Kitabı oku: «Der Aktionskreis Halle», sayfa 9

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Adolf Brockhoff war wohl eine der schillerndsten und umstrittensten Figuren der DDR-Kirche sowie des frühen Aktionskreises Halle. Für viele Studenten der Hallenser KSG und des Sprachenkurses war er eine Vaterfigur mit „Knochen im Schnurrbart“594. Durch seine charismatische Art begeisterte er ebenso stark, wie sein zuweilen apodiktisches Vorgehen polarisierte. Im AKH übernahm er die Rolle des progressiven Vordenkers. Nicht wenigen galt er als umstrittener Prophet. Adolf Brokchoff dürfte zu den wenigen ostdeutschen Theologen gehört haben, die Alfred Kardinal Bengsch auf intellektueller und rhetorischer Augenhöhe begegneten. Eine sich in den Quellen andeutende geistige Verwandtschaft beider endete wohl mit Bengschs Ernennung zum Berliner Weihbischof. Brockhoff hatte als kaum Zwanzigjähriger den Zweiten Weltkrieg als Soldat der Wehrmacht erlebt und war 1945 aus russischer Kriegsgefangenschaft geflohen.595 Nach dem Studium der Theologie in München und Paderborn wurde er am 25. März 1950 in Paderborn zum Priester geweiht und trat bereits am 18. April 1950 eine Vikariatsstelle in Merseburg an.596 Damit reihte er sich in die Gruppe jener Priester ein, die von Lorenz Kardinal Jaeger in die DDR geschickt worden waren. Er nahm diese Sendung als Berufung wahr und blieb wie einige andere auch im SED-Staat auch über die Vikariatszeit hinaus.597 Nach einer kurzen Tätigkeit in Dölau wurde er am 12. Oktober 1953 zum „Studentenseelsorger mit dem Titel ‘Studentenpfarrer‘ in Halle/Saale berufen.“598 Bis 1967 leitete er daraufhin sowohl die Thomas-Morus-Studentengemeinde als auch den Hallenser Sprachenkurs im von ihm errichteten Haus im Mühlweg 18.599 Diese Verbindung von Studentengemeinde und Sprachenkurs, von Hugo Aufderbeck und Adolf Brockhoff zusammen erdacht, wurde als „Hallenser Experiment“600 bezeichnet, weil der vielfach gelungene Versuch, zukünftige Priesteramtskandidaten nicht von der Welt abgeschottet zu erziehen, ein Novum darstellte.601 Die ostdeutschen Bischöfe hatten 1965, ohne Pfarrer Brockhoff davon vorher in Kenntnis zu setzen, dem Sprachenkurs einen Präfekten gegeben und damit das Ende der Leitungstätigkeit von Adolf Brockhoff eingeleitet. Über die tatsächlichen Hintergründe dieser Personalpolitik ist bislang noch wenig bekannt. Den mit der Entfernung aus diesem Amt verbundenen Vertrauensbruch zwischen Brockhoff und den ostdeutschen Ordinarien hat er zeitlebens nicht überwunden.602 Ob eine von Kardinal Jaeger im September 1966 erwogene Ernennung Brockhoffs zum Geistlichen Rat mit seiner bevorstehenden Entlassung in Zusammenhang steht, ist unklar.603 Weihbischof Rintelen kommentierte die Pläne des Kardinals kritisch. 1967 hatte sich Adolf Brockhoff für ein Jahr bei vollem Gehalt beurlauben lassen, um sich wissenschaftlich weiterbilden zu können, da „seine Fähigkeiten nur noch zum Journalismus reichten“ und er „durch ein Jahr Ruhe auch menschlich wieder zu sich finden müsse.“604 Über weitere Hintergründe dieser Auszeit machte er keine Angaben.605 Für Rintelen stand nicht nur deshalb fest, dass Brockhoff „ein Nonkonformist ist und bleibt.“606 Gegenüber Kardinal Jaeger erklärte Rintelen:„Ich bin überzeugt, dass Brockhoff, wenn Du ihn etwa zum Geistlichen Rat ernennen würdest, in ein homerisches Gelächter ausbrechen würde. Es geht aber auch sonst nicht, dass Du Brockhoff eine besondere Ehrung zukommen lässt. Zwei Geistliche haben bei mir schon ihre Empörung geäußert, dass ich Brockhoff bei vollem Gehalt für ein Jahr beurlaubt hätte. Man brauche in der Kirche nur entsprechend frech zu sein und sich querzustellen, dann erhalte man alles. Sie würden auch demnächst kommen und ein Jahr Urlaub erbitten. Brockhoff will das Jahr in einem Wochenendhaus in der Nähe von Dresden verbringen. Das Haus gehört seinem Freunde, dem Oratorianer Sonntag. Er will daselbst, wie er mir mitteilte, über den Thessalonicherbrief arbeiten. Ich selbst werde Brockhoff auch weiterhin, wenn ich Gelegenheit habe, gütig und wohlwollend behandeln, wenngleich meine Räte das allerdings nicht mehr für richtig halten.“607 Zum 3. Januar 1968 übernahm Adolf Brockhoff die Pfarrei St. Norbert in Merseburg.608 Nach nur zwei Monaten Tätigkeit in Merseburg hatte der Paderborner Kardinal erwogen, den von Rintelen als „Nonkonformisten“ deklarierten Brockhoff zum Dechanten eines neu zu errichtenden Dekanates Merseburg zu ernennen. Davon hatte Rintelen allerdings aufgrund Brockhoffs theologischer Ansichten abgeraten.609 In Merseburg wirkte Pfarrer Brockhoff bis zu seiner Suspendierung durch Bischof Braun im Jahr 1971. Dieser Suspendierung war eine seit mehreren Jahren bestehende Beziehung Adolf Brockhoffs zu einer jungen Frau vorangegangen, aus der drei Kinder hervorgingen.610 In einem Gespräch am 17. Juni 1971 hatte Bischof Braun Adolf Brockhoff den Vorwurf gemacht, den Zölibat verletzt zu haben.611 Bereits am 24. Juni wurde Brockhoff bis zu einer erneuten Aussprache mit Johannes Braun am 20. Juli 1971 vorübergehend als Pfarrer von Merseburg nach can. 2279 §2 CIC (1917) suspendiert.612 Adolf Brockhoff ordnete das eingeleitete Verfahren in einen größeren Zusammenhang ein und stilisierte sich dabei als Opfer einer weitverzweigten, bischöflichen Missbilligung.613 Fraglich ist, ob der von Pfarrer Brockhoff beschriebene Kontext tatsächlich in dieser Form vorlag und ob er auf das kirchenrechtliche Prozedere einen Einfluss hatte. Gegen das bischöfliche Vorgehen protestierte der Hallenser Aktionskreis. Nach einer ausführlichen Beratung auf der 7. Vollversammlung im September 1971 hatte sich die Gruppe mit Pfarrer Brockhoff uneingeschränkt solidarisch erklärt.614 Das von Bischof Braun gegen Adolf Brockhoff initiierte kirchenrechtliche Verfahren, das durch verschiedene kanonische Gutachten und nicht zuletzt durch den Paderborner Kardinal beanstandet worden war, kann an dieser Stelle nicht erörtert und bewertet werden.615 Im Ergebnis dessen war es 1972 zur „Zwangslaisierung“616 Adolf Brockhoffs gekommen, der sich die ebenfalls „erzwungene“ Ausreise der Familie Brockhoff 1975 in die Bundesrepublik anschloss.617 Für den Aktionskreis Halle bedeutete dies nicht nur, dass ein zentraler Protagonist der Gruppe öffentlich von seinen kirchlichen Ämtern suspendiert worden war und das Land verlassen hatte. Die Aussiedlung Brockhoffs drängte den AKH dazu, sich neu finden und neu organisieren zu müssen. Denn zwischen der Suspendierung 1971 und der Aussiedlung 1975 war Brockhoff unter anderem von der Pfarrgemeinde Leuna für eine Referententätigkeit angestellt worden, die er vorwiegend im AKH durch Vorträge und Aufsätze wahrnahm. Das Geld hierfür stellte das von Heribert Kamper maßgeblich gefüllte Konto des AKH für Priester ohne Amt (PoA) zur Verfügung. Trotz aller Erklärungsversuche bleibt letztlich unverständlich, weshalb Adolf Brockhoff, der für seine „an Brutalität grenzende Offenheit“618 geschätzt wurde, eine Aussage über die Vaterschaft vehement verweigerte. Sicher wollte er kein Exempel gegen die zwingende Verbindung von kirchlichem Amt und Zölibat statuieren. Der „Fall Brockhoff“ - dem noch weitere folgten und der letztlich nur Verlierer kannte - offenbarte, welche Schwierigkeiten daraus erwuchsen, wenn nachkonziliar geprägte Illusionen mit der kirchlichen Realität und den geltenden kanonischen Normen konfrontiert wurden. In der DDR war das Schicksal der laisierten Priester zudem davon bestimmt, dass eine anschließende Tätigkeit zur Sicherung des Lebensunterhaltes weder von Seiten der Kirche noch des Staates problemlos möglich war. Die Übersiedlung in die Bundesrepublik und eine anschließende Tätigkeit als Lehrer war für den dreifachen Familienvater Brockhoff schließlich auch eine materielle Notwendigkeit. Trotz weiterer Kontakte über die innerdeutsche Grenze hinweg ist für den AKH die Zeit nach 1975 als „Post-Brockhoff-Ära“ zu bezeichnen. Es stellt für die Gruppe eine nicht zu unterschätzende Leistung dar, sich danach neu geordnet und neuen Themenfeldern zugewandt zu haben. Für diese Neuorientierung ist ein Vordenker von besonderer Bedeutung.

Vor allem in der zweiten Hälfte der 70er Jahre und zu Beginn der 80er Jahre hat Joachim Garstecki die Rolle des zentralen Vordenkers hinsichtlich der thematischen Ausrichtung des Kreises übernommen.619 Er zählte zwar nicht zu den Gründungsmitgliedern, gehörte jedoch dem AKH-Sprecherkreis seit 1972 an und übernahm nach Claus Herold die Funktion des Sprechers des AKH. In dieser Eigenschaft stellte er von 1974 bis 1978 seine Privatadresse als Kontaktadresse für den Aktionskreis Halle öffentlich zur Verfügung. Willi Verstege übernahm diese Funktion von 1978 bis 1991. Ein im Rahmen der zeitgeschichtlichen Forschung bislang kaum gewürdigtes ökumenisches Zeichen stellt das Faktum dar, dass Joachim Garstecki als katholischer Theologe von 1971 bis 1990 im Dienst des Bundes der Evangelischen Kirchen gearbeitet hat und dort für das Referat Friedensfragen verantwortlich war:620 von 1971 bis 1973 im Sekretariat des DDR-Kirchenbundes, von 1974 bis 1990 als Studienreferent für Friedensfragen in der Theologischen Studienabteilung.621 Diese Tätigkeit hatte unmittelbare Rückwirkung auf die katholische Kirche in der DDR: einerseits über den AKH, dessen Sprecherkreis Joachim Garstecki von 1972 bis Mitte der 80er Jahre angehörte, aber auch über die katholischen Studentengemeinden und Akademikerkreise, in die er als Referent eingeladen war, schließlich publizistisch über Presse und Medien in der Bundesrepublik, die in die DDR zurückschallten. Die evangelischen Kirchen vernachlässigten dieses Unikum als einen der DDR-Situation geschuldeten einmaligen Sonderfall, der auf die „normalen Beziehungen“ zwischen den evangelischen Kirchen und der katholischen Kirche nicht übertragbar sei. Die katholische Kirche in der DDR ignorierte diese Personalie als kirchenpolitischen Unfall, der gemäß den Prinzipien der politischen Abstinenz der BOK/BBK nicht hätte passieren dürfen und der die offiziellen Kontakte zwischen Staat und Kirche/BBK zum Schaden der Kirche latent wie aktuell konterkarierte, gegen den man aber offiziell nichts unternehmen konnte, weil Garstecki den Schutz des DDR-Kirchenbundes und der evangelischen Kirchenleitungen genoss. Erhard Eppler bemerkte auf dem 90. Deutschen Katholikentag in Berlin im Mai 1990 zu Garsteckis Wirken: „Einer von denen, die den Umbruch geistig und geistlich vorbereitet haben, ist ein Katholik im Dienste des Bundes der evangelischen Kirchen in der DDR. Wo es um Freiheit und Unfreiheit, um Recht und Unrecht, um Leben und Tod geht, da verflüchtigen sich die Trennungslinien zwischen den Konfessionen.“622 Mit Garsteckis Orientierung auf gesellschaftliche Fragen korrespondierte die ebenfalls nach dem Weggang Brockhoffs verstärkte Arbeit von Claus Herold, der den Fokus eher auf innerkirchliche Fragen richtete. Obwohl mit diesen Personen auch Flügelbildungen im Aktionskreis verbunden waren, haben sie die Arbeit der Gruppe nicht gelähmt, sondern für ein breites Themenspektum geöffnet.

Den personellen und thematischen Veränderungen der Gruppe konnten nicht alle im AKH folgen. Bereits zwei Jahre nach seiner Gründung musste er einen veritablen Mitgliederschwund verzeichnen: „Mancher, der damals mit seiner Unterschrift seine Hoffnung bekundete, ist von dem Weg, den der AKH dann ging, enttäuscht worden. Einige haben ausdrücklich ihre Unterschrift zurückgenommen, andere scheinen durch ein beharrliches Fernbleiben von den Versammlungen schweigend ausgezogen zu sein.“623 Mitte der siebziger Jahre zeichnete sich dann eine tiefgreifende „Krise“ des AKH ab.624 Durch Umfragen unter den Mitgliedern wurde versucht, ein Erwartungsbild an den Kreis und seine Arbeit zu erstellen und dabei zu klären, ob die anvisierten Ziele realistisch waren und ob der erzielte Effekt den betriebenen Aufwand legitimiere.625 Die angestrebte Vitailisierung des Aktionskreises und seiner Mitglieder misslang jedoch. Infolge eines erheblichen Kräftedefizits im Sprecherkreis, wodurch selbst die minimale Erfüllung der anstehenden Aufgaben nicht mehr gewährleistet werden konnte, verordnete sich der Aktionskreis im Mai 1978 selbst eine vorläufige „Denkpause“.626 Der Briefversand und die Abhaltung von thematischen Vollversammlungen wurden auf unbestimmte Zeit ausgesetzt und ein interner Dialogprozess über die weitere Entwicklung des Kreises wurde initiiert.627 Hierfür wurden die an einer aktiven Mitarbeit im AKH Interessierten zu informellen Begegnungen nach Nienburg und Halle eingeladen.628 Bereits nach kurzer Zeit war klar, dass sich der AKH nicht nur als theologischer Gesprächs- oder spiritueller Meditationskreis verstand. Der Briefversand, die Vollversammlungen und eigene Stellungnahmen sollten auch zukünftig erhalten bleiben und die Arbeit und das Erscheinungsbild des Aktionskreises bestimmen.

Hatte die enge Verbundenheit zum Freckenhorster Kreis und den zahlreichen bundesdeutschen Solidaritäts- und Priestergruppen 1969/70 zur Gründung des AKH geführt und hatte sich auch die geistige Verwandtschaft zu den bundesdeutschen Gruppen in der Folgezeit verschiedentlich ausgedrückt, so kann Gleiches für die Vernetzung des Aktionskreises mit anderen Gruppen und Personen im ostdeutschen Katholizismus nicht festgestellt werden. Zwar kannten sich die zentralen Protagonisten eines „kritischen Katholizismus“ in der DDR.629 Der AKH hatte Verbindungen zu Karl Herbst630, dem Maximilian-Kolbe-Kreis631 und zu den Leipziger Oratorianern. Dr. Wolfgang Trilling, der dem Kurs der Berliner Ordinarien- und Bischofskonferenz ebenfalls distanziert gegenüberstand, hat eine Kooperation mit dem AKH allerdings nie favorisiert. Der AKH veröffentlichte zwar gelegentlich seine Aufsätze oder Stellungnahmen.632 Auch trat Trilling in den 80er Jahren als Referent auf einer AKH-Vollversammlung zum Thema „Überlegungen zum gegenwärtigen Stand der Ökumene“633 auf. Doch letztlich unterschieden sich die Oratorianer durch ihre enge Bindung an die Ortsgemeinden von dem stärker akademisch geprägten, jenseits von Gemeindestrukturen agierenden AKH. Bemerkenswert ist dennoch, dass beide auf das Bild von Jona im Bauch des Fisches rekurrierten, wenn sie die kirchliche Situation in der DDR beschrieben.634 Damit setzten sich der AKH und Trilling von der Metapher des Berliner Kardinals ab, der seinerseits auf Daniel in der Löwengrube rekurrierte, um Christsein in der DDR zu beschreiben.635 Zu Hans Donat in Erfurt bestanden eher informelle Kontakte.636 Zum Herausgeberkreis der sog. progressiven katholischen Zeitschrift „Begegnung“ gab es nur phasenweise Kontakte einzelner637; Gleiches gilt für Verbindungen des AKH zur Ost-CDU. Eine Kooperation mit staatsgelenkten Gruppen in der DDR hat es nach Ausweis der Quellen nie gegeben.

3.3Themen, Stellungnahmen, Positionen

Ein Großteil der historisch verifizierbaren Arbeit des AKH hat sich in den Vollversammlungen und Rundbriefen vollzogen. Ausgehend von der Struktur und Organisation des Kreises ist jedoch darauf zu verweisen, dass die thematische Orientierung vorwiegend von Impulsen des AKH-Sprecherkreises getragen war.

Die anfangs vierteljährlich abgehaltenen Vollversammlungen des Aktionskreises fanden in den Räumen der KSG Halle, den Pfarreien Heilig Kreuz und St. Marien in Halle Silberhöhe638 sowie vereinzelt in Häusern der evangelischen Kirchen639 statt. Nach der „Denkpause“ 1978 fand sich der Aktionskreis nur noch zweimal jährlich zu einer Frühjahrs- und einer Herbstvollversammlung zusammen. Als regelmäßiger Treffpunkt Gleichgesinnter, offenes Diskussionsforum, Anlaufstelle für Interessierte und Kirchenkritiker, Bezugspunkt der Arbeitsgruppen und beschlussfassendes Organ stellten die Vollversammlungen nicht nur ein strukturelles und inhaltliches Kernelement des AKH dar. Sie waren zugleich Refugien einer erlebten Freiheit, die man in Staat und Kirche einforderte. Die mehr als 50 Vollversammlungen bis 1989 dienten im ostdeutschen Diasporakatholizismus daher nicht zuletzt der persönlichen Kommunikation und Vernetzung von Mitarbeitern und Sympathisanten. Die Veranstaltungen fanden stets an Wochenenden statt und dauerten zumeist von Freitagabend bis Samstagnachmittag. Eingeleitet durch einen Gottesdienst am Samstagmorgen, wechselten sich Vortragseinheiten von AKH-internen oder externen Referenten mit Sitzungen von Arbeitsgruppen und Diskussionsgruppen ab. Die Vollversammlungen wurden entweder mit dem Beschluss von Erklärungen oder konkreten Arbeitsanweisungen für den Sprecherkreis beendet. Seit 1975 wurde der Freitagabend gelegentlich für eine interne Mitgliederversammlung ohne Gäste genutzt, um die Ausrichtung und weitere Arbeit des Kreises zu besprechen.640

Eine zweite Säule der Tätigkeit des AK Halle stellte der regelmäßige Versand der eigenen Rundbriefe dar.641 In der bundesdeutschen Kirche existierte durch die Vielzahl der Solidaritäts- und Priestergruppen ein breites Spektrum derartiger Publikationsorgane.642 Der Rundbrief des AKH war, nachdem der Evangelisch-Katholische Briefkreis von Karl Herbst und Günter Loske 1971 die Arbeit auf bischöfliches Drängen hin einstellen musste643, die einzige aus privater Initiative hervorgehende und überregional versandte katholische Publikation in der DDR. Neben dem von der BOK/ BBK im Auftrag herausgegebenen „Theologischen Bulletin“ (1968-1990)644 und dem „Theologischen Jahrbuch“ stellte er eine nicht unbedeutende Möglichkeit dar, auch an kirchenkritische Beiträge und Informationen zu gelangen. Vor allem die Veröffentlichung von Aufsätzen und Positionen bundesdeutscher Autoren und Gruppierungen, u.a. von Heinrich Böll645, Walter Dirks646, Erich Fromm647, Helmut Gollwitzer648, Norbert Greinacher649, Hubertus Halbfas650, Wolfgang Huber651, Hans Küng652, Johann Baptist Metz653, Jürgen Moltmann654, Karl Rahner655, Dorothee Sölle656, Luise Schottroff657 sowie von den Zeitschriften Imprimatur658 und Publik Forum659, ließen den AKH-Rundbrief zu einem weit verbreiteten und zugleich kritischen Informationsträger für den seit 1961 eingemauerten ostdeutschen Katholizismus avancieren. Die Informationssendungen hatten es sich auch zur Aufgabe gemacht, Themen und Berichte aufzunehmen, die auf anderem Weg nicht in der DDR publiziert wurden, so zum Beispiel die Kölner Erklärung von 1989.660 Die überwiegend aus bundesdeutschen Zeitschriften („Concilium“, „Diakonia“ und der „Herder-Korrespondenz“) übernommenen Artikel und Berichte waren dem kirchenkritischen Grundtenor des AK Halle verpflichtet und unterschieden sich daher von der offiziellen Kirchenpresse in der DDR.661 Unter Nutzung einer rechtlichen Grauzone - lediglich der Druck und Versand sogenannter interner Unterlagen war in der DDR von der strikten und eng limitierten Druckverordnung ausgenommen - verschickte der Aktionskreis seine Rundbriefe mit dem Vermerk „Nur für den innerkirchlichen Dienstgebrauch“. Über das allgemeine Informationsinteresse hinaus verfolgte der Sprecherkreis mit dem Versand der Briefe noch weitere Motive. Die Sendungen waren mitunter als „Ferienlektüre“662 angelegt oder sollten eine „bescheidene Weihnachtsgabe auf dem Postweg zustellen“663. Als entscheidenden Beweggrund betonte der Sprecherkreis mehrfach, dass er mit den Briefen die Absicht verfolge, „eine Plattform zu legen für die Beiträge und Gespräche auf“664 den Vollversammlungen. Er bat deshalb die Empfänger: „Lesen Sie diese Texte zur Vorbereitung auf diese Zusammenkunft, diskutieren Sie sie mit anderen Christen in Ihrer Gemeinde und in Gesprächskreisen. Und: Bringen Sie bitte Erfahrungen, Erlebnisse und Ergebnisse eigener Bemühungen nach Halle mit, damit wir sie dort untereinander austauschen können.“665 Als ostdeutsches Spezifikum gilt zu beachten, dass die ständige Papierknappheit und die äußerst geringe Versorgung mit Kopiergeräten die Erstellung dieser Publikationsorgane in nicht unerheblichem Maß beeinflusste. Dem Sprecherkreis oblag es daher nicht nur die für die Erstellung der Rundbriefe notwendigen Kopiermaterialien aus Westdeutschland zu organisieren.666 Auch die aufwendige mechanische Herstellung der Informationssendungen fiel in seinen Aufgabenbereich. Die zu veröffentlichenden Artikel und Informationen mussten recherchiert und aus den überwiegend bundesdeutschen Quellen auf einer Schreibmaschine abgetippt werden, um anschließend im Nienburger Pfarrhaus mittels einer „Ormig-Vervielfältigung“667 aufwendig per Hand kopiert zu werden. Zum Schutz der Kopier-Maschine vor geheimpolizeilichen Konfiszierungen wurde der Apparat unter dem Altar, versteckt durch das Altartuch, aufbewahrt. Bei einem Umfang von durchschnittlich circa 15 Seiten pro Rundbrief, einer Auflage von 350 bis 500 Exemplaren und einer Frequenz von durchschnittlich fünf Sendungen pro Jahr stellte die freiwillige und unentgeltliche Bereitstellung dieser Informationsquelle eine enorme Leistung dar.668

Die Themenvielfalt der bis 1989 insgesamt mehr als 110 AKH-Rundbriefe ist für das vergleichsweise kleine Redaktionsgremium beachtenswert. Der Sprecherkreis und das Redaktionsgremium rezipierten nationale und internationale kirchliche, theologische, gesellschaftliche und politische Entwicklungen und setzten sich mit den sich daraus ergebenden Sachfragen und Streitfällen kritisch und konstruktiv im Sinne der Grundsatzerklärung auseinander. Ihre vollständige Darstellung würde bei Weitem den Rahmen dieser Analyse sprengen. Systematisiert man die über 200 Artikel und Beiträge der Rundbriefe nach inhaltlichen Kategorien, lassen sich vier Hauptgruppen unterscheiden: gesamtkirchliche Themen, kirchliche Fragen und Konflikte in Ostdeutschland, gesellschaftliche Problemfelder und theologische Auseinandersetzungen.669 Als Themen mit gesamtkirchlichem Horizont widmete man sich der „Mischehenregelung“ (1970), der Frage nach einem „Grundgesetz der Kirche“ (1971) sowie der römischen Auseinandersetzung mit dem Fall Hans Küng (1980). Kirchliche Fragen und Konflikte, die konkret auf die ostdeutsche Situation Bezug nahmen, waren neben der Bischofsernennung (1970) die postkonziliare Etablierung der Rätestrukturen (1974), das Themenfeld der Gemeindetheologie (1971-1976), die Dresdner Pastoralsynode (1970-1975), die Zölibatsdiskussion (1976), die Konzilsrezeption(1975/76), die kirchliche Friedensdiskussion in den 1970er und 1980er Jahren sowie schließlich die ökumenische Situation in der DDR (1974-1989). Als gesellschaftsrelevante Problemfelder fokussierte der Aktionskreis Halle vor allem auf die kritische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus und Sozialismus sowie auf die Frage nach dem gesellschaftlichen Engagement der Kirche (1973), was ihn nicht zufällig in Opposition zum bischöflichen Kurs der „politischen Abstinenz“ unter Kardinal Bengsch brachte. In den 1980er Jahren konzentrierte er sich offensiv auf die Problematik der zunehmenden Abwanderung aus der DDR (1984) und auf die sich ausbreitende Frage nach der Ökologie und den ethischen Implikationen. Als explizit theologische Fragestellungen widmete sich die Hallenser Gruppe vor allem und wiederkehrend der Gemeindetheologie (1971/74/76) und dem Verhältnis von Amt und Gemeinde (1977/78). Als eher randständig ist die Beschäftigung mit der Feministischen und Schwarzen Theologie (1982) zu bezeichnen, wohingegen eine Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Engagement der Kirche in der DDR 1973 mit einem deutlichen Interessenzuwachs an der von Lateinamerika ausgehenden Befreiungstheologie korrespondierte. Während sich spirituelle Anleihen in den Rundbriefen kaum finden, sind liturgische Überlegungen hinsichtlich der kirchlichen Bußfeiern wesentlich stärker ausgeprägt.

Grundsätzlich betrachtet lässt sich eine Dominanz innerkirchlicher Inhalte konstatieren, wenngleich es durchaus zu temporär unterschiedlichen Akzentsetzungen und zur Vermischung kirchlicher und gesellschaftlicher Themen kam. Im Vergleich zu den Fragen und Themen bundesdeutscher Gruppen wird zumindest in den 1970er Jahren eine teilweise Parallelität der Auseinandersetzungen deutlich, sodass es durchaus gerechtfertigt erscheint, von einem Ost-West-Thementransfer zu sprechen.670 Wichtig ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es der AKH nicht bei der bloßen Informierung durch die Rundbriefe beließ. In eigenen Stellungnahmen, die auf den AKH-Vollversammlungen erarbeitet und demokratisch autorisiert wurden, bezog der Aktionskreis selbst Position und erhob Forderungen gegenüber den Bischöfen und der Kirche. Hier sind die Positionspapiere zur Bischofswahl und zur Mischehenregelung zu nennen. Innerhalb des Themenspektrums des Aktionskreises Halle stechen drei Themen sowohl quantitativ als auch qualitativ besonders hervor: die Dresdner Pastoralsynode, die ostdeutsche Friedensdiskussion und nicht zuletzt das Themenfeld Ökumene. Das Entscheidende dieser drei Themen ist die Verbindung von innerkirchlichen Reformanliegen und gesellschaftsorientierter Ausrichtung der katholischen Kirche in der DDR und wird daher eigens erörert.

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