Kitabı oku: «Der Hund, der die Welt rettet», sayfa 4

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10. Kapitel

Erst mal muss ich aber von Sankt Bello erzählen.

Die alte Gemeindekirche von Sankt Baldo und Allerheiligen, die alle nur als Sankt Bello kennen, ist eine kleine Kirche nicht weit vom Strand, alt mit einem gedrungenen Turm. Nur, dass es keine Kirche mehr ist, jedenfalls keine mit einer Gemeinde, einem Chor und Hochzeiten und so. Sankt Bello ist bloß noch ein Gebäude in Form einer Kirche. Mit ihren massigen Eichentüren und den dicken Sandsteinwänden ist die Kirche gut geeignet, den Lärm von fünfundzwanzig Hunden zu dämmen.

Für mich ist es der beste Ort der Welt.

Zu Beginn des letzten Schuljahres habe ich dann Ramzy das erste Mal mit nach Sankt Bello genommen. Ich wollte, dass er mal sieht, wovon ich immer spreche (oder womit ich die Leute immer zu Tode langweile, wie er sagt. Danke, Ramz!).

Wenn man neu in Sankt Bello ist, registriert man als Erstes den Lärm: das Heulen, das Bellen, das Kläffen und das Schnüffeln. Ich liebe diesen Lärm fast so sehr wie den Geruch, der einem als Nächstes entgegenschlägt. Zu meinem Entsetzen hielt Ramzy sich die Nase zu.

»Verflikse Kacke«, näselte er. »Hier stings.«

»Daran gewöhnt man sich.« Ehrlich gesagt, fällt es mir kaum noch auf. Hunde riechen tatsächlich ein wenig, aber meistens schön, wie warmes Holz. Und wusstet ihr, dass Hundepfoten nach Popcorn riechen? Ehrlich wahr!

(Ihr Atem kann schon mal so ein bisschen fischig müffeln, und ich gebe gern zu, dass ihre Kacke stinkt, aber wessen Kacke stinkt nicht?)

Jedenfalls bin ich an einem Samstagmorgen kurz vor der wöchentlichen Reinigung der Zwinger mit Ramzy dort aufgekreuzt und da riecht es in Sankt Bello immer am schlimmsten.

»Guten Morgen, Georgie!«, rief der Pfarrer. Ich mag den Pfarrer. Er ist schon ziemlich alt, bestimmt um die siebzig. Schlank mit struppig grauem Haar wie ein Irischer Wolfshund. An dem Tag trug er einen selbst gestrickten Schlabberpulli und fingerlose Handschuhe. Er saß an dem langen Tisch gleich hinter der Tür. »Und wer gibt uns denn hier die Ehre?«, fragte er, als er Ramzy sah. So redet er immer. Man gewöhnt sich dran.

Bevor ich noch reagieren konnte, schlug Ramzy die Hacken zusammen und salutierte: »Ramzy Rahman zu Diensten, Sir!«

Im ersten Moment war der Pfarrer etwas verdattert, aber das ergeht vielen so, die Ramzy noch nicht kennen. Doch dann salutierte der Pfarrer ebenfalls und schmunzelte.

»Willkommen in Sankt Bello, Gefreiter Rahman! Ich nehme an, Sie sind hier um, ähm … Sergeant Santos zu helfen?« Der Pfarrer nahm die Brille ab, zog unter dem Schlabberpulli einen Hemdzipfel hervor und putzte die Gläser.

Ramzy nickte eifrig.

»Spitze. Tipptopp! Vielen Hände, schnelles Ende, eh?« Er setzte sich die Brille wieder auf und sah auf die Liste vor sich. »Du bist auf deiner üblichen Station, Georgie. Erst sauber machen, dann bürsten und vergiss nicht …« Der Pfarrer hob den Finger und blinzelte mir zu. Gemeinsam sagten wir:

»Alles, was ihr tut, tut von Herzen, dann ist es dem Herrn wohlgetan

»Prima. Ab mit euch!«

Mit verwirrtem Gesicht trottete Ramzy neben mir davon. »Was zum Teufel sollte das denn?«, fragte er so laut, dass der Pfarrer es noch glatt hören konnte.

»Schhh! Keine Ahnung. Altes Zeug aus der Bibel. Dem Pfarrer gefällt es. Ist irgendwie lustig und er …«

»Was? Das soll ein Pfarrer sein?«

»War er früher. Schnapp dir mal den Eimer da. Das hier war seine Kirche. Dann blieben wohl die Leute weg, deshalb haben sie es in ein Hundeheim umgewandelt und er durfte bleiben.«

Von den alten Kirchenbänken sind kaum noch welche übrig. Stattdessen befindet sich in der Mitte der Kirche ein Hundeauslauf mit Sägespänen. Zu den vier Seiten liegen die Zwinger. Richtig cool.

Von meiner Station hatte der Pfarrer gesprochen. Das gefällt mir. Als gehörten diese vier Hunde mir. Sogar mein Name steht da:

Station 4

Freiwillige Helferin am Samstag: Georgina Santos

Auch wenn es bloß eine handgeschriebene weiße Tafel ist, bin ich sehr stolz drauf.

Die Hunde von Station 4 sind schon am längsten in Sankt Bello, aber sie brauchen keine Angst zu haben, eingeschläfert zu werden.

In manchen Hundeheimen ist das üblich. Wenn sich kein neues Zuhause für das Tier findet oder der alte Besitzer nicht ausfindig gemacht werden kann, kommt nach ein paar Monaten der Tierarzt und …

Wisst ihr, was? Allein der Gedanke macht mich traurig. Deshalb liebe ich das Sankt Bello auch so. Natürlich sucht man hier auch ein neues Zuhause für die Hunde, aber wenn es nicht klappt, dann … werden sie eben Dauergäste.

Ein wenig wichtigtuerisch führte ich Ramzy herum und zeigte ihm die Zwinger und die Pflege-Tafeln. Ziemlich altmodisch wird alles per Hand vermerkt: frisches Wasser geben (man macht einfach einen Haken, der Stift hängt an einer Schnur daneben), bürsten (Haken), Stuhlkontrolle (Haken) … und so weiter.

Nun zu den Hunden selbst …

1. Ben. Jack Russel Mix, wahrscheinlich mit Cocker Spaniel. Schwarz, weiß, braun. Alter: um die sechs. Leute, die er nicht kennt, knurrt er an, deshalb hat er auch noch kein Zuhause gefunden.

Bei Ramzys Anblick fletschte Ben die Zähne. Ramzy machte einen Schritt zurück.

»Keine Sorge«, sagte ich zu ihm, »sein Bellen ist schlimmer als sein Beißen.«

»Beißen tut er auch?«

»Nein. Eigentlich nicht. Einmal hat er mich so ein bisschen gezwickt, aber da wollte er nur spielen.«

Ramzy schien das nicht zu beruhigen und er hielt Abstand, während ich Bens Wasser nachfüllte, mit der Kackschaufel Bens Hinterlassenschaften aufsammelte und in den Eimer tat, den Ramzy auf Armlänge von sich weghielt.

2. Sally-Ann. Sally-Ann ist ein »zahlender Gast«, denn ihre Besitzerin Mrs Abercrombie ist sehr alt und oft im Pflegeheim. Sie ist braun-weiß, sehr haarig und hat immer einen überheblichen Ausdruck auf dem platten Gesicht. (Natürlich der Hund und nicht Mrs Abercrombie, wobei die zwei sich eigentlich ziemlich ähnlich sind.) Sally-Ann ist eine reinrassige Lhasa Apso Hündin.

3. Dudley. Brauner Staffordshire Bullterrier Mischling, der ein wenig Furcht einflößend aussieht, weil ihm ein halbes Ohr fehlt, ein paar Zähne, ein Auge und an einer Stelle Fell. Wir glauben, dass es im Kampf passiert ist, nun ist er sehr schüchtern.

Zitternd wich Dudley vor Ramzy zurück. Vor mir hat er keine Angst mehr, und ich war stolz, dass ich ihn streicheln durfte.

Und schließlich mein absoluter Liebling:

4. Mister Masch. Ihr habt ihn ja schon kennengelernt, aber an dem Tag war er besonders lieb, wedelte mit dem Schwanz und rollte sich auf den Rücken, damit man ihn am Bauch streichelte. Ich glaube, Ramzy hat sich auch gleich in ihn verguckt.

Die anderen Helfer in Sankt Bello sind wirklich nett. Auch wenn sie alle älter sind, behandeln sie mich nicht wie ein Kind. Außer Saskia Hennessey, die zwar älter ist, ganze acht Monate, und die mich wie eine Fünfjährige behandelt, obwohl sie bloß mit den Hunden spazieren geht und ganz bestimmt keine eigene Station hat. Zufällig weiß ich auch (von Ellie McDonald aus der Schule), dass Sass’ Mutter sie für den freiwilligen Dienst bezahlt, was völlig beknackt ist. Wie freiwillig kann das schon sein, wenn man dafür bezahlt wird? Außerdem habe ich den Eindruck, dass Sass Hunde nicht mal besonders mag.

An dem Samstag stand sie an der Kackrutsche in der alten Sakristei, als Ramzy und ich mit dem Eimer kamen. Mir verging gleich ein wenig die Laune.

Die Kackrutsche ist eine breite, eckige Röhre, die zu einer Grube nach draußen führt. Man öffnet einen Deckel, kippt die Kacke runter und schüttet noch eine Tasse Schnellkomposter hinterher, damit die Kacke in Kompost verwandelt wird, womit der Pfarrer seinen Schrebergarten düngt. (Das habe ich erst vor Kurzem herausgefunden. Wir essen sein selbst angebautes Zeug schon seit Jahren. Igitt.)

Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass sich fünfundzwanzig Hunde ganz schön was zusammenkacken, und die Kackrutsche ist wirklich der einzige Teil, der mir in Sankt Bello nicht behagt, aber wegen Ramzy wollte ich mir nichts anmerken lassen.

Die dicke Sass geht in unseren Jahrgang, sieht aber aus wie fünfzehn. Sie hat schon richtig Busen und Po, dazu das passende Doppelkinn und den runden Bauch. Sass ist ziemlich stark und kann die Zwillinge Roddy und Robyn Lee gleichzeitig hochheben, klemmt sich unter jeden Arm einen.

Mir schlotterten die Knie, als ich sie sah, denn auch wenn sie nicht direkt jemand ist, der Schwächere schikaniert (in der Marine-Drive-Grundschule wird das nicht geduldet), kann sie einem dennoch Angst einflößen.

»Na, wen haben wir denn da!«, sagte sie und fixierte Ramzy mit ihren kleinen Äuglein. »Ihr zwei gebt ein hübsches Paar ab auf dem Weg zum Altar!«

Ich rang mir ein Lächeln ab, als würde ich ihre Bemerkung witzig finden, sagte aber nichts, was meistens am besten ist.

Sass verschränkte die Arme vor der Brust und drehte ihr Kinn Ramzy zu. »Trägst du etwa dein Schulshirt? Am Wochenende? Du darfst dich schon umziehen, das weißt du hoffentlich.«

Mir war es gar nicht aufgefallen, aber Ramzy trug tatsächlich das blaue Schul-Poloshirt unter seiner viel zu großen Jacke. Ramzy zuckte die Achseln und murmelte: »Es ist sauber und mir gefällt’s.«

Sass kann einen schon das Fürchten lehren. Als ich die Klappe von der Kackrutsche öffnete, sagte sie: »Pass bloß auf, dass du nicht reinfällst.«

Ich zuckte zusammen, als könnte sie mich jeden Moment da runterschubsen. Schweigend kippte ich den Eimer aus.

Ramzy kann leider nie den Mund halten. »Wenigstens würde sie durchpassen«, murmelte er.

Ramzy, dachte ich. Muss das sein?

»Was meinst du damit? Machst du dich etwa lustig über …« Mitten im Satz unterbrach sie sich, weil der Pfarrer kam und sich die Hände rieb.

»Ah! Großartig! Ihr macht das großartig! Gepriesen seien die Hände, die das Antlitz der Erde von den Hundewürsten befreien

»Steht das in der Bibel?«, fragte Ramzy.

»Nein, das ist von mir«, sagte der Pfarrer.

Während Ramzy und ich uns verzogen, warf uns Sass böse Blicke nach.

So ist sie eben. Kennt ihr das Sprichwort: Wenn du nichts Nettes zu sagen hast, sag lieber gar nichts? Sass hat es offenbar in den falschen Hals gekriegt: Wenn du nichts Gemeines sagen kannst, sag lieber gar nichts.

Eine fiese Bemerkung von Sass Hennessey führte dazu, dass sechs Monate später fast die Welt unterging. Und wenn ihr jetzt denkt, ich übertreibe, lasst es mich erklären.

Also, bis vor Kurzem waren noch alle Hunde in Sankt Bello gesund. Aber jetzt … jetzt nicht mehr.

Und das ist alles meine Schuld.

11. Kapitel

Die Angst, sich mit Krankheiten anzustecken, ist in den vergangenen ein, zwei Jahren immer größer geworden. In der Schule heißt es ständig: Ansteckung hier, Ansteckung da. Das einzig Gute daran ist, dass man bloß ein bisschen husten muss, und schon wird man nach Hause geschickt.

Letztes Jahr wurde in der Marine-Drive-Grundschule in allen Klassenzimmern am Eingang ein Spender mit Desinfektionsmittel für die Hände montiert. Das war wohl ein neues Gesetz.

Zu meinen Aufgaben im Sankt Bello gehört es, dass ich mich um die Hygienematten und die Spender mit Handdesinfektionsmittel auf der Quarantänestation kümmere. Dorthin kommen die Hunde, wenn sie krank sind. Die Hygienematten sind schwammige, feuchte Abtreter, an denen man die Schuhsohlen vor und nach dem Betreten der Quarantänestation abstreift.

Jedenfalls passierte es ein paar Tage nach unserem ersten Besuch bei Dr. Pretorius.

Als Erstes hatte ich die Desinfektionsflüssigkeit in den Hygienematten nachgefüllt, bevor ich in die Quarantänestation ging, um nach Dudley zu schauen, der was mit dem Magen hatte. Er war öfter mal krank, deshalb habe ich mir auch keine großen Sorgen gemacht. Vielleicht erinnert ihr euch noch, dass er am Strand diese tote Möwe im Maul hatte, darauf habe ich es zurückgeführt.

Dudley befand sich hinter einem Maschendrahtzaun, der mir bis zum Kinn reichte. Am Eingang lagen Gummistiefel und Gummihandschuhe, die ich anzog, bevor ich zu ihm ging. Dudley wedelte schwach mit seinem krummen Schwanz.

»Na, du verrückter Kerl«, sagte ich, »geht’s dir besser?« Sonst lasse ich mir von Dudley immer das Gesicht ablecken, aber auf der Quarantänestation dürfen wir das nicht, deshalb habe ich ihm ein wenig den Bauch gekrault. Mit den Gummihandschuhen ist es nicht das Gleiche, aber Dudley schien es nicht weiter zu stören.

Vor ein paar Tagen war eine Familie hier, die ihn fast aufgenommen hätte, aber Dudley sieht einfach zu schräg aus.

»Das kleine Mädchen fand ihn süß«, meinte der Pfarrer, »und sie hat was zu ihrer Mutter auf Chinesisch gesagt. Natürlich konnte ich die Unterhaltung nicht verstehen, aber der Vater zeigte daraufhin auf Dudleys fehlendes Auge, die Zähne und sein Ohr. Dann sind sie gegangen.«

Armer, hässlicher Dudley! Ich dachte an das chinesische Mädchen, das sich in ihn verliebt hatte, und an ihren Vater, dem er zu seltsam aussah.

Insgeheim war ich doch sehr erleichtert. Ich weiß, dass es die Hunde in einer Familie besser haben als in Sankt Bello, aber ich könnte es nicht ertragen, Dudley zu verlieren.

Ich sah ihn genau an. Dem armen Kerl ging es nicht besonders gut. Das Fressen hatte er kaum angerührt, aber er hatte Wasser getrunken und auch einen Haufen in die kleine Kiste mit dem Sand gemacht, die ich auswusch und desinfizierte. Alles genau nach Vorschrift. Dann warf ich seinen klitschigen Tennisball ein paarmal, aber Dudley war nicht sonderlich interessiert, und dann habe ich den Ball ein wenig zu heftig geworfen, sodass er über den Zaun sprang und wegrollte und wir aufhören mussten.

Ich kam aus der Quarantänestation und wollte nun noch die Spender auffüllen (die waren nämlich leer), als ich ausgerechnet auf Sass Hennessey traf. Eine Hand in die mollige Hüfte gestemmt, stand sie da und warf das Haar zurück.

»Hiiiii!«, rief sie, aber in ihren Augen lag kein Funken Wärme.

»Hallo, Saskia.«

»Gerade habe ich zu Maurice gesagt, dass es hier jetzt richtig schön aussieht.«

Maurice? Maurice? Außer meinem Vater, der den Pfarrer seit Ewigkeiten kennt, nennt ihn keiner so. Alle sprechen ihn mit Reverend Cleghorn an. Mal wieder typisch, dass Sass ihn beim Vornamen nennen muss. Ich war jetzt schon genervt, doch es sollte noch schlimmer kommen.

»Der hässliche alte Köter da«, sagte sie und legte den Kopf mit gespieltem Mitgefühl zur Seite. »Wäre besser, wenn man ihn einschläfert, was meinst du?«

Das war es: die fiese Bemerkung, von der ich gesprochen hatte. Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass sie Dudley meinte. Dudley, meinen zweitliebsten Hund im ganzen Hundeheim! Ich klappte den Mund auf und zu, ohne dass ein Ton rauskam.

»Ist was, Georgie?«

»Nein, nichts.« Das stimmte natürlich nicht. Ich kochte vor Wut. Schweigend füllte ich das Desinfektionsmittel in den Spendern nach, streifte die Handschuhe ab, nahm etwas von dem Gel und verrieb es wütend in den Händen. Dann zog ich die Gummistiefel aus.

»Hey, so war’s doch nicht …«

»Warum sagst du’s dann erst? Du weißt doch genau, dass wir so was hier nicht machen.« Ich war kurz vorm Explodieren.

»Aber er ist doch so alt und krank …«

Nun platzte mir wirklich der Kragen. »So alt und so krank ist er nun auch wieder nicht. Kapiert?«, schrie ich.

Damit hatte Sass wohl nicht gerechnet. Leise sagte sie: »Oookaaay.« Dieses eine Mal hatte ich es ihr wirklich gezeigt.

Mit spitzen Fingern hob sie Dudleys vollgesabberten Tennisball auf, der zur Tür gerollt war. Sie gab ihn mir, und ich war gezwungen, mich zu bedanken. Es war ein seltsames Versöhnungsangebot.

Ich drehte den Ball in den Händen, während ich sie davongehen sah, dann warf ich ihn Dudley zu und schloss die Quarantänestation hinter mir.

Als ich zurück auf meine Station kam, war ich immer noch total sauer. Ramzy wartete auf mich mit Ben im Arm, dem knurrigen Jack Russell, der ihm unbedingt das Gesicht ablecken wollte.

»Guck mal!«, rief Ramzy ganz stolz. »Ich habe einen neuen Freund!«

»Hast du wirklich«, sagte ich. »Guter Junge, Ben«, und hielt ihm meine Hand hin, damit er sie lecken konnte. Dann streichelte ich zum Abschied noch mal jeden einzelnen Hund auf meiner Station.

»Tschüss, Herr Pfarrer«, rief ich und zog an der schweren Eichentür.

»Auf Wiedersehen, Sergeant Santos und Gefreiter Rahman!«, rief der Pfarrer und salutierte. »Ausgezeichnete Arbeit!«

Das war’s also. Der Schaden war angerichtet. Ich hatte das Ende der Welt angezettelt.

Selbstverständlich wusste ich das in dem Moment noch nicht. Und bis jetzt habe ich es auch für mich behalten: Ich habe den Tennisball angefasst, der mit Dudleys Keimen verseucht war, Keime, die er sich von dem kleinen Mädchen geholt hatte, das ihn aufnehmen wollte. Dann hatte ich den armen Ben an meiner verkeimten Hand lecken lassen und dann auch noch die anderen Hunde …

Offenbar nützt alle Aufklärung über Ansteckungsgefahren nichts gegen Dummheit.

Oder ich war einfach so sauer über Sass’ gemeine Bemerkung, dass ich nicht mehr klar denken konnte. Was letztendlich aber auch auf Dummheit hinausläuft.

12. Kapitel

Gebt mir noch ’ne Woche«, hatte Dr. Pretorius gesagt. Immerzu musste ich daran denken. Noch eine Woche Geheimniskrämerei.

Ein Geheimnis für sich zu behalten, ist nicht weiter schwer, solange niemand Verdacht schöpft. Solange dich niemand sieht. Jemand, der, sagen wir, deinen Bruder kennt. Jemand, der gerade angefangen hat, in Spanish City zu arbeiten, und bemerkt, wie du durch eine private Hintertür in die Arkaden gelangst.

So jemand wie Sass Hennesseys Schwester Ann zum Beispiel, die bei meinem Bruder im Jahrgang ist und deren Mutter ihr gerade einen Job samstags bei Polly Donkin Tea Rooms verschafft hat.

Gebt mir noch ’ne Woche, gebt mir noch ’ne Woche. Wie ein nerviger Ohrwurm ging es mir durch den Kopf, als ich mit schlenkernder Schultasche von Spanish City nach Hause trabte. Zu meiner Überraschung kam Clem aus Dads Werkstatt und wischte sich die öligen Hände an einem Handtuch ab.

Wir leben auf einem Bauernhof, der aber nicht mehr richtig beackert wird. Fast alle umliegenden Höfe wurden als Bauland verkauft. Von der oberen Weide, auf der Mums Baum steht und die Kühe grasen, sieht man in jeder Himmelsrichtung Häuser, Kräne und halb fertige Wohnblocks und im Osten ein Fitzelchen Meer. (Leider sind es nicht mal unsere Kühe.)

Ein Stück weiter liegt Dads Werkstatt, in der er alte Autos restauriert, und eine Scheune, in der Motoren, Auspuffe, Autotüren und so ein Kram lagern.

Clem schien auf mich gewartet zu haben.

»Hi, Pupsi«, sagte er gut gelaunt. So hatte er mich schon lange nicht mehr genannt. Ich wurde hellhörig, grinste aber.

»Bist du irgendwo Aufregendes gewesen?«, fragte er.

Die Wahrheit? Gerade hatte ich auf einem Ritterturnier gegen Ramzy gekämpft, und zwar auf einem virtuellen Pferd (bestehend aus einem Klavierstuhl und dem Sattel, den ich bei meinem ersten Besuch im Lager gesehen hatte).

»Sankt Bello.« Ich log wirklich niemanden gern an, nicht mal Clem. Mir stieg die Röte in die Wangen.

»Und wie geht’s ihm?«

»Wem?«

»Dem Hund. Ben?«

»Gut! Wir waren gerade am Strand spazieren. Wie immer. Dem geht’s super.« Unter Clems prüfenden Blick fühlte ich mich zunehmend unwohl.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis er endlich sagte: »Spontanheilung also?«

Mit Unschuldsmiene lächelte ich Clem an. Blinzelte ein paarmal überrascht.

Clem sagte: »Der Pfarrer hat angerufen. Er konnte dich nicht erreichen, weil dein Handy abgestellt war.«

Das stimmte, denn bei Dr. Pretorius mussten wir immer unsere Handys ausstellen (irgendwas mit Elektromagnetismus oder so). Ich hatte vergessen, meines wieder einzuschalten.

»Lass uns mal Klartext reden.« Clem zählte es an seinen ölverschmierten Fingern ab: »Erstens: Ein Hund namens Ben ist krank. Er ist in Quarantäne. Das soll ich dir vom Pfarrer ausrichten. Zweitens: Anna Hennessey hat dich mit deinem Kumpel Ramzy Schlagmichtot und einer alten Schreckschraube in Spanish City gesehen. Drittens: Du lügst mich an, sonst würdest du nicht rot werden. Viertens: Ich will wissen, warum.«

»Sonst was?« Immerhin ist Clem mein Bruder. Und der sollte ja wohl auf meiner Seite sein.

»Sonst sag ich’s Dad.«

Okay, vielleicht ist er nicht mehr auf meiner Seite. Clem nickte entschlossen, schob sich die Brille mit öligen Fingern hoch und verschwand wieder in der Werkstatt. Offenbar sollte ich ihm folgen.

Was blieb mir anderes übrig?

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Hacim:
268 s. 15 illüstrasyon
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9783649636434
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