Kitabı oku: «Ein verhängnisvoller Wunsch», sayfa 7

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Eine Stunde später ging sie hinunter und suchte sich einen Tisch in einer dunklen Nische. Sie zündete sich mit einem Feuerzeug, dass sie in einem gläsernen Aschenbecher fand, die Kerze an und wartete.

Es waren tatsächlich zwei Tische mit Gästen von Außerhalb besetzt, die hier essen wollten.

Isabel konnte von ihrem Platz aus zwar gut zur Theke und zu deren Tischen hinübersehen, aber der Rest der gastlichen Stube blieb vor ihr verborgen. Aber sie hoffte, dass die Einheimischen sich eher an die Theke setzten oder an den großen Stammtisch neben der Theke und sie somit alle sehen konnte.

Bei der freundlich lächelnden Wirtin bestellte sie sich ein Glas Rotwein und eine Käseplatte. Den Wein brachte der Wirt ihr sofort, die Käseplatte mit selbstgebackenem Brot zehn Minuten später.

Die ersten Thekengäste kamen herein. Ein junges Pärchen und ein alter Mann, der sich weit weg von den beiden auf einen einsamen Hocker setzte. Alle bestellten sich ein Bier und der Wirt hielt ein Schwätzchen mit ihnen, als wären sie ihm gut bekannt.

Isabel aß ihr Brot und beobachtet das Geschehen um sich herum.

Das Mädchen an der Theke trank nicht so schnell wie ihr Begleiter und so bestellte er sich in der Zeit, in der sie ein Bier trank, zwei.

Die dicke Wirtin trat an Isabels Tisch und fragte lächelnd, ob das Essen für sie so in Ordnung war, während sie nach dem leeren Teller und dem Holzbrett griff.

Isabel bedankte sich und lobte das leckere Brot. Dabei schenkte sie der dicklichen Frau ein Lächeln. Sie wollte sich mit ihr gutstellen. Schließlich würde sie sechs Wochen bei ihnen verbringen. Dann bestellte sie sich ein zweites Glas Wein, dass ihr wenig später der Wirt an den Tisch brachte.

„Möchten Sie vielleicht einige Zeitschriften durchblättern?“, fragte er, als wäre seine oberste Priorität, ihr ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.

Isabel überlegte kurz und nickte, woraufhin der Wirt ihr einige Zeitschriften brachte.

Es fühlte sich für Isabel komisch an, hier herumzusitzen und nichts weiter tun zu können, als in den Zeitschriften zu schmökern. Aber sie konnte auf diese Weise und ohne aufzufallen den Gastraum im Auge behalten.

Im Laufe der nächsten zwei Stunden kamen noch einige Gäste zum Essen und auch die Theke füllt sich mit vorwiegend Männern. Doch Isabel konnte kein bekanntes Gesicht ausmachen. Um zehn Uhr ging sie in ihr Zimmer hinauf und legte sich wieder ins Bett. Sie fühlte sich immer noch nicht besser und haderte etwas mit ihrem Schicksal, ausgerechnet jetzt krank zu werden. Eigentlich war sie nie krank oder konnte bisher das Übel mit Medikamenten eindämmen. Aber sie hatte keine Medikamente mitgenommen und im Ort gab es keine Apotheke.

Ein Zittern ging durch ihren Körper und Isabel fror unter der sich nur langsam erwärmenden Decke. Zuhause hätte sie sich einfach ein Körnerkissen mit ins Bett genommen.

Sie musste auf den Schlaf warten, der sie von allem Übel befreien sollte und auch von den schon wieder sie überfallenden Gedanken, die ihr plötzlich eintrichterten, dass sechs Wochen niemals ausreichen werden.

Aber sie müssen ausreichen. Sie musste ihr Vorhaben in die Tat umsetzen, sonst war alles umsonst. Zumindest fühlte es sich so an, als wäre das ihre letzte Chance, ihr Leben in die richtige Richtung zu lenken.

Isabel wachte mitten in der Nacht mit grässlichen Halsschmerzen auf. Sie stieg aus dem Bett und ging ins Badezimmer. Aus dem Wasserhahn trank sie einige Schlucke eiskaltes Wasser, doch die Halsschmerzen ließen nicht nach.

Sie kletterte wieder in ihr Bett und rollte sich unter der Decke zitternd zusammen. Ehe sie noch recht über ihre Lage nachdenken konnte, zog sie der Schlaf wieder in seine Welt.

Am nächsten Morgen fühlte sie sich immer noch nicht besser. Der Hals schmerzte immer noch und ihre Bronchien rasselten wie eine wütende Klapperschlange.

Isabel überlegte, ob sie besser einen Arzt aufsuchen sollte. Doch sonntags war das nicht so leicht, und der Wirtin wollte sie nichts sagen. Es war ihr peinlich, hierherzukommen und völlig krank durchzuhängen. Darum beschloss sie, erst ein - zwei Tage abzuwarten, bevor sie jemandem von ihrem Zustand erzählte. Die Zeit musste sie sich einfach gönnen und alles würde wahrscheinlich im Null Komma Nichts vergessen sein.

Du hast doch Urlaub. Bleib einfach einmal einen Tag im Bett und gönn dir etwas Ruhe. Es ist doch erst Tag Zwei!

Sie hatte nun mal ein gestörtes Verhältnis zum Nichtstun, zum Urlaub machen und zum Krank sein sogar dreimal. Aber nun hatte sie gottseidank sechs Wochen vor sich. Das war eine sehr lange Zeit und deswegen durfte sie wegen ein paar verlorenen Tagen keine Panik schieben.

Sie zog sich die Decke über das Kinn und schloss die Augen. Sie musste erst wieder bei Kräften sein, sonst brachte das hier alles nichts. Schließlich hatte sie sich ein Ziel gesetzt, dass sie in den nächsten Wochen erreichen wollte … erreichen musste!

Jetzt, wo sie krank war, schien auch ihre Psyche zu spinnen. Sie sagte ihr, dass Isabel es nicht schaffen konnte, sogar nie eine Chance hatte, es zu schaffen, und das ließ sie unruhig und innerlich rastlos werden. Alles in ihr vibrierte aufgebracht und Isabel konnte sich nur damit beruhigen, dass sie sich immer wieder vor Augen hielt, dass ihre sechs Wochen doch gerade erst angefangen hatten. Sie musste versuchen, ruhig zu bleiben. Aber das war schwerer getan als gesagt.

Isabels Grippe dauerte nun schon ganze drei Tage an, in denen sie fast nur das Bett hüten konnte.

Am Montag war die mollige Wirtin Marianne zu ihr nach oben gekommen und hatte an ihre Tür geklopft, als sie nicht zum Frühstücken und Mittagessen erschienen war. Als Isabel nur ein klägliches „Herein!“ zustande gebracht hatte, war die Wirtin regelrecht ins Zimmer gestürmt und hatte aufgeregt gerufen: „Kindchen! Was ist denn mit Ihnen? Geht es Ihnen nicht gut?“

Isabel hatte ihr mit dünner Stimme erklärt, dass sie eine Erkältung habe, was in Marianne offenbar sämtliche Muttergefühle freigekratzt hatte. Aber sie stellte sich auch als gute Krankenpflegerin heraus und umsorgte sie wirklich gut. Für Isabel war sie die Rettung in der Not.

Nun stob sie, wie immer breit lächelnd, erneut in Isabels Zimmer.

„Hier Isabel, ich habe dir eine heiße Brühe gemacht.“

Wie zu jeder Mahlzeit kam sie mit leichter Kost und sorgte dafür, dass sie auch gegessen wurde. Außerdem waren sie mittlerweile zum Du übergegangen.

„Mir geht es heute schon etwas besser“, beruhigte Isabel sie. „Ich glaube, ich kann heute schon etwas aufstehen.“

„Nein, nein. Das lass mal schön bleiben. Morgen kannst du von mir aus gerne einmal ums Haus gehen. Aber heute bleibst du noch im Bett.“

Marianne lächelte ihr gutmütiges Lächeln, schob die volle Teekanne und die Tasse auf dem Nachttischchen zurecht und nahm die leere Suppentasse wieder mit.

Isabel legte sich zurück und nahm ihr Buch zur Hand. Doch die Unruhe in ihr ließ sie keinen Satz zusammenhängend verstehen. Immer wieder musste sie daran denken, dass von ihrer kostbaren Zeit schon eine halbe Woche vertan war. Sie packte erneut die Angst, dass die Zeit nicht ausreichen könnte. Sie musste morgen wenigstens einen Spaziergang wagen, sonst wurde sie hier noch verrückt. Dazu kam, dass sie viele seltsame Träume, wohl vom Fieber ausgelöst, tief verunsicherten. Und der von letzter Nacht machte sie besonders betroffen.

Sie hatte darin Cedric oben am Wald bei der alten Bank getroffen. Er war zielstrebig auf sie zugehinkt, hatte einen dicken Bauch und kaum noch Haare auf dem Kopf. Aber sie wusste dennoch sofort, dass er es war.

Ohne ein nettes Hallo oder sonst was hatte er nach ihr gegriffen und sie an sich gezogen. Seine Finger hatten sich in ihre Harre verfangen und ihren Kopf in den Nacken gezogen. Dann hatte er sie brutal geküsst.

Sie war in diesem Traum entsetzt zurückgewichen und in ein Maisfeld geflüchtet. Doch wohin sie sich auch wandte, er war immer wieder vor ihr und schrie wütend: „Das ist mein Labyrinth und ich kenne mich hier aus. Du nicht! Wenn ich es nicht will, findest du hier nie mehr heraus.“

Sie war ängstlich vor ihm geflüchtet. Doch sein lauter Atem war ständig hinter ihr zu hören gewesen. Als das alte Eisentor seines Guts sie stoppte, wusste sie, dass ihr etwas passieren würde. Als etwas nach ihr griff, war sie schreiend aufgewacht.

Mit diesem Aufschrei und durch ihr ängstlich pochendes Herz alarmiert, hatte sie die Augen aufgerissen und festgestellt, dass alles nur ein Traum gewesen war.

Nein, so würde das mit Cedric nicht sein. Sie wollte ihn so sehen, wie er in ihren anderen Träumen war, und das Gefühl erfahren, dass er dort immer wieder in ihr entfacht hatte. Er würde liebevoll zu ihr sein und ihr eine wundervolle Nacht schenken … und ein Baby!

Doch der Traum sagte etwas anderes und das weckte etwas in ihr, das sie verdrängen wollte … verdrängen musste.

Sie hatte doch von ihm immer nur als liebevollen Mann geträumt, der sie in seine Arme gezogen und ihr das Gefühl von Liebe und Geborgenheit gegeben hatte. Das hatte sie dann immer völlig gefangen genommen und sie hatte keinen anderen Gedanken an ihn zugelassen, der dieses Gefühl gemindert oder in Frage gestellt hätte.

Nun begann aber etwas in ihr aufzubrechen, dass ihren Traumcedric in ein anderes Licht gerückt sehen wollte. Bedenken begannen ihren Kopf zu dominieren. Vielleicht hatte sie immer nur glücklich gemacht, dass sie Cedric in diesen Träumen in ein Licht gerückt sah, in dem sie ihn sehen wollte?

Ihr erschien ihr letzter Traum plötzlich immer mehr wie eine Warnung und sie hatte das erschreckende Gefühl, dass er sie an etwas erinnern wollte. Etwas, was sie nicht länger in sich verschlossen halten durfte, weil es gefährlich war.

Aber Isabel wollte davon nichts wissen. Dennoch schien seit diesen Fieberträumen etwas anders zu sein, und sie konnte nicht umhin, sich dem zu stellen. Zumal sie immer noch ans Bett gefesselt Zeit hatte, sich den aufkommenden Erinnerungen hinzugeben, die sie hier, in ihrer alten Heimat, schon die ganze Zeit erbarmungslos überfallen wollen. In ihr quoll ein Gefühl hoch, dass das, was sie in ihrer Kindheit mit Cedric verbunden hatte, nicht nur Liebe gewesen war.

Sich entsetzt unter ihre Decke verkriechend, konnte sie den hochdrängenden Bildern nicht entfliehen. Sie sah sich als kleines Mädchen zitternd Cedric anstarren, weil er wieder etwas Schreckliches tat. Meistens traf es Till. Der hatte oft unter Cedrics Wutanfällen zu leiden.

Nur gegen Stefanie, die ältere Schwester, hatte Isabel Cedric nie seine Wut rauskehren gesehen.

Sie war ein eigenbrötlerisches Mädchen, die damals eine höhere Schule in der Stadt besucht hatte. Sie war zwei Jahre älter als Cedric und interessierte sich für das kleine Nachbarsmädchen Isabel keinen Deut. Das änderte sich erst sehr viel später, als Isabel schon fünfzehn war. Da gab es eine kurze Zeit, in der Stefanie permanent zuhause war und Isabel nicht ignorierte, wenn die hinter Cedric herschlich, um etwas seiner Nähe zu erhaschen.

Isabel fragte sich plötzlich, ob Cedric sein Leben auf dem Gut auch gewählt hätte, wenn er eine andere Chance bekommen hätte. Aber er hatte nach dem frühen Tod des Vaters keine Wahlmöglichkeit gehabt.

Vielleicht hatte Till deshalb immer schrecklich unter ihm zu leiden gehabt. Cedric muss klar gewesen sein, dass Till alles offenstand, wenn er älter war und dass er das bekam, was Cedric nicht mal im Traum fordern konnte. Er musste auf dem Gut arbeiten, durfte keine höhere Schule besuchen, wie Stefanie und Till und war jeglicher Freiheiten beraubt.

Damals brodelte beständig die Gerüchteküche. Auch Isabels Eltern sprachen oft von Cedric … und das eher abwertend.

Isabel hasste es, dass keiner sah, was er leistete und wie er sich tagtäglich abmühte. Aber mit dem Gefühl für Cedric und ihrem Kampf, ihn in ein anderes Licht zu rücken, traf sie seine Zurückhaltung und Ablehnung umso stärker. Und sie wollte seine Aufmerksamkeit.

Wahrscheinlich hatte sie sich zu der Zeit, als so viele ihn für verrückt und unerträglich hielten, richtig in ihn verliebt. Aber er ging stets einen Schritt zurück, wenn sie einen auf ihn zu tat. Und wenn sie ihm Zuneigung zeigte, bedachte er sie mit herablassender Missachtung oder jagte sie nach Hause.

Seit Isabel wieder hier war und ihre Vergangenheit sich langsam wie ein Buch öffnete, drangen viele der alten, verdrängten Gefühle nach oben. Und sie waren verworren und entwirrten sich nur langsam. Im Moment schob sich die seltsame Unruhe und Angst in ihr hoch, die er so manches Mal in ihr ausgelöst hatte, wenn er in ihrer Nähe war. Das war wohl durch den Traum ausgelöst worden, in dem Cedric sie durch sein Maisfeld gejagt hatte.

Schnell schloss sie die Augen und verdrängte diesen Gedanken und das ungute Gefühl. Sie war damals so jung und verstand nicht, wie sie mit Cedric, Till, und dem, was damals alles passiert war, klarkommen sollte. Sie wollte so viel und schaffte doch nichts davon.

Es konnte nur ihre kindliche Haltung gewesen sein, und ihre naive Vorstellung von allem, die ihr im Weg gestanden hatte. Und natürlich Tills Liebe zu ihr, die er ihr immer wieder vor die Füße gekippt hatte und von der Cedric bestimmt wusste. Till war so sehr davon überzeugt, dass Isabel zu ihm gehört, wie sie überzeugt war, zu Cedric zu gehören. Aber der konnte sich nicht auch noch um eine dumme Göre kümmern, die ihn kindisch anhimmelte und ihm bestimmt eher Stress machte, als ihm zu helfen.

Nun war sie eine erwachsene Frau, die wusste, was sie wollte.

Sie wollte ihn umgarnen, ins Bett zerren und schwanger von ihm werden, um dann wieder aus seinem Leben zu verschwinden. Sie wollte nur ein wenig Gefühl für ihre Erinnerungen und sie wollte sie wie in ihren Träumen. Mehr nicht. Dann konnte sie gehen und hatte alles, was sie glaubte, haben zu müssen, um ihr Leben weiter meistern zu können. Und dann konnte sie mit ihrer Vergangenheit für immer abzuschließen. Da war sie sich sicher. Also gab es für sie kein zurück.

Seit zwei Tagen lief Isabel unschlüssig im Ort herum oder machte Spaziergänge durch die Felder und die angrenzenden Waldstücke. Sie wollte wenigstens ein wenig so tun, als wäre sie eine normale Touristin.

Ihre Erkältung war weitgehendst überstanden und sie fühlte sich wieder einigermaßen fit. Doch die Zeit schien ihr davonzulaufen und sie hatte Cedrik noch nicht einmal gesehen. Sie war schon zwei Mal an seinem Grundstück vorbeigeschlendert und hatte vergeblich nach ihm Ausschau gehalten. Sie hoffte, wenn sie ihn sah, würden sich die unguten Gefühle in ihre Schranken weisen lassen, die sie immer wieder überfielen. Und ohne ihn wenigstens einmal gesehen zu haben, konnte sie nicht gehen. Das ging einfach nicht.

Sie hatte seinen Trecker laufen gehört, seine Schweine quieken, seine Kühe muhen, seine Hühner gackern und seinen Hund bellen. Doch von ihm sah sie nichts. Sie hatte auch schon mit dem Gedanken gespielt, einfach zu ihm zu gehen und seine Mutter zu besuchen. Schließlich war sie früher bei ihnen ein- und ausgegangen und Frau Schneider war für sie fast wie eine zweite Mutter gewesen.

Doch sie scheute vor diesem Schritt zurück. Sie wollte Cedric lieber erst außerhalb seines Herrschaftsbereichs begegnen, um sich langsam mit seinem nun zwanzig Jahre älteren Aussehen und Auftreten anzufreunden. Nur nichts überstürzen!

Du hast ja Angst! Glaub mir, dass ist auch gut so.

Ihr Gewissen war wie immer gnadenlos und unverkennbar nicht mehr auf ihrer Seite, seit sie die Fieberträume heimgesucht hatten.

Geh doch einfach wieder und vergiss das Ganze. Er ist wahrscheinlich sowieso nicht so, wie du denkst. Bestimmt magst du diesen alten, runzligen, fetten Cedric gar nicht.

Isabel musste sich eingestehen, dass der Traum und ihre Erinnerungen sie tief erschüttert hatten und die Zweifel an ihrem Unternehmen geschürt waren. Zweifel, die sie bisher erfolgreich bekämpft hatte. Und es gab sie. Immer schon. Sie hatte sie nur nie zugelassen, wenn sie über Cedrics Verhalten, über seine Zuneigung ihr gegenüber, sowie seine sanfte Art in ihren Träumen eigentlich erstaunt gewesen war.

Dazu kam, dass sie wirklich nicht wusste, ob der Cedric von heute ihr überhaupt gefiel.

Aber sie wollte nicht gehen, bevor sie ihr Hiersein zumindest dafür nutzen konnte, für sich etwas herauszufinden. Cedric beherrschte immer noch ihre Träume und sie wollte den wirklichen Cedric unbedingt treffen. Aber der Gedanke, dass ihr Traum von diesem gemeinsamen Kind damit eventuell starb und vielleicht damit sogar der Kinderwunsch allgemein für sie, erschien ihr auch keine Option zu sein. Sie wollte dieses Kind. Dieser Wunsch hatte sich seit seinem Entstehen in ihr festgesetzt und sie wollte ihn immer noch umsetzen.

Nun war schon wieder Samstag und Isabel saß beim Abendbrot in ihrer Nische im Schankraum.

Marianne hatte sich erst einige Zeit zu ihr gesellt und mit ihr etwas geplaudert. Nun war sie in ihre Küche zurückgekehrt, um den neu angekommenen Gästen ihr bestelltes Essen zu kochen.

Bernd, ihr Mann, polierte hinter der Theke die Gläser und stellte sie in das Regal.

Isabel aß ihr Abendessen und trank dazu ihren Rotwein. Dazu blätterte sie in einer Zeitschrift. Nie hatte sie geahnt, dass Zeitschriften tatsächlich interessant sein könnten. Sie selbst hatte sich nie welche gekauft, weil sie doch nie die Zeit hatte, sie zu lesen. Außerdem bevorzugte sie bisher immer ein gutes Buch.

Gerade, als sie den letzten Bissen Schnitzel in den Mund schob, warf sie einen Blick zur Theke. Sie erstarrte in ihrer Haltung und ihr Herz setzte für einen Augenblick aus. Die Zeitschrift rutschte vom Tisch zu Boden.

Bernd reicht seinem neu angekommenen Gast gerade ein Bier und Isabel sah wie dunkle, wellige Haare in den Nacken fielen, als der Mann an der Theke das Glas ansetzte und es in einem Zug leerte.

Bernd kannte das wohl und stellte sofort ein neues hin, bevor er um die Theke herum zu einem mit einem Pärchen besetzten Tisch ging, um ihnen ihre Getränke zu bringen.

Isabel starrte den Mann an der Theke an und konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ihre Hand schmerzte und sie legte die Gabel auf den Teller zurück. Ihr ganzer Körper schien sich verkrampft zu haben und Isabel rutschte auf dem Stuhl herum, um die Verkrampfung zu lösen. Dabei starrte sie auf die breiten Schultern in dem grauen Pullover, auf dessen Kragen seine etwas zu langen braunen Haare fielen.

Was sollte sie nun tun? Sie musste diesen Mann von vorne sehen. Unbedingt!

Doch dieser Gedanke löste plötzlich Panik in ihr aus und ein anderes Gefühl peitschte in ihr hoch.

Lauf weg …!

Verdammt, was sollte das jetzt? Wenn das wirklich Cedric war, dann war das ihre Chance!

Ihre innerliche Anspannung verstärkte sich bei dem Gedanken, sich ihm zu nähern.

Das muss schließlich nicht heute sein. Du kannst besser ein anderes Mal …

Das aufpeitschende Unbehagen ließ Isabel zum Glas greifen und einen großen Schluck trinken. Aber auch das half nicht. Sie sah sich außer Stande, aufzustehen und an die Theke zu gehen. In ihrem Kopf rotierte immer noch eine Ausrede nach der anderen.

Das war doch echt zu albern! Sie musste doch nur an die Theke gehen und Bernd bitten, ihr das leere Rotweinglas zu füllen. Dabei konnte sie dann einen Blick in das Gesicht des Mannes werfen, der mittlerweile auch sein zweites Glas Bier schon fast geleert hatte.

Ihr Herz klopfte bei dem Gedanken, diesen Plan umzusetzen, wild in ihrer Brust und vor Aufregung kämpfte ihr Magen mit Mühe gegen das trotzige Schnitzel an. Sie spürte vor Aufregung immer mehr die Übelkeit aufsteigen.

Sich durch das Gesicht streichend, sah sie einen Moment auf die Kerze, die auf ihrem Tisch brannte. Dann lief ihr Blick wieder zur Theke und sie raffte allen Mut zusammen. Sie musste doch nur einmal zur Theke gehen und etwas nachfragen. Dann konnte sie sofort wieder gehen.

„Aber was?“ Isabel fühlte sich wie damals, als sie mit fünfzehn auch nicht wusste, wie sie Cedric begegnen sollte, aber alles sie in seine Nähe zog.

Nein, sie wollte ihn erst etwas beobachten, ihn belauschen und jeden Millimeter seines Körpers mit den Augen erforschen. Sie wollte ihn erst kennen, bevor sie sich ihm zeigte. Vielleicht ging er ihr sofort wieder aus dem Weg, wenn er erst erkannte, wer sie war.

Genau! Gut, dass dir wieder einfällt, dass er dir immer irgendwie aus dem Weg gegangen ist. Du hast das schließlich lange genug verdrängt.

Verdammt! Das wusste sie selbst. Sie hatte damals geglaubt, dass er nur schüchtern sei. Sie hatte nie verstanden, warum er sie nicht behandelte, wie andere es doch auch taten. Sie wollte damals seine Zuneigung, doch er war immer nur erschreckend zurückhaltend gewesen. Bis auf die wenigen Ausnahmen, die sie dann geradewegs in den Himmel … oder in die Hölle schickten, wenn nichts so war, wie sie es sich gewünscht hatte. Aber egal was er damals auch tat, sie fühlte sich zu ihm hingezogen. Auch jetzt, wo sie auf diese dunklen Haare starrte, schlug ihr Herz bis in den Hals. Aber sie musste das Ganze geschickt einfädeln. Sie war kein Kind mehr und wollte diesmal ein bestimmtes Ziel erreichen. Dazu musste sie sich aber auch geschickter anstellen, als sie das üblicherweise tat.

Geschickt! Das ich nicht lache. Deine Hände zittern wie Espenlaub und kein klarer Gedanke hält sich länger als eine zehntel Sekunde.

Isabel fiel ihr letzter Traum ein und sie verwarf ihn schnell wieder. Sie musste sich mit aller Macht Mut machen. Sie hatte nur noch fünf Wochen, um ihn dazu zu bringen, sie mit in sein Bett zu nehmen und dieses Kind zu zeugen.

Schon der bloße Gedanke daran, dass sie das wirklich in die Tat umsetzen wollte und sich damit ihre Träume erfüllen sollten, machten sie ganz schwindelig.

Cedric hätte dich damals schon haben können und wollte dich nicht. Warum sollte er sich jetzt wie ein Tier auf dich stürzen? Du bist nicht mehr taufrisch und auch nicht immer gut zu ertragen.

Oh Mann! Warum machte sie sich schon bei dem bloßen Gedanken in die Hose, ihn überhaupt erst mal ganz unverbindlich zu begrüßen? Er wusste schließlich nicht, warum sie hier war. Und er konnte ihr nichts antun, weil sie kein kleines Mädchen mehr war.

Ihr nichts mehr antun?

Sie versuchte mit aller Macht sich gegen das Gefühl zu sperren, dass Cedric nie so war, wie in ihren Träumen. Während sie sich ihm in ihren Tagträumen völlig verliebt und zärtlich hingegeben hatte, waren ihre reellen Zusammentreffen eigentlich anders gewesen. Da musste sie sich schon darüber freuen, wenn er sie einfach nur ignorierte, wenn sie in seiner Nähe herumschlich. Er konnte auch ganz anders sein.

Isabel musste sich fassungslos eingestehen, dass sie sich an dem wenigen Netten von Cedric festgeklammert hatte und die Träume von ihm sie deshalb so mitnahmen, weil er sich darin ihr gegenüber präsentierte, wie sie ihn nie erlebt hatte. Darum hatten sie so eine Macht über sie. Deshalb machten sie sie so unglaublich glücklich. Alles andere hatte sie verdrängt.

Doch nun, mit dem Blick auf diesen Mann, den sie für Cedric hielt, kochte etwas in ihr hoch, dass sie erschütterte und ihren Plan vollkommen unrealistisch aussehen ließ. Warum glaubte sie überhaupt, dass sie ihn nun herumkriegen konnte, wo es damals schon unmöglich war?

Hier an diesem Tisch hockend und auf den Rücken in dem grauen Pullover starrend, spürte sie wieder die Resignation, die sie als junges, verliebtes Mädchen immer wieder überfallen hatte. Sie wollte damals seine Liebe, seine Umarmung und seine Küsse, aber er gab ihr nichts davon. Niemals!

Ihr war natürlich klar, dass sie nicht mehr dieses kleine, verunsicherte Mädchen von damals war. Sie brauchte sich jetzt nicht mehr vor ihm zu fürchten. Das Einzige, was sie fürchten musste, war seine Ablehnung.

Jetzt drehte der Mann an der Theke den Kopf etwas zur Seite, als spüre er den Blick in seinem Nacken und Isabel erstarrte von Neuem. Sie war sich plötzlich sicher, dass Cedric dort an der Theke saß.

Heiß und kalt lief es ihr den Rücken hinunter. Sie hatte einen Augenblick seine kurze, gerade Stupsnase gesehen und seinen dunklen kurzgehaltenen Bart. Offenbar hatte er sich nicht viel verändert.

Früher hatte er lange Zeit nur einen Bart über der Oberlippe getragen, später hatte er sich mehr Bart wachsen lassen, der sie immer fasziniert hatte. Er war so schön geformt und gab ihm etwas Cooles. Und sie hatte seine braunen, welligen Haare geliebt. Dazu hatte er diese dunklen Augenbrauen, hellbraune Augen mit langen Wimpern und diese schöne gerade Nase, die fast zu feminin für einen Mann war.

Isabel erbebte bei dem Gefühl, dass ihr durch die Venen schoss und ihr fassungslos die Einsicht brachte: Und ich liebe ihn immer noch!

Sie trank ihr Glas leer und stand auf.

Laut und durchdringend rief sie sich in Gedanken zu: „Ich bin nicht mehr dumm und unbeholfen. Ich bin eine erwachsene Frau, die weiß, was sie will!“

Morgen … oder Übermorgen vielleicht. Aber heute überstürz nichts!

Doch als sie sich an der Theke auf einen Hocker schob, keine zwei Meter von Cedric entfernt und einen Hocker zwischen sich und ihm freilassend, wurde ihr klar, was sie da eigentlich gerade tat. Hatte sie nicht eben noch gedacht, dass es besser wäre, nichts zu überstürzen?

Aber sie wollte sein Gesicht von vorne sehen.

„Kann ich noch ein Glas Rotwein haben?“, wandte sie sich an Bernd, der ihr ein Lächeln schenkte und nach der Weinflasche griff.

Bei ihren an Bernd gerichteten Worten sah Cedric langsam auf. Wie in Zeitlupe drehte er ihr das Gesicht zu und sah sie entgeistert an.

Isabel erschrak auch. Sie hatte erwartet, dass er sie nicht wiedererkennen würde oder sie vielleicht erkannte und sich irgendwie freute, sie zu sehen. Aber er wurde eher etwas blass und sein Gesichtsausdruck wirkte erschrocken.

Isabel griff schnell nach dem Glas, das Bernd ihr aufgefüllt hatte und trank einen Schluck.

Cedric starrte sie immer noch an, sagte aber kein Wort. Tiefe Furchen zogen sich von seinen Nasenflügeln zu seinen Mundwinkeln und brachten dort seinen Bartstayle in Unordnung. Seine Stirn zierten tiefe Denkerfalten.

Isabels Innerstes reagierte auf sein Aussehen immer noch mit dem gleichen hingerissen sein wie früher. Er war immer noch ihr Cedric. Seine braunen Augen hatten sich nicht verändert und das gebräunte Gesicht zeugte von der vielen Arbeit an der frischen Luft. Sein welliges, dunkles Haar war immer noch so dicht wie früher und hatte noch kein Grau angesetzt. Sein Körper wirkte keineswegs alt und fett, und sie hielt ihn immer noch für wirklich gutaussehend.

Ihr Herz schlug ihr so laut in der Brust, dass sie benommen nichts anderes mehr wahrnahm als den Mann vor sich. Doch dann musste sie Bernd ansehen, weil der etwas zu ihr sagte und lächelte ihm sogar zu, obwohl sie gar nicht wusste, was er eigentlich meinte. Alles in ihrem Kopf schien nur noch diesen Moment mit Cedric wahrnehmen zu wollen. Wie entrückt drehte sie den Kopf wieder Cedric zu, der sie immer noch anstarrte und sie stellte das Glas ab, das sie zitternd zu heben versuchte hatte.

„Hallo Cedric“, sagte sie mit belegter Stimme, um die unerträgliche Stille zwischen ihnen zu unterbrechen.

„Hallo!“, hörte sie seine tiefe Stimme raunen. Langsam änderte sich sein Blick. Ein schwerer Vorhang schien zwischen ihnen herabzufallen, wie eine unüberwindbare Wand, und Cedric wandte sich seinem Bier zu, als wäre sie nicht da.

Isabel fühlte sich wie damals. Seine abweisende Haltung nahm ihr den Atem und machte sie fassungslos. Dass es wieder wie früher zwischen ihnen war, wollte sie nicht zulassen. Sie wollte seine Aufmerksamkeit und sie wollte, dass er sich mit ihr auseinandersetzte.

Plötzlich brach in ihr etwas auf. Es war wie eine tief eingegrabene Wut. Alles in ihr wollte diesem Mann ein Gefühl für sich entlocken. Er sollte sich endlich zu ihr hingezogen fühlen und sie wollte ihn bezwingen.

So. Sind wir nun da, wo wir eigentlich immer schon hinwollten?

Isabel war ein wenig geschockt über ihre alles überrollenden Gefühle, die aus ihr hervorbrachen und etwas zu Tage förderten, dass sie so noch nie in sich ahnte. Plötzlich hatte sie das Gefühl, dass sie nur hier war, um diesen Mann, der sie immer gedemütigt und verachtete hatte, nun in die Knie zu zwingen.

Ja, Wut ist besser als Angst. Er ist schuld an deinem Männerdilemma. Er ist sogar an deinem kaputten Leben schuld.

Und sie wird ihn nicht mehr von der Leine lassen. Sie wird nicht zu ihrem Tisch zurückkehren und sich geschlagen geben. Auf gar keinen Fall!

„Kennst du mich noch?“ Ihre Stimme klang herausfordernd und etwas nach der Wut, die in ihr schwelte.

So eine dümmliche Kleinkinderfrage. Fiel ihr nichts Intelligenteres ein?

Cedric sah von seinem Glas nicht auf, nickte aber. Seine dunklen Augenwimpern schienen fast seine Wangen zu berühren, als hätte er die Augen geschlossen.

„Wie geht es dir?“ Isabels Stimme klang nun weich und nach Aufmerksamkeit heischend über den Tresen.

Das alte Spiel! Umso weniger er ihr zu geben bereit war, umso mehr wollte sie von ihm und je abweisender er ihr gegenüber wurde, umso mehr wollte sie sich aufgeben und das werden, was ihn interessierte.

Auch damals war er immer so unaussprechlich zurückhaltend gewesen. Wie oft hatte er sie mit dieser Zurückhaltung zu unüberlegten Handlungen getrieben? In manchen Momenten war sie schon damals bereit gewesen, sich vor seine Füße zu werfen und heute spürte sie es wieder. Schlimmer noch als damals. Sie wollte alles tun, um ihn diesmal aus der Reserve zu locken. Nur einmal … und das im richtigen Augenblick. Das schien ihr plötzlich wichtiger als alles andere. Fast überlebenswichtig!

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