Kitabı oku: «Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen», sayfa 2
A. Heranführung an die Untersuchung
Immer mehr Unternehmen richten ihre Geschäftsmodelle darauf aus, mehrere Kundengruppen gleichzeitig anzusprechen und miteinander zu verbinden.1 Es handelt sich dabei häufig um digitale Plattformen, was aus dem Umstand folgt, dass diese Angebote derzeit im Wesentlichen über das offene Internet mittels des hierfür verwendeten Internetprotokolls erbracht werden. Digitale Plattformen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur verschiedene Kundengruppen, zwischen denen indirekte Netzwerkeffekte wirken, zusammenbringen, sondern sie stellen oftmals konventionelle Geschäftsmodelle digitalisiert dar, virtualisieren sie also. Letzteres meint, dass diese Unternehmen über das Konstrukt einer digitalen Plattform ein Produkt anbieten, das nicht zwingend grundsätzlich neu sein muss, sondern eine Nachfrage befriedigt, die bereits bestand und durch konventionelle Angebote nicht ausreichend befriedigt werden konnte. Dennoch können diese Angebote als neu, erweiternd, revolutionär oder verdrängend anzusehen sein2 – allgemein als „innovativ“. In der Kartellrechtswissenschaft sowie -praxis gewinnen Plattform-Sachverhalte eine zunehmende Bedeutung. Hierbei treten zunehmend Fragen auf, die im weiten wie auch im engeren Sinne mit Innovation in Verbindung gebracht werden. Der Sammelbegriff „digitale Plattformen“ umschreibt also innovationserhebliche Lebenssachverhalte. Erheblich meint hierbei diejenigen den Innovationsbegriff umschreibenden Umstände, die sich im Zusammenhang mit kartellrechtlichen Sachverhalten zur Beeinflussung rechtlicher Entscheidungen eignen. Dabei stellt sich ebenso die Frage, inwiefern diese erheblichen Umstände und auf ihnen basierende Annahmen in rechtliche Entscheidungen übertragen werden können. Ausgehend von einem in dieser Arbeit angenäherten Innovationsbegriff soll die Arbeit eine methodische Einordnung in das geltende europäische und deutsche Kartellrecht vornehmen und neue Denkansätze für innovationsbezogene Sachverhalte vorschlagen.
1 Zusammenfassend für die Diskussion in der deutschen Literatur Körber, ZUM 2017, S. 93 (94); Höppner/Grabenschröer, NZKart 2015, S. 162 (162); die Begriffsumschreibung geht maßgeblich auf die Erkenntnisse bei Rochet/Tirole, RJE 2006, S. 645 (664f.) zurück. 2 Kurz, Wirtschaftsdienst 2017, S. 785.
I. Digitale Plattformen als Herausforderer des Kartellrechts
Wirtschaftlich wie politisch haben digitale Plattformen in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen.3 Dies lässt sich besonders an den diversen Social-Media-Netzwerken festmachen, wie zum Beispiel Facebook, Twitter, LinkedIn und weitere. Aber auch Content-Angebote wie auf den Stream-Plattformen oder Handelsplattformen wie Amazon spielen eine wichtige Rolle. Digitale Plattformen erwirtschaften zunehmend höhere Rekordumsätze und gewinnen immer mehr Einfluss. So scheint sich bereits oberflächlich betrachtet der Trend stets zu bestätigen, dass sich, wenn in einem bestimmten Bereich eine Plattform einmal etabliert ist, immer mehr weitere Unternehmen wie auch Kunden auf das Angebot dieser Plattform einstellen.4 Gleichzeitig stehen sie als Unternehmen sinnbildlich für den Erfolg und die Bedeutung im Zeitalter der Informationsgesellschaft.5
Die wirtschaftswissenschaftliche Analyse von Plattformen hat sich seit Beginn des Jahrtausends verstärkt. Erkenntnisse aus der Forschung zu Industrieökonomie und Volkswirtschaft ermöglichen bereits die Erfassung digitaler Plattformen.6 So lässt sich hinsichtlich der Einordnung digitaler Plattformen in das System der Marktabgrenzung und Marktmachtbestimmung auf verschiedene Theorien zurückgreifen, insbesondere das Konzept von Plattformen als „mehrseitigen Märkten“.7 Die Anwendbarkeit dieser wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse wurde bereits in ersten Entscheidungen der europäischen Kommission und des Bundeskartellamts erörtert.8 Auch juristische Arbeiten setzen sich mit diesem Konzept auseinander.9 Dabei sind derzeit einige Fragen noch offen, die für diese Untersuchung relevant sind. Bereits auf der begrifflichen Ebene ist nicht abschließend geklärt, inwieweit das Konzept der mehrseitigen Märkte zur Erfassung von Plattform als solches geeignet ist auch den Begriff Markt auszufüllen.10 Da nämlich der Markt verkürzt gesagt durch Angebot und Nachfrage beschrieben wird11 und diese beiden Merkmale mehrseitigen Wirtschaftszweige regelmäßig mehrfach, nämlich mindestens in der jeweils beschriebenen Plattform-Seite, vorkommen, ist auch das Vorliegen eines oder mehrerer sachlich relevanter Märkte fraglich. So scheint jedenfalls klar, dass das Konzept der mehrseitigen Marktbeziehungen die Feststellung eines Marktes an sich nicht ersetzen kann. Stattdessen müssen auch bei Plattformen zunächst die jeweiligen Plattform-Seiten untersucht werden. Entsprechend ist der Begriff „mehrseitige Märkte“ missverständlich. Geeigneter erscheint hier die Bezeichnung „mehrseitige Wirtschaftszweige“, „mehrseitige Marktbeziehungen“ oder aber „mehrseitige Geschäftsmodelle“.12 Dennoch wird in der neuen Regelung des § 18 Abs. 3a GWB der Begriff „mehrseitige Märkte“ verwendet. Die Arbeit wird hierzu eine Klarstellung vornehmen.
Der wissenschaftliche Diskurs im Kartellrecht beschäftigt sich im Zusammenhang mit digitalen Plattformen mit mehreren grundlegenden Problemen.13 So geht es um das Verhältnis digitaler Plattform zum Begriff des relevanten Marktes. Hier bildet das in der ökonomischen Wissenschaft entwickelte Konzept der mehrseitigen Marktbeziehungen eine prägende Rolle für rechtliche Lösungskonzepte.14 Denn aufgrund der für digitale Plattformen prägenden Matchmaker-Funktionen15 lassen sich diese nicht mehr ohne weiteres in das von einem bipolaren Markt Begriff geprägte Kartellrecht einordnen. Die Tätigkeit der meisten Unternehmen am Markt besteht nicht mehr allein in der Befriedigung spezifischer Produkt- oder Leistungsnachfragen, sondern zunehmend in der Vermittlung unterschiedlicher Interessen oder jedenfalls Verknüpfung mehrerer Marktverhältnisse. Hinzu kommt, dass digitale Plattformen ihr Angebot häufig an eine Nutzergruppe ohne ein unmittelbares monetäres Entgelt bereitstellen. Wenn sich digitale Plattformen aber bereits nicht ohne weiteres in das konventionelle bipolare Marktverständnis, dass nämlich der Markt durch Angebot und Nachfrage geprägt ist, einzuordnen lassen scheinen, ist in der Folge die Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung vor neue Herausforderungen gestellt. Dies ist bereits in einigen Fusionskontroll- bzw. Marktmachtmissbrauchsverfahren zum Gegenstand einer praktischen Entscheidung gemacht worden.16 Hier sind noch Prüfkonzepte zu entwickeln und zu vermitteln, die einer rechtlichen Überprüfung standhalten.
Der deutsche Gesetzgeber hat mit der 9. GWB-Novelle im Jahr 2017 neue Regelungen aufgenommen, wie sie zuvor in der Rechtspraxis und insbesondere von den Kartellbehörden diskutiert wurden. Eines dieser Merkmale, dass bei Plattform-Sachverhalten anwendbar sein soll, ist das des „innovationsgetriebenen Wettbewerbsdrucks“ nach § 18 Abs. 3a Nr. 5 GWB. Eine hilfreiche Begründung liefert der Gesetzgeber hierzu nicht, relativiert sich vielmehr selbst, indem in der Gesetzesbegründung die bloße Aussicht auf das zukünftige Wegfallen einer marktbeherrschenden Position als nicht ausreichender Einwand zu sehen ist.17 Es komme stattdessen auf eine nicht nur abstrakte, zeitlich vage Angreifbarkeit der Marktposition an. Für die kartellrechtliche Fallmethodik stellt sich hier zum einen ebenso die Herausforderung der Klärung des Innovationsbegriffs, und zwar als Bestandteil des Kriteriums eines innovationsgetriebenen Wettbewerbsdrucks, zum anderen ist eine Abgrenzung zwischen dem von diesem Kriterium erfassten Druck einerseits und den nicht mehr erfassten abstrakten Veränderungen andererseits vorzunehmen. Die Arbeit soll an dieser Stelle eine aufgreifende Auslegung dieser neuen Vorschrift vornehmen.
Kartellrecht ist bereits innovationsrelevantes Recht unabhängig von dieser konkreten Neuregelung in der Form, dass es aufgrund seiner Zielbestimmung, seines Schutzzwecks und seines Wortlauts innovationserhebliche Sachverhalte miterfasst. Über die Frage nach bestehender Marktmacht hinaus lässt sich Innovation in einen Zusammenhang mit dem tatsächlichen oder erwarteten Verhalten marktmächtiger Unternehmen stellen. Daneben kann Innovation in mehrseitigen Maßnahmen verschiedener Unternehmen eine Rolle spielen. Es handelt sich hierbei um einen sprachlichen Ausdruck, der im Zusammenhang mit kartellrechtlichen Sachverhalten – und insbesondere mit Plattform-Sachverhalten – also vielfältig verwendet wird und dessen begriffliche Einordnung deshalb zu erörtern ist.18
3 Evans/Schmalensee, Was unterscheidet Plattformen von traditionellen Unternehmen? v. 14.7.2016, http://www.harvardbusinessmanager.de/blogs/was-unterscheidet-plattformen-vontraditionellen-unternehmen-a-1102862.html (abgerufen 14.12.2019); auch bereits Wieddekind, in: Eifert/Hoffmann-Riem, Innovation und rechtliche Regulierung, 2002, S. 134. 4 Schweitzer et al., Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, 2018, S. 15. 5 Dewenter/Rösch, Einführung in die neue Ökonomie der Medienmärkte, 2015, S. 8. 6 Vgl. insbesondere den für die Entwicklung des Konzepts der mehrseitigen Plattformen maßgeblichen Aufsatz von Rochet/Tirole, JEEA 2003, S. 990ff.; eine historische Darstellung findet sich bei Evans/Schmalensee, Matchmakers, 2016, S. 14ff. 7 Evans, YJR 2002, S. 325 (325ff.); Rochet/Tirole, JEEA 2003, S. 990 (990ff.); Rochet/Tirole, RJE 2006, S. 645 (645ff.); Armstrong, RJE 2006, S. 668 (668ff.); Armstrong/Wright, ET 2007, S. 353 (353ff.); Evans/Noel, JCLE 2008, S. 663 (663ff.); grundlegend im deutschsprachigen Raum dazu Budszinski/Lindstädt, WiST 2010, S. 436 (436ff.); Dewenter/Rösch, Einführung in die neue Ökonomie der Medienmärkte, 2015, S. 8ff. 8 Bundeskartellamt, Arbeitspapier – Marktmacht von Plattformen und Netzwerken v. 9.6.2016, https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Berichte/Think-Tank-Bericht.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (abgerufen 14.12.2019), S. 14ff. 9 Siehe insbesondere die Arbeit von Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, 2015. 10 Grave, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kapitel 2, Rn. 15 m.w.N. 11 Podszun, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kapitel 1, Rn. 5; Podszun/Franz, NZKart 2015, S. 121 (124). 12 Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, 2015, S. 25. 13 Vgl. Wolf, Kartellrechtliche Grenzen von Produktinnovationen, 2004, S. 72, der ein Ändern „aller essentiellen Variablen einer kartellrechtlichen Überprüfung wie Wettbewerber, Marktdefinition, Wettbewerbsvorteile, Auswirkungen bestimmter Verhaltensweisen und Natur der zu erwartenden Renten“ bereits 2004 voraussah. 14 Bundeskartellamt, Big Data und Wettbewerb v. 6.10.2017, http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Schriftenreihe_Digitales/Schriftenreihe_Digitales_1.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (abgerufen 14.12.2019), S. 5; eine Erörterung und kartellrechtliche Einordnung des Phänomens der mehrseitigen Wirtschaftsbeziehungen erfolgt auch bei Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, 2015. 15 Evans/Schmalensee, Matchmakers, 2016, S. 16. 16 Siehe vor allem Kommission, Entsch. v. 6.12.2016 – M.8124 (Microsoft/LinkedIn); Kommission, Entsch. v. 3.10.2014 – M.7217 (Facebook/WhatsApp); BKartA, Beschl. v. 20.4.2015 – B6-39/15 (Online-Immobilienplattformen), nicht veröffentlicht; BKartA, Beschl. v. 24.7.2015 – B8-76/15 (Online-Vergleichsplattformen), nicht veröffentlicht. 17 Regierungsbegründung zur 9. GWB-Novelle, BT-Drs.18/10207, S. 51. 18 Einführend zur Bedeutung sprachlicher Ausdrücke und ihrer Funktion der Rechtswissenschaft: Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2018, Rn. 155a.
II. Innovation als Herausforderung für die Rechtsanwendung
Gegenwärtige wissenschaftliche Auseinandersetzungen beschäftigen sich bereits partikular mit einzelnen Aspekten dieser Untersuchung.19 So werden der Plattform-Begriff und das Konzept der mehrseitigen Märkte in den letzten Jahren bereits allgemein unter rechtlichen Aspekten diskutiert, zunehmend speziell in kartellrechtlicher Hinsicht.20 Auch rechtswissenschaftliche Innovationsforschung wird bereits seit mehreren Jahrzehnten mit unterschiedlichen Schwerpunkten betrieben, vorangetrieben insbesondere von Hoffmann-Riem.21 Besonders stark in der Diskussion stehen hier die Ausgangstheorien von Schumpeter zu Innovation und Wirtschaft, auf die es besonders ankommen wird.22 Jedoch gibt es für Plattform-Sachverhalte in der Digitalwirtschaft bislang noch kein Bindeglied zwischen Innovationstheorie und Kartellrecht in Form einer substantiierten Aufarbeitung eines eigenständigen kartellrechtlich fassbaren Innovationsbegriffs. Vereinzelten Darstellungen zu Einzelproblemen fehlt es an ganzheitlich verwertbaren Erkenntnissen, die sich methodisch abstrakt-generell auf andere innovationserhebliche Sachverhalte übertragen lassen.23 Insbesondere beschränken sich bisherige Forschungen sehr stark auf dynamische Effizienz und lassen dabei den Aspekt der Effektivität außer Acht.24 Hoffmann-Riem weist hierzu darauf hin, dass regelmäßig nicht zwischen Effizienz und Effektivität unterschieden wird, dies aber zur Klärung einer Innovationstheorie erforderlich sei.25 Dies erscheint noch deutlicher angesichts des von der EU-Kommission vorangetriebenen More Economic Approach, der sehr stark auf die Betrachtung von Effizienzen abstellt.26 Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage nach der Geltung von Recht in dynamischen Wettbewerbssachverhalten und einem eigenständigen rechtstheoretischen Begründungsansatz. Dies ist mit dem Problem sich stark verändernder Sachverhalte und weitgehend offener und unbestimmter Rechtsbegriffe des Kartellrechts konfrontiert. Effektivität kann als Maßstab des Wettbewerbs die Grundlage seiner Innovationsgeneigtheit darstellen. Offen ist bislang seine rechtliche Rückanbindung. Diese Arbeit soll die Lücke schließen und methodische verallgemeinerungsfähige Argumentationsinstrumente bereitstellen, indem sie eine kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattform-Sachverhalte entwickelt und dabei gleichzeitig eine dogmatische Abgrenzung zwischen Effektivität und Effizienz vornimmt. Untersucht wird auch die Auswirkung des Umstands Dynamik in kartellrechtlich zu bewertenden Sachverhalten. Dynamik ist die Grundannahme der Untersuchung in tatsächlicher Hinsicht, ausgehend von der ein rechtliches Innovationsverständnis aus dem Rechtsbegriff Wettbewerb abgeleitet wird. Grundlage ist hierbei die von Möschel entwickelte Theorie der beweglichen Schranken, die ein auf die Effektivität der ausgelebten Wettbewerbsfreiheiten gestütztes materielles Abwägungskonzept ermöglicht und angesichts der jüngeren BGH-Rechtsprechung erneute Bedeutung gewinnt.27
Die technische Umsetzung von digitalen Plattform-Geschäftsmodellen erfolgt über das Internet und die damit verbundenen Protokolle. Auf eine grundsätzliche Erläuterung der technischen Voraussetzungen wird es hierbei aus kartellrechtlicher Hinsicht zwar nicht ankommen. Gleichwohl ist es für die Klärung einiger sich aus Plattform-Sachverhalten ergebender Fragen erforderlich, Grundbegriffe aus der Informatik und Fernmeldetechnik mit Bezügen zur Digitalisierung und der Internetstruktur zu erläutern. Hier soll auf gesicherte Erkenntnisse zurückgegriffen werden. Dies betrifft ebenso sämtliche Schlagworte, die im Zusammenhang mit dem Lebenssachverhalt der digitalen Plattformen stehen könnten. Hierzu zählen unter anderem „Internet“, „IP“, „Digitalisierung“, „virtuell“ und „Over the Top“. Dogmatisch steht dies bei dieser Untersuchung im Zusammenhang mit der Vermittlung von Informationen durch digitale Plattformen. Informationen, Daten und übergreifend Wissen gewinnen in einem dynamischen Wettbewerb weitere Bedeutung und damit für diese Untersuchung.
Für die materiell-rechtliche Analyse soll im Weiteren die Entwicklung in der jüngeren Rechtsprechung des BGH zum Marktmachtmissbrauchsverbot aufgegriffen werden, das positive Kartellrecht unter Berücksichtigung von außerhalb dieses Rahmens liegenden Wertungen auszulegen.28 Dies könnte auf eine Auslegung des Kartellrechts hindeuten, die nicht allein nach wirtschaftlichen statistischen oder verallgemeinerten Erkenntnissen erfolgt, sondern eine einzelfallbezogene Wertung vornimmt und dabei wiederum stärker auf das geltende Recht und den Zweck des Kartellrechts als Entscheidungsgrundlage abstellt.29 Eine ähnliche Entwicklung zeichnete sich im Bereich des Verbots wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen zwischen mehreren Unternehmen ab, indem die möglichen wettbewerbsimmanenten Zwecke hier deutlich mehr herausgearbeitet wurden.30 Hieraus kann wiederum auf ein eigenständiges rechtliches Verständnis des Innovationsbegriffs innerhalb der Rechtsordnung zu schließen sein.
19 Zur Übersicht auch mit den historischen Bezügen der Forschung Kerber, Competition, Innovation, and Competition Law: Dissecting the Interplay, MAGKS Joint Discussion Paper Series in Economics v. 6.10.2017, https://www.uni-marburg.de/fb02/makro/forschung/magkspapers/paper_2017/42-2017_kerber.pdf (abgerufen 14.12.2019); Siehe auch Ellger, ZWeR 2018, S. 272 (274) mit einer anschließenden Einordnung in das allgemeine Kartellrecht. 20 Vgl. bereits Volmar, Digitale Marktmacht, 2019; BKartA, Beschl. v. 22.10.2015 – B6-57/15 (Online-Datingplattformen), BeckRS 2016, 1137, Rn. 72; Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, 2015; Assion, Must Carry, 2015; Kumkar, Online-Märkte und Wettbewerbsrecht, 2017; Bardong, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, § 18 GWB, Rn. 159; Zimmerlich, Marktmacht in dynamischen Märkten, 2007. 21 Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, 2016; siehe in diesem Zusammenhang aber auch Wieddekind, in: Eifert/Hoffmann-Riem, Innovation und rechtliche Regulierung, 2002, S. 134; Wolf, Kartellrechtliche Grenzen von Produktinnovationen, 2004, S. 72f.; Fleischer, Behinderungsmissbrauch durch Produktinnovation, 1997. 22 Schumpeter, Konjunkturzyklen, 1961, S. 95ff.; Schumpeter, in: Stolper/Seidl, Aufsätze zur Wirtschaftspolitik, 1985, S. 226; Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 1993. 23 Zuletzt siehe den Aufsatz mit einem Schwerpunkt auf einer innovationsbezogenen Effizienzeinrede von Holzweber, in: Maute/Mackenrodt, Recht als Infrastruktur für Innovation, 2019, S. 41; vgl. auch die längeren Arbeiten von Leber, Dynamische Effizienzen in der EU-Fusionskontrolle, 2018; Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 2012; Schuhmacher, Effizienz und Wettbewerb, 2011; Gauß, Die Anwendung des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots nach Art. 82 EG (Art. 102 AEUV) in innovativen Märkten, 2010; Heidrich, Das evolutorisch-systemtheoretische Paradigma in der Wettbewerbstheorie, 2009; Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018; Volmar, Digitale Marktmacht, 2019. 24 Podszun, in: Surblytė, Competition on the Internet, 2015, S. 101; Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, 2014; Leber, Dynamische Effizienzen in der EU-Fusionskontrolle, 2018; Zimmerlich, Marktmacht in dynamischen Märkten, 2007; Holzweber, in: Maute/Mackenrodt, Recht als Infrastruktur für Innovation, 2019, S. 41; kritisch hierzu aufgrund der schwierigen Feststellbarkeit Kerber, Competition, Innovation, and Competition Law: Dissecting the Interplay, MAGKS Joint Discussion Paper Series in Economics v. 6.10.2017, https://www.uni-marburg.de/fb02/makro/forschung/magkspapers/paper_2017/42-2017_kerber.pdf (abgerufen 14.12.2019); ähnlich Schmidt, in: Joost/Oetker/Paschke, Festschrift für Franz Jürgen Säcker zum 70. Geburtstag, 2011, S. 937 (942f.). 25 Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, 2016, S. 369. 26 Einführend Kersting/Walzel, in: Busche/Röhling, Kölner Kommentar zum Kartellrecht, Art. 101 AEUV, Rn. 527ff.; Böni/Regenthal, WuW 2006, S. 1230; Hildebrand, WuW 2005, S. 513; Schmidtchen, WuW 2006, S. 6; Basedow, WuW 2007, S. 712; Zimmer, WuW 2007, S. 1198 (1203); zu den historischen Hintergründen siehe Witt, The more economic approach to EU antitrust law, 2016, S. 54ff. 27 Möschel, ORDO 1979, S. 295 (310); ähnlich im Hinblick auf die dort angenommenen Zielkonflikte Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1983, S. 49, 76ff., 332, 406ff.; dies unter Bezug auf BGH, Urt. v. 7.6.2016 – KZR 6/15 (Claudia Pechstein), NZKart 2016, 328 = NJW 2016, 2266, Rn. 48 bei digitalen Plattformen aufgreifend Künstner, K&R 2019, S. 605 (611); vgl. dazu Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht. Band 2 GWB, § 19 GWB, Rn. 33; siehe hierzu auch die Arbeiten von Unseld, Zur Bedeutung der Horizontalwirkung von EU-Grundrechten, 2016; Hornung, Grundrechtsinnovationen, 2015; auch die Darstellungen bei Bueren, ZWeR 2019, S. 403; nunmehr BGH, Beschl. v. 23.6.2020 – KVR 69/19 (Facebook), ECLI: DE:BGH:2020:230620BKVR69.19.0, NZKart 2020, 473 = GRUR-RS 2020, 20737, Rn. 105ff. 28 BGH, Urt. v. 6.11.2013 – KZR 58/11 (VBL-Gegenwert I), NZKart 2014, 31; BGH, Urt. v. 24.1.2017 – KZR 47/14 (VBL-Gegenwert II), NZKart 2017, 242; BGH, Urt. v. 7.6.2016 – KZR 6/15 (Claudia Pechstein), NZKart 2016, 328 = NJW 2016, 2266. 29 Podszun, in: Kokott/Pohlmann/Polley, Europäisches, deutsches und internationales Kartellrecht, 2018, S. 613 (632); Müller-Graff, EuR 2014, S. 3 (13). 30 EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16 (Coty Germany), ECLI:EU:C:2017:941, MMR 2018, 77 (m. Anm. v. Hoeren) = NZKart 2018, 36 = GRUR 2018, 211 (m. Anm. v. Funke/Neubauer) = ZVertriebsR 2018, 52.