Kitabı oku: «Handeln mit Dichtung», sayfa 16
4.3.1 Bildhafter Text
Wie oben erwähnt, beginnt der Text mit einer Lauttypologie, die drei verschiedene Kategorien aufstellt: Lautphänomene in der Natur sowie Musik gehören in die Kategorie der sog. „vitlaus hjóð“1 (bewusst- oder bedeutungslose Laute).2 Die zweite Kategorie ist die der „Stimmen“ der Tiere, „rǫdd“3. Ähnlich wie die erste Gruppe sind auch diese Laute „skynlauss“, d.h. ohne Verstand geäussert. Erst die dritte Kategorie benennt die bewusst gesprochenen Laute, die die menschliche Sprache auszeichnen:
En þriðja hljóðs grein er sú sem menninir hafa. Þat heitir hljóð ok rǫdd ok mál. Málit gerist af blæstrinum ok tungubragðinu við tenn ok góma ok skipan varranna. En hverju orðinu fylgir minnit ok vitit. Minnit þarf til þess at muna atkvæði orðanna, en vitit ok skilningina til þess at hann muni at mæla þau orðin er hann vill.4
Und die dritte Kategorie der Laute sind diese, welche die Menschen besitzen. Sie heissen Laut, Stimme und Sprache. Die Sprache wird von der Atmung und der Zungenbewegung an die Zähne und den Gaumen und der Anordnung der Lippen gemacht. Und jedes Wort ist verbunden mit dem Gedächtnis und dem Verstand. Das Gedächtnis ist nötig, um sich an die Aussprache der Worte zu erinnern, der Verstand und das Verständnis dazu, dass man sich erinnert diese Worte zu sprechen, die man will.
Der Text beschreibt die menschliche Sprache als ein Zusammenspiel physischer und mentaler Vorgänge und bestimmt sie als einen individuellen Akt.5 Was zuerst noch sehr allgemein und auf alle Menschen bezogen verstanden werden kann, wird direkt darauf aber spezifiziert:
Ef maðr fær snilld málsins þá þarf þar til vitit ok orðfrǿði ok fyrirætlan ok þat mjǫk at hǿgt sé tungubragðit. Ef tennrnar eru skǫrðottar ok missir tungan þar, þat lýtir málit. Svá ok ef tungan er of mikil, þá er málit blest. Nú er hon of lítil, þá er sá holgómr. Þat kann ok spilla málinu ef varrarnar eru eigi heilar.6
Wenn ein Mensch Redegewandtheit hat/aufweist, dann bedarf es des Verstandes, der Kenntnis der Wörter und der Absicht, und in hohem Masse Zungenbeweglichkeit/-fertigkeit. Wenn die Zähne schartig sind und die Zunge sie dort verfehlt, so verunstaltet das die Sprache. Auch wenn die Zunge zu gross ist, dann ist die Sprache lispelnd. Aber wenn sie zu klein ist, dann hohlgaumig. Das kann die Sprache auch verderben, wenn die Lippen nicht ganz sind.
Es fällt erstens auf, dass der Gebrauch von Sprache bzw. der redegewandte Gebrauch von Sprache ein vielschichtiger Vorgang ist, der an dieser Stelle sehr körperbezogen erklärt wird. Nur wer einen gesunden und „normalen“ Kopf hat, kann richtig kommunizieren. Doch zusätzlich zu den physischen Voraussetzungen gibt es auch Voraussetzungen des Verstandes, des Wissens sowie planvollen Denkens. Diese Voraussetzungen lassen sich durchaus auf eine ganz spezifische Gruppe „Sprachbenutzer“ beziehen: Im Überlieferungskontext der P-E gelesen, könnte die Bezeichnung „snilld málsins“ (Beredsamkeit/Redegewandtheit) mit den sprachgewandten Skalden (und auch ihrem verständigen Publikum) in Verbindung stehen. Dass die skaldische Dichtung eine komplexe intellektuelle Herausforderung ist, wird immer wieder hervorgehoben – nur wer genügend Verstand hat und die richtigen Wörter kennt, kann sie verstehen. Die körperbezogenen Erklärungen lassen sich zudem mit dem wichtigen Status der performance von Dichtung erklären: Jemand kann ausgezeichnete Sprachkenntnisse aufweisen, kann er aber sein Gedicht vor Publikum nicht angemessen „aufführen“, so wird „der Sprechakt“ nicht gelingen und gilt nicht als redegewandt. Der schriftliche Text setzt die mündliche Inszenierung der Sprache als die gängige Art voraus. Der Fokus auf die Mündlichkeit verschiebt sich im Laufe des Texts auch auf Fragen der richtigen Schreibung der altisländischen Sprache. Doch immer wieder kommt die Argumentation auf die mündliche Dimension der Sprache zurück. So zum Beispiel in den Erklärungen zum Ringdiagramm und den darin gezeigten langen und kurzen Vokalen:
Hljóðstafir hafa ok tvenna grein, at þeir sé styttir eða dregnir. En ef skýrt skal rita þá skal draga yfir þann stafinn er seint skal leiða, sem hér: Á því ári sem Ari var fǿddr, þat er í mínu minni. Optliga skipta orða leiðingar ǫllu máli hvárt inn sami hljóðstafr er leiddr seint eða skjótt.7
Vokale haben auch eine zweifache Unterscheidung, dass sie gekürzt oder gelängt erscheinen. Und wenn man klar schreiben soll, dann soll man über dem Buchstaben, der langsam ausgesprochen werden soll, einen Strich ziehen, wie hier: In dem Jahr, in dem Ari geboren war, das ist in meiner Erinnerung. Oft verändern die Aussprachen der Wörter eine ganze Äusserung, wenn ein und derselbe Vokal entweder langsam oder schnell ausgesprochen ist.
Die deutliche Schreibung zu fördern, ist zwar offenbar ein Ziel des Traktats, allerdings nur im Zusammenhang mit der mündlichen Äusserung des Geschriebenen. Ein Längezeichen für Vokale braucht es deshalb, weil in der gesprochenen Sprache ein Wort mit langem Vokal eine andere Bedeutung haben kann als eines mit demselben kurzen Vokal.
Eine ähnliche – auf beide medialen Bereiche bezogene – Regel stellt der Traktat auch für die Schreibung von Konsonanten auf: Doppelte Konsonanten sollen mit Kapitälchen geschrieben werden, da:
Þessir stafir gera ekki annat, en menn vilja hafa þá fyrir ritsháttar sakir ok er settr hverr þeirra einn fyrir tvá málstafi, því at sum orð eða nǫfn endast ‹í› svá fast atkvæði at engi málstafr fær einn borit, svá sem er hóll eða fjall eða kross eða hross, framm, hramm. Nú þarf annat hvárt at rita tysvar einn málstaf eða láta sér líka þanneg at rita.8
Diese Buchstaben bedeuten nichts anderes, als dass Menschen sie haben wollen in Bezug auf Schreibweisen und jeder von ihnen ist für zwei Konsonanten gesetzt, weil manche Worte enden in so einem festen Ausdruck, dass kein einzelner Konsonant genommen werden kann, so wie hóll oder fjall oder kross oder hross, framm, hramm. Nun muss man entweder einen Konsonant zweimal schreiben oder es sich gefallen lasse, in der Weise [mit Kapitälchen] zu schreiben.
Bedeutung wird gemäss dem Text durch lautliche Eindeutigkeit gewährleistet: Man muss differenzieren und einen Vokal lang oder kurz aussprechen bzw. manche Konsonanten im Auslaut „fester“ als andere. Diese Differenzierung generiert Bedeutung. Zumindest für die Konsonanten scheint es aber nicht darauf anzukommen, eine Doppelung durch eine ganz bestimmte graphische Form darzustellen, wichtig ist nur, dass sie hervorgehoben wird.9
Der Traktat sucht eine angemessene Übertragung der mündlichen Bedeutungseinheiten in die Schrift. Diese mündliche Eindeutigkeit darf durch den Medienwechsel nicht verloren gehen – damit sie im Text richtig „fixiert“ ist, aber auch, damit sie korrekt wieder in die Mündlichkeit gebracht werden kann. Gerade in Bezug auf die Skaldik als stark regelgebundene Dichtung erscheinen solche Regeln sehr wichtig. Dass sich der Abschnitt auf die Dichtung bezieht, wird aber nicht explizit gesagt. Allgemeiner ausgedrückt, versucht der Traktat die Sprache zu systematisieren und das bereits auf der Ebene der einzelnen Laute und Grapheme. Im Vergleich der gesamten Handschrift arbeitet sich der Text hier an der Mikroebene der Sprache ab, wohingegen die anderen Texte höhere sprachliche Ebenen diskutieren.
Bereits in den wenigen vorgestellten Stellen wechselt der Traktat häufig zwischen den medialen Ebenen der Schrift und der Stimme hin und her. Man könnte deshalb die Art und Weise, wie er die beiden Ebenen thematisiert, beinahe als performativ bezeichnen. Denn seine Argumentationsweise ist multimedial gestaltet. Stimme und Schrift werden mit Hilfe eines literarischen Verfahrens behandelt, das an visueller Anschaulichkeit interessiert ist: Metaphern und Analogien erweisen sich als die bevorzugten rhetorischen Mittel des Textes. Ein berühmtes Beispiel findet sich am Ende des ersten Teils mit der Lauttypologie:
Muðrinn ok tungan er leikvǫllr orðanna. Á þeim velli eru reistir stafir þeir er mált allt gera ok hendir málit ymsa, svá til at jafna sem hǫrpustrengir eða eru læstir [sic!] lyklar í simphóníe.10
Der Mund und die Zunge sind das Spielfeld der Wörter. Auf diesem Feld sind die Buchstaben aufgestellt, die die ganze Sprache machen und die Sprache greift verschiedene, so wie zum Beispiel die Saiten einer Harfe oder wenn die Tasten einer Symphonia gelöst werden.
Den Mund und die Zunge als Spielfeld der Worte zu beschreiben, ist eine sehr gelungene Metapher. Direkt auf dieses Bild folgen die oben dargestellten Ausführungen, welche die körperlichen Voraussetzungen für gute Sprache festhalten. Sie lassen sich sehr gut in das Bild des Spielfelds integrieren: Nur wenn das Spielfeld (der Mund und die Zunge) intakt ist, können die Wörter angemessen produziert werden. Das Bild des Spielfelds wird kurz darauf weiterverwendet und wechselt vom semantischen Bereich des Mundes hin zu dem eines graphisch dargestellten Felds auf der Handschriftenseite. Das Feld wird meist als „Ringfigur“ oder „Ring-Diagramm“ bezeichnet und weiter unten behandelt. Der semantische Wechsel vom Mund zur graphischen Darstellung wird nicht explizit ausgesprochen, das Diagramm trägt keine Rubrik und auch der erklärende Text unter dem Diagramm spricht nicht mehr von einem Spielfeld. Der kurze Abschnitt mit der Metapher des Spielfelds kann deshalb als bewusste Hilfestellung für die folgenden abstrakten graphischen und textuellen Einheiten verstanden werden. Es scheint, als versuche der Text durch anschauliche Bilder die theoretischen Inhalte (die Klassifikation der Buchstaben und die Beschreibung ihrer Funktionen) mit einer gegenständlichen bzw. körperlichen Vorstellung zu verbinden. Das Ziel davon ist einerseits ein besseres Verständnis, andererseits längere Merkbarkeit.11
Aussergewöhnliche Bilder oder Assoziationen sind bekannte Bestandteile der skaldischen Dichtung. Der Traktat scheint mit ähnlichen Mitteln zu arbeiten, wie das die Skaldik mit kenningar macht: „leikvǫllr orðanna“ (das Spielfeld der Wörter) ist selbst eine kenning. Zwar wird sie in Skpm, dem Verzeichnis der dichterischen Umschreibungen in U nicht aufgeführt, doch das skaldische Spiel mit verschiedenen semantischen Bereichen zeigt sich in der Metapher eindeutig. Das lässt sich als weiterer Hinweis darauf verstehen, dass der 2. GTR (auch) ein dichtungstheoretischer Text ist und nicht bloss an Orthographie interessiert ist.
Die Metapher des Spielfelds wird im Text weiter herausgearbeitet: Buchstaben sind (wie Spielfiguren) auf einem Feld verteilt und machen die Sprache aus. Je nachdem, was für ein Wort geäussert werden soll, werden unterschiedliche Buchstaben „angespielt“.12 Um das Bild noch anschaulicher zu machen, wird die Metapher des Spielfelds durch zwei musikalische Analogien ergänzt: Die Buchstaben werden je nach Wort gewählt (angespielt), wie auch nur einzelne Harfensaiten oder Tasten der Symphonia benützt werden.13
Auf dem Tasteninstrument Symphonia basiert die Grundidee des letzten Traktatabschnitts, wobei das zweite Diagramm eine graphische Umsetzung dieses Instruments darstellt. Aber an der hier zitierten Stelle scheint das Bild grundsätzlich als einleitender Assoziationsrahmen aufgerufen zu werden, ähnlich wie auch das Spielfeld selbst. Der Rezipient wird mit realweltlichen Phänomenen auf die abstrakten sprachlichen Kategorisierungen eingestimmt.
Nach der Kategorisierung der Laute in Vokale und Konsonanten mit Hilfe des Ring-Diagramms wendet sich der Text der Frage zu, wie diese Buchstaben zu Silben kombiniert werden können. In der Beschreibung des zweiten Diagramms heisst es im Text:
Stafa setning sjá sem hér er rituð er svá sett til máls sem lyklar til hljóðs ‹i› músika ok regur fylgja hljóðstǫfum svá sem þeir lyklum. Málstafir eru ritaðir með hverri regu bæði fyrir ok eptir, ok gera þeir mál af hendingum þeim sem þeir gera við hljóðstafina fyrir eða eptir.14
Die Verteilung der Buchstaben, wie sie hier geschrieben ist, verhält sich zur Sprache wie die Schlüssel zu den Tönen in der Musik und die geraden Linien gehören zu den Vokalen, die wie Schlüssel sind. Die Konsonanten sind geschrieben vor und nach den geraden Linien, sie machen Sprache mit dem Fassen der Vokale aus den Reimen mit den Vokalen davor oder danach.
Beuerle ist zuzustimmen, dass es sich bei hendingar ganz spezifisch um Silbenkombinationen von Konsonanten und Vokalen handelt, die sich reimen.15 Auch Stefanie Gropper zeigt, dass der Traktat nicht nur mit kenningar argumentiert, sondern auch auf einer lautlichen Ebene mit der Skaldik in Verbindung steht: „der Text selbst enthält Reime, wie z.B. in dem Teilsatz minni ok vit ok skilning, dessen Bestandteile durch den gemeinsamen Vokal verbunden sind, in dem aber auch im ersten und letzten Wort -in- einen hending bildet.“16 Für U trifft das nicht ganz zu, da im Teilsatz (anders als W) skilning ausgelassen wird und nur von „minnit ok vitit“17 die Rede ist. Doch lautlich gesehen funktioniert es auch in U: Der gemeinsame Vokal i ist ebenfalls durchgängig, -it- kann als hending angesehen werden. Die bisherige Lektüre des Traktats zeigt, dass es sich um einen weiteren Text in U handelt, der sich mit der Systematisierung und der Benennung verschiedenster Aspekte in der Welt beschäftigt. Werden in Gylf zum Beispiel verschiedene Götter oder Naturphänomene und in Skpm unterschiedliche Arten von dichterischen Umschreibungen kategorisiert und definiert – so sind es im 2. GTR die kleinsten sprachlichen Einheiten, die Buchstaben. Raschellà macht darauf aufmerksam, dass der Text bzw. das Ring-Diagramm einige Namen für Buchstaben aufweist, die nirgendwo sonst bekannt sind. Der Verfasser mache jedoch keine Angaben oder Erklärungen dazu.18 Doch das von Raschellà festgestellte Fehlen einer theoretischen Begründung für die eigenständige Behandlung scheint nur zum Teil zuzutreffen, wie aus seinen Beobachtungen selbst zu entnehmen ist:
The names assigned to the simple consonants have no parallel outside of SGT. Each consonant is placed at the beginning of its own name before a vowel and then repeated after it. This is clearly a device to epitomize in the form of the name itself the positional characteristics of these consonants in connected speech.19
In Bezug auf die Positionsbestimmung liegt Raschellà sicher richtig, er lässt aber die performative Wirkung der diagrammatischen Darstellung ausser Acht. Geltung wird an dieser Stelle nicht allein durch textuelle Erklärungen verliehen, sondern auch durch die aussergewöhnliche graphische Darstellung. Wie sich zeigte, arbeitet der Traktat auch auf der textuellen Ebene mit visuellen Mitteln. Anschaulichkeit und Bildhaftigkeit sind wichtige rhetorische Werkzeuge, um etwas verständlich zu machen und im Gedächtnis zu fixieren.20
In den bisherigen Lektüren der verschiedenen Texte in U wurde mehrfach die Funktion und die Art der angemessenen Erinnerung bzw. des Gedächtnisses thematisiert. Das Gebiet der memory studies [Gedächtnistheorien] hat in den letzten Jahren in der skandinavistischen Mediävistik grosses Interesse gefunden.21 Für die Lektüre des 2. GTR bietet sich eine bestimmte Perspektive besonders an: Pernille Hermann hat die nordische Literatur auf Fragen der klassischen ars memoria hin untersucht. Sie schlägt vor, neben einheimischen Denkansätzen in Bezug auf das Gedächtnis auch Theorien aus der klassischen Gelehrsamkeit in die Diskussion miteinzubeziehen:
[…] I argue that we must, in part at least, seek inspiration in classical texts that deal with ars memoria. Those texts, in contrast to the Old Norse-Icelandic situation, where little concrete evidence about how memory was trained is provided, give insights into classical mnemotechniques, and into the considerable memorial capacity of memory specialists.22
Hermann sieht in den klassisch-antiken Texten die Möglichkeit, den Gedächtnisbegriff im Kontext mit gelehrter Schriftlichkeit zu verstehen. Relevante Aspekte der ars memoria sind u.a. die Strukturierung von Wissen durch Bilder und durch die Platzierung im Raum. Solche Aspekte erscheinen auch für eine Lektüre des 2. GTR hilfreich. Unter dem Begriff „mnemonic images“ diskutiert Hermann, wie viele aussergewöhnliche und groteske Ereignisse in der nordischen Mythologie zu finden sind, die mit dem Erlangen von Wissen zu tun haben. Als Beispiele nennt sie einen sprechenden Kopf, Prophezeiungen geheimnisvoller Seherinnen oder einen einäugigen Gott. Diese Ereignisse haben laut Hermann etwas gemeinsam:
These are all memorable simply because they are imbedded in peculiar images. Such striking images as those found in the mythological texts resemble classical memorial techniques, which have as their main organizing principles places (loci) and images (imagines). According to these techniques, to memorize a situation implies a mental creation of a spatial environment and, next to that, the creation of images, placed at various locations within that spatial environment, and having the function of triggering the memory of things (res) or words (verba).23
Mit Hilfe der beiden Organisationsprinzipien „Raum“ und „Bild“ können Wissensbestände in der Erinnerung verankert werden.24 Bilder unterstützen dabei das sogenannte künstliche Gedächtnis (memoria artificiosa) und betreffen weniger das natürliche Gedächtnis (memoria naturalis). Die Trennung geht zurück auf Rhetorica ad Herennium, eines der zentralen antiken rhetorischen Werke, das auch für die mittelalterliche Gelehrsamkeit von grosser Bedeutung ist.25 Während das natürliche Gedächtnis dem Menschen inhärent ist, wird das künstliche Gedächtnis gezielt von aussen unterstützt:
Sunt igitur duae memoriae: una naturalis, altera artificiosa. Naturalis est ea, quae nostris animis
insita est et simul cum cogitatione nata; artificiosa
est ea, quam confirmât inductio quaedam et ratio praeceptionis.26
Es gibt also zwei Arten des Sicheinprägens: das eine ist von Natur aus gegeben, das andere künstlich erworben. Natürlich ist dasjenige, das uns eingepflanzt ist und gleichzeitig mit der Denkkraft entsteht; künstlich erworben ist dasjenige, welches eine gewisse Einführung und methodische Anleitung stärkt.27
Künstliches Gedächtnis bzw. das künstliche „Sicheinprägen“ ist eine erlernbare und durch methodische Mittel gestützte Technik, die den Zugang zu resp. die Aufnahme von aussergewöhnlichem Wissen ermöglicht. Als ein Beispiel in der nordischen Mythologie sieht Hermann Óðins Verwendung von Mimirs Kopf als externes Medium im Streben nach mehr Wissen.28
Aussergewöhnliche Bilder sind nach antiker Vorstellung sehr gute Mittel, um das künstliche Gedächtnis zu stärken. Denn geläufige Bilder prägen sich nicht ins Gedächtnis ein, aber:
[…] si quid videmus aut audimus egregie turpe, inhonestum, inusitatum, magnum, incredibile, ridiculum, id diu meminisse consuevimus. […]; nec hoc alia de causa potest accidere, nisi quod usitatae res facile e memoria elabuntur, insignes et novae diutius manent in animo.29
[…] sehen oder hören wir etwas ausnehmend Schändliches, Unehrenhaftes, Ungewöhnliches, Bedeutendes, Unglaubliches, Lächerliches, so prägen wir uns dies gewöhnlich für lange ein. […]; und das kann aus keinem anderen Grund vorkommen als deswegen, weil gewöhnliche Vorkommnisse leicht aus der Erinnerung entschlüpfen, auffällige und neuartige länger im Sinn haften.30
Besonders schöne, hässliche oder ganz neue Bilder helfen, etwas im Gedächtnis zu fixieren. Gerade für abstrakte theoretische Wissensbestände bietet sich die Unterstützung durch bildliche Verfahren an. Davon scheint auch der 2. GTR auszugehen und arbeitet deshalb auf verschiedenen Ebenen mit möglichst anschaulichen Mitteln. Metaphern und Analogien sind sprachliche Bilder, die einen Assoziationsraum eröffnen, in dem sich abstrakte, lauttheoretische Inhalte vermitteln lassen und in Erinnerung bleiben. Will ein Rezipient sich die einzelnen Buchstabennamen oder -funktionen merken, hilft ihm das einprägsame sprachliche Bild eines Spielfelds oder eines Instruments ungemein. Ob die Bilder hilfreich sind, weil es sich um besonders schöne oder auch um neue Bilder handelt, ist nicht klar. Vielleicht ist auch das Zusammenspiel verschiedener Bilder in unterschiedlicher medialer Gestaltung dem Verständnis und der Erinnerung zuträglich.
Die starke Bildhaftigkeit des 2. GTR verbindet den Traktat implizit mit der skaldischen Dichtung, v.a. in Bezug auf die kenningar. Bergsveinn Birgisson kann mit Hilfe der antiken memoria-Tradition sowie der modernen kognitiven Metaphern-Theorie zeigen, wie wichtig diese umschreibenden Sprachbilder für die Fixierung der skaldischen Gedichte im Gedächtnis sind:
We have seen that the bizarre imagery of the kennings can be regarded as mnemonic in nature, and further that the unique aesthetics of contrast-tension, that seem to organise the production of kennings, is apparently a system that originated in an oral society, where visual imagery was central to the memorization of texts. Thus I have presented the kenning as a mnemonic figure.31





