Kitabı oku: «Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen», sayfa 3
III. Wettbewerb unter Dynamik, Wissen und Effektivität
Ausgehend von diesen Darstellungen ergeben sich folgende Ausgangsthesen und Annahmen, die in dieser Arbeit untersucht werden:
• Bei dem Ausdruck „digitale Plattformen“ handelt es sich um einen möglichen Sammelbegriff für besonders innovationserhebliche Lebenssachverhalte;
• Kartellrecht als abgrenzbare rechtliche Materie ist innovationsrelevantes Recht31;
• Wettbewerb als Schutzgut des Kartellrechts ist dynamisch und muss deshalb erstens ständig unter Berücksichtigung neuer wettbewerbstheoretischer Erkenntnisse und Empirie und zweitens unter Berücksichtigung einer Abwägung seiner jeweiligen Zwecke ausgelegt werden;
• Ein dynamischer Wettbewerb kann rechtlich nicht allein an einem Ziel gemessen werden, sondern muss im Rahmen einer an vielfältigen Prinzipien sich orientierenden graduellen Abwägung auf seine Effektivität hin betrachtet werden;
• „Innovation“ ist ein kartellrechtlich erfassbarer Begriff, der über eine bloße Sachverhaltserfassung hinaus einer eigenständigen Einordnung in das geltende Rechtssystem bedarf;
• „Innovation“ kann Entfaltungsfreiraum und Grad des effektiven Wettbewerbs sein;
• Digitale Plattformen sind nach dem geltenden Kartellrecht bereits grundsätzlich erfassbar, jedoch bedarf es hierfür den Besonderheiten mehrseitiger Geschäftsmodelle Bedeutung tragende methodische Argumentationsstrukturen;
• Das Streben nach Monopolstellungen oder Vorsprüngen ist dem effektiven Wettbewerb immanent, kann also nicht durch das geltende Kartellrecht verhindert werden, sondern nur durch den Wettbewerb selbst, der deshalb als Auf- und Abbauprozess zu schützen ist;
• Der Forderung nach einem „perfekten Wettbewerb“ kann als Einwand das Risiko eines innovationsfeindlichen Zustands entgegengehalten werden, der den eigentlichen Zielen des geltenden Kartellrechts zuwiderlaufen würden;
• Ein Prima-facie-Kartellrechtsverstoß kann im Zusammenhang mit Innovationen tatbestandlich ausgeschlossen sein;
• Kartellrechtlich tatbestandliche Maßnahmen können im Zusammenhang mit Innovationen freigestellt sein.
Dabei beschränkt sich die Untersuchung in materiellrechtlicher Hinsicht auf die drei Kernbereiche des Kartellrechts, nämlich das Verbot wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen zwischen mehreren Unternehmen gemäß Art. 101 AEUV bzw. § 1 GWB, das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gemäß Art. 102 AEUV bzw. §§ 19, 20 GWB sowie die Zusammenschlusskontrolle nach der EU-Fusionskontrollverordnung bzw. §§ 35ff. GWB. Nicht untersucht werden soll das Beihilfenrecht. Sektorspezifische Vorschriften mit marktregulatorischen Bezügen sollen nur betrachtet werden, soweit sich hieraus Rückschlüsse auf den Untersuchungsgegenstand ziehen lassen. Diese „drei Säulen“ des Kartellrechts können in ihrem überschaubaren Wortlautbestand ausgelegt werden, wobei sie sich besonders stark durch unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln auszeichnen. Dies betrifft unter anderem die Begriffe „Wettbewerb“, „Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung“, „bezwecken oder bewirken“ beim Verbot wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen zwischen mehreren Unternehmen, „missbräuchliche Ausnutzung“, „unbillige Behinderung“, „ohne sachliche gerechtfertigten Grund“, „hohe Wahrscheinlichkeit bei wirksamem Wettbewerb“, „abweichen“ beim Marktmachtmissbrauchsverbot sowie „abhängig“, „ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten“ bei der Sondervorschrift des § 20 Abs. 1 S. 1 GWB zu relativer Marktmacht und schließlich „erhebliche Inlandstätigkeit“ und „erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs“ bei der Fusionskontrolle.
Ziel ist dabei zum einen eine Auslegung der für eine derartige Berücksichtigung von Innovation maßgeblichen rechtlichen Vorschriften. Zum anderen wird die rechtliche Bedeutung von Innovation im europäischen und deutschen Kartellrecht analysiert. Da Innovation in einem Zusammenhang mit Wettbewerb steht, setzt sich ein wesentlicher Teil dieser Arbeit mit der Definition des Begriffs „Wettbewerb“ auseinander und nimmt eine Einordnung des wettbewerblichen Innovationsbegriffs vor. Hierbei soll das Verhältnis zwischen Wettbewerbs- und Rechtsordnung erörtert werden und hieran anknüpfend die Frage diskutiert werden, ob sich überhaupt ein fassbarer Innovationsbegriff ableiten lässt. Im Ergebnis können sich im Zusammenhang mit der hier entwickelten kartellrechtlichen plattformbezogenen Innovationstheorie verallgemeinerbare und auf andere Sachverhalte übertragbare Auslegungs- und Abwägungskriterien ergeben. Methodisch wird angesichts des überschaubaren positiv geregelten Vorschriftenbereichs und der enthaltenen Generalklauseln und offenen Tatbestandsmerkmale eine Wortlautanalyse oder systematische Auslegung eine geringere Bedeutung haben als eine teleologisch-historische Auslegung am eigentlichen Gesetzeszweck. Dabei soll sich diese Arbeit nicht von anekdotischer Evidenz der zunehmenden behördlichen und gerichtlichen Kasuistik leiten lassen, sondern diese vielmehr in einen allgemeinen dogmatischen Zusammenhang stellen und anhand dessen vertretbare Argumentationen für innovationserhebliche Plattformsachverhalte ableiten.
In dem folgenden ersten untersuchenden Abschnitt wird der Lebensbereich digitale Plattform mit seinen gesellschaftlichen und ökonomischen Besonderheiten erläutert. Dabei soll diese Untersuchung zunächst deduktiv ausgehend von gegenwärtigen Beispielen typische Gemeinsamkeiten bei Plattform-Sachverhalten darstellen, anhand derer sich das in der Wirtschaftswissenschaft entwickelte Konzept der „mehrseitigen Wirtschaftszweige“ erörtern lässt und in das geltende europäische und deutsche Kartellrecht eingeordnet werden soll. Er schließt mit der Feststellung, dass digitale Plattformen aufgrund technischer Entwicklungen und sozialer Veränderungen einen besonderen wettbewerblichen Bezug zu Innovation haben. Dieser Ausdruck wird im Weiteren genauer auf ein rechtlich erhebliches Verständnis hin diskutiert. Dabei soll ausgehend von einem sprachlichen Verständnis zunächst ein allgemeiner rechtstheoretischer Ansatz erarbeitet werden, anhand dessen ein allgemeiner sprachlicher Ausdruck rechtlich erheblich sein kann. Unter Berücksichtigung des hierbei erzielten Verständnisses und damit einhergehender Begriffseingrenzungen sollen verfassungsrechtliche Grundlagen sowie philosophische, sozialwissenschaftliche und wettbewerbstheoretische Konzepte zur Innovationstheorie erörtert werden. Diese setzten sich mit der Fragestellung auseinander, wie in innovationserheblichen Sachverhalten überhaupt Recht gefunden und kartellrechtliche Fälle entschieden werden können. Schließlich sollen die jüngeren Entwicklungen in der Rechtspraxis im Zusammenhang mit Plattform-Sachverhalten daraufhin untersucht werden, ob und wenn ja unter welchen Bedingungen eine innovationsbezogene Schadenstheorie bereits besteht oder noch entwickelt werden kann, es also nicht nur um „Innovation und Kartellrecht“ geht, sondern um einen Aspekt der „Innovation im Kartellrecht“. An diesen kartellrechtlichen Schnittstellen anknüpfend wird sich der letzte Abschnitt mit der kartellrechtlichen Bewertung des Verhältnisses zwischen Plattform-Sachverhalten und Innovation befassen.
31 Vgl. zu dieser Aussage bereits Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schneider, Rechtswissenschaftliche Innovationsforschung, 1998, S. 11.
B. Innovationserheblichkeit digitaler Plattformen
In der Rechtspraxis der letzten Jahre haben digitale Plattformen und damit besonders verbunden datengetriebene Geschäftsmodelle ein zunehmend bedeutenderes Gewicht in der kartellrechtlichen Dogmatik gewonnen.32 Eine einheitliche rechtliche Bewertung oder ein dieser vorausgehendes Verständnis fehlt bislang noch. Evans/Schmalensee sehen die Besonderheiten der Plattform-Wirtschaft in den technischen Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien in Form eines zunehmend kommerziell offeneren Internets seit den mittleren 1990er Jahren sowie dem zusätzlichen Ausbau mobiler Breitbandnetze und damit verbundenen gesunkenen Transaktionskosten.33 Diese Besonderheiten rücken digitale Plattformen in eine besondere Nähe zu innovationsbezogenen Technologien, indem sie diese einerseits als Vehikel für ihren wirtschaftlichen Erfolg nutzen, andererseits das Begriffspaar Innovation und Wettbewerb durch ständig sich wandelnde Geschäftsmodelle und ihre enge Verzahnung untereinander in neue Verhältnisse untereinander bringen, die mit dieser Untersuchung beleuchtet werden sollen.34 Plattformen umschreiben also innovationserhebliche Sachverhalte. Datengetrieben meint dabei, dass diese Plattformen in besonderer Weise mit dem gestiegenen Interesse an einem Austausch an Informationen und Daten in einem weiteren Sinne verbunden werden können.35 Plattformen machen sich die technologischen wie wirtschaftlichen und wettbewerblichen Vorteile der Entwicklungen in der Internetwirtschaft zu eigen.
Plattformen sind als solche keine völlig neue Erscheinungsform.36 Bereits vor dem sogenannten „digitalen Zeitalter“ gab es Unternehmen, die Netzwerkeffekte für sich ausnutzten und verschiedene Nutzergruppen mit unterschiedlichen Interessen miteinander verbanden, zum Beispiel im Zusammenhang mit Software, Medienportalen, Zeitschriften und Zahlungsdiensten.37 Mit zunehmender Digitalisierung und größerer Wertschöpfung in der Online- und Digitalwirtschaft gewinnen Plattformen ebenso weitere wie neue Bedeutungen.38 Dies liegt an den mit dem Internet verbundenen Vorteilen, insbesondere den noch aufzuzeigenden Kostenvorteilen, besserer Verteilung nachgefragter Produkte und Vermittlung von Informationen und damit Wissen, sowie einer schnellen Erschließung nächster Kapitalisierungsmöglichkeiten.39 Besonders stark zeigt sich dies in technischer Hinsicht darin, dass die neuen Technologien vor allem auf eine schnellere und wirtschaftlichere Verarbeitung von Informationen ausgerichtet sind, weshalb digitale Plattformen als besonderes soziales Phänomen des sogenannten „Informationszeitalters“ angesehen werden können. Eine besondere Bedeutung haben hier zudem Netzwerkeffekte, die in Zusammenhang mit den Entscheidungen einzelner Individuen einer bestimmten Nutzergruppe und deren Auswirkungen auf andere Individuen derselben oder einer anderen Nutzergruppe stehen. Die beiden wesentlichen Herausforderungen für Plattform-Anbieter liegen hier einerseits darin, verschiedene Nutzergruppen zu adressieren und Nutzerbeziehungen zu generieren, und andererseits in einem hiermit einhergehenden Henne-Ei-Paradoxon hinsichtlich der zuerst präsenten Nutzergruppe.40 Dabei kann der Zusatz „digital“ ebenso wenig wie bereits der Plattformbegriff fest definiert werden, sondern dient vielmehr einer ersten Annäherung an den Untersuchungsgegenstand und seiner Eingrenzung, um daraus die für eine rechtliche Bewertung erheblichen Besonderheiten herauszuarbeiten.
32 Vgl. allein: Bundeskartellamt, Digitale Ökonomie – Internetplattformen zwischen Wettbewerbsrecht, Privatsphäre und Verbraucherschutz v. 1.10.2015, https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Diskussions_Hintergrundpapier/AK_Kartellrecht_2015_Digitale_Oekonomie.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (abgerufen 14.12.2019), S. 8ff.; zur Übersicht Telle, in: Blocher/Heckmann/Zech, DGRI Jahrbuch 2016, 2017, S. 143 (143); aus der Rechtspraxis der EU-Kommission vgl. exemplarisch Kommission, Entsch. v. 18.7.2018 – AT.40099 (Google Android); Kommission, Entsch. v. 27.6.2017 – AT.39740 (Google Search (Shopping)), http://ec.europa.eu/competition/antitrust/cases/dec_docs/39740/39740_14996_3.pdf (abgerufen 29.11.2018); Kommission, Entsch. v. 6.12.2016 – COMP/M.8124 (Microsoft/LinkedIn), http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/decisions/m8124_1349_5.pdf (abgerufen 29.11.2018); Kommission, Entsch. v. 3.10.2014 – COMP/M.7217 (Facebook/WhatsApp), ABl. C 417, 4; aus der Rechtspraxis des Bundeskartellamts vgl exemplarisch BKartA, Beschl. v. 6.2.2019 – B6-22/16 (Facebook), BeckRS 2019, 4895; BKartA, Beschl. v. 22.12.2015 – B9-121/13 (Meistbegünstigungsklauseln bei Booking.com), BeckRS 2016, 4449; BKartA, Beschl. v. 22.10.2015 – B6-57/15 (Online-Datingplattformen), BeckRS 2016, 1137; BKartA, Beschl. v. 26.8.2015 – B2-98/11 (Asics), BeckRS 2016, 9244; aus der europäischen Rechtsprechung siehe allein EuGH, Urt. v. 6.12.2017 – C-230/16 (Coty Germany), ECLI:EU:C:2017:941, MMR 2018, 77 (m. Anm. v. Hoeren) = NZKart 2018, 36 = GRUR 2018, 211 (m. Anm. v. Funke/Neubauer) = ZVertriebsR 2018, 52; EuGH, Urt. v. 21.1.2016 – C-74/14 (Eturas), ECLI:EU:C:2016:42, NZ-Kart 2016, 133; EuG, Urt. v. 17.9.2007 – T-201/04 (Microsoft), ECLI:EU:T:2007:289, Slg. 2007, II-03601 = BeckRS 2007, 70806; in der deutschen Rechtsprechung BGH, Beschl. v. 21.6.2018 – I ZR 40/17 (Ersatzteilinformation), GRUR 2018, 955; BGH, Urt. v. 12.12.2017 – KZR 50/15 (Rimowa), NZKart 2018, 134. 33 Evans/Schmalensee, Matchmakers, 2016, S. 19. 34 Bester, Theorie der Industrieökonomik, 2017, S. 185; Bundeskartellamt, Arbeitspapier – Marktmacht von Plattformen und Netzwerken v. 9.6.2016, https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Berichte/Think-Tank-Bericht.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (abgerufen 14.12.2019), S. 84; bereits Boehme-Neßler, ZÖR 2009, S. 145 (149). 35 Telle, in: Blocher/Heckmann/Zech, DGRI Jahrbuch 2016, 2017, S. 143; Graef, EU competition law, data protection and online platforms, 2016; Drexl, JIPITEC 2017, S. 257; König, in: Hennemann/Sattler, Immaterialgüter und Digitalisierung, 2017, S. 89; Louven, NZKart 2018, S. 217; Schweitzer, GRUR 2019, S. 569; die Bedeutung und weitere Einzelaspekte dazu auch darstellend Kaben, in: Körber/Immenga, Daten und Wettbewerb in der digitalen Ökonomie, 2016, S. 123; Mayer-Schönberger/Ramge, Das Digital, 2017; Richter/Slowinski, IIC 2019, S. 4; Sattler, in: Sassenberg/Faber, Rechtshandbuch Industrie 4.0 und Internet of Things, § 2; Schweitzer/Peitz, NJW 2018, S. 275; Körber, NZKart 2016, S. 303; Körber, NZKart 2016, S. 348. 36 Vgl. zu dieser Aussage kritisch Dewenter/Rösch, Einführung in die neue Ökonomie der Medienmärkte, 2015, S. 8. 37 Rochet/Tirole, JEEA 2003, S. 990 (990); Rochet/Tirole, RJE 2006, S. 645 (646); Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, S. 387 (388). 38 Einführend dazu Henseler-Unger, in: Sassenberg/Faber, Rechtshandbuch Industrie 4.0 und Internet of Things, § 1, Rn. 6ff.; Scheer, IS 2016, S. 275 (277); Nach Körber, ZUM 2017, S. 93 (94) sind mehrseitige Geschäftsmodelle wie Plattformen „im Internet“ die Regel und nicht die Ausnahme. 39 Rochet/Tirole, JEEA 2003, S. 990 (990). 40 Dewenter/Rösch, Einführung in die neue Ökonomie der Medienmärkte, 2015, S. 4f; Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, 2015, S. 111ff.; dies zurückführend auf die Untersuchungen ausgehend von Rochet/Tirole, JEEA 2003, S. 990 (990).
I. Eingrenzung und technische Hintergründe
Der wirtschaftliche Erfolg vieler Plattformen hängt mit den zunehmend besseren, schnelleren und kostengünstigeren Möglichkeiten zusammen, Informationen zu verarbeiten, zu transportieren und zu teilen.41 Dies lässt sich an den im ausgehenden 20. Jahrhundert eintretenden Entwicklung der Informationstechnologie beobachten, die schließlich in die als solche genannte „digitale Revolution“ überging.42 Es besteht also ein erster enger Zusammenhang zwischen Innovation und den technischen Entwicklungen der letzten Jahre und dem Erfolg einiger Plattform-Unternehmen.43 Informationstechnologie beschreibt dabei den Oberbegriff für eingesetzte physische Informationstechnik bzw. -infrastruktur sowie standardisierte Protokolle und Anwendungen.44 In den letzten Jahren kamen weitere Entwicklungen wie die Blockchain-Technologie oder andere vernetzte Systeme, virtuelle oder augmentierte Realität und schließlich im weitesten Sinne künstliche Intelligenz hinzu. Allen diesen technischen Entwicklungen und Eigenschaften gemein ist, dass sie nicht im herkömmlichen Sinn wie physische Produkte verschleißen, und dass sie alle Akteure zu ständig neuen Entwicklungen herausfordern.45
Ausgang nahmen diese Entwicklungen etwa in der Mitte des 20. Jahrhunderts anlässlich durch das US-Militär aufgrund seines Bedarfs nach einem informationstechnischen Vorsprung gegenüber den damaligen Ostblock-Staaten im kalten Krieg vorangetriebener Forschungsprojekte, mittels derer eine verbesserte Vernetzung der Kapazitäten bereits vorhandener Computer erzielt werden sollte.46 Dies bezog sich zunächst ausschließlich auf vorhandene Computer des Militärs, sowie anderer staatlicher und wissenschaftlicher Einrichtungen. Die Vernetzung ließ sich dabei über bereits bestehende Telekommunikationsinfrastrukturen herstellen. Später wurde die Internettechnik entwickelt, die sich von der herkömmlichen Leitungsvermittlung durch die Verwendung der auf Paketvermittlung ausgerichteten Protokollfamilie TCP/IP unterscheidet.47 Die dadurch geschaffene Internet-Infrastruktur wurde zu Beginn der 1990er Jahre für den kommerziellen Betrieb geöffnet.48 Hauptsächlich erfolgt dies über das sogenannte World Wide Web (WWW), das eine einheitliche Darstellungsform für im Internet übertragene Inhalte ist und dem Nutzer die einfache Wahrnehmung von über das Internet bereitgestellten Inhalten mittels einer Browser-Anwendung ermöglicht.49 Die Nutzung erfolgte dabei zunächst hauptsächlich statisch in Form der einfachen Bereitstellung und Verwaltung von Inhalten.50 Es handelte sich also zunächst um ein alternatives Medium, über das sich Nutzer Informationen beschafften. Zunehmend wandelte sich dieses Nutzungsverhalten und Anbieter wie Nutzer gingen zu einem stärkeren Austausch an Informationen untereinander und einer stärkeren Vernetzung miteinander über, wobei sie sich immer mehr der Funktionen von Intermediären wie zum Beispiel Forenbetreibern, Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken bedienten. Für diese Entwicklung wird auch die Bezeichnung Web 2.0 verwendet.51 Zunehmend werden unter dem Schlagwort „Internet der Dinge“ neuere technologische Entwicklungen zusammengefasst, die sich mit der Vernetzung weiterer Akteure, Gegenständen oder Maschinen befassen.52 Außerdem werden in der Internet-Wirtschaft zunehmend Ressourcen oder Kapazitäten vernetzt, um sie in einem größeren Zusammenhang nutzen zu können, wie dies bei Cloud- oder Distributed-Ledger-Technologien der Fall ist. Die Nutzung digitaler Plattformen durch ihre Nutzer wird damit stetig dynamisiert.
1. Internet und Infrastruktur
Das Internet ist die grundlegende Infrastruktur der Digitalisierung und der „digitalen Revolution“.53 Es ermöglicht den Austausch von als binären Codes abgespeicherten Informationen, sogenannter Bits54, zwischen verschiedenen an das Internet angebundenen Computern oder anderen Endgeräten. Dies erfolgt zum einen über ein weltweites dezentrales Netzwerk an miteinander verwobenen physischen Kommunikationsinfrastrukturen und zum anderen durch die Verwendung einheitlicher Transportprotokolle aus der sogenannten Internetprotokollfamilie. Typische physische Infrastrukturen sind zum Beispiel Kabel oder Funkmasten zur Realisierung von Festnetz- und Mobilfunk-Telekommunikation.55 Mit dem Internet verbundenen Geräten wird eine IP-Adresse zugewiesen, mittels derer sie über das Internet Informationen austauschen können.56 Hierbei wird das sogenannte Internet Protokoll (IP) verwendet, das eine verbindungsunabhängige Adressierung der Daten ermöglicht.57 Verbindungsunabhängige Adressierung bedeutet, dass diese Weiterleitung nicht über eine spezifische für diese konkrete Informationsübermittlung vorgesehene Leitung erfolgt. Stattdessen werden die Datenpakete über alle zum Übermittlungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Infrastrukturen als ein einheitlicher Bitstrom transportiert.58 Hierfür werden die über das Internet zu transportierenden Informationen in bestimmten Formaten abgespeichert, den Paketen. Die einzelnen Pakete werden dabei mit den nötigen Informationen versehen, die den mit dem Internet verbundenen Infrastrukturen eine Weiterleitung an das vorgesehene Ziel ermöglicht. Moderne internetgestützte Angebote wie unter anderem Streaming-Plattformen oder Internet-of-Things-Dienste benötigen dabei zunehmend höhere Übertragungsraten. Verbindungsunabhängig bedeutet für den weiteren Verlauf dieser Untersuchung, dass darauf aufbauende Geschäftsmodelle nicht mehr aus technischen Gründen den Betrieb einer eigenen Verbindungsinfrastruktur voraussetzen, sondern auf den öffentlich bereitgestellten physischen Infrastrukturen anderer Anbieter aufbauen können.59
Die Telekommunikationsinfrastruktur hat sich dabei in den letzten Jahrzehnten ebenso stark verändert. Die meisten Netze wurden mittlerweile auf einen IP-basierten Datenaustausch umgestellt, sodass der Datentransport nunmehr flächendeckend paketorientiert erfolgt. Auch die physischen Möglichkeiten der Infrastruktur haben sich entwickelt. Herkömmliche Kupferkabel können mittels neuerer DSL-Technologien für höhere Bitraten verwendet werden, also mehr Informationen schneller transportieren. Die bereits für das Angebot von Kabel-Fernsehen bestehende Infrastruktur, also ursprünglich für Pay-TV verwendete monodirektionale Koaxialkabel60, konnte durch die Einführung eines Rückkanals auch für das Internet aufgerüstet werden. Besonders hohe Bitraten lassen sich mit Glasfaserkabeln, sogenannten Lichtwellenleitern, erzielen. Ebenso steigen die Übertragungsraten im Mobilfunkbereich zunehmend und ermöglichen für mobile Endgeräte den schnellen Austausch hoher Datenmengen unter Teilnahme einer großen Nutzeranzahl.61 Damit einher gehen sinkende Kosten für den Betrieb dieser Infrastrukturen bei gleichzeitig steigender Flexibilität hinsichtlich der übertragbaren Daten.62