Kitabı oku: «Toxische Männlichkeit. Erkennen, reflektieren, verändern. Geschlechterrollen, Sexismus, Patriarchat, und Feminismus: Ein Buch über die Sozialisierung von Männern.», sayfa 6
Manspreading/raumaneignendes Verhalten
Im Zusammenhang mit dem Begriff Manspreading wird auch von Raumaneignung gesprochen. Um dieses Verhalten zu beobachten, reicht es, sich in eine Straßenbahn zu setzen. Während Frauen versuchen, möglichst unsichtbar zu sein und wenig Raum einzunehmen, also mit überschlagenen oder eng aneinander liegenden Beinen zu sitzen und die Hände und Arme eng am Körper zu halten, sitzen Jungen und Männer oft breitbeinig auf ihren Sitzen und nehmen viel mehr Platz in Anspruch, als ihnen zusteht, wodurch sie anderen hingegen ihren Raum wegnehmen, sie damit belästigen und stören. In Österreich haben die Wiener Linien eine Kampagne gestartet, um auf Manspreading in öffentlichen Verkehrsmitteln hinzuweisen und dafür zu sensibilisieren (vgl. DER STANDARD 2019).
Am 22.11.2019 postete die Siegerin des Eurovision Song Contest Lena Meyer-Landrut auf Instagram (vgl. 2019) ein Foto, auf dem sie breitbeinig auf einem Stuhl sitzt. In der rechten Hand hält sie ein Handy ans Ohr, während sie sich mit der anderen Hand in den Schritt greift. Dazu postete sie: „Du hast dicke Eier (du bist mutig). Du muschi! (Du Feigling). Was ist das für ein Sprachgebrauch, das männliche Geschlecht als stark und positiv zu bezeichnen und das weibliche als schwach?! Ich finde, das können wir mal aus unseren Köpfen löschen, oder es girls erlauben zu sagen: ‚ich hab dicke Eier.‘ ♥“
Manspreading ist bei weitem nicht das einzige Verhalten, bei dem sich Jungen und Männer mehr Raum nehmen, als ihnen zusteht. Ich möchte drei Beispiele nennen, um raumaneignendes Verhalten zu verdeutlichen, welche ich im Jahr 2019 selbst erlebt habe:
1. Ich saß mit meiner Lebensgefährtin im Flugzeug. Bereits beim Boarding fiel uns eine Gruppe von mindestens elf jungen Männern auf, die sehr laut waren und durch die sich unterschiedliche Mitreisende gestört fühlten. Als wir im Flugzeug saßen, änderte sich dies nicht, ganz im Gegenteil wurden die Männer, die direkt in den Reihen vor uns saßen, immer lauter. Sie tranken selbst mitgebrachten Alkohol, schrien durch das Flugzeug und beleidigten andere Gäste. Als eine weibliche Mitarbeiterin der Fluggesellschaft sie darauf ansprach, machten sich die Männer über sie lustig. Andere Fluggäste fühlten sich ebenfalls gestört. Mehrere wendeten sich an die Verursacher. Diese jedoch pöbelten als Reaktion die Mitreisenden höchst aggressiv an. Die Situation drohte zu eskalieren. Ich ging daraufhin in den hinteren Teil des Flugzeuges, um Hilfe beim Flugpersonal zu erbitten, hatte aber gleichzeitig auch die Sorge, dass die Männer dies mitbekämen und sie gewalttätig gegen mich, meine Lebensgefährtin oder andere werden würden. Ohne Hilfe würde die Situation auf jeden Fall eskalieren. Die weiblichen Flugbegleiterinnen hielten mittlerweile bewusst Abstand zu den alkoholisierten Männern. Ich bewunderte die Mitarbeiterin, die die Gruppe von angetrunkenen und aggressiven Männern anfangs angesprochen hatte. Ich hätte mich dies nicht getraut. Ein Mitarbeiter sprach die Männer schließlich an. Er drohte ihnen an, dass das Flugzeug im nächstgelegenen Flughafen zwischenlanden würde, sie dann von Bord gehen müssten und auch die Polizei informiert werden würde. Die Gruppe von Männern wurde kurzzeitig leiser, bestellte beim Personal Alkohol, den sie anstandslos erhielten und machte sich lauthals über die Aussage des Stewards lustig. Mittlerweile beschwerten sich immer mehr Gäste. Es folgte eine Ansage per Lautsprecher vom Piloten, der die Aussage des Stewards wiederholte. Die Männer waren nun insgesamt etwas ruhiger. Absurd wurde es noch einmal nach dem Auschecken. Am Taxi-Stand vor dem Flughafen standen an die 100 Menschen in einer Reihe. Da bemerkten wir die Männer aus dem Flugzeug, die ungeniert an den Wartenden vorbeigingen, um einen Mitarbeiter des Flughafens anzusprechen, der daraufhin hektisch weglief und für die Gruppe einen Van/ Taxi besorgte, damit sie vor allen anderen abfahren konnten.
2. Am Strand badeten TouristInnen und spielten kleine Kinder. Plötzlich kam eine Gruppe von ca. 20 jugendlichen Männern, die nun begannen, Sprint-Serien im seichten Wasser den Großteil des Strandes hinunter zu laufen. Damit belästigten sie andere Badegäste, spritzten Kinder permanent nass, liefen direkt zwischen Pärchen durch, die gerade ins Wasser gingen und rannten beinahe ein ca. einjähriges Kind um. Dies hinderte sie jedoch nicht daran, ihr Verhalten auch die kommenden 20 Minuten fortzuführen.
3. Eine Gruppe von jungen Männern (allem Anschein nach Bodybuilder) verhielt sich sehr auffällig, da sie offen und ungeniert auf die Brüste von allen Frauen starrten, die oben ohne am Strand lagen. Zwischenzeitlich gingen sie ins Wasser, um mit einem harten Volleyball im Bereich, in dem Badegäste badeten und Kleinkinder spielten, Schmetterbälle auszuführen. Alle Badegäste mussten dann zwangsweise den großräumigen Bereich im Meer meiden, um sich nicht in Gefahr zu begeben. Hätten sie eines der Kinder oder auch Erwachsene getroffen, dann hätte dies aufgrund der enormen Härte des Balles sicherlich zu einer Verletzung geführt.
Diese drei Beispiele stehen repräsentativ für unzählige Situationen, die ich in allen Lebenskontexten regelmäßig beobachte oder von denen mir berichtet wird. Sie sind das Ergebnis männlicher Sozialisation. Es gibt natürlich viele weitere Beispiele: Männer, die auf den Boden spucken, die mit lauter Musik ihrer Musik-Box durch die Innenstadt oder U-Bahn rennen, Männer, die im öffentlichen Raum laut schreien und (spielerisch) kämpfen und somit andere Menschen stören und belästigen – oder auch ängstigen.
Um auf „Boys will be boys“ zurückzukommen: Es ist eine sehr einfache Antwort auf problematisches, aggressives und wildes Verhalten zu sagen: „Jungen sind halt so“. Damit wird die Möglichkeit ausgeblendet, Geschlechterstereotype und deren Konstruktion zu hinterfragen und das eigene Verhalten zu ändern sowie eine Verhaltensänderung von anderen, wie beispielsweise den eigenen Kindern, zu bewirken.
Manspreadingwalk
Das patriarchale Muster des Manspreadings setzt sich auch beim Gang von Männern fort: Jungen gehen bereits im Kindergartenalter breitbeinig, als ob sie etwas zwischen ihren Schenkeln hätten, und setzen ihre Füße mit den Spitzen nach außen gedreht möglichst weit auseinander auf. Spätestens ab dem Jugendalter ist der Manspreadingwalk flächendeckend zu beobachten.
Mansplaining
Die Schriftstellerin Rebecca Solnit veröffentlichte 2003 auf der Webseite www.tomdispatch.com einen Essay (Men explain things to me; facts didn’t get in their way), in dem sie von einer Situation aus dem Jahr 2003 berichtete. Dieser Text wurde auch in ihrem Buch „Men explain things to me“ publiziert. Sie berichtet von einem Erlebnis auf einer Party. Der Gastgeber dieser Feier, ein älterer wohlhabender Mann, sprach sie an, da er gehört hatte, dass sie Autorin ist. Solnit berichtete, dass sie kürzlich ein Buch über Eadweard Muybridge veröffentlicht hatte. Der Gastgeber unterbrach sie und fragte, ob sie von dem erst kürzlich erschienen Muybridge-Buch gehört habe, wartete ihre Antwort nicht ab, und hielt ihr einen Vortrag über das Buch. Solnit sowie ihre Freundin versuchten ihm immer wieder mitzuteilen, dass Solnit die Autorin des Buches sei, was erst nach mehreren Versuchen gelang. Die Wortschöpfung Mansplaining stammt laut Solnit nicht von ihr, ihr Essay sei aber eine Initialzündung gewesen. Mansplaning steht für das Verhalten von Männern, Frauen die Welt zu erklären, vor allem, da sie davon ausgehen, dass sie sowieso mehr wissen würden als Frauen.
Whataboutism und Derailing
Weitere Formen übergriffigen und sexistischen Verhaltens in der Kommunikation sind Whataboutism und Derailing. Beim Whataboutism lenken vor allem Männer von der eigentlichen Diskussion/der Kritik ab, indem sie auf vermeintlich andere Missstände verweisen, wodurch Frauen diskreditiert, die Argumente jedoch nicht widerlegt werden. Berichten beispielsweise Frauen davon, dass sie am Arbeitsplatz sexuell belästigt werden, dann reagieren Männer nicht selten mit der Antwort, dass sie auch einen Mann kennen, der ebenfalls schon sexuell belästigt wurde, Männer ja auch diskriminiert werden und sie mindestens genauso stark von Sexismus und Benachteiligung betroffen seien wie Frauen. Somit wird vom eigentlichen Thema abgelenkt, dieses negiert und kleingeredet. Beim Derailing ist es das Ziel, die Kommunikation entgleisen zu lassen – im Netz beispielsweise durch die Verwendung von Fake-Profilen, die sich gegenseitig unterstützen, um eine Mehrheit vorzutäuschen, und rhetorische Mittel wie Totschlagargumente oder Strohmannargumente einsetzen, um ganz bewusst eine Eskalation herbeizuführen.
Hepeating
Hepeating (Wortmischung aus „he“ („er“) + „repeating“ („wiederholt“)) beschreibt eine Technik, bei der Männer Gedanken und Ideen von Frauen aufgreifen, um sie dann als die eigenen auszugeben und dafür die Anerkennung und das Lob oder gar die Beförderung zu kassieren. Diese manipulative Technik ist äußerst perfide, wenn bedacht wird, dass die Leistungen und Ideen von Frauen permanent belächelt und nicht ernst genommen werden. Der Begriff wurde von der Physikerin Nicole Gugliucci (vgl. Windmüller 2017) auf Twitter vorgeschlagen: „Meine Freunde haben ein Wort kreiert: hepeated. Wenn eine Frau eine Idee äußert, die dann ignoriert wird, aber wenn ein Mann das Gleiche sagt, finden es alle toll.“ Im Jahr 2017 wurde ihr Beitrag bereits 65.000 Mal geteilt und 208.000 Mal gelikt (vgl. ebd.). Der Internet-Clip „Der Mietmann – ein Garant für Erfolg“ visualisiert Hepeating. Die Protagonistin des Videos bemerkt an ihrer Arbeitsstelle, dass Männer ihre Aussagen ignorieren, wiederholt jedoch ein Mann ihre Worte, wird er dafür gefeiert. Daher mietet sie sich einen Mann, der dann alles, was sie sagt, wiederholt. Die Mitarbeiter nehmen sie daraufhin wahr und reagieren auf sie (beziehungsweise auf das, was ihr Mietmann sagt) – zudem wird sie befördert.
Marginalisierung weiblicher Expertinnen am Beispiel Corona
Es ist leider nicht ungewöhnlich, dass wir von männlichen Experten Probleme und Lösungen erklärt bekommen – durch die Medien entsteht der Eindruck, als gäbe es gar keine weiblichen Expertinnen. Besonders auffällig und öffentlich thematisiert wurde dies in der Corona-Krise. Zwei Studien der MaLisa Stiftung beschäftigten sich mit Geschlechtergerechtigkeit in der Corona-Krise und kamen zu folgenden Ergebnissen (vgl. Berggren/Prommer/Stüwe 2020): Im Fernsehen waren 78 % männliche Experten zu sehen, in Online-Berichterstattungen wurden 93 % männliche Experten erwähnt und weibliche nur zu 7 % (Forscherinnen wurden nur zu 5 % genannt, Virologinnen nur zu 4 %). In den untersuchten Online-Medien kamen 70 % Männer und 30 % Frauen vor. Im medizinischen Bereich waren es fast ausschließlich Männer, die zu Wort kamen, obwohl rund die Hälfte der ÄrztInnen weiblich ist (2018 gab es 45 % Ärztinnen und im Bereich Virologie, Infektionsepidemiologie und Mikrobiologie waren 45 % Frauen). Von den befragten ärztlichen Fachkräften und Forschenden mit Leitungsfunktion waren jedoch nur 5 % Frauen, 95 % der Befragten waren also männlich. Bei VirologInnen ohne Leitungsfunktion lag der Frauenanteil bei gerade einmal 27 %, also waren 73 % männlich, bei VirologInnen mit Leitungsfunktion waren nur 7 % weiblich und 93 % männlich. 94 % aller Befragten im Bereich Epidemiologie und Infektionsforschung waren ebenfalls männlich und nur 6 % waren Frauen. Interessant ist auch, zu welchen Themen männliche und zu welchen Themen weibliche ExpertInnen befragt wurden: Zu dem Thema Soziales wurden 69 % Männer und nur 31 % Frauen befragt, beim Thema Politik wurden 76 % Männer und nur 24 % Frauen befragt, zum Thema Kultur waren es 80 % Männer und nur 20 % Frauen, beim Thema Pflege wurden 83 % Männer und nur 17 % Frauen befragt, beim Thema Medizin waren es ebenfalls 83 % Männer und 17 % Frauen, zum Thema Wirtschaft genauso. Nur beim Thema Bildung gab es eine Annährung: 55 % der Befragten waren Männer und 45 % Frauen. Es wird deutlich: Es sind Männer, die als Experten in Erscheinung treten und in der Öffentlichkeit stehen, obwohl es ebenso oder besser qualifizierte Frauen gibt. Doch erhalten diese nicht die Möglichkeit, ebenfalls als Expertinnen aufzutreten. Daher muss davon ausgegangen werden, dass nicht unbedingt die besten ExpertInnen in der Öffentlichkeit gehört und wahrgenommen werden, da die meisten der qualifizierten Frauen dort gar nicht präsentiert sind.
Sprache
Frauen werden in der deutschen Sprache durch die Verwendung des generischen Maskulinums unsichtbar gemacht, also die Benutzung der männlichen Form für alle5. Sprache beeinflusst unsere Wahrnehmung und unsere Realität, sie prägt und konstruiert diese. Studien zeigen, dass sich Mädchen und Frauen nicht angesprochen fühlen, wenn Berufe männlich konnotiert sind. Sie erlernen diese Berufe seltener und trauen sich meist nicht zu, diese erlernen zu können. Bettina Hannover, Psychologin und Professorin für Schul- und Unterrichtsforschung an der Freien Universität Berlin, führte mit ihrem Kollegen Dries Vervecken zwei Studien mit 591 Kindern (sechs bis zwölf Jahre) aus deutschen und belgischen Klassen durch (vgl. Vervecken/Hannover 2015, S. 76 – 92) und kommt zu folgendem Ergebnis (Diversitymine 2015): „Unsere Ergebnisse zeigen: geschlechtergerechte Sprache verstärkt die Zuversicht von Kindern, in traditionell männlichen Berufen erfolgreich sein zu können. […] Mit der systematischen Verwendung solcher Sprachformen – zum Beispiel durch Lehrkräfte und Ausbildende – kann also ein Beitrag dazu geleistet werden, mehr junge Leute für eine Karriere in diesen Berufen zu motivieren.“ In dem Musik-Video „Sichtbar sein“ (vgl. Lu Likes 2018) wurde die Problematik, dass Mädchen und Frauen durch die Verwendung des generischen Maskulinums unsichtbar gemacht und nicht angesprochen werden, visualisiert und vertont.
Ein interessantes Gedankenexperiment dazu bietet folgende, im Internet kursierende Geschichte (Hennemann 2012): „Ein Vater fährt mit seinem Sohn zum Fußballspiel, doch mitten auf einem Bahnübergang bleibt ihr Wagen stehen. In der Ferne hört man schon den Zug pfeifen, verzweifelt versucht der Vater, den Motor anzulassen, aber vor Aufregung schafft er es nicht. Das Auto wird vom Zug erfasst. Ein Rettungswagen jagt zum Unfallort und holt die beiden ab, doch der Vater stirbt noch auf der Fahrt ins Krankenhaus. Der Sohn lebt, muss aber sofort operiert werden. Er wird in den OP-Saal gefahren, wo schon die diensthabenden Chirurgen warten. Als sie sich jedoch über den Jungen beugen, sagt jemand vom Chirurgenteam mit erschrockener Stimme: ‚Ich kann nicht operieren – das ist mein Sohn!‘“
Die Geschichte irritiert, nicht wahr? Wie kann der tote Vater seinen Sohn operieren? Die Lösung ist einfach und simpel: Gar nicht. Es ist die Mutter, die ihn operieren soll. Durch die Verwendung des generischen Maskulinums – aber auch durch das Bild, dass gutes medizinisches Fachpersonal männlich sei – gehen wir beim Lesen davon aus, dass es sich hierbei um einen männlichen Chirurgen anstatt um eine Chirurgin handeln muss.
Objektivierung/Sexualisierung
Frauen werden vielfach objektiviert und auf „weibliche Reize“ reduziert und sexualisiert, sei es in Filmen, Serien, Videospielen, Zeitschriften, Hörspielen, Comics oder in der Werbung. In kaum einem Film fehlt beispielsweise die obligatorische Duschszene, in der die Frau nackt zu sehen ist, häufig gleich zur Einführung der Figur, was jedoch für die zu erzählende Geschichte völlig unerheblich ist. Es wird die Botschaft übermittelt, dass Frauen vor allem eins sind: Zu benutzende (Sex-)Objekte, aber keine Menschen auf Augenhöhe. All dies hat natürlich Auswirkungen auf unser Denken und unser Handeln, beeinflusst unsere Sicht auf Frauen und unterstützt die hierarchischen Unterschiede der Geschlechter. Dies ist ein perfides Werkzeug des Patriarchats und zeigt sich in allen Lebensbereichen, bis hin zur Pornografie und Prostitution in ihren extremsten Ausprägungen.
Dick Pics
Viele Männer scheinen als einen Volkssport anzusehen, was jedoch nichts anderes ist als sexuelle Belästigung: Das ungefragte (!) Versenden von Dick Pics, also Fotos vom meist erigierten Penis, an Frauen – ob über Dating-Plattformen wie Tinder, bei Facebook, WhatsApp oder per E-Mail. Mittlerweile zeigen immer mehr Frauen Männer an, die ihnen ungefragt derartige Fotos senden, und machen die Täter namentlich öffentlich. Jede zweite Frau zwischen 18 bis 24 Jahren hat bereits ungefragt ein Penis-Foto erhalten (vgl. EMMA 2019). Ein aktuelles Vorbild ist Inge Bell (stellvertretende Vorstandsvorsitzende bei TERRE DES FEMMES e. V.), die juristisch gegen den Täter vorging, der ihr im Jahr 2017 ungefragt über Facebook sechs pornografische Fotos – unter anderem von seinem erigierten Penis – gesendet hatte (vgl. ebd.). Inge Bell gewann und der Täter wurde bestraft.
Unter www.dickstinction.com kann in Deutschland eine Strafanzeige gegen Täter, die Dick Pics verschicken, gestellt werden.
Schwangerschaftsabbruch
In der Debatte um Schwangerschaftsabbrüche ist es höchst erstaunlich (oder eben nicht), dass es vor allem Männer sind, die in der Öffentlichkeit darüber diskutieren und im Bundestag darüber abstimmen wollen, was Frauen mit ihrem Körper machen. Es ist Teil toxischer Männlichkeit, über Frauen und ihre Körper zu bestimmen. Da aus biologischer Sicht einer der großen Unterschiede zwischen den Geschlechtern die Gebärfähigkeit ist, sitzt der Gebärneid von Männern sehr tief. Es passt nicht zur hegemonialen Männlichkeit, dass Männer kein Leben gebären können. Also versuchen sie, Frauen Beschränkungen, Verbote und Hindernisse aufzubürden, so dass es am Ende doch wieder Männer sind, die über eine mögliche Geburt oder einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden.
Erklärung der Paragrafen:
•§ 218 StGB (vgl. Strafgesetzbuch § 218) beschreibt das Strafmaß bei einem Schwangerschaftsabbruch. Für die durchführenden Personen, im Gesetz „Täter“ genannt, bedeutet dies eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren – wenn die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch selber vornimmt, bedeutet dies für sie eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.
•§ 219 StGB (vgl. Strafgesetzbuch § 219) beschreibt die Möglichkeit der Beratung für „Schwangere in einer Not- und Konfliktsituation“, die auch Grundlage für einen Schwangerschaftsabbruch darstellt: „[…] [dass] ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, dass sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt.“
•§ 219a StGB (vgl. Strafgesetzbuch § 219a) beschreibt das Strafmaß bei öffentlichen Hinweisen darauf, dass Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden können: „[Wer] […] anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Aktuell wurde der Paragraf 219a in der Öffentlichkeit heftig diskutiert. Im Fokus der Medien stand Kristina Hänel, selbst Fachärztin für Allgemeinmedizin und Notfallmedizinerin (vgl. Wikipedia: Kristina Hänel). Es liefen drei Ermittlungsverfahren gegen Hänel, beim dritten wurde sie vom Amtsgericht Gießen am 24. 11. 2017 wegen des Hinweises darauf, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt, zu 40 Tagessätzen in Höhe von je 150 Euro verurteilt. Hänels Berufung wurde vom Landgericht Gießen verworfen, worauf sie in Revision ging. Nachdem das Oberlandesgericht Frankfurt am Main das Urteil am 03. 07. 2019 aufhob, da der § 219 im März 2019 zu Hänels Gunsten geändert worden war, verurteilte das Landgericht Gießen Hänel im Dezember 2019 erneut, diesmal zu 25 Tagessätzen zu je 100 Euro (vgl. ebd./Spiegel Panorama 2019). Es folgten öffentlich geführte Debatten um die Abschaffung des § 219. Die Änderung des Paragrafen führte dazu, dass ärztliche Fachkräfte nun darüber informieren dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, jedoch dürfen sie keine weiteren Informationen veröffentlichen. Dies wird öffentlich kritisiert, da Mädchen und Frauen weiterhin keine Informationen über Schwangerschaftsabbrüche erhalten können. Kristina Hänel setzt sich weiterhin für die Streichung von § 219a ein (vgl. Fischer 2019). Sie hat das Erlebte als Tagebuch dokumentiert und als Buch veröffentlicht (vgl. Hänel 2019).
Die Sicht von betroffenen Frauen scheint in der Politik, wenn überhaupt, nur eine völlig untergeordnete Rolle zu spielen. Es wird nicht danach gefragt, was die ungewollte Schwangerschaft mit den Frauen macht, was das für sie und ihr Leben bedeutet, welche Opfer und Einschränkungen sie hinnehmen müssen und was dies für Konsequenzen mit sich bringt, es wird nicht nach den Wünschen und Sorgen der betroffenen Frauen gefragt, stattdessen wird eine gegenteilige Studie geplant (Spiegel Gesundheit 2019): „Die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplante und vom Kabinett bewilligte Studie zu den psychischen Folgen von Abtreibungen würde mit einem Etat von fünf Millionen Euro der teuerste Forschungsauftrag des Ministeriums der letzten zehn Jahre.“ Das Geld, das an anderer Stelle für Frauen und ihre Gesundheit dringend benötigt wird (beispielsweise für Beratungsstellen für Betroffene von Gewalt unter der Geburt, für Forschung zu Krankheiten, die fast ausschließlich Frauen betreffen wie Lipödem, Endometriose etc.), wird somit in eine völlig sinnlose Studie gesteckt. Dabei sollte nicht die Frage sein, welche psychischen Folgen eine Abtreibung mit sich bringt, sondern die, welche psychischen Konsequenzen es für Frauen hat, wenn sie nicht abtreiben dürfen. Es wird wie in allen Bereichen über Frauen und ihre Belange hinweg entschieden – und dabei war es mal wieder ein toxisch eingestellter Mann, der dies getan hat.
Alice Schwarzer (2019, S. 6) schreibt: „Er ist der mit den Smarties. Der Mann, der während der Debatte um die Freigabe der „Pille danach“ anno 2014 uns Frauen erklärt hat, dass so eine Pille schließlich kein Smartie sei. Da war er noch der „gesundheitspolitische Sprecher“ der CDU/CSU. Inzwischen ist er Gesundheitsminister und holt als solcher jetzt ganz groß aus: Er hat sich vom Kabinett fünf Millionen Euro gewähren lassen für eine Studie, die etwas untersuchen soll, was weltweit in den vergangenen Jahrzehnten schon zig Mal untersucht und eindeutig beantwortet wurde. Auch wenn er persönlich die Antwort nicht wissen kann, so sollte er doch als Minister die Ergebnisse der internationalen Studien zu seinen Fragen kennen.“
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