Kitabı oku: «Handeln mit Dichtung», sayfa 9

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3.3.1 Theoretische Vorbemerkungen I: Sagen als Tun

Der mehrschichtige Aufbau der Gylfaginning wurde schon oft in den Blick genommen. Die Strukturierung als didaktischer magister-discipulus-Dialog und traditionellem (eddischen) Wissenswettstreit gibt Anlass zu vielen Diskussionen.1 Im Folgenden liegt der Schwerpunkt auf dem performativen Aspekt Sagen als Tun.2 Wie im Theoriekapitel beschrieben, werden darunter Momente in den Blick genommen, in denen in literarischen Texten nach dem Sinnstiftungspotenzial von Sprechakten (mündlichen und solchen, die in die Schriftlichkeit übertragen werden) gefragt wird. Es geht um Situationen, in denen mit Sprache gehandelt wird. Davon gibt es in den mythologischen Binnenerzählungen von Gylf einige: Eide werden geschworen, Versprechen gegeben und Flüche ausgesprochen. Auf der Rahmenebene geht es um das wirklichkeitskonstituierende Potenzial von Sprache bzw. von einer Erzählung, am prägnantesten dann, wenn die Asen sich selbst zu Göttern erzählen.

Die Inszenierung der Erzählung als Lehrgespräch und/oder Wissenswettkampf ist dafür wichtig, sie ist als Reflexion der unterschiedlichen Potenziale von mündlicher und schriftlicher Wissensvermittlung zu verstehen. Weitet man den Blick auf eine diskursive Ebene aus, so fragt der Text danach, ob er selbst als bedeutungsstiftender Sprechakt gelten kann: Erschafft die Erzählung die Wirklichkeit oder beschreibt sie sie nur?

3.3.1.1 Die Halle als Ort der Wissensinszenierung

Für die genauere Betrachtung des Wissensdialogs ist der Ort, an dem dieser stattfindet, bedeutsam. Die namensgebende Hauptfigur von Gylfaginning, Gylfi, ist klug und zauberkundig, reist heimlich in Gestalt eines alten Mannes, der sich Gangleri nennt, nach Ásgarðr. Seine Gegenspieler sind die drei Asen, Hár, Jafnhár und Þriði, welche als klüger als er beschrieben werden, da sie seine Verhüllung erkennen und ihrerseits mit Sinnestäuschungen aufwarten.1 Nach dieser Einleitung zoomt die Erzählung direkt auf Gylfi und eine Welt, die in der nordischen Literatur sehr bekannt wirkt: „Þá sá hann háva hǫll. Þak hennar vóru þøkt gylltum skjǫldum sem spánþak. Svá segir Þjóðolfr: […].“2 (Da sah er eine hohe Halle. Ihr Dach war mit goldenen Schilden wie ein Schindeldach gedeckt. So sagt Þjóðolfr: […]). Damit zeigt der Text gleich zu Beginn, mit welchen literarischen Verfahren gearbeitet wird: Die „hohe Halle“ ist eine Anspielung auf die eine grosse Halle der nordischen Mythologie, Óðins Valhǫll. In der Halle der drei Asen (die sich später als eine Täuschung erweist) zeigt sich ein Verfahren der Bedeutungsstiftung, das für die gesamte P-E zentral ist: Die Wiederholung resp. das Spiel mit der Wiederholbarkeit als Authorisierungsstrategie. Durch die Zitierung (eine spezifische Art der Wiederholung) von Dichtungsstrophen wird eine zusätzliche Sinndimension für die Prosa eröffnet.3

Doch die an dieser Stelle zitierte Strophe ist anders als alle anderen Strophen, die für das legitimierende Verfahren in Gylf benutzt werden. Es ist die einzige skaldische Strophe neben unzähligen eddischen. John Lindow macht darauf aufmerksam, dass der Verfasser des Textes leicht eine eddische Strophe mit derselben Aussage hätte einfügen können:

At this point the verse is cited as authority: it contains the kenning Sváfnis salnæfrar, evidently meaning „shields“. It is noteworthy that verification was available also in an Eddic stanza. Grimnismál 9 says of Óðinn’s hall scǫldum er salr þakiðr. Given his extensive citations from Grimnismál, it seems unlikely that Snorri was not acquainted with this verse. There is, furthermore, no particularly good reason why Snorri should scorn a clear Eddic stanza for an unclear skaldic one, particularly given the absence of other skaldic stanzas in Gylfaginning. Nordal has offered the attractive argument that Snorri limited himself to Eddic verses only when the characters within the ginning were speaking, not when he himself was citing authority (Snorri Sturluson, p. 118). This argument cannot, however, account for Snorri’s choice of the rather obscure skaldic verse over the abundantly clear Eddic one. And if, as seems likely, the Gefjun chapter is an interpolation, the lone skaldic stanza does seem out of place.4

Lindow bezieht sich hier auf die RTW-Versionen von Gylf, in denen vor dem Beginn des eigentlichen Rahmendialogs eine narrative Szene mit Gylfi und der Asin Gefjun eingeschoben ist und in der ebenfalls eine skaldische Strophe präsentiert wird. Diese Szene fehlt in U, was die Strophe von Þjóðolfr enn hvinverski so heraustechen lässt. Lindow zitiert wiederum Nordal, der die Strophe als Legitimationsversuch des Verfassers auf einer diskursiven Textebene bestimmt – dies im Gegensatz zu den eddischen Strophen, die alle den Figuren auf der Erzählebene zugeordnet sind und für deren Aussagen eine legitimierende Funktion übernehmen. Wie das geschieht, wird noch zu zeigen sein.

Der Verfasser von U setzt die skaldische Dichtung als alt und von einer bekannten historischen Persönlichkeit stammend – sie dient deshalb als wirkkräftige Legitimation für den Rezipienten.5 Geht man von Nordals Deutung aus, lässt sich die skaldische Strophe als Übergangsschwelle von der historiographischen Welt in die (fiktionale) Welt der Mythologie lesen: Die Relevanz der folgenden mythologischen Erzählungen wird mit Hilfe der Skaldik bestimmt, sie ist der Eingang nach Valhǫll.

Der Text zeigt so, wie er sich Bedeutung über sich selbst hinaus verleiht: Es braucht den Rückbezug auf altes Wissen, das im Medium der Dichtung noch erhalten ist. Nirgends heisst es, dass die Halle Valhǫll ist, aber durch die Überblendung der Prosa mit dem Vers, scheint sie wie Valhǫll.6 Für den Rezipienten weisen zusätzlich auch die Namen aller Figuren in die Richtung: Sowohl Hár, Jafnhár und Þriði wie auch Gylfis Deckname, Gangleri, sind dichterische Umschreibungen des Herrns der Halle, Óðinn selbst. Es könnte sich also beim Wissensdialog um ein eigentliches Selbstgespräch des höchsten asischen Gottes handeln.

Die „hohe Halle“ als Schnittstelle zwischen Erzähl- und Aussenwelt ist jedoch noch weit komplexer als diese erste Annäherung zu zeigen vermag. Die Halle lässt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Performanz, d.h. der Aufführung verstehen: Sie ist der Raum, in der eine mündliche Aufführung in der realen Welt geschieht und dient so als „Erzählraum“ im und für den Text.7 Sie suggeriert die Präsenz der Erzählfiguren und ermöglicht dem Publikum den Zugang, da es derartige Erzählsituationen aus eigener Erfahrung kennt. Die Halle vergegenwärtigt das durch die Schrift Distanzierte und schafft Unmittelbarkeit durch das Fingieren von realen Stimmen und Körpern, sie ist somit ein hoch performativer Raum. Dazu passt auch die direkte Aufforderung Hárs an Gylfi: Ok stattu fram meðan þú fregn. Sitja skal sá er segir“8 (Und vorne sollst du stehen, während du fragst. Sitzen soll der, welcher antwortet). Die vorausgehenden Täuschungen dienen der Einleitung. Der Startpunkt der eigentlichen Inszenierung wird durch die Platzierung von Körpern und Stimmen im Raum der Halle präsent gemacht.

3.3.2 Zwei Arten von Wissensdialog: Die Anhäufung von Bedeutung

Wie angedeutet, wurde bereits viel über die Art des Wissensdialogs in Gylf geforscht. Mit ein Grund dafür könnte sein, dass sich zwei Modelle eines solchen Dialogs zu überschneiden scheinen. Anstatt eines der beiden Modelle als das „wichtigere“ oder „eigentliche“ herauszustellen und das andere als unabsichtliche Hineinmischung, wird hier der These nachgegangen, dass beide Arten bewusst und mit einer bestimmten Absicht vermengt worden sind. Das Ziel scheint, so viel Bedeutung wie nur möglich für den Text zu generieren. Dass diese Absicht auch in unklaren Mehrdeutigkeiten enden kann, wird im Anschluss an die Lektüren sichtbar.

3.3.2.1 Der gelehrte magister-discipulus-Dialog

Die Mythographie in Gylf ist in der klassischen Form der mittelalterlichen Wissensvermittlung und -organisation aufgebaut: Als Dialog zwischen zwei Figuren (resp. Figurengruppen), die in einer Frage- und Antwortstruktur miteinander sprechen und so verschiedene Wissensbestände weitergeben. In Bezug auf Gylf ist die Vermittlungssituation deshalb komplex, weil es sich um traditionelles, mündliches Wissen der heidnischen Vorfahren handelt, das für christliche Gelehrsamkeit aufbereitet werden muss. Es geht im Text also einerseits um den nordischen Kosmos als Wissensbestand an sich, andererseits um die Legitimierung des Textes selbst als relevant für die aktuelle Zeit. Man erkennt in der komplexen Struktur des Texts ein Nachdenken über die Art und Weise, ob und wie altes Wissen (sei das nun mythologischer oder dichterischer Art) am besten weitergegeben wird.

Wie sich in den einzelnen Lektüren zeigt, wird dem Erzählen eine welterfassende und erinnerungsstiftende Funktion zugesprochen: Es ist ein Medium, mit dem sich Wissen über die Welt erfassen und zu Wissensbeständen systematisiert weitergeben lässst. Dem Erzählen wird aber auch ein welterschaffendes Potenzial zugemessen. Bereits im Prolog sind diese Funktionen angelegt und werden in Gylf weiter erprobt.

Alle diese sprachlichen Funktionen sind mit der Frage von Macht und Herrschaft beschäftigt, da alle auf die Wirklichkeit bzw. auf die Wahrnehmung der Wirklichkeit Einfluss nehmen können. Sprache, v.a. bestimmte Arten von Sprache, erweisen sich als Machtinstrumente. Besonders zwei Stellen in der Gylf sind dafür zentral und stehen deshalb hier im Fokus. Auf der Dialogebene zwischen Gylfi und den Asen zeigt sich ebenso wie in der mythologischen Binnenerzählung um Þórr und Útgarða-Loki: Wer mit Sprache umgehen kann, besitzt die Handlungs- und Deutungsmacht über die Welt. Sowohl der christlich gelehrte als auch der einheimisch mythologische Diskurs kommt zu diesem Schluss. Es ist interessant nachzuverfolgen, inwiefern sie sich dennoch unterscheiden. Vorausblickend kann dazu gesagt werden, dass sich die Diskurse bei der Bewertung der verschiedenen sprachlichen Potenziale voneinander abheben: Denn wie gefährlich solche Potenziale sein können, zeigt der Mythos der Herkunft der Dichtersprache. Das Wesen dieser Sprache basiert im Kern auf Krieg um die Macht, auf Betrug und Täuschung. Vielleicht konnte sie deshalb für mehrere Jahrhunderte zum hochgeschätzten Medium für die Lobpreisung von Königen und Anführern werden.

Gylfaginning präsentiert diese Gedanken aber nicht in Form eines argumentativen Tatsachenberichts, sondern stellt sich als mehrschichtigen, performativen Denkprozess dar, der immer wieder neue Facetten des Themas beleuchtet.

Der angemessene Rahmen dafür ist im christianisierten mittelalterlichen Island der gelehrte Lehrer-Schüler-Dialog, der als Ausbildungsmittel bekannt und beliebt ist. Vergleichbar gestaltete Lehrdialoge sind z.B. der altnordische Elucidarius1 und die aus Norwegen stammende Konungsskuggsjá2. Der Lehrdialog unterstützt die enzyklopädische Grundtendenz der mittelalterlichen Gelehrsamkeit: Wissen kann als abgeschlossen, vollständig und fest präsentiert werden. Zu den Merkmalen mittelalterlicher Enzyklopädik gehört der Anspruch, die Welt zu erfassen:

Insofern Bücher die Welt oder Teile von ihr abbilden, sei es im kosmographisch-naturkundlichen, geschichtlichen, moralischen oder intellektuell-wissenschaftlichen Bereich, ist sie [die Enzyklopädie] das Buch par excellence: Sie vereinigt diese Gebiete in sich und ist daher […] ein „Weltbuch“, ein Buch, das die Welt enthält […].3

Solche enzyklopädischen Tendenzen durchziehen die gesamte P-E.

Mit Hilfe des Dialogs zwischen zwei Parteien wird der schriftliche Text in eine mündliche face-to-face-Kommunikation verwandelt und man kann sich z.B. das wechselseitige Vorlesen in der Schulstube vorstellen. Die Frage-Antwort-Struktur hat einen mnemotechnischen Effekt und erleichtert das Auswendiglernen. Die Überlieferung von Wissen hat damit eine zweifache performative Dimension: Einmal wird sie als Wissen entfaltendes Frage- und Antwortgespräch, d.h. als Prozess geschildert, zum zweiten hat sie einen aufführenden Charakter, der klare Rollen verteilt und Wissen als Machtinstrument zwischen demjenigen, der mehr weiss, und dem, der mehr wissen will, zeigt.

Der mündliche wie auch der literarisch inszenierte Lehrer-Schüler-Dialog hat seinen Ursprung in der antiken Philosophie und bleibt im Mittelalter eine beliebte Form der Wissensvermittlung. Er kann unterschiedlich akzentuiert sein, einmal ist der Schüler der Fragende, einmal befragt der Lehrer den Schüler über bereits Gelerntes.4 Als Grund für die Beliebtheit wird angegeben, dass der Dialog besonders geeignet sei für Anfänger und weniger gebildetes Publikum, da er erlaube, Wissen in kleine Einheiten gegliedert zu präsentieren. Die Schülerfigur dient dabei als Identifikationsfigur für den Rezipienten und soll verhindern, dass ein Gefühl abstrakter Distanz aufkommt. Im Nachvollzug des Wissenserwerbs des Schülers kann auch der Rezipient das präsentierte Wissen erlangen. Für den Unterricht in der Schulstube kann ein solcher Dialog auch als praktisch umsetzbare „Regieanweisung“ dienen.

Von einer produktionsästhetischen Seite her gesehen bietet der Dialog eine hervorragende Möglichkeit, verschiedenste Formen und Inhalte zu systematisieren. Man kann unterschiedliche Quellen verbinden, Dinge auslassen oder hinzufügen und eigene Inhalte dazutun. Von diesen Möglichkeiten macht Gylfaginning häufigen Gebrauch.5 Mit Hilfe der Dialogstruktur bekommen auch abrupte Themensprünge eine erzähllogische Berechtigung, weil sie sich als authentische mündliche Gesprächssituation zeigen, in der der Schüler je nach Interesse plötzlich nach etwas Neuem fragt oder der Lehrer bei bestimmten Punkten länger verweilen will. Gerade auch für einen Text wie Gylf, der mit so vielen verschiedenen Quellen arbeitet, ist eine Strukturierung durch Frage-Antwort-Form sehr geeignet. Das bekannte Format ist gleichzeitig ein intertextueller Rückverweis, die klassische Form dient übergreifend als Sinnstiftung für den Inhalt. Hier deuten sich auch Überschneidungen zum Aspekt der Wiederholung/Wiederholbarkeit an, die weiter unten ausgeführt werden.

Ganz wie in klassischen Lehrgesprächen zeichnet sich auch der Dialog zwischen Gylfi und den drei Asen dadurch aus, dass die Schülerfigur (Gylfi) immer wieder erstaunt, neugierig oder bewundernd dargestellt wird. Solche Gefühlsregungen sollen den Rezipienten affizieren und das durch die Lehrerfiguren präsentierte Wissen wird so als neu und relevant inszeniert. Durch Neugier und Staunen wird Gylfis Reise zu den Asen überhaupt erst ausgelöst: „Gylfir (sic!) var maðr vitr ok hugsaði þat er allir lýðir lofuðu þá ok allir hlutir gengu at vilja þeira, hvárt þat mundi af eðli þeira vera eða mundi guðmǫgnin valda því.“6 (Gylfir war ein kluger Mann und dachte darüber nach, dass alle Leute sie lobten und alle Dinge nach ihrem Willen gingen, und ob dies wegen ihrer Natur war, oder ob göttliche Mächte das verursachten.) Das Verlangen nach Wissen wird gesteigert, als Gylfi bei den Asen ankommt und Dinge sieht, die ihn zum Staunen bringen: „Þar sá hann margar hallir ok mǫrg gólf ok margt fólk. Sumir drukku en sumir léku. Þá mælti Gangleri, er honum þótti þar margt ótrúligt: […].“7 (Dort sah er viele Hallen und viele Räume und viele Leute. Einige tranken, andere spielten. Da sagte Gylfi, als ihm Vieles dort unglaublich schien: […]).

Durch den so strukturierten Dialog lassen sich die erzählten Geschichten verschieden begründen: Gylfi reagiert immer wieder mit Ausdrücken des Erstaunens oder der Bewunderung für bestimmte Erzählungen: „Þá mælti Gangleri: Mikil merki eru þetta ok mikil smíð.“8 (Da sagte Gylfi: Das sind bemerkenswerte Dinge und grosse (Bau-)Arbeiten.) Die Asen als Träger des aussergewöhnlichen Wissens werden durch Gylfis Bemerkungen selbst hervorgehoben: Þá mælti Gangleri: Mikil tíðindi kantu segja af honum.“9 (Dann sagte Gylfi: Grosse Neuigkeiten kannst du von ihm berichten.) Am deutlichsten wird das bei den asischen Ausführungen zu Óðinn:

Þá mælti Gangleri: Geysi mǫrg nǫfn hafi þér gefit honum, ok þat veit trú mín at þat mun vera mikill fróðleikr sá er kann skyn ok dǿmi hverir atburðir orðit hafa til hvers þessa nafns.10

Da sagte Gylfi: Überaus viele Namen habt ihr ihm gegeben, und so glaube ich, dass es grosse Kenntnisse sein müssen, Bescheid zu wissen und Beispiele (zu haben), welche Ereignisse zu diesen Namen geführt haben.

Die Asen nehmen die Vorlage dankbar an und betonen, wie wichtig ihr Wissen ist, ohne das man sich nicht gelehrt nennen dürfe: „[…] ok muntu eigi mega fróðr maðr heita ef þú skalt eigi kunna at segja frá þessum stórtíðindum.“11 ([…] und du kannst dich nicht einen klugen Mann heissen, wenn du nicht von diesen wichtigen Ereignissen berichten kannst.) Die Bezeichnung fróðr ist dabei je nach Bedeutungsdimension zu verstehen: Das Adjektiv kann „reich an Wissen, Kenntnissen, gelehrt, bes. geschichtskundig; zauberkundig“12 bedeuten. Möglicherweise lässt sich hier eine Abgrenzung zum Adjektiv vitr und vizkr (klug, verständig, gescheit)13 ziehen. Sowohl Gylfi als auch die Asen werden ganz zu Beginn der Rahmengeschichte als vitr bzw. vísari bezeichnet, ihnen ist eine Grundintelligenz gegeben, die sie zu passenden Figuren für den Wissensdialog macht. fróðr zu werden ist hingegen Gylfis Ziel. Er geht dabei davon aus, dass es sich um vermittelbares Wissen handelt, das man erlangen kann.

Den Asen gelingt es, sich vor Gylfi so zu inszenieren, als wären sie fróðir und besässen besondere Kenntnisse. Sie bestehen darin, die Namen der Wesen und Dingen in der Welt zu kennen und die Geschichten, die zu diesen Namen führten, erzählen zu können. Wie wichtig die Kenntnis der Namen sind, wurde bereits im Prolog christlich konnotiert. Aber auch für die nordische Mythologie wird dieser Aspekt als bedeutend präsentiert. Was das für die diskursive Ebene des Textes bedeutet, wird weiter unten ausgeführt. Die Asen präsentieren auch theologisches Wissen, indem sie sagen, welche Götter für spezifische Situationen jeweils angebetet werden sollen. An dieser Stelle im Text ist noch ein deutlicher Unterschied zwischen den erzählenden drei Asen und höheren Mächten auszumachen. Auch Gylfi sieht seine ursprüngliche Frage nach der Macht der Asen dahingehend beantwortet, wenn er sagt:

Miklir þikki mér þessir fyrir sér æsirnir. Ok eigi er undr at mikill kraptr fylgi yðr er þér skuluð kunna skyn guðanna ok vita hvern biðja skal hvers hlutar eða hverrar bǿnar, eða eru fleiri guðin?14

Sehr wichtig scheinen mir diese Asen zu sein. Und es ist kein Wunder, dass grosse Macht mit euch ist, da ihr Kenntnis habt von den Göttern und wisst, wen man anrufen soll in welchen Dingen und mit welchen Gebeten, und gibt es mehr Götter?

Hier läuft die Argumentationslinie parallel mit derjenigen des Prologs: Die Kenntnis des Gottesnamen bedeutet auch Macht in der als mythologisch inszenierten Welt. Man kann dieses Wissen durch dialogisches Lernen erwerben und es dann für sein eigenes Fortkommen brauchen.15

Die Ausrufe des Erstaunens und der Bewunderung (sowie die ebenfalls zahlreichen Stellen, in denen die Asen als Lehrer ihre Weisheit hervorheben und Gylfi bzw. den Schüler als unwissend darstellen) entsprechen dem gängigen Schema des magister-discipulus-Dialogs.

Abschliessend lässt sich betonen: Enzyklopädisch gestaltete Lehrdialoge haben Abgeschlossenheit und Vollständigkeit zum Ziel. In ihnen soll Wissen vermittelt werden, mit dessen Hilfe man die Welt erfassen und beschreiben kann. Doch die Situation in Gylfaginning ist komplexer, da ein zweites Ordnungssystem für Wissensvermittlung dazutritt, das nicht auf Vollständigkeit und Abgeschlossenheit hin arbeitet: Der eddische Wissenswettstreit. Damit wird ein Verständnishorziont eröffnet, der ganz auf die mythologische Vergangenheit ausgerichtet ist.16

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