Kitabı oku: «Ein verhängnisvoller Wunsch», sayfa 6

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Ein Gefühl der Beklemmung beschlich sie. Die letzten Wochen mit ihrem Traum, das Telefongespräch und die Briefe von diesem Mann und dass sie nun eine Zeit ansteuerte, die alles entscheiden würde, machten sie plötzlich schrecklich nervös und ängstlich. Wieso wusste man nie, wann man etwas Richtiges tat!

Isabel lauschte der Stimme am anderen Ende der Leitung. Nach einem überraschten Moment gab ihre Chefin ihr frei und wünschte ihr schöne, erholsame Wochen. Dann legten sie auf und Isabel warf sich beruhigt auf das kleine Sofa. Sie hasste es zu lügen, aber nur so konnte sie alldem entfliehen, was sie beunruhigte. Doch ihr wurde im selben Moment klar, dass sie noch nicht außer Gefahr war.

Sie sprang auf, ging die Wohnung ab und ließ überall die Schalosien herunter. Sie lief auch in den kleinen Flur und schaute nach, ob die Klingel auch wirklich ausgeschaltet war. Außerdem legte sie den Telefonhörer neben die Gabel. Dann holte sie ihren Koffer und packte alles zusammen, was sie sich schon seit Wochen zusammengelegt hatte. Ihr Entschluss stand fest. Sie wollte am nächsten Morgen alles ins Auto werfen und schnell verschwinden. Ihre Nachbarin aus der Wohnung unter ihr würde ihren Postkasten die nächsten sechs Wochen entleeren und die Blumen gießen. So hatte sie es mit ihr letzte Woche vereinbart. Ihr hatte sie auch die Adresse des Gasthauses gegeben, in dem sie die nächsten Wochen verbringen wollte, falls etwas mit der Wohnung war.

Da sie ihr Zimmer aber erst ab Samstag gebucht hat, beschloss sie die nächsten zwei Tage zu ihrer Schwester zu fahren und ihr einen unangemeldeten Besuch abzustatten. Von dort konnte sie dann am Samstag in ihr Heimatdorf aus Kindertagen fahren. Sie wollte so schnell wie möglich weg. Sie wollte lieber keinen Aufschub mehr und keine Unsicherheit aufkommen lassen. Sie wollte endlich ihren Traum verwirklichen.

Im Bett wälzte sie sich lange unruhig hin und her. Immer musste sie an ihren Brief denken und an den Mann, der vergeblich auf sie gewartet hatte. Sie hatte ihn damit bestimmt unglücklich gemacht. So würde er es zumindest ausdrücken. Wie hatte er wohl auf ihren Brief reagiert?

Isabel überdachte ihre geschriebenen Worte noch einmal und fand sie gewagt. Sie stellte sich vor, wie sie selbst auf so einen Brief reagieren würde.

Sie hatte ihm höflich für die Blumen gedankt und sich für ihr Nichterscheinen entschuldigt. Dann hatte sie ihm kurz zu erklären versucht, was in ihr in den letzten Wochen vorgegangen war und dass sie keineswegs eine glücklich alleinstehende Frau war und das nun ändern wolle. Sie schrieb nicht, wie sie das ändern will, erwähnte aber, dass sie sich erst selbst finden müsse und dazu einen Trip in die Vergangenheit machen würde, um sich eine neue Zukunft aufbauen zu können. Letztendlich hatte sie ihn gebeten, sie zu vergessen.

Sie wäre über so einen Brief todtraurig und … beunruhigt. Wieso hatte sie ihm nicht einfach geschrieben, dass sie keine Dates einging? Warum verfiel sie in solche Gefühlsduseleien wie er?

Naja, jetzt war es zu spät. Er hatte den Brief bekommen und wusste wenigstens, woran er war.

Jetzt, wo sie dieses Ziel vor Augen hatte, in dem alle Männer bis auf einen aus ihrem Leben ausgeschlossen wurden, durfte sie sich keine anderen Flausen mehr erlauben. Und ab Morgen würde dann alles vergessen sein und sie würde nur noch für einen guten Ausgang ihrer Pläne leben.

Endlich!

Eine erschreckende Erkenntnis

Die Tage bei Isabels Schwester Karin vergingen schleppend. Doch sie waren erträglicher, als Isabell befürchtet hatte. Karin gab sich wesentlich zufriedener mit ihrem Leben als noch im Januar. Isabel fragte nicht, ob mit ihr und Klaus wieder alles im Reinen war. Und Karin ließ sich nur über Nachbarn, ihre Kinder und deren Lehrer oder durchgeknallte Mitschüler aus, die bestimmt irgendwann ein Dasein als Kriminelle fristen werden. Ein anderes Thema waren die Zukunftsaussichten der neuen Generationen, die Karin mit Feuereifer immer wieder als niederschmetternd hinstellte. Fast schien es, als wenn sie ihre ganze Energie auf ihre Kinder gerichtet hielt.

Isabel war froh darüber. Sie wollte nichts von zerrütteten Ehen oder gewissenlosen Männern hören. Dass sie ihrem Ziel so nahe war, machte sie immer nervöser und ließ langsam sogar Bedenken aufkommen. Aber sie wollte Cedric schließlich nicht als Mann fürs Leben gewinnen. Irgendetwas in ihr sagte ihr, dass dies auch keine gute Idee wäre. Etwas mahnte sie regelrecht zur Vorsicht, je näher sie dem Tag X kam und sie hatte alle Mühe, dieses Gefühl zu verdrängen.

Isabel glaubte, dass es die überdrehte Stimmung bei ihrer Schwester war, die das verstärkte, und dass die Kinder erkältet und daher unerträglich waren, ließ ihre zwei Tage bei ihnen manchmal etwas zäh werden. Zu ihrem Glück war Klaus auf einer Geschäftsreise und Isabel blieb zumindest seine immerwährende Stichelei und hintergründige Anmache erspart. Sie war sich auch nicht sicher, ob Klaus noch viel daran gelegen war, dass niemand von ihrer gemeinsamen Vergangenheit, die eine Nacht gewährt hatte, erfuhr. So war sie froh, als es endlich Samstag war und sie abreisen konnte, bevor er wieder auftauchte. Und Karin ahnte nichts davon, dass Isabel sechs Wochen Urlaub vor sich hatte und den im nahen Ort ihrer Kindheit verbringen würde. Wahrscheinlich hätte Karin ihre große Schwester für vollkommen verrückt gehalten, wenn sie davon wüsste.

Isabel ließ sie in dem Glauben, dass sie wieder nach Hause fuhr und am Montag einer normalen Arbeitswoche entgegensah.

Am Samstagmorgen verabschiedete Isabel sich nach dem Frühstück von Karin und den Kindern und stieg in ihr Auto. Innerlich vibrierte sie bei dem Gedanken an das, was nun vor ihr lag und sie ermahnte sich immer wieder, ruhig zu bleiben. Aber das war ein hoffnungsloses Unterfangen.

So drehte Isabel ihre Musik laut auf und versuchte dadurch gute Laune aufkommen zu lassen, während sie den Beetle aus dem kleinen Ort lenkte. Dabei sagte sie sich immer wieder, dass dieser Urlaub ihr ganzes Leben verändern wird.

Nach einer zehnminütigen Fahrt durch sehr ländliches Gebiet mit vielen Wäldern, Feldern und Wiesen fuhr sie die Straße hinab, die ihr ein wunderschönes Panorama über die bewaldete Hügellandschaft bot. Isabel war einen Moment versucht, einfach anzuhalten und diesen Anblick zu genießen. Doch hinter ihr wurde ungeduldiges Hupen laut und sie sah einen riesigen LKW dicht hinter sich die Heckscheibe verdunkeln. So fuhr sie schnell weiter.

Als sie durch den kleinen Ort kam, konnte sie ihr Erstaunen kaum verbergen. Es hatte sich so viel verändert, dass sie fast glaubte, falsch sein zu müssen. Doch dann kam sie direkt an dem alten Wartehäuschen vorbei, in dem sie fast ein Jahrzehnt auf den Bus gewartete hatte, um sich zur Schule bringen zu lassen. Es war wie ein Blick in die Vergangenheit.

Ein warmer Schauer lief ihr über den Rücken und sie fuhr langsam weiter. Sie wollte diese Wiederkehr genießen. Hier hatte sie so viele schöne Jahre verbracht.

Nicht nur schöne, wenn ich dich erinnern darf.

Isabel wollte keine unangenehmen Gedanken aufkommen lassen. Die hatte sie die letzten Monate doch auch erfolgreich in der Versenkung lassen können. Jetzt konnte sie sie erst recht nicht gebrauchen.

Bald schon sah sie das Haus mit den bunten Lettern am Giebel. Hier würde sie die nächsten Wochen verbringen. Als kleines Mädchen war sie oft in dieses Haus gegangen und hatte dort Brot und Butter in dem kleinen Tante-Emma-Laden gekauft, der damals noch den Menschen hier die Möglichkeit bot, schnell kleinere Besorgungen zu machen. Die alte Ladenbesitzerin hatte später alles verkauft und es wurde eine Kneipe daraus mit vielen Besitzern, die ihr Glück hier versucht hatten. Nun gab es hier sogar drei Fremdenzimmer.

Isabel folgte dem Parkhinweisschild auf den leeren Platz hinter dem Haus. Scheinbar war sie um diese Zeit der einzige Gast.

Sie ließ ihr Gepäck im Auto und ging um das Haus herum zur Eingangstür. Die fand sie verschlossen und ein Hinweisschild beschrieb die Öffnungszeiten.

Isabel sah auf ihre Armbanduhr. Sie hatte noch eine gute Stunde Zeit, bis sie hier Einlass fand. Darum beschloss sie, die frühlingshaften Sonnenstrahlen zu nutzen und einen Spaziergang zu machen. Der April zeigte sich immerhin von einer sehr angenehmen Seite, die sie genießen wollte.

Entschlossen ging sie zum Wagen zurück, nahm ihre Jacke heraus und verschloss ihr Auto. Sie strich ihr langes Haar aus dem Nacken und sah sich unschlüssig um. Doch sie musste nicht lange überlegen, welchen Weg sie einschlagen wollte.

Der Straße folgend, die aus dem Ort führte, kam sie bald an einem Wald vorbei, in dem sich der Schützenplatz befand. Dort hatten immer die Schützenfeste und Maifeiern stattgefunden, die in ihrer Kindheit die High Lights gewesen waren.

Als sich die letzten Grundstücke mit ihren großen Häusern und Gärten zu ihrer linken schlossen und einem großen Rapsfeld Platz machten, bog sie auf eine Querstraße ein, der sie durch eine neu aufgeforstete Tannenschonung folgte.

Sie wusste noch von früher, dass dort jedes Jahr vor Weihnachten der Markt boomte. Hier konnte man sich seine Bäume selbst aussuchen und frisch schlagen. Auch sie war mit ihrem Vater oft in solchen Schonungen gewesen und sie hatten sich dort ihren ganz persönlichen Weihnachtsbaum herausgesucht.

Fast einen Kilometer lief sie auf der geraden Straße der Sonne entgegen und die Erinnerungen prasseln auf sie ein. Sie sah den großen Wald zu ihrer rechten, in dem sie damals Buden gebaut und Räuber und Gendarme gespielt hatte.

Fast jeder Baum und jeder Stein barg hier eine Erinnerung. So kam es Isabel zumindest plötzlich vor. Sie wusste noch, wie schwer ihr der Abschied von dieser Gegend gefallen war und von einer Kindheit, die doch eigentlich schön gewesen war.

Nein, das war sie nicht und du weißt das.

Isabel möchte keine unliebsamen Erinnerungen an die Oberfläche dringen lassen. Doch hier, direkt mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, fiel ihr das plötzlich sehr schwer.

Ob sie wohl jemand erkennen würde, wenn sie auf einen ihrer alten Schulfreude treffen würde?

Nein, das war unwahrscheinlich. Außerdem glaubte sie nicht, dass noch jemand nach so vielen Jahren hier in diesem Dorf geblieben war. Wenn das allerdings doch der Fall sein sollte, dann waren sie bestimmt glücklich verheiratet und hatten ihr eigenes Leben - ihre Spielkameraden von damals.

Etwas Wehmut machte sich in ihr breit bei den Gedanken an ihre Zeit mit ihnen. Aber sie wollte nur glückliche Gedanken aufkommen lassen. Unbedingt.

Isabel schlug den Schlackeweg ein, der zum Wald führte. Der Weg war von Feldern gesäumt, auf denen schon das erste junge Grün spross. Sie sah dem Wald entgegen, den sie als Kind geliebt und manchmal auch gefürchtet hatte. Wie viele unzählige Stunden hatte sie darin verbracht?

Ein unbeschreibliches Gefühl von nach Hause kommen schlich sich in ihr Herz, aber auch eine seltsame Beklemmung, als sie endlich auf dem Hügel ankam und die Bäume des Waldes hoch vor ihr aufragten.

Sie sah auf die Felder und die kleinen und größeren Waldgruppen hinab, die sich bis zum Horizont erstreckten. Das Ganze war atemberaubend schön.

Ihr Blick wanderte unschlüssig zu der alten, maroden Bank, die hier schon seit Ewig stand und blieb an einer bestimmten Stelle an der Rückenlehne hängen.

Ganz eben, fast schon vollkommen verwittert, sah sie das eingravierte C + I.

Isabel hatte es damals selbst dort hineingeritzt. Es war eins von vielen. Jeder ritzte damals etwas hinein. So gab es auch ein völlig verwittertes T + I, dass Till damals hineingeritzt hatten und ein Herz mit nur einem I, dessen Ursprung Isabel nie herausgefunden hatte. Aber das C + I war das einzige von ihr. Alle anderen hatte niemals eine Bedeutung für sie gehabt.

Mit einem Seufzer ließ Isabel sich auf die Bank fallen und richtete ihren Blick wieder auf die Landschaft, wo in der Ferne die großen Dächer der Gebäude zu erkennen waren, die ihre ganze Hoffnung bargen.

Sie war sich nun sicher, seit langem endlich einmal einen richtigen Entschluss gefasst zu haben. Sie wollte von hier als letzte Erinnerung ein neues Leben mitnehmen und vielleicht in fünfzehn Jahren wiederkommen und diesem Kind das Land seiner Entstehung zeigen und ihm ihre Geschichte erzählen. Vielleicht genau an dieser Stelle hier.

Isabel traten vor Rührung Tränen in die Augen und sie lehnte sich zurück und gab sich diesem Gefühlsausbruch hin. Dabei ließ sie wieder die vielen Erinnerungen auf sich einwirken.

Es war so schön, sich hier an all das zu erinnern, dem man die letzten zwanzig Jahren kaum Beachtung geschenkt hatte.

Sie sah sich mit langen, dunklen Zöpfen und kurzer Lederhose durch die Felder streifen, immer ihre Spielkameraden an ihrer Seite. Hier war damals alles ein großer Spielplatz. Es gab keine Begrenzungen und keine Tabuzonen. Das Einzige, was sie damals aufhalten konnte, waren sie selbst.

Sie sah sich auf dem Feld vor dieser Bank stehen und in den dunklen Wald starren. Wie sie waren auch die Jungen neben ihr mit Stöckern und Steinen bewaffnet gewesen. Neben ihr war einer von ihnen niedergekniet und alles hatte in ängstlicher Erwartung verharrt.

„Vorsicht, ein Bär!“

Niemand hatte daran gezweifelt, dass sie die Spuren eines gefährlichen Bären gefunden hatten.

„Wer geht in den Wald hinein, wer traut sich?“

Isabel erinnerte sich noch gut daran, mit wie bangem Herzen sie Fuß vor Fuß gesetzt hatte. Doch sie musste es tun. In der Riege der Jungen musste sie stets als Mutigste, Schnellste und Beste gelten.

Nur langsam war ihr der eine oder andere gefolgt. Doch sie allein hatte den Mut aufgebracht den Wald zu betreten, den Bären zum Kampf herauszufordern, und dann schnell wieder auf den hellen sonnendurchfluteten Acker zu laufen.

Man einigte sich daraufhin, etwas anderes zu spielen. Denn sonst hätten die Jungen ihren Mut beweisen müssen und in solchen Fällen wurden die sich immer besonders schnell über ein neues Spiel einig.

Isabel musste innerlich lachen. Ja, heute weiß sie, dass die vermeintliche Bärentatze die Hufspur eines Pferdes gewesen sein musste. Es gab hier keine Bären.

Wie oft hatte sie später mit ihren Freundinnen hier oben gesessen, als sie die Jungenriege gegen die beiden Mädchen eingetauscht hatte. Sie war in dem Alter, dass Jungen einen anderen Sinn in ihrem Leben hatten, und sie nicht mehr ungezwungen mit ihnen herumtollen konnte. Aber der Erhalt der Freundschaft zu den Mädchen war ihr immer schwergefallen, nachdem sie ihr Leben nur mit den Jungen und ihren derben Spielen verbracht hatte. Aber die Zeit mit ihren männlichen Mitstreitern hatte auch tiefe Wunden gerissen, denn irgendwann war die Bewunderung der Jungen umgeschwenkt. Die Spiele waren nicht mehr so ungezwungen verlaufen, und auch untereinander war immer wieder ein Konkurrenzkampf entbrannt, der Isabel damals oft erschreckt hatte.

Nun muss sie darüber schmunzeln, dass fast jeder dieser Freunde aus der Grundschulzeit in den darauffolgenden Jahren ihr ihre Liebe gestanden hatte.

Gott, was war ihr das immer peinlich gewesen. Sie hatte gar nicht mit diesen oft ziemlich ungestümen Liebesbeteuerungen umgehen können. Außerdem begannen sich damals ihre Gefühle schon auf den viel älteren Cedric auszurichten.

Später, als ihr Leben immer wieder aus dem Ruder gelaufen war, hatte sie oft an ihre Abweisungen den Jungen gegenüber denken müssen. Sie hatte sich oft gefragt, ob ihr damaliges Verhalten schuld daran war, dass sie so viel Pech mit Männern hatte. Vor allem bei Till, Cedrics jüngerem Bruder, hatte ihre Ablehnung tiefe Wunden gerissen. So manches Mal in den vergangenen Jahren glaubte sie fast schon daran, dass es diese gesäte Traurigkeit bei ihm gewesen war, die ihr Leben umklammerte und sich böse rächte.

Das war ein grausamer Gedanke, der ihr auch jetzt ein ungutes Gefühl in die Magengegend trieb, und sie schüttelte unwillig den Kopf.

Hatte sie damals nicht selbst in einem Bann gestanden, der kein anderes Handeln zuließ?

Es war schon seltsam, dass sie nach all den Jahren unerfüllter Beziehungen, vielleicht durch ihr damaliges Handeln ausgelöst, wieder zu dem zurückkehren wollte, der alles verursacht hatte. Nur wegen Cedric hatte sie bei keinem anderen Jungen Gefühle zugelassen und auch später keine Beziehung aufrechterhalten können. Er allein war daran schuld gewesen.

Plötzlich überkam sie die Frage, ob sie wirklich richtig handelte. Doch dann überwog der Gedanke, dass es das Schicksal sein musste, dass ihr diesen Weg schon seit ihrer Kindheit vorschrieb.

Etliche Erinnerungen prasselten weiter auf sie ein, die ihr das zu bestätigen schienen und sie wurde ruhiger.

Isabel wurde bewusst, dass sie an diesen Ort so viele Erinnerungen hatte, dass sie, um ihr Ziel klardenkend angehen zu können, sich nicht zu oft in deren Strudel reißen lassen durfte. Sie musste vergessen, dass sie damals alle verletzt hatte, um bei dem einen zu sein, der sie doch nie wollte.

Du warst damals schon zu dumm, um zu erkennen, wer dich wirklich liebt und zu dir passt.

Mein Gott, was für ein Gedanke, der sich da so unsanft durch ihre Gehirnzellen fraß. Isabel unterdrückte ihn sofort, bevor er eine Lawine lostrat, die all ihre Hoffnungen erbarmungslos unter sich begrub. Meldete sich jetzt etwa ihr Unterbewusstsein, das meinte, sie mache mit Cedric einen Fehler und hätte vielleicht doch diesem M. Zikowski eine Chance geben sollen?

Isabel schüttelte den Kopf und warf ihn in den Nacken. Ihr langes Haar wallte dabei über die Rückenlehne der Bank.

Nein, sie wollte an ihn nicht mehr denken. Das war unfair, unnötig und unpassend, dass es plötzlich jemand in ihrem Leben gab, der sie mochte. Warum passierte das gerade zu einem Zeitpunkt, als sie ihren Weg gefunden zu haben glaubte?

Sie schüttelte energisch den Kopf. Jetzt war sie hier und würde den ihr vorgeschriebenen Weg gehen.

Seufzend sah sie auf das kleine Dorf ihrer Kindheit hinab und ließ sich von den Frühlingsstrahlen wärmen. Isabel sah hinauf in den blaugrauen Himmel. Sie wühlte in ihrem Kopf und fand was sie suchte. Glückliche Stunden! Ihre Kindheit war doch eigentlich schön gewesen. Sie liebte diese Gegend und die Menschen hier. Es gab doch tausend nette Erinnerungen!

Nette Erinnerungen!? Erinnere dich doch mal daran, was hier wirklich alles geschehen war.

Isabel wurde erneut flau im Magen, als ihr eine unliebsame Erinnerung plötzlich ins Gedächtnis stach. Es war wie verhext. Sie versuchte sie wegzudrängen und dennoch ließ sie sich nun nicht mehr abschütteln. Es schien ihr, als wollte plötzlich all das ans Tageslicht kriechen, was sie jahrelang verdrängt hatte.

Sie sah erschrocken auf, als hätte sie Angst, dass der Grund für diese Erinnerung in der Nähe war und sie deshalb daran erinnert wurde. Doch sie war allein und sie versuchte den Gedanken daran weiter zu entkommen.

„Oh Scheiße!“, entfuhr es ihr frustriert, weil sich immer mehr Erinnerungen nach oben kämpften, als würde dieser Ort langsam seine Hölle auftun und ihr sein Innerstes präsentieren.

Schnell sah sie sich um, ob nicht doch ein Störenfried sich ihr näherte und ihre Kraftausdrücke belauschte. Doch sie war hier oben völlig allein. Allein mit sich und den aufkeimenden Erinnerungen, die sie fest in eine Abteilung verschlossen hatte, in der Erinnerungen gebunkert wurden, die sich nicht streichen ließen, aber auch nie wieder an die Oberfläche geschwemmt werden sollten. Doch da waren sie nun und verschafften sich mit aller Macht Gehör.

Isabel war damals noch sehr jung, vielleicht zwölf, höchstens dreizehn. Es war Hochsommer und kurz vor der Erntezeit gewesen. Auf dem Nachbargut ging es hektisch zu und damit Cedric nicht alles allein meistern musste, hatten sie einen erfahrenen Erntehelfer engagiert.

Isabel war zu der Zeit auch oft dort, weil sie sich um den jungen Hund kümmerte, den Cedric an einer kurzen Kette hielt. Und er ließ sie mit dem Hund spielen, solange sie ihn nicht losband.

Dieser Erntehelfer, ihr fiel plötzlich auch sein Name wieder ein … dieser Jonas sprach sie immer wieder an, und ihm konnte sie ihr Leid klagen, dass sie wegen dem armen Hund immer wieder überfallen hatte. Sie unterhielt sich gerne mit ihm, weil er ihr seine Aufmerksamkeit schenkte und sie verstand. Und Isabel erfüllte es mit Stolz, dass ein fast dreißigjähriger Mann gerne mit ihr die Zeit verbrachte. Er war sehr nett und schaffte es, ihr Dinge zu entlocken, die sonst nur ihre Freundinnen von ihr erfuhren. Er war zu ihr wie der große Bruder, den sie sich immer gewünscht hatte. Sie vertraute ihm völlig und er gab ihr das Gefühl, schon erwachsen und interessant zu sein. Außerdem wäre ihr nie in den Sinn gekommen, dass ein Mann dieses Alters etwas Niederträchtiges vorhaben könnte. So erzählte sie ihm auch, dass sie sich nachts oft aus dem Haus schlich, wenn ihre Eltern schliefen, um spazieren zu gehen.

Eigentlich trieb es sie nachts nur hinaus, weil sie von dem nächtlichen Treiben um sie herum fasziniert war. Und vor allem Cedrics nächtliches Treiben hatte sie neugierig gemacht. Damals war er ein friedloser Geist, den sie oft im Dunkeln über das Gut geistern gesehen hatte. Sie glaubte damals zu fühlen, wie einsam und ruhelos er war und sie glaubte das gleiche zu fühlen, wie er. Wahrscheinlich begann sie sich da schon in ihn zu verlieben. Zumindest glaubte sie eine Traurigkeit und Zerrissenheit an ihm zu spüren, die ihr naheging.

Isabel war sich nicht mehr sicher, wie alles gekommen war. Auf jeden Fall überredete dieser Jonas sie, sich eines nachts mit ihm zu treffen, um sich Sternenkonstellationen anzusehen. Das war ein Thema, dass sie gemeinsam interessierte.

Sie hatte sich daraufhin eines nachts aus dem Haus geschlichen und war mit ihm im Mondschein hier heraufgelaufen. Er war die ganze Zeit nett gewesen, bis er sie auf der Bank küssen wollte. Erst war sie mehr überrascht als ängstlich gewesen. Doch die Angst folgte auf dem Fuße, als er seine Hände unter ihren Pullover schob und sie überall berühren wollte.

Sie bat ihn, sie nach Hause gehen zu lassen. Doch er zog sie damit auf, dass sie Angst hätte, und er lachte sie aus.

Das war nichts, womit Isabel umgehen konnte. Sie hasste es, wenn jemand sie für ängstlich hielt, und das brachte sie oft dazu, Dinge zu tun, die sie sonst gelassen hätte. Darum blieb sie.

Daraufhin hatte Jonas sie auf seinen Schoß gezogen und erneut zu küssen versucht.

Sie wusste, dass sie schlechte Karten hatte, wenn sie ihn nicht stoppen konnte. Darum rief sie: „Du bist zwar größer und älter … ich aber schneller als du.“

Lachend, als wäre das alles ein großer Spaß, hatte sie sich aus seinem Griff gewunden und war losgelaufen. Doch er versuchte sie wieder einzufangen, was sie nur verhindern konnte, indem sie sich in ein Maisfeld flüchtete.

Er folgte ihr und rief sie immer wieder. Dabei tat er so, als wäre doch alles nur ein Missverständnis und er würde ihr nichts tun. Er stellte es so hin, als wäre er tief betroffen, dass sie etwas Schlechtes denken könnte. Das hatte sie verunsichert und ihr schlechtes Gewissen geschürt. Deshalb hatte sie beim Tor zum Gut auf ihn gewartet. Sie war überzeugt gewesen, dass damit keine Gefahr mehr für sie bestand.

Sie gingen zusammen auf das Gut zurück und Isabel war sich sicher, dass Jonas sie nicht noch einmal anfassen würde.

Doch als sie am Dielentor ankamen, an dem der junge Hund schon vor Freude verrücktspielte, griff er erneut nach ihr, drängte sie an die Mauer und rieb seinen Körper an ihrem. Er war so viel größer und stärker als sie und nahm ihr jede Möglichkeit der Gegenwehr. Seine Hände hatten sich über ihren Körper geschoben und sein lautes Keuchen sich unlöschbar in ihre Erinnerung gefressen.

Er hatte sie, nachdem er mit nasser Hose von ihr abgerückt war und etwas davon gestammelt hatte, wie schön sie sei und wie sehr er sie mochte, gehen gelassen und sie war vollkommen durcheinander in ihr Zimmer zurückgekehrt. Es war ihr alles so unglaublich schäbig und schlimm vorgekommen und sie hatte sich schrecklich geschämt. Das hatte sie lange Zeit vom Gut ferngehalten, obwohl dieser Jonas schon wenige Tage nach diesem Vorfall entlassen worden war. Wie sie später erfuhr, hatte er sich mit Cedric angelegt und war von ihm hinausgeworfen worden.

Sie verdrängte diese unliebsame Erinnerung, die sie bis zu diesem Tag erfolgreich in ihren inneren Tiefen versenkt gehalten hatte. Eine unliebsame Erinnerung, wie viele andere auch. Nun wollen sie wieder in ihren Verstand dringen, als wollen sie sie ermahnen.

Energisch stand Isabel auf. Sie wollte nicht mehr in der Vergangenheit leben, sondern nur noch in der Zukunft. Sie wollte sich an die schönen Eindrücke und glücklichen Tage erinnern, um mit dem richtigen Gefühl im Herzen Cedric begegnen zu können. Daher schlug sie den Weg über die Feldwege ein, bis sie wieder hinunter ins Dorf kam. Sie wollte erst einmal das Zimmer in Beschlag nehmen, zu Mittag essen und dann weitersehen. Außerdem musste sie sich überlegen, wie sie Cedric das erste Mal treffen konnte.

Bei dem Gedanken wurde ihr wieder flau im Magen. Doch sie wollte keine schlechten Gedanken mehr zulassen. Sie hatte nur diese sechs Wochen und würde sie nutzen müssen.

Das Essen in der kleinen Gaststätte war gut. Aber sie speiste ganz allein. Es gab keinen anderen Gast.

Die füllige Wirtin mit den locker aufgesteckten blonden Haaren und dem runden Gesicht, in dem kleine blaue Augen fast versanken, hatte ihr das Essen serviert. Dabei hatte sie etwas aufgedreht wegen dieses einen Zimmergastes gewirkt. Aber sie war auch ausgesprochen nett und hilfsbereit und erzählte Isabel, was hier angeblich immer so los sei.

Isabel hatte nur höflich bei den Ausführungen genickt, die von der Frau gestenreich vorgetragen worden waren, wohl um zu verheimlichen, dass hier rein gar nichts los war. Außer dem Maitanz, der in drei Wochen stattfinden würde, standen keine größeren Veranstaltungen in Isabels Urlaubswochen an.

Aber die gute Frau wusste schließlich nicht, weshalb Isabel wirklich hier war. Es ging ihr nicht um Partys und zu feiernde Feste, sondern um die Eroberung eines Mannes. Eines bestimmten Mannes. Und der war früher schon kein Partylöwe gewesen. Deshalb hatte Isabel bei der Wirtin nachgefragt, ob auch Einheimische in ihrer Gaststätte verkehrten.

Sofort war das Lächeln im Gesicht der rundlichen Frau einem betretenen Blick gewichen. „Ja, ein paar Männer kommen abends auf ein Bierchen her. Aber die werden sie bestimmt nicht stören, auch wenn es hier manchmal etwas laut wird. Ich habe ihnen ein ruhiges Zimmer gegeben.“ Händeringend hatte die Wirtin hinzugefügt: „Wissen Sie, hier draußen ist man auf diese Leute angewiesen.“

Isabel hatte nur abgewunken und beteuert, dass sie das nicht im Geringsten störe. Das schien die Wirtin zu beruhigen.

Nach dem Essen ging Isabel in ihr Zimmer hinauf und setzte sich an das Fenster. Ihr Zimmer lag zu Straßenseite, wie alle Fremdenzimmer, und sie saß lange auf dem grün bezogenen Stuhl und sah auf die wenig befahrene Hauptstraße hinunter. Dabei überlegte sie, was sie nun tun soll. Ihr machten seit ihrem Spaziergang leichte Kopfschmerzen und ein Kratzen im Hals zu schaffen und sie konnte nur hoffen, dass sie sich nicht bei ihren Nichten angesteckt hatte.

Ihr kam in den Sinn, dass sie ihrer Chefin gegenüber eine aufkommende Erkältung als Erklärung für ihre vorgezogenen Urlaubstage genannt hatte. Vielleicht war dies die Revenge für ihre Lüge. Sie war schon immer etwas abergläubisch gewesen und musste auch immer wieder feststellen, dass sie schnell Gedanken in diese Richtung heimsuchten, die oftmals nicht unbegründet waren.

Dass sie nun aber wirklich krank werden könnte, machte sie schrecklich nervös. Das konnte sie gar nicht gebrauchen. Vor allen so weit weg von ihrer Wohnung, die sie langsam schon zu vermissen begann.

Wie so oft in den letzten Tagen drängte sich der Mann in ihre Gedanken, der sie nun nicht mehr in ihrer Wohnung antreffen würde und dessen Bitte um ein Rendezvous sie nur mit einem Brief beantwortet hatte.

Wie er wohl auf ihre Abfuhr reagiert hatte? Wenn er nur so ein Halodri war, dann wird er sie schnell wieder vergessen. Aber wenn er es wirklich ernst meint?

Ist doch Quatsch! Vergiss den ganz schnell und sieh zu, dass du die Sache hier gebacken kriegst, damit wir wieder nach Hause können.

Offenbar war da noch mehr in ihr der Meinung, schnell wieder nach Hause zu wollen.

„Am besten lege ich mich eine Stunde hin“, sagte Isabel zu sich selbst und erschrak über ihre laute Stimme. Hoffentlich hallte nicht alles so laut in diesem Haus wider.

Sie zog sich die Schuhe und die Jeans aus und legte sich in das frisch duftende Bett. Das Buch, das sie beim Auspacken gleich auf dem kleinen Nachtschrank deponiert hatte, sollte sie von zu viel unliebsamen Gedanken abhalten.

Sie nahm es erschöpft zur Hand und las ein paar Seiten, bis sie es zur Seite legte und sich müde und ausgelaugt ein wenig Schlaf gönnte.

Es war später Nachmittag, als Isabel benommen aufstand. Der Stress der letzten Wochen und die Anspannung wegen ihres Vorhabens schienen nun ihren Tribut zu fordern. Isabel sah erschrocken, dass es schon halb sechs am Abend war.

Sie beruhigte sich damit, dass sie eigentlich alle Zeit der Welt hatte. Bei sechs Wochen musste sie nicht gleich am ersten Tag in Panik ausbrechen, weil sie sich einmal richtig ausschlief.

Sie stieg in die enge Dusche und ließ lange das heiße Wasser über ihren Körper laufen. In ihrem Hals fühlte sich mittlerweile alles wund an und die Kopfschmerzen kehrten wieder. So leicht wollte sich die Erkältung wohl nicht wegschlafen lassen. Isabel fühlte sich immer noch wie benebelt und schlapp.

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