 1983: 7). Die antike Kultur besaß einen festgelegten Farbsymbolismus, in dem das Weiße positiv, das Schwarze aber negativ gewertet wurde, weil man es mit dem Tod und der Vorstellung einer Unterwelt assoziierte (Snowden 1983: 82f.). Doch führte der Parallelismus von schwarzer Hautfarbe und negativer Bewertung des Schwarzen weder zu einer negativen Klischeevorstellung noch zur Rechtfertigung der Sklaverei (Davis 1984: 33). Vielmehr galten Afrikaner im Allgemeinen als Menschen mit einer Befähigung zu Gerechtigkeit und Freiheit, zu Religiosität und Weisheit (wobei manche Vorstellungen idealisierende und wirklichkeitsferne Elemente enthielten). Anerkennung fanden sie auch als Krieger und Soldaten (Snowden 1970: 181, 1983: 55ff., 68). Und obwohl einige Autoren Schönheit mit der Farbe Weiß assoziierten, gab es doch die weit verbreitete Ansicht, dass die Kriterien für Schönheit subjektiver Natur seien. In der Tat gab es Schriftsteller, die das Schwarze als schön priesen (Snowden 1983: 63, 76).

Schließlich gab es spekulative Annahmen über den Ursprung der phänotypischen und kulturellen Unterschiede, die man für die entscheidenden Merkmale der Differenz hielt. Die in der antiken Welt vorherrschende Erklärung zielte im Wesentlichen auf Umwelteinflüsse ab: die physischen Erscheinungen der Menschen und die kulturellen Unterschiede würden, so argumentierte man, durch klimatische, topographische und hydrographische Bedingungen hervorgerufen (Baldry 1965: 50). Damit erklärte man das ganze Spektrum phänotypischer Vielfalt, das zur damaligen Zeit bekannt war. So glaubte man zum Beispiel, die afrikanischen Menschen verdankten ihre Hautfarbe und die Beschaffenheit ihres Haares dem unablässigen Einfluss des heißen Sonnenlichts (Snowden 1970: 172f., 1983: 85ff.).

Neben den Darstellungsformen des afrikanischen Menschen als eines erlebten Anderen (die dem direkten Kontakt mit bestimmten afrikanischen Bevölkerungen entsprangen) existierten im antiken Denken auch Darstellungsformen eines imaginierten oder fiktiven Anderen (die de facto auf keiner empirischen Realität beruhten, was allerdings damals durchaus noch nicht deutlich war). Die Naturgeschichte (»Naturalis historia«) des älteren Plinius macht deutlich, dass die Grenze zwischen dem erlebten und dem fiktiven Anderen innerhalb des Bezugsrahmens der Antike eine künstlich gezogene ist. Plinius’ Werk enthält eine vorwiegend (wenn auch nicht ausschließlich) auf Phänotypen basierende Typologie der Bevölkerungen, von denen viele eine bestimmte räumliche Zuordnung in der Welt erhielten, und zwar hauptsächlich in Afrika, Indien und dem Bereich des Kaukasus. In dieser Typologie fanden sich neben Äthiopiern (deren Ortsbestimmung ungenau war) auch Cynocephali, Blemmyae, Anthropophagi und Sciopodi. Diesen Bevölkerungen wurden verschiedene physiologische und kulturelle Charakterzüge zugeschrieben; so handelte es sich bei den Cynocephali um Menschen mit Hundeköpfen, die Sciopodi hatten nur einen (sehr großen) Fuß und die Anthropophagi stellte man sich als Menschenfleisch essende Wesen vor (Friedman 1981: 8-21).

Diese Typologie (und damit verbundene Erklärungen und Darstellungsformen) wurde von anderen Autoren erweitert und modifiziert, um schließlich in die literarische Tradition des mittelalterlichen Europa einzugehen. Innerhalb dieser Tradition ging man von einer Kausalbeziehung zwischen physischer Erscheinung, sittlichem Charakter und räumlicher Verortung aus, wobei, wie im antiken Denken, das Klima als die hauptsächliche, unabhängige Determinante galt. Allerdings wurde die dreifache klimatische Aufspaltung, die sich im griechischen Denken findet, erweitert (Friedman 1981: 52) und der Bezugsrahmen wandelte sich auch in anderer Hinsicht, wobei die signifikantesten Veränderungen in den religiösen Bedeutungen lagen, die den Darstellungsformen des Anderen nunmehr zugeschrieben wurden. In der Antike wurden Naturereignisse, die man als göttlichen Fingerzeig interpretierte, als portenta oder monstra definiert. Ursprünglich bezeichnete man als monstra einzelne Missgeburten, im Mittelalter jedoch wurde die Bedeutung auf ganze Bevölkerungen ausgedehnt, von denen man annahm, sie seien durch anomale Eigenschaften gekennzeichnet. Diese Anomalität wurde weiterhin als göttliche Warnung verstanden (Friedman 1981: 108-16).

Als nun das Christentum zum Prisma wurde, in dem alle Erkenntnisse über die Welt ihre Brechung fanden, und als im Ergebnis eine wörtliche Auslegung der Bibel zum vorherrschenden Erklärungsmuster für die materielle Welt geriet, bekam das, was einmal als Warnung verstanden wurde, die Bedeutung der Strafe. Folgerichtig bestand das Problem nun darin, Wesen und Herkunft dieser monstra auf eine Weise zu erklären, die mit der biblischen Darstellung von Geschichte in Einklang stand. Was das Wesen dieser monstra anging, war danach zu fragen, ob sie menschlicher Art waren oder nicht, denn damit entschied sich, ob sie zum Zielobjekt missionarischer Aktivität und Bekehrung gemacht werden konnten (Friedman 1981: 178ff.). Außerdem musste die Herkunft der monstra erklärt werden. Einigen mittelalterlichen Autoren zufolge waren sie Bestandteil von Gottes Schöpfungsplan, dessen Sinn und Zweck sich erst noch enthüllen musste. Andere behaupteten, dass ein Abkömmling von Adam (oder eine Gruppe) Gottes Zorn auf sich gelenkt habe, weswegen die nachfolgenden Generationen körperlich missgestaltet und an den Rand der Welt verbannt worden seien. Diese Erklärung stand mit dem biblischen Ursprungsmythos des einen Menschenpaares in Übereinstimmung und trug zugleich der späteren Verschiedenheit der Gestalten des Menschlichen Rechnung. Diese zweite Erklärung war lange Zeit von untergeordneter Bedeutung, fand aber im Verlauf des Mittelalters zunehmende Beachtung und Unterstützung (Friedman 1981: 88-103), und spielte in der Epoche der europäischen Expansion eine herausragende ideologische Rolle. Das Resultat war eine Verbindung zwischen dem Anderen qua monstrum und der Sünde.

Verschiedene physische (darunter auch fiktive) Eigenschaften des Menschen wurden als monströs bezeichnet; eine davon war die Hautfarbe. Das westliche Christentum versah bestimmte Farben mit einer Reihe von zusätzlichen Bedeutungen, so dass es schließlich zu einem Farbsymbolismus gelangte, welcher den der antiken Welt widerspiegelte. Auf diese Weise drückte der Gegensatz von weiß und schwarz einen ganzen Zusammenhang zusätzlicher und gleichfalls dichotomischer Bedeutungen aus, zum Beispiel gut/böse, makellos/teuflisch, geistig/fleischlich, Christus/ Satan (Bastide 1968: 36). So war die Farbe Ausdruck einer hierarchischreligiösen Bewertung, die in der westlichen Kultur einem umfassenderen säkularen Gehalt annahm (Gergen 1968: 119). Diese Entwicklung findet Parallelen in der islamischen Welt (Lewis 1971, Davis 1984: 32-51). Dieser Farbsymbolismus hatte dort, wo Unterschiede zwischen Menschen durch Bezug auf die Hautfarbe bezeichnet wurden, machtvolle Auswirkungen auf die Bewertung von Menschen. In dieser Epoche bildeten Monstrosität, Sünde und Schwärze eine ganz andere Form der Dreifaltigkeit in der christlichen Kultur.

So war im mittelalterlichen Europa der Diskurs über den Anderen ein Diskurs über phänotypische und kulturelle Abweichungen von einer Norm, die sich aus den von europäischen Autoren repräsentierten Charakterzügen ergab. Der Andere nahm eine Vielzahl monströser Formen an, von denen einige rein fiktiv waren, während andere sich zum Teil aus empirischen Beobachtungen nicht-europäischer Bevölkerungen herleiteten. In der spätmittelalterlichen europäischen Literatur entwickelte sich allmählich eine Darstellungsform des Wilden:

Diese Kreatur besitzt viele Eigenschaften, die früher monströsen Völkerschaften zugeschrieben wurden: Behaartheit, Nacktheit, in der Hand die Keule oder der Ast, also das, was mit Gewalt sowie dem Mangel an moralischer Empfindung und dem Fehlen zivilisatorischer Geschicklichkeit verbunden wird. Der Wilde wird für gewöhnlich in waldiger Umgebung, fern aller menschlichen Behausungen gezeigt. (Friedman 1981: 200, vgl. auch Dickason 1984: 70-80).

Insbesondere wurden die Wilden mit einer aggressiven und ungezähmten Sexualität ausgestattet. In ihrer weiblichen Form stellte man sie als Verführerin des einfachen Mannes dar (White 1972: 21f.). Der Wilde repräsentierte mithin das Gegenteil der idealen christlichen Lebensweise. »Er ist das eingefleischte Begehren und besitzt die Stärke, Gewitztheit und Gerissenheit, um all seine Lüste vollständig zur Geltung zu bringen« (ebd.: 21). Seine Daseinsweise resultierte, so nahm man an, aus der Abschaffung gesellschaftlicher Kontrolle und Konvention und war eine unvermeidliche Strafe für alle, die dem Begehren sich hingaben (ebd.: 30).

Insoweit es die herrschenden Klassen im feudalistischen Europa betraf, markierte dies Bild des Wilden die Grenze der bekannten und »zivilisierten« Welt; eine Grenze, die in der Epoche des Mittelalters Europa und Teile von Asien und Afrika einschloss. Der Bereich, innerhalb dessen dies Bild Verbreitung fand, wurde später erweitert, als verschiedene herrschende Feudalklassen nach neuen Handelswegen suchten und im Zusammenhang damit die »Neue Welt entdeckten«. Im Endeffekt wurde die von Plinius aufgestellte Typologie mehr und mehr in Frage gestellt: in zunehmendem Maße berichteten Reisende von Bevölkerungen, denen sie begegnet waren, und weder Pilger noch Kaufleute erzählten etwas über die Existenz von Sciopodi oder Cynocephali. Dennoch blieben Darstellungsformen des Anderen erhalten.

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22 aralık 2023
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311 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9783867548601
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