Kitabı oku: «Celeste - Siehst du mich?», sayfa 2

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„Was ist los? Ich könnte ja jetzt scherzen und sagen, du siehst aus, als ob du einen Geist gesehen hättest.“

Der Scherz misslang ihm sichtlich und doch brachte es Ian zum Lächeln. Er ignorierte seine wackeligen Beine und stieg die Treppe hinunter.

„Der Geist ist weg.“

„Das ist doch gut, oder nicht?“

Zögernd nickte Ian, bevor er fragte: „Wollen wir noch etwas trinken gehen? Hier muss es doch irgendwo einen Pub geben, oder?“

James schien zu spüren, dass er erst einmal Zeit brauchte, um seine Gedanken zu sortieren. „Lass uns einfach zu mir fahren. Ich habe Whiskey im Angebot.“

Wie so viele Londoner besaß James kein Auto und so fuhren sie mit der U-Bahn in einen Vorort von London, wo sich James vor etwa zwei Jahren ein Haus gekauft hatte. Die ganze Fahrt über schwiegen sie.

Erst, als sie es sich in James’ geräumiger Küche gemütlich gemacht hatten, schwenkte Ian sein Glas in der Hand hin und her und beobachtete dabei die dunkle Flüssigkeit im Glas. Dabei erzählte er James alles, was er gesehen und erlebt hatte.

„Wenn ich das jetzt richtig verstehe, hat dir der Geist, den du einwandfrei erkennen konntest, eine Art Film vorgespielt, in der eine Gestalt an einem Lagerfeuer die Hauptrolle spielte. Richtig?“

Ian nickte.

„Oh Mann. Das jagt mir regelrechte Angstschauer über den Rücken“, sagte James, bevor er den restlichen Inhalt seines Glases hinunter kippte. Aus der Flasche auf dem Tisch füllte er sich nach. Ein Blick auf Ian sagte ihm, dass sich auch heute nichts geändert hatte. Der gebürtige Schotte würde bei einem Glas bleiben.

Seine Jugend im Pub hatte ihn gelehrt, dass man mit Alkohol vorsichtig sein musste. Doch trotz allem genoss Ian das Brennen, das der edle und ohne Zweifel teure Tropfen in seinem Magen auslöste.

„Gibt es sonst noch etwas, was du mir erzählen möchtest?“, fragte James betont beiläufig.

„Was meinst du?“

„Ach komm schon. Ich habe zwei Wochen gebraucht, um dich ans Telefon zu holen. Das sieht dir nicht ähnlich. Zuerst habe ich ja eine Frau hinter deinem Verschwinden vermutet, aber jetzt bin ich mit nicht mehr so sicher.“

Ian lachte trocken auf. „Wenn du wüsstest, wie nah du an der Wahrheit dran bist.“

„Dann hast du wirklich jemanden kennen gelernt?“

Ian starrte in sein Glas, das noch nicht einmal zur Hälfte geleert war. Kurz rang er mit sich, ob er es James erzählen sollte, doch dann wurde ihm etwas bewusst. Er hatte viele Freunde, die auf der ganzen Welt verteilt lebten. Aber James war der Einzige, der von seinem Nebenberuf mit den Geistern wusste. Seit dem Tag im Pub seines Vaters waren sie die besten Freunde geworden. Er konnte darauf vertrauen, dass James nicht gleich die Männer mit den weißen Kitteln anrufen würde.

„Ich war in Athen, wie du ja weißt. Eigentlich hatte ich vor, für mein neues Buch zu recherchieren.“ Normalerweise hätte James jetzt einen Witz über erfolgreiche Autoren gemacht, die sich solch ein sorgloses Leben leisten konnten, doch sein Freund hielt sich diesmal zurück. Also fuhr er mit seiner Erzählung schnell fort, bevor er es sich anders überlegen konnte.

„An meinem dritten Tag dort lief ich einfach durch die Straßen, um ein Gefühl von der Stadt zu bekommen. Irgendwann kam ich am Hafen von Piräus an. Während ich dort stand und auf das Meer hinausschaute, stellte sich eine Frau neben mich.“

„Aha.“

Ian schüttelte lächelnd den Kopf. „Nicht aha. Die Frau war merkwürdig. Ich konnte nicht im Geringsten einschätzen, wie alt sie war. In der einen Sekunde sah sie aus wie eine Jugendliche zwischen sechzehn und achtzehn und im nächsten Moment hätte sie über sechzig sein können. Ich dachte schon, ich habe zu viel Sonne abbekommen. Doch nach ein paar Minuten Smalltalk fühlte ich mich in ihrer Nähe wirklich wohl. Sie hat sich erkundigt, was ich in Griechenland mache. Und so kam eines zum anderen. Ich habe ihr von meinem Leben, meiner Familie, ja sogar von dir erzählt. Es war, als wäre es das Natürlichste der Welt, einer Wildfremden so intime Details zu erzählen. Zum Schluss lächelte sie mich freundlich an und meinte, dass wir uns bestimmt bald wiedersehen werden. Sie stieg in eines der Bote ein und rief mir noch zu, dass sie mir noch einen Rat geben wolle.“

„Und der lautet?“, fragte James ungeduldig, als Ian nicht weitererzählte.

„Ich solle auf mein Gefühl vertrauen. Dass ich niemals daran zweifeln soll, was ich sehe und wahrnehme.“

James füllte sich sein Glas erneut nach und kippte die Hälfte des Inhaltes hinunter. Zum Glück vertrug er so einiges. „Und warum bist du dann so lang nicht an dein Handy gegangen?“

Ian zuckte unbehaglich mit den Schultern, bevor auch er einen kleinen Schluck trank. „Ich musste erst einmal mit der Welt und mir wieder ins Reine kommen. Diese Begegnung hat vielleicht zehn oder fünfzehn Minuten gedauert. Aber danach habe ich wirklich an meiner Zurechnungsfähigkeit gezweifelt. Ich lief anschließend wieder zu meinem Hotel zurück und auf dem gesamten Weg hatte ich das Gefühl, in den Gassen seltsame Geräusche und Bewegungen wahrzunehmen, obwohl es mitten am Tag war. Ich meine, ich schreibe Fantasy-Bücher. Meine Fantasie war schon immer – na sagen wir mal – außergewöhnlich. Aber ich wusste, dass ich mir das alles nicht einfach nur einbildete.“

Nach diesem Geständnis schwiegen beide Männer einvernehmlich. Früher hatte James seinen Freund ein kleines bisschen um seine Fähigkeit beneidet. Doch jetzt war er sich gar nicht mehr so sicher, ob es ein Segen war, Dinge wahrzunehmen, die andere Menschen niemals in ihrem Leben zu sehen bekamen.

Edrè

Celeste streckte ihre müden Knochen der aufgehenden Sonne entgegen, als sie sich auf der Lichtung umsah, auf der sie die Nacht verbracht hatte.

Nachdem sie sich bei ihrem Vorgesetzten und ihren Eltern abgemeldet hatte, war sie noch am gleichen Abend aufgebrochen. Wobei sie ihren Eltern natürlich nicht die ganze Wahrheit erzählt hatte. Nach etwa zwei Stunden war sie in ihrer Schattengestalt gereist, während Azia sich stets in ihrer Nähe aufhielt.

Doch als sie den Wald erreichte, der als Gebiet der Waldnymphen galt, musste sich ihr Körper wieder manifestieren. Hier herrschte eine andere Magie, die den Dunklen verbot, ihre eigene Macht anzuwenden. Das hieß, sie konnte sich hier nur auf ihre Kampfkunst besinnen, sollte sie in Gefahr geraten. Und die Chancen dafür standen gut.

Auch wenn es zivilisierte Städte gab, in denen es Elektrizität und fließendes Wasser gab, so bestand die Hälfte von ganz Edrè aus Gebieten, die durch die verschiedenen Gruppen der Nymphen regiert wurden. Und Celeste hatte noch keine dieser modernen Städte gesehen. Die Menschen und Nymphen hatten vor Jahrhunderten ein Abkommen getroffen. Für die Jagd nach den Hellen durften sie die Gebiete des jeweils anderen durchstreifen. Aber eben nur aus diesem Grund. Ansonsten mussten Reisende sich an den Grenzen bewegen, was mitunter den Verlust von mehreren Tagen bedeuten konnte.

Nachdem Celeste ihre wenigen Habseligkeiten eingesammelt und in einem Sack auf ihrem Rücken verstaut hatte, machte sie sich wieder auf den Weg. Sie folgte einem schmalen Pfad, der sie an kleine Flüsse, weitere Lichtungen und Waldgebiete brachte, durch den kaum etwas in der Ferne zu sehen war. Das satte Grün der Bäume schloss die Sonnenstrahlen fast vollständig aus, sodass es immer kühler wurde, je weiter sie vordrang.

Als sie nach gut einer Stunde die nächste Lichtung erreichte, stieß Azia einen schrillen Ton aus, bevor sie wie ein Pfeil vom Himmel herunterschoss und nur in letzter Sekunde abbremste, um auf ihrer linken Schulter zu landen. Ihre Kleidung war dafür geschaffen worden, im Kampf zu bestehen, sodass sie dick genug war, um sie vor Azias Krallen zu schützen.

„Warum bist du so nervös? Hast du etwas gesehen?“, fragte Celeste den Adler. Doch Azia übermittelte ihr nur das Gefühl von Unruhe und einer nahenden Gefahr, die sie aber nicht genau bestimmen konnte. Beruhigend streichelte sie den Adler am Kopf. Sie wusste, dass sie ruhig bleiben musste.

Noch hatte sie keine Waldnymphe zu Gesicht bekommen, aber eigentlich glaubte sie nicht, dass diese die größte Gefahr darstellten. In den letzten Jahren waren vermehrt Angriffe von Monstern gemeldet worden, die noch nie jemand zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Beobachtungen zufolge kamen sie aus der Erde oder den Wäldern.

Als Celeste weiter dem Pfad folgte, blieb Azia auf ihrer Schulter sitzen. Erst als sich das ungute Gefühl in ihrem Magen immer weiter verstärkte, stieß Azia sich mit ihren kräftigen Klauen von ihrer Schulter ab und flog dicht über ihrem Kopf umher. Die Bäume waren mittlerweile so hoch, dass der Adler fliegen konnte, ohne Angs zu haben, ständig Ästen und Blättern ausweichen zu müssen.

Ein Beben im Boden veranlasste Celeste, ihren Dolch in die Hand zu nehmen. Fast sofort verformte sich die Klinge, bis sie ein Schwert in den Händen hielt, das gut ausbalanciert in ihrer rechten Hand lag. Die Schrift auf der Klinge, die von einem männlichen Schwertmeister der Nymphen vor Jahrtausenden gefertigt wurde, fing an blau zu schimmern.

„Das ist kein gutes Zeichen“, sagte Celeste leise. Und ihre Worte sollten sich bewahrheiten.

Nur ein paar Meter von ihr entfernt stieß sich ein Monster aus dem Erdreich hervor, wobei mehrere Bäume ausgerissen und wie dünne Streichhölzer durch die Luft geschleudert wurden. Kleine und große Sandbrocken wurden durch die Gegend geschleudert.

Celeste überlegte nicht lang und handelte. Sie rannte los, unter den Beinen des etwa zehn Meter großen Monsters hindurch. Azia flog voraus und lieh ihr ihre Augen. Sie musste auf eine Lichtung kommen, auf der sie kämpfen konnte, ohne vom dichten Wald behindert zu werden. Adrenalin verschärfte ihre Reflexe, sodass sie Steinen auswich, die so groß wie sie selbst waren und offensichtlich auf sie geworfen wurden.

Sie hörte Azias Schrei und wusste, dass die nächste Lichtung nicht mehr weit entfernt war. Doch das Monster war schnell. Dummerweise schneller als gedacht. Sie spürte, wie ihre Beine unter ihr weggerissen wurden und sie hart auf dem Boden aufschlug.

Benommen schüttelte sie den Kopf. Doch als Celeste den Blick hob, stockte ihr der Atem. Über ihr ragte ein Ungetüm auf, dessen weißes Fell einen üblen Gestank verströmte. Statt Klauen besaß das Tier riesige schaufelartige Enden der Arme und Beine. Der Kopf bestand aus winzigen Augen, die offensichtlich nicht zum Sehen gedacht waren. Dafür schien sich das Monster auf seine längliche Nase zu verlassen, so sehr wackelte diese umher.

Als es das Maul aufriss und ein triumphierendes Brüllen ausstieß, sah Celeste jeweils vier lange Eckzähne und etliche kurze, dafür aber umso spitzere Zähne. Offenbar dachte das Monster, es habe sie erlegt. Dadurch erhielt Celeste wertvolle Zeit. Mit ihrem Schwert hieb sie auf beide Arme des Angreifers ein, ehe sie sich wegrollte.

Den Schmerz in ihrem Körper ignorierend, kam sie wieder auf die Beine, nur um von einem Arm erwischt zu werden, der sie in die Luft schleuderte. Doch damit landete sie fast auf der Lichtung, die Azia ihr zuvor gezeigt hatte.

Keuchend kam sie wieder auf die Beine. Blut und Schweiß liefen ihr über das Gesicht, während ihr Blick einzig und allein auf das Monster gerichtet war. Dieses wiederum nahm ihr den Angriff ziemlich übel, es brüllte vor Schmerz und Wut laut auf und vertrieb somit alle Tiere in der näheren Umgebung endgültig.

Als es auf allen vieren vorwärtsstürmte, hob sie ihr Schwert, das sie zum Glück noch nicht verloren hatte. Jedes einzelne Training, jede Niederlage und jeder Erfolg halfen ihr jetzt dabei, am Leben zu bleiben. Mit geübten Bewegungen hieb sie auf Teile des Monsters ein, die sie erreichen konnte.

Das Brüllen wurde dadurch immer lauter. Sie bekam sogar den ätzenden Speichel des Ungetüms ab, während sie unter ihm hindurchrannte. Als er zu Boden ging und diesen mit seinem Blut tränkte, konnte sie gerade noch nach hinten springen, sonst hätte es Celeste unter sich begraben.

Schwer atmend und schwerer verletzt als sie sich eingestehen wollte gönnte sie sich eine kurze Pause, um wieder zu Atem zu kommen. Die Haut unter dem Fell schien so fest zu sein, dass sie es zwar verletzen konnte, aber nicht so sehr, dass es liegen blieb. Das hieß, ihr Überleben hing davon ab, wie lange sie durchhielt. Wenn sie das Monster oft genug verletzte, bevor es sie erwischen konnte, hatte sie eine Chance, ihm den Garaus zu machen, bevor sie ihren letzten Atemzug tat. Noch während sie erneut losstürmte, richtete das Monster sich wieder auf. Suchend wackelte seine Nase auf dem Boden, bis es ihren Duft fand.

Mit erhobenem Schwert und Azia in der Luft, die immer wieder von oben Angriffe flog, startete Celeste neue Angriffe. Doch das Zischen eines Pfeils an ihrem rechten Ohr ließ sie zur Seite springen.

Erstaunt sah sie, wie das Geschoss in der Brust des Monsters stecken blieb. Es brüllte und schlug mit den Armen wild um sich, da ergriff Celeste ihre Chance. Sie rannte auf das meterhohe Ungetüm zu und schlug ihr Schwert in seine Beine. Mit einem Hechtsprung und einer Rolle über den weichen Rasenboden rettete sie sich davor, von dem fallenden Monster zerquetscht zu werden.

Weitere Pfeile kamen aus dem Wald angeflogen, ohne dass sie einen Schützen ausmachen konnte. Celeste wusste, dass die Pfeilspitzen aus reinem Silber zuvor in eine Tinktur getaucht worden waren, die das Monster lähmen sollte. Doch die Wut und der Schmerz bewirkten, dass die ganze Prozedur länger dauerte. Und so hielt Celeste es eine Weile weiter vom Boden aus in Atem, während ihr unsichtbarer Verbündeter einen Pfeil nach dem anderen abschoss.

Als es endlich mit einem riesigen Knall bewusstlos auf dem Boden aufschlug, war Celeste völlig außer Atem und ihr Körper wies wahrscheinlich Hunderte blauer Flecken auf. Keuchend und auf den Knauf ihres Schwertes gestützt, ließ sie das Monster nicht aus den Augen. Ein letzter Pfeil wurde abgeschossen. Natürlich landete er genau im Hintern des Monsters. Allein das sagte ihr schon, wer ihr wahrscheinlich gerade das Leben gerettet hatte.

„Haben wir jetzt ein unentschieden oder liege ich noch in Führung?“, rief Celeste laut genug, dass Melina sie hören konnte. Das glockenhelle Lachen der Nymphe war Balsam für Celestes Ohren.

„Ich glaube, ich liege noch zwei Lebensrettungen hinter dir.“

Endlich drehte sie den Kopf in Richtung Waldrand. Genau richtig, um die majestätische Erscheinung ihrer Freundin dabei zu beobachten, wie sie von Baum zu Baum sprang, nur um direkt neben ihr zu landen.

„Angeberin“, kommentierte sie lächelnd den Auftritt ihrer Freundin.

Melina grinste wissend zurück. „Der ist ganz schön groß. Meinst du nicht?“, lenkte die Nymphe das Thema zurück auf das Monster.

Dabei schwangen ihre spitzen Ohren vor und zurück, was Celeste dazu veranlasste, nach Azia Ausschau zu halten. Doch der Adler war mittlerweile wieder die Ruhe selbst. Sie konnte keine weitere Gefahr wahrnehmen. Und auch Melina gab ihr zu verstehen, dass sie erst einmal in Sicherheit war, indem sie ihren Köcher mit Pfeilen und ihren Bogen auf dem Boden ablegte und um das Monster herumlief.

„Ja, das dachte ich vorhin auch, als er mich quer durch die Luft geschleudert hat. Hast du so eines schon einmal gesehen?“, griff Celeste die Frage der Nymphe auf.

„Nein. Ich habe unserem Dekan bereits ein Bild geschickt. Wir sammeln derzeit alle Informationen über das Auftauchen neuer Monster, die wir kriegen können.“

Jeder Nymphenstamm besaß einen Dekan, der für die Gebete zu den Göttern und das Sammeln von Wissen zuständig war und zu dem jede weibliche und jeder männliche Nymph eine mentale Verbindung aufbauen konnte. Celeste hatte Melinas Dekan ein einziges Mal getroffen und hatte den Mann auf Anhieb unsympathisch gefunden. Doch auf seinem Gebiet war er eine Legende und viele andere Stämme holten sich oft Rat bei ihm ein.

„Ist das der Grund, warum du den Berg verlassen hast?“, fragte Celeste. Jeder Fremde hätte Melina sofort als Prinzessin der Bergnymphen erkannt.

Wie all ihre Stammesangehörigen trug sie ihr mitternachtsschwarzes Haar lang. Einzelne weiße Federn ihres Reittieres waren kunstvoll eingebunden worden. Ihre Kleidung bestand aus einem Material, das selbst den schärfsten Klingen, Pfeilspitzen und Klauen standhalten konnte. Auch hier waren die Farben Schwarz und Weiß kunstvoll vertreten. Doch Celeste hatte schon immer Melinas Augen als am auffälligsten empfunden. Die Nymphen besaßen größere Augen als die normalen Menschen und Dunklen, doch Melinas Augen hatten die Farbe des tiefsten Ozeans, was eine Seltenheit darstellte.

„Uns erreichten Meldungen in ganz Edrè, dass die Berge, Wälder und Gewässer vermehrt von Monstern angegriffen werden. Eigentlich war ich auf dem Weg zu dir, um in Erfahrung zu bringen, ob ihr Dunklen etwas darüber wisst.“

Celeste schüttelte den Kopf. „Nein, nicht mehr als ihr, denke ich.“

„Und was machst du im Gebiet der Waldnymphen?“, fragte Melina.

„Ich war auf dem Weg zum heiligen Tempel.“

Die Nymphe lachte laut auf und warf dabei schwungvoll ihre Haare über die Schulter. „Was für ein Zufall, denkst du jetzt bestimmt.“

Ein Kribbeln in ihrem Nacken ließen daran allerdings Zweifel in Celeste aufkommen. Deshalb antwortete sie: „Nein, diesmal gebe ich dir recht. Ich denke nicht, dass das ein Zufall ist.“

Aus Melinas Gesicht verschwand das Lachen und nun sah Celeste sich einer ernsthaft besorgten Nymphe gegenüber stehen. Normalerweise waren Nymphen eher Wesen, die nach dem Kopf entschieden. Doch Melina war auch in dieser Sicht anders. Sie vertraute ihrem Gefühl. Und sie gab nichts auf Zufälle. Alles hatte einen Sinn, das war ihre Einstellung.

„Wenn du mal einer Meinung mit mir bist, dann liegt etwas im Argen. Was ist los? Warum reist du zum Tempel? Dir ist doch klar, dass deine Weisen dich nicht einmal in die Nähe ihrer Heiligtümer kommen lassen.“ Melinas Stimme hatte einen missbilligenden Tonfall angenommen, was Celeste ihr nicht verdenken konnten.

Das, was bei den Nymphen ein Dekan war, war bei den Dunklen ein Weiser. Es gab sie überall, doch diejenigen, die die Tempel in allen Ländern überwachten, besaßen Macht. Was wiederum dazu führte, dass sie sich aussuchten, wer mit den Göttern in Kontakt kommen durfte. Die Nymphen und die Weisen waren seit jeher Gegner, wenn es um die Frage der Huldigung für die Götter und das Teilen von Wissen ging. Nymphen glaubten weniger an Götter als vielmehr an die Magie der Natur.

Also erzählte sie Melina in kurzen Worten von ihrer Begegnung mit ihrer Tante Thalia und der Weisen Danae, die ihr half. Währenddessen gab die Nymphe ihr eine Salbe, die sie sich behutsam auf die Flecken schmierte, die sich bereits auf ihrer Haut abzeichneten. Dass Melina sie nicht einmal bei ihrer Erzählung unterbrach, sagte ihr, wie ernst die Lage wirklich war. Und das ungute Gefühl in ihrem Magen kehrte zurück.

Kapitel 2
Edrè

Celeste beobachtete Melina nervös, während sie ihren Adler aus der Hand fütterte. „Ist es die gleiche Spur?“, fragte sie schließlich.

Die Nymphe hockte auf dem Waldboden und starrte Spuren an, die für Celeste kaum wahrnehmbar waren. „Ja, die Waldnymphen sind in Gruppen zu unterschiedlichen Zeiten hier entlanggereist.“

Das Monster, das Celeste angegriffen hatte, ließen sie gefesselt zurück, in der Hoffnung, dass die Bewohner des Waldes es bald fanden. Sie war nicht bereit, ihre Hände mit dem Tod des Ungetüms zu beschmutzen.

„Wenn sie auf der Flucht sind, hätten sie dann keinem anderen Nymphenstamm Bescheid gesagt?“

Melina schüttelte den Kopf. „Nicht unbedingt. Es kommt darauf an, ob sie denken, dass eine Gefahr nur ortsbezogen besteht oder nicht. Wenn sie überrascht wurden oder ihr Dekan entschieden hat, dass sie sich zurückziehen sollten, weil nur der Wald angegriffen wurde, dann wären sie zuerst geflohen. Alles andere lässt sich regeln, wenn sie in Sicherheit sind.“

Besorgt schaute Celeste in den Himmel. Hunderte Fragen schossen ihr durch den Kopf.

„Überlegst du, ob du umkehrst und den Dunklen Bericht erstattest?“

Celeste seufzte. Ihre Freundin kannte sie anscheinend viel zu gut, wenn sie so einfach zu lesen war. „Ja, ich sollte berichten, was ich gesehen habe.“

„Aber?“

„Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass ich zum Tempel reisen muss. Es ist eine leise Ahnung, die ich nicht genau beschreiben kann. Meine Tante genießt keinen allzu glaubwürdigen Ruf. Wenn es stimmt, was sie sagt, muss ich Beweise finden. Ansonsten werden die großen Häuser nicht zuhören.“

„Der Weg durch den Wald dauert noch etwa einen Tag. Ophir wartet an der Grenze des Waldes auf mich.“ Ophir war Melinas geflügelter Berglöwe. „Ich werde dich zum Tempel begleiten.“

Dankbar lächelte Celeste ihre Freundin an. Insgeheim hatte sie gehofft, die Nymphe zu treffen, ehe sie sich überlegen musste, wie sie zum Tempel gelangen konnte, ohne Aufsehen zu erregen.

„Deinem Bruder wird das gar nicht gefallen“, antwortete Celeste lächelnd.

Melina schnaubte abfällig. „Mein Bruder ist zu sehr damit beschäftigt, sich um politische Angelegenheiten zu kümmern. Wenn wir Glück haben, finden wir weitere Spuren der Waldnymphen. So kann ich später wiederkommen. Es muss einen wichtigen Grund geben, warum sie in Gruppen reisten.“

Celeste nickte. Nymphenkrieger waren Einzelgänger. Sie durchstreiften ihr Gebiet und hatten die Gabe, ihren Feind hinterrücks zu überraschen. Nur wenn sie in den Krieg zogen oder zu ihren Familien zurückkehrten, nahmen sie am Gemeinschaftsleben teil. Doch Melina hatte Spuren von mehreren Kriegern gefunden, die eine Gruppe begleitete, die nicht aus Kriegern bestand. Bei der letzten Spur hatten sie ein kleines Stofftier gefunden, das einem Kind gehört haben muss.

Azia hörte die Geräusche zuerst und übermittelte Celeste ein ungutes Gefühl. Als diese alarmiert aufstand, flog der Adler davon, um einen besseren Überblick zu bekommen. Sie folgte ihm mit ihrem Blick, den Körper angespannt und ihren Geist offen haltend. Melina ließ ihr Zeit, doch dann drangen die Geräusche der Zerstörung auch zu ihnen vor.

„Ein weiteres Monster?“

Celeste nickte, als Azia Melinas Verdacht bestätigte. „Ja.“ Während sie die Bilder ihres Adlers empfing, stockte ihr der Atem. In einer einzigen fließenden Bewegung ergriff sie ihre Habseligkeiten und sprintete los. Ihre Verletzungen schmerzten noch immer, doch Melinas Salbe half bei der schnellen Heilung.

Ihre Freundin folgte ihr, ohne eine Frage zu stellen. In halsbrecherischem Tempo jagten sie durch das Unterholz, während die Kampfgeräusche immer lauter wurden. Und Celeste betete, dass sie nicht zu spät kamen.

Als sie den ersten Waldnymphenkrieger sah, musste sie sich auch schon vor einer riesigen Klaue ducken, die wild um sich schlug. Das zweite Monster, das ihr in diesem Wald begegnete, war fast doppelt so groß wie das erste und noch viel hässlicher. Der Kopf war kahl und ganze vier Augen waren rundherum verteilt. Der massige Körper zerschlug Jahrtausende alte Bäume, als wären sie kleine Streichhölzer.

Doch was Celeste das Blut in den Adern gefrieren ließ, waren die drei toten Krieger am Boden und eine Gruppe von Frauen und Kindern der Waldnymphen, die sich ängstlich in einem Flussbach zusammenkauerten.

Sowohl Melina als auch Celeste zückten ihre Schwerter und kamen den verbliebenden Kämpfenden zu Hilfe. Der Wind trug den Geruch nach Eisen zu ihnen, was den beiden Frauen verriet, dass schon zu viel Blut geflossen war. Sie riskierte einen kurzen Blickwechsel mit einem der Krieger, dann konzentrierte sie sich ganz und gar auf das Monster. Ohne ihre eigenen Kräfte fühlte sich Celeste fast hilflos. Ihr Schwert schlug immer wieder auf das Monster ein, während ihr der Schweiß über die Stirn und den Rücken hinunterlief.

Als sie es endlich schaffte, in den rechten Fuß des Viehs zu stechen, brachte Melina es durch einen tiefen Schnitt auf der anderen Seite in Höhe des Knies zu Fall. Die Krieger und die beiden Frauen beeilten sich, das Ungetüm mit Seilen am Boden festzubinden, ehe einer der Krieger den letzten Schwerthieb ausführte. Der gesamte Körper zuckte noch einen Augenblick, dann war außer dem schweren Atmen der Kämpfenden und dem Weinen der Kinder nichts mehr zu hören.

Von den Waldnymphenkriegern waren noch zwei übrig geblieben. Neben ihnen stand ein Mann, der anders gekleidet und auch größer und kräftiger war als die Bewohner des Waldes. Celeste versuchte gerade wieder zu Atem zu kommen, als einer der beiden jungen Männer vortrat und ihr und Melina einen scharfen Blick zuwarf.

„Was macht ihr in unserem Territorium?“

„Wie kannst du es …“ Zu mehr kam Melina nicht, denn Celeste ergriff die Bergnymphenprinzessin an der Hüfte und verhinderte so, dass der Krieger Bekanntschaft mit ihrer Klinge machte. Waldnymphen sahen mitunter wunderschön und arglos aus, aber sie waren gnadenlos und rachsüchtig, wenn es darauf ankam.

„Mein Name ist Celeste, ich bin eine Dunkle. Meine Freundin begleitet mich auf dem Weg zum Tempel. Wir haben bemerkt, dass ihr in Schwierigkeiten steckt, und sind daher zu Hilfe gekommen.“

Sie sah, wie der Krieger, der zuvor das Wort an sie gerichtet hatte, merklich mit den Zähnen knirschte. Doch der andere, der noch ein paar Jahre jünger aussah als die anderen, legte ihm eine Hand auf die Schulter. Diese Geste wirkte anscheinend, denn beide Krieger neigten den Kopf zum Zeichen der Dankbarkeit.

Der andere Mann hatte bisher noch kein Wort gesprochen, ließ sie aber nicht aus den Augen. Doch zu Celestes Erstaunen liefen die beiden Krieger nun zu den Frauen und Kindern, sprachen ein paar leise Worte mit ihnen, ehe sie prall gefüllte Taschen schulterten.

„Was ist mit euren toten Kriegern?“, fragte sie aus einem Reflex heraus. Sie hatte noch nie erlebt, dass eine Nymphe, auch Nymphenkrieger, ihre Verstorbenen zurückließen.

„Wir haben keine Zeit. Unser Auftrag lautet, den Wald zu evakuieren und die letzten Bewohner in die Baumfestung zu bringen“, antwortete der jüngere Krieger.

Die Baumfestung war das Refugium des Königs und seiner Leibgarde. Celeste war nicht bekannt, dass er jemals sein Volk zu sich gerufen hatte, und genau dieser Gedanke verursachte ihr regelrecht Magenschmerzen.

„Ihr seid Feiglinge“, spie Melina hocherhobenen Hauptes aus. Die Augen der Krieger sprühten Feuer, doch die Frauen flüsterten das Wort Prinzessin, sodass sich die Männer an die Etikette erinnern mussten.

„Auf allen Kontinenten gehen die Nachrichten von vermehrten Monsterangriffen umher, doch ihr versteckt euch lieber, anstatt euer Wissen mit euren Brüdern und Schwestern zu teilen. Stattdessen missachtet ihr das Opfer eurer gefallenen Krieger. Allein, dass euch ein Chimäre begleitet, sagt mir, dass ihr schon Söldner anheuert, weil eure Angst euch dazu zwingt, euren Stolz zu vergessen.“

Celeste wartete mit angehaltenem Atem auf die Antwort der Waldnymphen, doch sie sahen Melina nur voller Verachtung an, ehe sie einfach an ihnen vorbeigingen. Dabei konnte sie etliche Verletzungen erkennen, die eigentlich hätten versorgt werden müssen. Der Chimäre, den Melina zu kennen schien, blieb noch stehen und beobachtete alles um sie herum ganz genau. Seine Augen waren von einem strahlenden Gelb, wobei seine etwas zu langen Haare so dunkel wie die Baumrinde hinter ihm waren.

„Elhan?“, sagte Melina leise, so dass die Krieger sie nicht hören konnten.

Doch der Mann schwieg und sah Melina nur durchdringend an. Als die kleine Gruppe nicht mehr zu sehen war, verschwand auch er im Dickicht des Waldes. Melina sah ihm mit gerunzelter Stirn hinterher. Celeste ließ sich ächzend auf einen umgefallenen Baumstamm sinken, was ihr Melinas Aufmerksamkeit zurückbrachte.

„Wie geht es dir?“

„So weit ganz gut. Diesmal habe ich nichts abbekommen.“ Nachdenklich schaute sie auf die Leichen der drei Krieger hinunter.

„Wir können sie nicht einfach so hier liegen lassen“, sagte Celeste, während sich ihre Freundin neben sie setzte.

„Nein, das können wir nicht.“

Celeste warf Melina einen fragenden Seitenblick zu, ehe sie fragte: „Woher kennst du diesen Elhan. Ich hätte nicht sagen können, dass er ein Chimäre ist. Diese Mischwesen wissen, wie sie sich unauffällig verhalten können. Es ist das erste Mal, dass ich die legendäre Kampfkunst dieser Wesen aus erster Hand sehen konnte.“

Melina seufzte laut auf. „Das ist eine lange Geschichte. Er ist mir einmal zu Hilfe gekommen, als ich in einen Hinterhalt geraten bin. Er verwandelt sich in einen Bären, doch nur, wenn es unbedingt notwendig ist. Ich schulde ihm etwas, das ist der Grund, warum es ihm erlaubt ist, sich in unserem Gebiet aufzuhalten. Doch wenn er von den Waldnymphen angeheuert wurde, dann bedeutet das nichts Gutes.“

Celeste lachte trocken auf. „Du hast die Krieger ganz schön gereizt. Normalerweise hättet ihr euch bis aufs Blut bekämpft. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass es mir mal mehr Angst macht, wenn ihr es nicht tut.“

„Das war meine Absicht. Ich wollte sehen, ob sie darauf eingehen. Und trotzdem sind meine Worte wahr. Sie sind Feiglinge, die lieber zuerst sich in Sicherheit bringen, ohne den anderen Stämmen Bescheid zu geben.“

„Lass uns am besten die Krieger beerdigen, und dann sollten wir weiterziehen.“

Melina nickte, sagte aber: „Wir können sie nicht einfach so unter die Erde bringen. Sie sind Geschöpfte des Waldes.“

Schweigend sah Celeste zu, wie sich die Bergnymphe auf den Boden setzte, ihre Beine übereinanderschlug und die Augen schloss. Normalweise würde eine Nymphe solch ein Ritual vor den Augen eines Menschen oder eines Dunklen nie durchführen. Wieder einmal verspürte Celeste eine tiefe Dankbarkeit dafür, dass Melina sie an so etwas teilhaben ließ. Die Seelen der Krieger waren bereits aus den Körpern gefahren. Was übrig blieb, war eine leere Hülle. Es gab unter den Dunklen eine Eliteeinheit, die sich um die Seelen derer kümmerten, die in dieser Welt starben. Sie würden dafür sorgen, dass die Krieger wiedergeboren werden konnten.

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