Kitabı oku: «Sizilianische Gesetze», sayfa 3
Ablenkung vor Schwangerschaftsende
Weil Ute sich von ihrer frustrierenden Situation ablenken wollte, überlegte sie sich, ihre Wohnung zu renovieren, denn nach Ramonas Auszug wollte sie in Renes ehemaligem Zimmer ihr Schlafzimmer machen.
Natürlich lehnte Vito ihre Frage nach Geld für die Renovierung rundweg ab. Er schimpfte, er habe genug geschäftliche Probleme, wisse nach der Casino-Schließung nicht wie es weitergehen solle, deshalb könne sie sich die Beteiligung sowie weitere Unterhalts-Zahlungen abschminken. Sie wagte nicht zu widersprechen. Denn sie war froh, dass er ihr das nur telefonische erklärte, weil er sonst sicher wieder zuschlagen würde.
Aber aufgeben war für Ute keine Option, sie wollte sich von den trüben Gedanken ablenken und sich wenigstens ihre Wohnung gemütlich und frisch machen.
Also fuhr sie ins nächste Pfandhaus und belieh ein paar Stücke ihres Weißgold-Schmuckes, der eh nur im Schrank lag.
Sie war kaum zurück als ihr Sohn plötzlich vor der Tür stand und verlegen fragte, ob er reinkommen dürfe.
Ihr Erstaunen, dass Rene es nicht lange ohne sie zu sehen, ausgehalten hatte, ließ sie sich nicht anmerken, sondern knurrte ärgerlich: „Welch eine dumme Frage, natürlich darfst du reinkommen. Du bist doch mein Sohn, und das wirst du auch immer bleiben!“
Sie waren beide erleichtert, ohne sich das anmerken zu lassen.
Mit Rene besprach sie dann ihr Renovierungs-Vorhaben, was er sehr gut fand. Also nahm sie ihn mit die Tapeten und Teppichböden zu kaufen, und tat so, als ließe sie sich von ihm beraten. Allerdings durchschaute ihr Sohn sie, und meinte: „Mutsch, halt mich doch bitte nicht für so naiv, dass sie nicht weiß, dass du das eh alleine entscheidest. Aber ich gebe zu, dass du einen guten Geschmack hast.“
Da sie bereits im siebten Monat war, benötigte Ute natürlich nicht nur Hilfe beim Tapezieren, sondern auch beim ein- und ausräumen. Eine Freundin empfahl ihr ihren Bekannten, der zu der Zeit arbeitslos war. Sie sagte, er sei sehr geschickt und habe auch schon viel Erfahrung mit tapezieren, außerdem sei er sehr hilfsbereit und fleißig. Und beim Umräumen würde sie gerne mithelfen.
So hatte Ute die nächsten drei Wochen alle Hände voll zu tun und war abends so müde, dass sie keine Energie mehr hatte, über meine Misere nachzudenken. Von Vito hörte und sah sie nichts, was ihr recht angenehm war, da sie noch kein Geld benötigte, rief sie ihn auch nicht an.
Als alles fertig war, war aus Renes Kinderzimmer ein geräumiges Schlafzimmer geworden. Der ehemalige Schlafraum wurde zum zweiten Wohnzimmer, weil der große Durchbruch zwischen den beiden Räumen vorher immer nur durch einen schweren Vorhang zu verschließen gewesen war. Den Vorhang entfernte sie einfach. Ihre große 4 Zimmer-Wohnung war perfekt eingerichtet und gehörte nun ihr allein.
Leider fühlte sie sich auch sehr allein, denn die seltenen Besuche ihrer beiden Kinder konnten ihre Einsamkeit immer nur kurz verscheuchen.
Da Annette eine nächtliche Arbeit in dem neuen Kartencasino hatte, hatte sie seltener Zeit für Ute, jedoch konnte Ute ihre Freundin jederzeit auf der Arbeit besuchen, was natürlich nicht das Gleiche war. Aber das hielt Ute wenigstens so lange nachts wach, bis sie müde genug war, um sofort einzuschlafen und nicht wieder grübelnd im Bett zu liegen.
Jedoch blieb Utes Leben war leer und einsam, und sie verfluchte den Tag an dem sie sich mit diesem Brutalo eingelassen hatte. Langsam aber sicher glaubte sie die ganzen üblen Gerüchte, dass er ein Mafioso sei, oder zumindest nach deren Vorbild handelte. Die Erkenntnis machte Ute noch ängstlicher und erzeugte noch tieferen Hass in ihr.
Dann erfuhr sie, dass Vito ihren alten Laden wieder aufgemacht hatte, und weil das Geschäft Konkurrenzlos war, dort sehr guten Zulauf verzeichnen konnte. Also war er verpflichtet ihr wieder Unterhalt zu zahlen, denn immerhin gehörte ihr dieser Laden noch zur Hälfte. Weil ihre Finanzen bis auf ein paar Mark zusammen geschmolzen waren, rief sie ihn an und verlangte ihren Teil.
Nach ein paar Tagen, in denen sie nichts von ihm gehört oder gesehen hatte, wurden ihre Anrufe nicht mehr angenommen. Also rief sie so oft im Casino an, bis sein Bruder ans Telefon kam, der ihr sagte: „Lass bitte das ständige Anrufen sein, du weißt doch genau, dass es das Spiel stört, und dass es Vito nur wütend macht!“
Natürlich konnte sie nicht aufgeben, denn ihre Mittel waren am Ende und von irgendetwas musste sie ja schließlich leben.
Am nächsten Mittag klingelte es Sturm und Minuten später flog Vito fast durch die geschlossene Wohnungstür, schlug ihr, noch in der Diele, ins Gesicht und schrie sie an: „Du dämliche Fotze, sei froh dass du einen dicken Bauch hast, sonst würde ich dich am Boden fest treten, aber wage es nicht noch einmal das Spiel zu stören. Mein Bruder wird dir in Zukunft die nötigste Kohle bringen, solange du das Kind in dir hast.“
Dabei warf er ihr ein paar Hunderter vor die Füße, drehte sich auf dem Absatz rum und ging.
Tränen des Schams und Zornes flossen über ihre brennende Wange und als sie vor den Spiegel trat, sah sie, dass sich seine fünf Finger in ihrem Gesicht abgemalt hatten. Während sie die Wange kühlte dachte sie voller Rachegefühle >irgendwann wirst du das Echo für alles kriegen, was du mir angetan hast- da bin sie ganz sicher<!
In der 36. Schwangerschaftswoche besuchte sie ihre Tochter, und ausgerechnet dort platzte meine Fruchtblase. Genau in dem Moment erschien zufällig Utes Mutter. Ob sie erstaunt oder erfreut war, die Tochter nach so langer Zeit zu sehen, konnte man ihr nicht anmerken. Sie riet Ute nur, kurz und knapp, am besten in der Klinik anzurufen.
Es war der 24. November. Für die Geburt war es eigentlich vier Wochen zu früh, denn der Termin war auf den 26. Dezember errechnet worden. Also kein Weihnachtskind? Ute war so überrascht, dass sie nicht wusste ob sie sich freuen oder ängstigen sollte. Fest stand jedoch, dass es mit der Geburt nicht mehr lange dauern konnte.
Bei dem Anruf in der Klinik sagte man ihr, sie möge sich schnellstens auf der Wöchnerinnen -Station melden. Ramona fuhr ihre Mutter mit ihrem Auto, erst nach Hause, die fertig gepackte Reisetasche holen, dann zur Klinik. Man wies Ute ein Bett zu, und Ramona verabschiedete sich freudig, denn nun konnte sie eine Woche mit Mutters Auto unterwegs sein.
Weil die Lungen des Säuglings noch nicht ausgereift waren, musste Ute Tabletten nehmen, wodurch die Geburt verzögert werden sollte.
Da lag sie nun, viel zu früh als erwartet in der Klinik und konnte doch froh sein, dass diese schlimme, unbewegliche Zeit endlich vorbei war. Obwohl sie sich eigentlich schon auf die Zeit danach vorbereiten konnte, denn nach der Geburt wäre sie doch endlich frei, war sie trotzdem seelisch am Ende.
Statt Pläne zu schmieden was sie alles wieder machen wollte, hatte sie das heulende Elend. Ihre Energie und Unternehmungslust waren blockiert, dabei musste sie sich doch gar nicht dem Säugling widmen? Den wollte sie doch sowieso abgeben. Warum heulte sie also?
Ihre Freundin Annette war ihre telefonische Dauer-Gesprächspartnerin, Annette versuchte sie aufzurichten und ihr Mut zu machen. Sie wurde nicht müde mir immer wieder die gleichen positiven Antworten auf Utes immer gleichen bangen Fragen zu geben. Was soll sie machen? Was wird ihre Zukunft bringen?
In einer Gesprächspause rief Vito an, und beschimpfte sie, weil er von ihren Adoptions-Plänen erfahren hatte. Weiß der Teufel von wem. Schnell legte sie den Hörer auf.
Das war der Moment in dem die Oberschwester ins Zimmer kam, die mit sicherem Blick sofort Utes nervlichen Zustand erkannte, deshalb fragte sie, ob sie ihr helfen könne. Ute vertraute sich ihr an, dass sie keinen anderen Ausweg sähe, als das Kind abzugeben. Die Schwester war sofort hilfsbereit, und ließ Ute in ein Einzelzimmer verlegen.
Ute war der Oberschwester der Ordens-Klinik sehr dankbar für die liebevolle und verständnisvolle Behandlung, die die Schwester ihr zukommen ließ. Auch weil sie anordnete, dass der Portier niemand, ohne Utes Zustimmung, zu ihr lassen dürfe, sodass bereits am Eingang unerwünschte Besucher abgewiesen wurden.
Mit der Unterstützung der Oberschwester, konnte Ute dann die Adoptions-Maßnahme einleiten. Schwester Barbara half, indem sie das städtische Jugendamt verständigte.
Bei der Unterhaltung mit dem Beamten des Jugendamtes musste Ute alle bisherigen Vorurteile gegen diese Behörde korrigieren, denn der Mann behandelte sie mit Feingefühl und Respekt. Am Ende des Gespräches unterschrieb Ute eine vorläufige Erklärung, dass sie gewillt war, das Neugeborene zur Adoption freizugeben.
Er klärte Ute darüber auf, dass sie nach der Geburt noch sechs Wochen Zeit zum Überlegen hatte, und dass er sich darum kümmern werde, dass sie den Säugling gar nicht zu sehen bekäme. Diese Versprechen sollten Ute wohl beruhigen. Sie bedankte sich zwar, aber beruhigt war sie keineswegs.
Drei Tage lang konnte sie nichts anderes tun, als weinen. Sie war nervlich, seelisch und moralisch am Ende. Fast den ganzen Tag telefonierte sie mit ihrer Freundin Annette, was aber immer von Weinkrämpfen unterbrochen wurde. Nichts vermochte sie zu beruhigen oder gar zu trösten.
Als man ihr am dritten Vormittag die Medikamente brachte, nahm Ute die Tabletten einfach nicht mehr. Sie warf sie in die Toilette. Sie wollte nicht länger warten und sich quälen, sondern die Geburt beschleunigen. Schon drei Stunden später setzten die Wehen ein und Ute wurde in den Kreißsaal gebracht. Sofort nach der kurzen Untersuchung setzte der Arzt ihr die Narkose-Maske aufs Gesicht. Danach wurde es dunkel.
Als Ute erwachte war sie in ihrem Zimmer und lag sie in ihrem Bett. Der Raum war abgedunkelt und das Telefon hatte man ausgestöpselt. Dass alles vorbei war, konnte sie fühlen. Aber genau das, die fühlbare Leere in ihrem Bauch löste einen Weinkrampf bei ihr aus.
Als sie sich gefangen hatte, stöpselte sie den Telefonkabel wieder ein, und rief direkt bei Annette an. „Es ist vorbei, Annette, und ich habe keine Ahnung ob es gesund ist, ich habe es nicht gesehen.“ Berichtete sie unter Tränen.
Annette versuchte die Freundin zu trösten, redete ihr gut zu, als Ute auf lauten Tumult vor ihrer Zimmertür aufmerksam wurde. Ute glaubte Vitos Stimme zu hören, aber dann war es auch schon vorbei. Es wurde ein langes Gespräch mit der Freundin, dem noch eins mit ihrer Tochter folgte, sodass sie ein paar Stunden beschäftigt war.
Kaum hatte sie nach Ende ihrer Telefonate den Hörer aufgelegt, als das Gerät wieder läutete. Es war Vito, er schrie laut, beschimpfte sie, sie sei eine Rabenmutter, dann werde er seine Tochter zu sich nehmen, das habe er schon mit seiner Frau geklärt. Sie wären eben in der Kinderklinik gewesen und hätten die Kleine besucht. Ute war darüber sehr empört, kappte die Leitung und hatte einen Nerven-Zusammenbruch.
Die wachsame Oberschwester Barbara war schnell zur Stelle und gab Ute ein Beruhigungsmittel. Dann besorgte sie für Ute eine andere Telefonnummer bei der Zentrale des Krankenhauses und sorgte auch dafür, dass keine Gespräche zu ihr vermittelt wurden. So hatte sie für Utes Ruhe gesorgt und Ute konnte nur noch selbst raus telefonieren. Die Stations-Schwester war wie ein Schutzengel ganz besonderer Art für Ute.
Aber ihren Seelenfrieden fand sie trotzdem nicht. Immer wieder überfiel sie das heulende Elend, konnte sie den Gedanken nicht verscheuchen, dass sie ihr eigen Fleisch und Blut verschenken wollte. Sie hatte Schwierigkeiten das mit ihrem Gewissen zu vereinbaren.
Dabei überlegte sie, dass sie dem Säugling damit sicher etwas Gutes tun würde, weil es bei ihr in eine unsichere Zukunft gekommen wäre. Als uneheliches Kind einer alleinerziehenden Mutter sähen die Zukunftschancen des Kindes nicht gerade rosig aus. Vielleicht fände es bei gutsituierten Leuten eine bessere Zukunft und ein behütetes liebevolles Zuhause?
Gleich darauf fiel ihr ein, wer oder was gäbe ihr denn die Garantie, dass dieses Zuhause immer so sicher und gut behütet bliebe? Was wäre, wenn diese Adoptiveltern sich irgendwann scheiden lassen würden? Was passierte dann mit dem adoptierten Kind? Wäre es dann ebenfalls bei einem alleinerziehenden Elternteil? Und was, wenn keiner von beiden Eheleuten das Kind haben wollte?
Ute zermarterte sich das Gehirn mit dem Abwägen der Möglichkeiten. Es machte sie fertig. Auch Annette wusste darauf keine Antwort.
Am Montagvormittag rief sie als erstes den Sachbearbeiter des Jugendamtes an und berichtete von Vitos Besuch bei dem Säugling. Der Beamte war empört, versprach sofort in der Kinderklinik angerufen, und sich bei der Stationsschwester zu beschweren. Er werde dafür sorgen, dass so ein Fehler nicht noch einmal passieren werde.
Damit hatte sie zwar dem Erzeuger einen Riegel vorgeschoben, aber Utes Gewissen beruhigte auch das nicht. Sie quälte sich noch den ganzen Tag mit trüben Gedanken, bis sie endlich einschlief.
Am nächsten Morgen fühlte sie sich wie gerädert, wüste Träume hatten ihren Schlaf unruhig gemacht. Dann kam ihr ein Gedanke, den sie sofort in die Tat umsetzte. Sie rief ihre Mutter an, und bat um deren Besuch.
Obwohl Ute ihrer Mutter ansehen konnte, dass sie sich sehr unwohl fühlte, saß ihre Mutter dann, zwei Stunden später, an Utes Bett. Zwar erkundigte sie sich höflich nach Utes Befinden, aber es war ihr anzusehen, dass sie etwas Unangenehmes befürchtete.
Ihre Direktheit verdankte Ute dem Gen ihrer Mutter, deshalb fragte sie ohne Umschweife: „Sag mir bitte, Mutti, wie verkraftet es eine Mutter ihr Kind zu verschenken?“
Statt einer Antwort, weinte ihre Mutter. Sie brachte kein Wort heraus, nur ihr gequälter Blick sprach Bände.
Es war das erste Mal in Utes Leben, dass sie ihre Mutter, diese harte, starke Frau, weinen sah. Selbst als ihre eigene Mutter gestorben war, hatte sie keine Träne vergossen. Aber nun, nach mehr als vierzig Jahren, weinte ihre Mutter, bei dem Gedanken an ihren verlorenen Sohn, den sie zur Adoption freigegeben hatte.
„Entschuldige bitte, Mutti, sie wollte dir nicht weh tun. Schon gut, du musst mir nichts erklären, das war mir Antwort genug!“ sagte Ute während ihr die dicken Tränen übers Gesicht liefen.
Schnell erhob sich Utes Mutter, und stürzte wortlos hinaus.
Hoffnung auf Weihnachtskind
Entschlossen wusch Ute sich das Gesicht, zog sich an, und ging zum Schwesternzimmer. Sie bat Schwester Barbara die Klinik verlassen zu dürfen, bat um einen Urlaubsschein. Auf ihre Frage was sie vorhabe, erwiderte Ute: „Sie möchte zur Kinderklinik meine Tochter besuchen.“
Die Schwester umarmte sie spontan und sagte mit bewegter Stimme: „Gott sei Dank. Sich habe es gewusst. Ich hätte niemals glauben können, dass Sie ihr Kind abgeben. Ja, gehen Sie nur, Gott sei mit Ihnen!“
Auch Ramona war überrascht, als sie sie anrief. Aber als sie erfuhr was sie vorhatte, sagte sie: „Ich komme sofort.“
Es wunderte Ute nicht, dass auch Rene im Auto saß, als Ramona vorfuhr. Schweigend fuhren sie zu der entfernten städtischen Klinik, in der sich die Kinderklinik befand. Die Neugeborenen- Station der Klinik hatte eine Isolier-Abteilung in der nur die Frühgeburten lagen. Einige in Brutkästen, andere in Wärmebettchen, je nach Bedarf.
Vermutlich hatte Schwester Barbara ihre Kollegin telefonisch verständigt, denn die Besucher wurden gleich am Eingang dieses separaten Raums empfangen und darüber informiert, dass der Zutritt nur Ute gestattet sei. Ihre beiden Kinder konnten lediglich durch ein großes Fenster sehen, wie die Schwester Ute zeigte, wo ihr Baby lag.
„Julia“ stand auf dem kleinen Namensschild des Brutkastens, in dem ein mageres kleines Geschöpf halbnackt lag. Es war das Kind mit der dunkelsten Hautfarbe in dieser Abteilung, hatte einen fast schwarzen Cäsarkranz und lag ganz ruhig mit geschlossenen Augen in dem beleuchteten Kasten. An beiden Seiten dieses monströsen Gerätes waren runde Öffnungen, die mit Gummilaschen abgedichtet waren, durch die man hineingreifen konnte.
Ute stand wie erstarrt vor dem Gerät, schaute auf das winzige Geschöpf und schämte sich innerlich, dass sie so wenig Rücksicht auf das Geschöpf in ihrem Bauch genommen hatte. Ihr wurde klar, dass es ihre alleinige Schuld war, dass dieses Wesen so untergewichtig und klein war. Dicke Tränen der Reue rollten über Utes Wangen und sie nahm sich vor, ein Leben lang gut auf dieses Kind aufzupassen, und zu versuchen, ihre Versäumnisse wieder gut zu machen.
Es sah so zart und verletzlich aus, dass sie sich nicht traute ihre Hände in diese Öffnungen zu stecken, um es zu berühren.
Die Schwester kam näher, ermutigte sie: „Sie können sie ruhig anfassen, schauen Sie, sie mag es wenn sie gestreichelt wird.“ sagte die Schwester lächelnd, schob eine Hand in die Öffnung und streichelte dem Baby über den Bauch. Ein kleines Lächeln glitt über das Gesichtchen des Säuglings.
Die Schwester nickte mir zu und zog sich zurück.
Ganz vorsichtig schob Ute ihre Hand durch die Öffnung und streichelte, mit einem Finger, sanft über das kleine magere Händchen. Sofort griff die kleine Hand zu und umklammerte Utes Finger. Sie griff fest zu, öffnete die dunkelbraunen Augen, und drehte den Kopf in Utes Richtung, als suche sie es ihre Mutter.
Ute war zwar klar, dass die Kleine noch nicht klar sehen konnte, aber sie glaubte, dass sie es gefühlt hatte, dass es die Hand ihrer Mutter war, die sie festhalten wollte.
Wie lange sie weinend da gestanden hatte, mit fest umklammertem Finger, war ihr nicht bewusst, aber erst als die Kleine ihren Finger los ließ, kam ihr zum Bewusstsein, dass ihre beiden Großen auf sie warteten.
Nachdem die Schwester Ute erklärt hatte, dass sie öfters zum Windeln wechseln kommen solle, wenn sie wieder zu Hause sei, fragte Ute noch nach dem Gewicht der Kleinen. Ute erfuhr, dass sie viereinhalb Pfund wog, mit einundreißig Zentimeter Kopfumfang und achtundvierzig Zentimeter Körpergröße, also noch mindestens bis zum Entlassungsgewicht, von fünf Pfund, in der Klinik bleiben müsse.
Das kannte Ute ja schon von Ramona, die war genauso leicht gewesen, aber kein Frühchen. Das war ein gewaltiger Unterschied, denn dieses winzige Wesen, war vier Wochen zu früh, während Ramona sich noch zwei Tage nach dem Termin Zeit gelassen hatte.
Total aufgewühlt, aber auch erleichtert, verließ Ute die Station.
Da Ute auf der gleichen Straße, gegenüber dem städtischen Klinikum wohnte, wollte sie sich frische Kleidung für den Heimweg mitnehmen, deshalb gingen die Drei zusammen in Utes Wohnung.
Im Schlafzimmer bat Ute ihren Sohn: „Rene, hol doch mal bitte den Zollstock aus dem Werkzeugkasten und miss mal eben die freie Wand aus.“
Auf seine erstaunte Frage, wozu sie die Maße bräuchte, erklärte Ute: „Ich muss wissen ob da ein Babybettchen und eine Wickelkommode hinpassen.“
Ihr sonst so kühler Sohn, der sich Gefühlsregungen lieber verkniff, fiel seiner Mutter um den Hals und sagte weinend: „Gott sei Dank, Mutsch. Ich konnte auch nicht glauben, dass du unsere Schwester verschenken würdest.“
Wie sensibel ihr vierzehnjähriger Sohn war überraschte Ute dann doch, aber genauso erstaunt war sie über die gleichgültige Haltung ihrer zwanzigjährigen Tochter. Welch ein charakterlicher Unterschied.
Es war der abrupte Abbruch dieser monatelangen Mutter-Kind-Bindung, die keine Mutter einfach abschneiden kann. Denn diese Bindung ist nicht mit der Geburt plötzlich zu Ende, das musste Ute erkennen.
Dann das Gespräch mit ihrer Mutter hatte das Übrige dazu getan, dass Ute den Adoptions-Auftrag zurückzog. Sie nahm ihre Tochter an, und gab ihr den Namen, Romina -Francesca.
Nun war sie auf Vitos finanzielle Hilfe angewiesen, denn sie hatte keinerlei Baby-Ausstattung und auch nicht die nötigen finanziellen Mittel. Also musste sie sich zwangsläufig wieder mit Vito vertragen, obwohl er derzeit mal wieder bei seiner Frau wohnte.
Zwar war ihr nicht klar woher er von ihrer Entscheidung wusste, aber diese Entscheidung veränderte seine Einstellung. Er ließ Ramon anfragen, ob er sie besuchen dürfe. Das kam für ihre veränderte Lage gerade passend.
Nachdem er sich bei der Stations-Schwester entschuldigt hatte, ließ Schwester Barbara ihn zu ihr vor.
Vito war liebevoll und sanft, ganz stolzer Vater. Er brachte ihr Blumen und Pralinen mit, fragte wie sie seine Tochter nennen wolle, und freute sich wie ein Kind als sie ihre Entscheidung verkündete: „Romina Viktoria!“ Denn ihre Macke, dass die Namen ihrer Kinder mit R beginnen mussten hatte sie auf die Art, den zweiten Namen mit Vitos verbunden.
Dann machte er sich Gedanken über die Anschaffung, die er für seine Tochter natürlich bezahlen werde. Er versprach Ute, mit ihr einkaufen zu gehen, sobald sie aus dem Krankenhaus entlassen, und zu Hause sei.
Tatsächlich hielt dieser Mann einmal sein Versprechen, und ging mit ihr Babysachen einkaufen. Sogar Bettchen, Kinderwagen und Wickelkommode schleppte er heran, innerhalb weniger Tage war die Babyausstattung komplett. Nichts fehlte. Er war so glücklich, dass er alles kaufte, von A bis Z, was ein Säugling braucht.
Er ging sogar mit mir so viel Lebensmittel einkaufen, dass sie für Wochen Vorrat hatte.
Als sie an dem Tag vor Heilig Abend die Kleine aus der Kinderklinik holten, versprach Vito zum Abschied, dass er die Weihnachtstage bei ihnen verbringen werde.
Ute sah ihn an keinem der Tage, erst Wochen später, als sie um Geld fragen musste. Und seine Reaktion war genauso brutal ablehnend wie vorher. Der gleiche Kampf ging wieder weiter. So hatte sie sich das nicht gedacht, denn seine Versprechungen hielt er mal schon wieder nicht ein.
Weil Ute wegen dem Kleinkind nicht arbeiten konnte, war die nächste Zeit wieder von ewigem Geldmangel geprägt. Was ihrem Peiniger natürlich nur Recht war. So verwaltete und verzockte er weiterhin ihr gemeinsames Geld, ohne dass Ute sich dagegen wehren konnte.
Aber aufgeben wäre gegen ihre Natur gewesen, also grübelte Ute ständig, wie sie die Lage verändern könne.