Kitabı oku: «Celeste - Siehst du mich?», sayfa 4
Erstaunt erwiderte Celeste: „Mein Blut?“
„Ja. Das getrocknete an deiner Kleidung und das frische in deinem Gesicht. Dein Blut verrät mir etwas, das du wahrscheinlich nicht einmal weißt.“
Als mit einem Mal ein strahlendes Lächeln auf Hades’ Gesicht erschien, schauten sie ihn misstrauisch an. In Gedanken musste Celeste Azia zur Ruhe zwingen, denn ihr Adler wollte Hades am liebsten die Augen auspicken.
„Wisst ihr was? Ich bin gerade in der Stimmung, in diesem ganzen Spiel ein wenig mitzumischen. Das heißt, ich werde euch nicht töten. Dafür werde ich euch eine Geschichte erzählen.“
Celeste konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass der Gott mit ihnen spielte. Doch hatten sie eine andere Wahl, als mitzuspielen?
Als Hades einmal mit der Hand in der Luft wedelte, erschien auf der Wiese mit einem Mal eine große Decke. In der Mitte stand ein Weidenkorb, in dem sich eine Flasche Wein, Gläser und allerlei Köstlichkeiten befanden. Hades ließ sich aufseufzend nieder und schenkte sich zuallererst ein Glas der roten Flüssigkeit ein.
„Möchtet ihr auch ein Gläschen?“
Beide Frauen schüttelten den Kopf.
„Aber zumindest könntet ihr die Höflichkeit besitzen, euch zu setzen.“
Nur widerwillig kamen sie dieser Bitte nach, die sich eher wie ein Befehl anhörte.
Zufrieden nippte der Gott des Todes an seinem Glas, ehe er zu sprechen anfing: „Kennt ihr die Legende über Lamia?“
Melina und Celeste nickten zustimmend.
„Gut, gut. Aber bevor wegen Lamia Edrè geschaffen wurde, existierten nur drei Ebenen. Die Welt der Götter, die Erde und die Unterwelt. Je nach Land und Kultur hat man mir und den anderen Göttern verschiedene Namen gegeben. Aber das Ergebnis war das gleiche. Alle Verstorbenen landeten in der Unterwelt und von hier aus wurden sie verteilt.
Ich hatte Tausende Untergebene, die für Ordnung sorgten. Darunter auch niedere Götter. Da gab es zum einen Thanatos. Er kümmerte sich um die Seelen, die eines natürlichen Todes gestorben waren. Seine Schwester Ker war für diejenigen zuständig, die gewaltsam von der Oberfläche getilgt wurden.
Doch als Zeus und die Götter, die sich um ihn geschart hatten, Lamia zu besiegen versuchten, erschufen sie unbeabsichtigt eine vierte Ebene.“ Zum ersten Mal wurde Hades’ Stimme bitter.
„Und da es ihre erneute Aufmerksamkeit gefordert hätte, die alte Weltordnung wiederherzustellen, haben sie es so belassen, wie es war. Doch man gab einigen Menschen besondere Kräfte. Später wurden sie die Dunklen genannt. Sie wurden ausgebildet, damit die Seelen eingefangen werden konnten. Wahrscheinlich bin ich der einzige Gott, der sieht, dass eure Welt anfängt zu bröckeln. Jemand oder etwas hat einen Riss im Tartaros versursacht, der direkt nach Edrè geht.“
„Was ist der Tartaros?“, fragte Celeste.
„Das, kleine Dunkle, ist der Ort, an dem früher die Seelen und Monster gefangen gehalten wurden, die so viel Blut an ihren Händen kleben hatten, dass sie erst einmal ausgiebig bestraft werden mussten, bevor ich sie wieder in die Welt entlassen konnte. Manche leben dort seit Jahrtausenden.“ Erneut unterbrach Hades seine Erzählung. Genüsslich nahm er ein Stück Brot und Käse aus dem Korb.
Jede Faser in Celeste wollte ihn dazu bringen, mit seiner Erzählung fortzufahren, doch sie wusste, dass sie ihn nicht drängen konnte. Schließlich nahm er den Faden doch wieder auf.
„Ihr überlegt jetzt sicherlich, dass das der Grund ist, warum so viele Monster in eurer Welt auftauchen. Ja, das ist durchaus möglich.“
„Könnt ihr das Loch wieder verschließen?“, fragte Melina vorsichtig.
Hades lächelte die Bergnymphe nachsichtig an. Nur Celeste konnte sehen, dass ihre Freundin daraufhin die Hände zu Fäusten ballte. Äußerlich war ihr ihr Unmut aber nicht anzusehen.
„Das könnte ich, wenn ich denn die Muße hätte, so viel Kraft zu investieren. Denn der Tartaros ist kein Ort, an dem sich ein Gott mit genügend Verstand aufhalten würde. Ich bin mächtig und doch würde ich mindestens einhundert Jahre benötigen, um den Riss zu verschließen. Thanatos und Ker haben kaum noch Kraft, da sie niedere Götter sind und ohne eine Aufgabe irgendwann einfach aufhören werden zu existieren.“ Hades legte den Kopf schräg, schaute sie an und machte ein betont unschuldiges Gesicht. Doch das kauften sie ihm nicht ab.
„Ihr solltet euch überlegen, ob ich es nicht bin, der dabei hilft, eure Welt zu zerstören. Immerhin waren die Toten vorher meine Aufgabe. Oder es ist vielleicht jemand völlig anderes, der nicht möchte, dass ihr das eben Gehörte wisst.“ Als Hades aufstand, folgten sie seinem Beispiel.
„Und nun verabschiede ich mich von euch.“ Celeste sah, dass der Gott vergnügt in die Hände klatschte, dann drehte sich die Welt um sie herum auch schon.
Kapitel 3
Edrè
Celeste beugte sich gerade über Melina, als die Felswand vor ihr einfach zerbröckelte, bis nur noch grauer Sand auf dem Boden lag.
„Melina, wach auf. Komm schon, du machst mir Sorgen“, sagte sie drängend, während sie Melinas Körper in eine sitzende Position brachte. Die Luft war stickig in dem Gang und Celeste zitterten noch immer die Beine. Im Grunde genommen konnten sie froh sein, dass Hades sie wirklich hatte gehen lassen.
Endlich hörte sie von Melina ein Stöhnen, was Ophir gleich dazu brachte, sich an Celeste vorbeizudrängen und der Nymphe einmal quer über das Gesicht zu lecken.
„Ophir, lass das“, murmelte Melina müde.
Das brachte Celeste endlich zum Lächeln. „Komm, wir sollten weitergehen. Ich habe keine Lust, noch einmal in eine Falle zu geraten. Das nächste Mal fallen wir vielleicht in den Tartaros.“
Das brachte Melina endlich dazu, ihre Augen zu öffnen. Irritiert sah sie sich um. „Wir leben noch, oder?“
„Ja“, stieß Celeste lachend aus. Dann half sie ihrer Freundin beim Aufstehen, doch auch Melinas Beine wollten nicht so recht mitspielen.
„Pass auf, ich heb dich auf Ophirs Rücken. Festhalten musst du dich aber selber.“
Celeste unterdrückte ein Schnaufen, als sie der größeren Frau auf den Rücken des Löwen half. Zum Glück hatte Ophir verstanden, was sie vorhatte, denn er legte sich auf den Boden, sodass sie es schaffte. Doch auch so hatte er noch eine beachtliche Größe. Als Melina endlich sicher verstaut war, ging Celeste voran, während Azia auf ihrer Schulter saß und Ophir ihr folgte.
„Glaubst du, Hades’ Geschichte stimmt?“, hörte sie Melina hinter sich fragen. Doch bevor Celeste antwortete, legte sie eine Hand auf eine Falle in der Wand. Mit ihrer Magie machte sie den Mechanismus unschädlich.
„Ja. Ich weiß nur nicht, ob er nun etwas mit dem nahenden Unheil zu tun hat oder nicht.“
„Aber warum hätte er uns dann ziehen lassen?“
„Weil er ein Gott ist und es ihm Spaß macht, seine Spiele mit uns zu treiben?“, antwortete Celeste.
„Ich habe das Gefühl, dass mehr hinter dieser ganzen Sache steckt. Deine Tante glaubt, dass eine Helle zurück in ihr altes Leben möchte und dass sie dadurch unsere Welt zerstören würde.“ Je mehr Melina sprach, desto fester wurde ihre Stimme.
„Wenn es jemanden gibt, der ihr hilft, muss er oder sie einen Grund dafür haben. Hades hat uns mit seiner Geschichte einen Anhaltspunkt geliefert, warum er es sein könnte. Immerhin hat er seit der Entstehung Edrès keine Aufgabe mehr. Und die anderen beiden Götter, Thanatos und Ker, verschwinden langsam. Auch sie hätten einen Grund“, führte die Nymphe ihre Überlegung weiter aus.
Endlich erreichten sie den Ausgang. Als sie ins Licht der Sonne traten, mussten sie zuerst ihre Augen abschirmen, so weh tat die Helligkeit in ihren Augen. In einiger Entfernung konnten sie bereits den Tempel sehen. Hinter den Steinsäulen waren weitere Bergspitzen zu sehen, die von Schnee bedeckt waren.
Celeste atmete die frische Bergluft begierig ein und auch Azia erhob sich mit einem glücklichen Schrei von ihren Schultern. Melina war wieder kräftig genug, um von Ophirs Rücken zu steigen. Nymphen waren schon immer stolze Wesen gewesen, die vor anderen nur selten Schwächen zugaben. Deshalb bestand Celeste auch nicht darauf, dass sie auch den Rest des Weges ritt. Sie wusste, wie Melina reagieren würde, wenn sie ihr etwas in dieser Richtung vorgeschlagen hätte. Also liefen sie langsam das letzte Stück des Weges hinauf.
„Kommt dir auch etwas merkwürdig vor?“, fragte Melina besorgt. Und doch war Celeste froh, die alte Stärke in der Stimme ihrer Freundin vorzufinden.
„Ja. Normalerweise hätte uns schon einer der Weisen aufgehalten, die hier Wache halten.“
Auch Ophir und Azia wurden nervös. Celestes Adler kreiste in der Luft, noch unterhalb der magischen Barriere, die es Besuchern untersagte, aus der Luft den Tempel zu erreichen. Celeste atmete die frische Bergluft ein, konnte diesmal aber zum Glück keinen Geruch nach Rauch und Tod wahrnehmen.
Als sie die höchste Stelle auf dem Bergkamm erreichten, wurde die Stille noch unangenehmer. Der heilige Tempel bestand aus zwei Säulen, die einen Querträger aus Stein hielten. In den Säulen selbst waren heilige Zeichen eingraviert, die weder Celeste noch Melina lesen konnten.
„Wo sind nur deine Weisen hin?“, fragte Melina leise.
Noch ehe Celeste antworten konnten, brachte ein Fauchen hinter ihnen sie dazu, sich blitzschnell umzudrehen.
„Eigentlich hatte ich erst einmal genug vom Kämpfen“, sagte Celeste laut.
Vor den beiden Frauen standen mit einem Mal fünf Jugendliche und vier Kinder, die nicht älter als sieben oder acht sein konnten. Ihre Kleidung war schmutzig und zerrissen, doch dafür sahen sie ansonsten wie wunderschöne Wesen aus. Alle hatten etwa den gleichen gebräunten Hautton, ebenmäßige Wangenknochen und Augen, die entfernt an die der Nymphen erinnerte. Und doch konnte Celeste deutlich die tödliche Bedrohung in ihnen erkennen.
„Das sind Lamien“, stieß Melina angewidert aus.
Die Kinder und Jugendlichen beobachteten sie, griffen aber nicht an. Während Celeste ihr Schwert zog und Azia befahl, in Reichweite zu bleiben, fragte sie: „Was sind Lamien?“
„Als Lamia sich in ein Ungeheuer verwandelte, raubte sie die Kinder der Sterblichen. In den Legenden heißt es, sie tötet alle. Doch mein Bruder fand vor Kurzem alte Schriften, in denen beschrieben wird, dass kurz nach der Entstehung Edrès Monster entdeckt wurden, die aussahen wie Kinder. Sie waren wunderschön und lockten Bewohner ganzer Dörfer in die Wälder. Anschließend tranken sie ihr Blut und töteten sie so.“
Celeste lief es eiskalt über den Rücken. Diese wunderschön aussehenden Wesen sollten solch schreckliche Dinge tun? Als ob sie ihre Gedanken lesen konnten, fingen alle Kinder gleichzeitig an zu lächeln. Sie sahen so unschuldig aus, dass man die Mordlust in ihren Augen beinahe übersehen konnte.
„Celeste?“, sagte Melina ruhig.
„Ja?“
„Sie werden uns angreifen und sie werden uns töten, wenn wir nicht bereit sind, gegen Kinder zu kämpfen.“
„Ich weiß.“
„Bist du dazu bereit?“
Celeste war sich nicht sicher, aber ihr blieb nicht viel Zeit, darüber nachzudenken, denn mit einem Mal stürzten allesamt auf die beiden Frauen zu. Erneut kämpfte Celeste um ihr Leben. Die zwei Frauen erhielten aber Hilfe von Melinas geflügeltem Löwen und Celestes Adler.
Die Luft füllte sich mit den Geräuschen des Angriffs und der Abwehr. Schwertklingen trafen auf Krallen, die den Kindern wuchsen. Schweiß lief ihr in die Augen, doch noch immer zögerte sie, einen tödlichen Schwerthieb auszuführen. Mochte sie nach außen hin kühl und unnahbar erscheinen, was nicht zuletzt an ihrem Gesicht und ihren blonden langen Haaren lag, war es ihr nicht wirklich egal, dass sie gegen Kinder kämpfte.
Doch spätestens als einer der Jungen in ihren Arm biss und merklich Blut aus ihren Körper in seinen sog, war für Celeste die Zeit des Ausweichens vorbei. Mit aller Härte schwang sie ihr Schwert, was sich zeitweise auch wieder in den Dolch zurückverwandelte, um ein paar schmerzhafte Wunden zu hinterlassen.
Trotz allem waren die Kinder in der Überzahl und die Verletzungen, die die jungen Körper zierten, brachten nicht den erhofften Erfolg. Stattdessen kämpften die Lamien immer wütender und immer kräftezehrender. Hätte Celeste nicht bereits gegen zwei Monster gekämpft, hätte sie sich nicht zurückdrängen lassen. Doch jetzt musste sie überlegen, wie sie die Kinder ausschalten konnte. Was bedeutete, dass sie ihre Kräfte schonen musste.
Rückwärts, das Schwert schwingend und Tritte austeilend, bewegte sie sich auf die zwei steinernen Torbögen zu, die sich auf der höchsten Stelle des Berges befanden. Die Lamien schrien und fauchten, doch sie kamen nicht nah genug an Celeste heran, um sie tödlich zu verletzen.
Auch Melina machte es den kindlichen Monstern nicht leicht. Die Magie der Nymphe prallte wirkungslos an den kleinen Körpern ab, was dazu führte, dass sie als einzige Verteidigung ihr Schwert und ihre Pfeile hatte. Sie bewegte sich so schnell, dass die Augen der Lamien ihr nur schwer folgen konnten.
Als Celeste über einen Stein stolperte, rettete ihr genau dies das Leben. Einer der Jungen hätte sie ansonsten mit seinen langen Krallen direkt am Hals erwischt. In einer einzigen fließenden Bewegung stand sie wieder auf, während Azia ein Mädchen attackierte, das zum Sprung auf die Dunkle ansetzte. Ophir hatte weniger Skrupel als sie und biss gerade einem der älteren Kinder in den Arm.
Als Celeste einen weiteren Schritt nach hinten auswich, schoss eine brennende Hitze über ihren Fuß hinauf in ihren Körper. Ein erstickter Schrei entfuhr ihr, der von niemandem außer Azia wahrgenommen wurde. Der Adler flog direkt über Celeste und stieß einen Warnschrei aus. Celeste sah, dass sie nun mitten zwischen den Steinbögen stand.
Auf der Innenseite waren fremde Zeichen eingemeißelt worden, die nun anfingen zu glühen. Aus dem Boden wand sich eine schmale Flamme nach oben. Sie leckte an dem Stein, bis sie die Zeichen ausfüllte und diese so aussahen, als würden sie gerade in das Material gebrannt werden.
Selbst die Lamien hielten mit einem Mal Abstand, was in Celeste ein noch größeres Gefühl der Angst auslöste. Ungebeten kamen ihr die Worte ihres Ausbilders in den Sinn. Nur Schwächlinge haben keine Angst. Dieses Gefühl bringt unseren Körper dazu, ums Überleben zu kämpfen.
Und genau das machte Celeste jetzt. Die Schmerzen in ihrem Körper nahmen mehr und mehr zu, machten sie praktisch bewegungsunfähig.
Melina sah endlich, dass etwas nicht stimmte, doch bevor sie ihrer Freundin helfen konnte, stürmten weitere Lamien aus dem Nichts auf sie zu. Einige waren jetzt sogar mutig genug, einen erneuten Angriff auf Celeste starten zu wollen.
Doch das ließ das Feuer nicht zu. Es schnellte erneut aus dem Boden und verbrannte die Angreifer zu grauer Asche, die durch den Wind in alle Himmelsrichtungen verteilt wurden. Geschockt sah Melina dabei zu, wie sich nun das Feuer an Celestes Körper hinaufschlängelte.
„Lass sie gehen“, donnerte eine männliche Stimme vom Himmel herab.
Die Nymphe wusste instinktiv, dass gerade ein Gott zu ihr gesprochen hatte. Doch alles in ihr schrie danach, Celeste zu helfen. Die Flammen änderten in nur wenigen Sekunden ihre Farben. Von Gelborange bis hin zu Weißblau und ehe Melina noch entscheiden konnte, ob sie dem Befehl Folge leisten sollte, war ihre Freundin verschwunden. Da Azia direkt über Celeste geflogen war, wurde auch sie von den Flammen eingeschlossen und verschwand zusammen mit ihrer Gefährtin.
Zurück blieben nur Melina und Ophir, die sich nun ungefähr zwanzig Lamien gegenübersahen, die sie siegessicher angrinsten und sich bereits die Lippen leckten.
Celeste hörte Azia in ihren Gedanken schreien und wusste, dass sie in Schwierigkeiten steckte. Die weißblauen Flammen nahmen ihr jede Sicht, doch zum Glück hörte das Brennen in ihrem Körper langsam auf. Nach und nach gehorchte ihr Körper ihr wieder. Es kostetet sie all ihre verbliebene Kraft, nicht zurückzuschrecken, als ein paar Schritte vor ihr eine schimmernde Gestalt auftauchte. Sie war etwas größer als Celeste und nur als Schemen wahrnehmbar.
„Sei gegrüßt, Dunkle aus den großen Häusern“, sagte eine dunkle Männerstimme.
„Wer bist du?“
„Das wirst du erfahren, sobald die Zeit dafür reif ist. Ich bin hier, um dir einen Auftrag zu geben.“
„Bist du ein Gott oder ein Monster?“ Celeste biss frustriert die Zähne zusammen, als sie das erheiternde Lachen hörte.
„Manche würden sagen, beides. Edrè ist in Gefahr, aber das weißt du ja bereits. Eine Helle hat das gleiche Tor wie du passiert und ist auf die Erde gereist. Das gesamte Weltgefüge bekommt dadurch immer mehr Risse. Du musst sie finden, einfangen und zurückbringen. Schaffst du das nicht, wird Edrè aufhören zu existieren.“
Celeste ahnte, dass mit diesen drohenden Worten auch gemeint war, dass somit alles Leben in ihrer Welt ausgelöscht werden würde.
„Warum gerade ich?“, entfuhr es ihr verzweifelt. „Warum werde ich geschickt, um die Helle einzufangen? Wie kannst du von mir erwarten, die Last einer ganzen Welt zu tragen?“
Sie spürte ein wenig Wohlwollen in der Luft, als die Gestalt antwortete: „Zweifel niemals an Entscheidungen, die du nicht ändern kannst. Für manch einen ist es ein Spiel, für andere die Nahrung für den eigenen Hass, für andere wiederum ein Anliegen des Herzens, das seit Anbeginn der Zeit existiert.“
Und mit diesen kryptischen Worten verschwand die Gestalt und das Brennen kehrte in Celestes Körper zurück. Wie eine Woge aus reiner Lava rauschte sie durch sie hindurch, bis ihr Körper schließlich kapitulierte und sie in selige Dunkelheit tauchen ließ.
London
Ian starrte an die Decke seines Hotelzimmers und lauschte auf die Geräusche der Menschen, die sich trotz der späten Stunde draußen aufhielten. Er selbst würde normalerweise auch dazu gehören. Doch als eine eigentümliche Melodie an seine Ohren drang, setzte er sich kerzengerade auf.
Ein Blick auf den Wecker sagte ihm, dass es bereits zwei Uhr nachts war und er somit seit vier Stunden wach in seinem Bett gelegen hatte. Kurz überlegte er, die Melodie zu ignorieren, die sich deutlich von der Musik der Jugendlichen draußen unterschied. Doch letztendlich siegte seine Neugierde.
Im Hinausgehen warf er sich schnell seine Klamotten über, ehe er den Flur entlang und anschließend die dunkle Treppe nach unten lief. Allein, dass das Hotel keinen Fahrstuhl besaß, sagte allen, in was für einem Etablissement er abgestiegen war. Das kam eben davon, wenn man kurzfristig ein Zimmer brauchte und nicht bei seinem besten Freund auf der Couch übernachten wollte.
Als er die schwere Eisentür des Hinterausgangs öffnete, quietschte diese so laut, dass es ihm in den Ohren wehtat. Seine nackten Füße in den Sneakers froren, als er wie ein Dieb in der dunklen Gasse hinter dem Hotel stand und aufmerksam lauschte. Die Melodie war jetzt lauter. Da die lauten Passanten auf der Hauptstraße nichts sagten, ging er davon aus, dass nur er sie hören konnte.
Sein Nacken kribbelte, als er um die Ecke ging, nur um sofort in eine neue, noch kleinere Gasse zu gehen. Die Töne wurden immer lauter, bis er sich schließlich die Hände auf die Ohren drückte. Ein vorbeikommender Polizist warf ihm einen prüfenden Blick zu, doch zu Ians Glück ging er einfach weiter.
Als sich seine Augen endlich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er eine zusammengekauerte Gestalt am Boden liegen. Es konnte ein betrunkener Obdachloser, ein betrunkener Jugendlicher oder ein Toter sein. Vorsichtig ging er weiter, wobei er gegen eine Bierflasche stieß, die klirrend davonrollte. Das Geräusch, das sie dabei verursachte, war so laut, dass er erschrocken zusammenzuckte.
Abgesehen von den Gerüchen, die ihm fast die Tränen in die Augen trieben, quoll die kleine Gasse auch noch vor lauter Müll fast über. Doch je näher er der Gestalt am Boden kam, desto leiser wurde die Melodie in seinen Ohren. Und allein das sagte ihm, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte.
„Eine Frau“, murmelte er leise vor sich her, als er ein Gesicht und lange Haare erkennen konnte. Eine Wolke, die zuvor den Mond verdeckt hatte, zog gerade weiter, sodass das silberne Licht feine Züge und einen großzügigen Mund offenbarte. Ihn traf fast der Schlag, als er in der bewusstlosen Frau den Geist aus dem Park wiedererkannte.
Na ja, ein Geist konnte sie ja nicht gewesen sein, wenn er sie jetzt hier vorfand. Doch was war, wenn sie tot war? Eine unbekannte Panik ergriff von ihm Besitz. Er hatte schon unzählige Geister gesehen, war in Hunderten Spuckhäusern gewesen, doch einem toten Menschen war er seit der Beerdigung seiner Großmutter nicht mehr nahe gekommen.
Doch im Grunde genommen glaubte er nicht, dass sie nicht mehr atmete. Er wusste auch nicht, warum er sich da so sicher war. Vorsichtig kniete er sich hin, um nach der Hand und somit dem Puls zu tasten.
Er war spürbar, genau wie die Kälte, die von der jungen Frau ausging. Kurzerhand nahm er den leblosen Körper auf den Arm. Mit verstohlenen Blicken und schnellen Schritten brachte er sie zum Hintereingang des Hotels und schließlich hinauf in sein Zimmer. Diesmal blieb ihm die Begegnung mit einem Uniformierten erspart.
Als er sie auf seinem Bett ablegte und die fremd aussehende Kleidung musterte, wurde ihm bewusst, was er getan hatte. Im Grunde genommen hatte er eine bewusstlose Frau auf sein Hotelzimmer gebracht, das auf seinen richtigen Namen gebucht war. So machte er das schon seit Jahren.
Früher hatte er seinen Künstlernamen benutzt, um seine richtige Identität geheim zu halten. Doch seitdem eine junge Frau ihn aufgespürt und ihm mit Pfefferspray in einer Hotelbar aufgelauert hatte, weil sie wollte, dass er mit ihr ausging, war er dazu übergegangen, seinen richtigen Namen zu nehmen.
Wenn also jemand jetzt reinkommen würde, dann hätte er definitiv schlechte Karten und würde im Gefängnis landen. Er konnte ja wohl kaum erklären, eine seltsame Melodie habe ihn zu ihr geführt und da sei sie schon bewusstlos gewesen.
Als sich das Bild einer hereinstürmenden Polizeibrigade in seine Gedanken stahl, schüttelte er bewusst den Kopf, ehe er sich dem aktuellen Problem zuwandte. Was in drei Teufels Namen sollte er jetzt mit der Frau anstellen?