Kitabı oku: «Goschamarie Mofacup», sayfa 2

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Wie immer, wenn er in die Wirtschaft ging, hatte Walter seine lederne Trachtenhose angezogen. Dazu nur ein kurzärmeliges Hemd. Eine dünne Strickjacke für den Heimweg trug er locker über dem Arm. Auch wenn die Temperaturen am Tag knapp dreißig Grad erreichten, wurde es in der Nacht kühl, vor allem, wenn der Himmel klar war und keine Wolkendecke die warme Luft zurückhielt.

Das Zelt stand fertig aufgebaut neben dem Musikheim. Er war beeindruckt. Als er die Längsseite passierte, machte er Meterschritte, um die Größe abschätzen zu können, was etwas komisch aussah, da seine normale Schrittlänge kürzer war. Fünfunddreißig Meter. Wow! Und die Breite? Etwas weniger. Walter tippte auf fünfundzwanzig Meter. Auf einem Hänger vor dem Zelt waren Holzsegmente gestapelt, die später als Boden verlegt werden sollten.

Als Walter die Dorfstraße erreichte, blickte er noch einmal zurück und staunte über die Ausmaße des Zeltes: sein Haus und das von Liesl hätten zusammen gut hinein gepasst, in der Höhe waren sie ungefähr gleich. Was für ein Wahnsinn. Balu schien das nicht zu interessieren. Er trabte locker an Walters Seite und hob gelegentlich ein Bein, um eine Markierung zu setzen. Walter schaute auf die Uhr: kurz nach acht. Und immer noch hell. Das würde sich bald ändern. Er schauderte, als er an die Zeit dachte, wenn es bereits um fünf Uhr dunkel wurde. Doch noch war es nicht soweit.

Kurz vor der Wirtschaft kam Walter an einem besonders gepflegten Garten vorbei. Anfang August war für die Kleingärtner die Zeit, um die Ernte einzufahren. Äpfel, Birnen, viele Beeren und natürlich allerlei Gemüsesorten. In den Beeten reckten verschiedene Kohlarten ihre riesigen Köpfe der späten Sonne entgegen, am Rand bogen sich die Äste eines alten Pfirsichbaumes unter der Last der reifen Früchte. Walter sah sich verstohlen um und zupfte einen Pfirsich ab. Er wischte ihn an seinem Ärmel sauber und biss hinein. Der Saft tropfte aus dem überreifen Fruchtfleisch und Walter beugte sich vor, um sich nicht zu bekleckern. Er schmeckte köstlich. Wer einmal einen reifen Pfirsich direkt vom Baum gegessen hatte, verzichtete danach gerne auf die Hochglanzprodukte, die das ganze Jahr über ihren Weg aus den Kühllagern in die Ladenregale fanden.

Die Wirtschaft war gut besucht und Walter freute sich, dass Elmar und Max schon am Stammtisch saßen. Während er sich auf seinen Platz setzte, verschwand Balu unter der Eckbank. Nur wenige Sekunden später stellte Marie zwei geöffnete Flaschen Bier vor Walter auf den Tisch. Dadurch sparte sie sich einen Laufweg.

„So Walter – schee, dass do bisch! Dätsch no veschpra wella?“

„Gerne. Ich nehme das normale Vesper.“ Das „normale Vesper“ unterschied sich nur durch einen riesigen Brocken Rauchfleisch vom „vegetarischen Vesper“. Die anderen Bestandteile, wie Blut- und Leberwurst, waren identisch. Walter hatte beides schon probiert, brauchte aber nach der Sushi-Demütigung vom Mittag das volle Programm.

„Ihr wart schnell mit dem Zelt“, lobte er Elmar, der sich gerade eine Lord anzündete.

„Ist kein Hexenwerk. Eigentlich wie beim Camping. Nur größer. Montag kommt der Boden rein, dann können wir den Rest aufbauen. Die Bühne, die verschiedenen Theken und natürlich die Bar.“

Walter war immer noch skeptisch. „Glaubt ihr wirklich, dass so viele Leute kommen? Ich meine … also … es ist ja nur ein Mofarennen.“

Elmar lehnte sich zurück und blies einen wohlgeformten Rauchkringel zur Decke. „Wir haben uns gut vorbereitet und natürlich auch informiert. Ein paar von uns haben sich woanders einige Rennen angeschaut und da Ideen gesammelt. Wieviel Besucher dann wirklich kommen, ist natürlich ein bisschen Glückssache. Stichwort Wetter. Aber allein durch die fünfundvierzig Teams, die am Start sind, können wir mit fünfhundert Leuten rechnen. Die Fahrer kommen ja nicht alleine. Meist sind ein paar Freunde dabei und auch Familie. Manche Teams haben sogar einen kleinen Fanclub, der mit ihnen von Rennen zu Rennen zieht. Und: wir haben ordentlich Werbung gemacht. Plakate, Banner, in der Zeitung kommt noch ein großer Artikel und über Socialmedia geht eh di Post ab.“

Walter war mit seinem iPhone mittlerweile auch in der digitalen Welt angekommen, doch seit er eine Mailadresse besaß, ärgerte er sich eigentlich nur über die lästigen Werbemails. Es war ihm schleierhaft wie da „die Post abgehen“ sollte, wie es Elmar genannt hatte.

„Und wir haben einen Promi am Start. Allein wegen dem werden viele Zuschauer kommen.“

Elmar sprach von Nico Berg. Ein aufgehender Stern am deutschen Rennsporthimmel. Mit gerade mal neunzehn Jahren würde er in der nächsten Saison von der Formel drei in die Formel eins wechseln. Schon jetzt wurde er als der neue Michael Schumacher gefeiert. Er stammte gebürtig aus dem Landkreis Ravensburg und irgendjemand hatte die richtigen Kontakte gehabt, um den Nachwuchsrennfahrer für das Mofarennen zu verpflichten.

„Ist der wirklich so gut?“, fragte Walter, der sich für Motorsport ungefähr so viel interessierte, wie für die Bundesligatabelle im Feldhockey.

„Der ist spitze“, mischte sich Max ein, der selbst nie ein Formel-Eins-Rennen verpasste. „So ein Talent gab es schon lange nicht mehr. Aber hier wird er sich warm anziehen müssen.“ Max lachte herzhaft und klopfte zwei Häufchen Schnupftabak auf seinen Handrücken. „Wenn der wüsste, was wir für eine Maschine am Start haben, würde er sofort Absagen. Da kann er sich nur blamieren.“

Schon als die ersten Gerüchte vom Mofarennen aufgekommen waren, hatte sich Max ein Mofa besorgt. Für ihn war es selbstverständlich, die Ehre des Dorfes mit dem Sieg in diesem Rennen zu verteidigen. Seitdem verbrachte er jede Woche mindestens einen Abend in Faxes Garage in Alberskirch. Gemeinsam schraubten sie an ihrem Mofa und versuchten, das Bestmögliche aus dem kleinen Zweitaktmotor herauszuholen. Im Rennen würden hauptsächlich Faxe und Fibi, ein motorsportbegeisterter Freund von Faxe, auf der Strecke sein. Aber auch Max hatte sich fest vorgenommen, ein paar Runden zu fahren.

„So, do isch dei Veschper“, unterbrach Marie und stellte den Teller vor Walter ab. Wie immer war die Portion riesig.

„Da hätte die Hälfte auch gereicht“, sagte Walter mehr zu sich selbst, doch Marie hatte ihn gehört.

„I woiss it wa des soll: afanga schwätzt jeder vo kloinere Portiona. Bisher hots doch au basst!“

Walter räusperte sich und strich über seinen Bauchansatz. „Die Leute leben halt bewusster. Und mal ganz nebenbei: wenn du die Portionen etwas kleiner machst und den gleichen Preis verlangst, dann machst du mehr Gewinn.“

Marie runzelte die Stirn. Daran hatte sie offensichtlich noch gar nicht gedacht.

„Wenn es dir zu viel ist, dann gib mir was von dem Rauchfleisch ab“, mischte sich Elmar ein. „Anne hat mich gebeten, ein Stück mitzubringen.“

Ohne ein Wort schnitt Walter drei Scheiben für sich ab und schob den großen Rest zu Elmar. „Wir wollen ja nicht, dass das Mädel verhungert.“

Elmar steckte das Rauchfleisch in die Tüte, die Marie vorsorglich schon dazugelegt hatte. „War übrigens nett, Panky mal wieder zu sehen“, erinnerte er sich an den Nachmittag. „Seit seine Frau gestorben ist, sieht man ihn nirgends mehr.“

Walter nickte verständnisvoll. Er wusste, was Panky durchgemacht hatte. Als seine Frau Anita vor ein paar Jahren gestorben war, hatte er sich auch zurückgezogen. Nur ganz allmählich war er in die Dorfgemeinschaft zurückgekehrt und erst Liesl hatte ihn endgültig aus seiner Trauer herausgeholt. Panky war nie ein großer Kneipengänger gewesen, trotzdem war er im Dorf sehr beliebt. Nach allem was Walter wusste, hatte er Halt bei seiner Familie gefunden. Pankys Tochter und ihr Mann waren nicht nur fleißig, sondern auch sehr nett. Die Enkelkinder hatten sicher auch ihren Teil dazu beigetragen.

„Hat er eigentlich den Hof schon an die Jungen übergeben?“, fragte Max. „Ist immer besser, wenn so was rechtzeitig geregelt wird.“

„Hab keine Ahnung“, gestand Walter und schmierte das letzte Stück Leberwurst auf eine Brotscheibe. „Das ist wohl ein Thema, um das ich mich nie werde kümmern müssen.“

Marie brachte Max ein weiteres Bier. „I hon scho älles gschrieba. Wenn i mol nemme bin gibt’s koin Schtreit. Und i muss au it als Gschpenscht zrickkomma, um die bucklig Verwandtschaft zum ärgra!“

Elmar lachte. „Du wärst aber sicher ein gutes Gespenst. Wenn ich überlege, wer jetzt schon alles wegen dir zittert …“

„Sei vorsichtig, Birschle“, mahnte Marie scherzhaft. „Sonscht iberleg i mirs no und lueg dänn bei dir vorbei.“

„Da mach dir mal keine Hoffnungen“, entgegnete Elmar selbstsicher. „Ich weiß ja, dass es keine Geister gibt. Da redet mir auch keiner was ein.“

Marie bückte sich zu Elmar hinunter und flüsterte nun fast. „Des hon i au immer dänkt. Aber manchmol bassieret scho komische Sacha. Grad des Häusle do gegenüber, wo jetzt scho a paar Johr koiner me wohnt … da heerschs nachts manchmol wimmra … und i hon au scho an Schatta gsäha …“

„Jetzt erzählst du aber Märchen“, unterbrach Elmar, doch Marie streckte warnend einen Finger hoch.

„Dänn gosch mol sälber numm. Nachts. Aloi. Dänn wirsch scho säha …“

Marie richtete sich wieder auf und stampfte Richtung Tresen davon. Elmar hatte nach ihren letzten Worten tatsächlich eine Gänsehaut. Er rubbelte sich über die Arme und schüttelte sich.

„Manchmal übertreibt sie es. Kommt - stoßen wir an!“

Ihre Bierflaschen trafen sich und das Klirren vertrieb die düsteren Gedanken. Außer bei Walter, der auf seiner nächtlichen Zeitungstour auch schon das Gefühl gehabt hatte, dass in diesem Haus etwas vor sich ging. Er hatte sich eingeredet, es sei ein Marderpärchen, das in den verlassenen Zimmern umhertollt oder vielleicht auch ein Rudel Ratten. Auch alte Rohre konnten Geräusche machen. An Geister glaubte er nicht. Würde man da jedes Mal einen Exorzisten rufen, hätte die Katholische Kirche eine lukrative Einnahmequelle.

Walter hatte eigentlich gehofft, auch Peter und Theo zu treffen, doch sie tauchten an diesem Abend nicht mehr auf. Als Marie bei ihm kassierte, erkundigte sie sich nach der Anzahl seiner verzehrten Brotscheiben und servierte ihm den obligatorischen Schnaps im Sprudelglas.

Auf dem Heimweg kam er an dem verlassenen Haus vorbei, von dem Marie erzählt hatte. Er blieb stehen und lauschte in die Nacht. Alles war ruhig. „So ein Blödsinn“, sagte er zu sich selbst und lief leicht schwankend weiter.

„Es ist kein Blödsinn“, korrigierte Kitty, nachdem Balu ihr von dem Gespräch am Stammtisch erzählt hatte. „Da tut sich wirklich irgendwas.“ Sie sprang von ihrem Strohballen herunter und begleitete die beiden ein Stück.„Du stehst auf Geistergeschichten?“, fragte Balu überrascht. „Das sage ich ja gar nicht. Aber ich habe da auch schon Geräusche gehört. Und ich weiß eins: das waren keine Tiere!“

4

Nach einem gemütlichen Sonntag, den Walter und Liesl lesend auf der Terrasse und mit einem kleinen Spaziergang verbracht hatten, meldete sich Walters Wecker am Montagmorgen um halb drei mit Nino de Angelos „Jenseits von Eden“. Für Walter war sein Radiowecker ein Orakel: der Song, mit dem er sich einschaltete, entschied über den Verlauf des Tages. Guter Titel, guter Tag. Schlechter Titel, schlechter Tag. Doch in diesem Fall konnte er sich nicht entscheiden und stufte die Tagesvorhersage als „geht so“ ein. Als er die Treppen vom Schlafzimmer herabkam, wurde er von Balu freudig begrüßt. Er legte zwei Buchenscheite in den Holzherd und löffelte Futter in Balus Napf. Wie jeden Morgen füllte er den alten Wasserkessel mit dem Pfeifchen am Ausguss und stellte ihn auf die Herdplatte. Es dauerte ein paar Minuten, dann entwich der heiße Wasserdampf pfeifend aus dem Kessel und Walter goss den Kaffee auf. Zwei Tassen. Eine für ihn und eine für Jussuf. Walter sah auf die Uhr und öffnete die vordere Eingangstür. Kurz darauf wuffte Balu zwei Mal und ein Auto hielt im Hof.

„Guten Morgen“, trällerte Jussuf. Er war offensichtlich bester Laune und setzte sich auf den Stuhl, auf dem er immer saß. Balu leckte ihm zur Begrüßung die Hände und wurde mit einer kurzen Streicheleinheit belohnt. Jussuf brachte die Zeitungen von der Druckerei zu den Austrägern und blieb gerne auf eine Tasse Kaffee und ein frühmorgendliches Schwätzchen.

„Du strahlst ja richtig“, bemerkte Walter. „Gibt’s irgendwas Besonderes?“

Der Türke nippte vorsichtig an seinem dampfenden Kaffee. „Ich freue mich nur. Ich hab draußen das Festzelt gesehen und mich daran erinnert, dass am Samstag das Mofarennen ist.“

Walter war überrascht. „Ich wusste nicht, dass du auf sowas stehst. Ist doch eher was für Kinder …“

Jussuf schüttelte den Kopf. „Du hast keine Ahnung. Das wird ein Mordsspektakel. Ich war schon bei ein paar Mofarennen. Wahnsinn! Ehrlich. Was die aus diesen kleinen Dingern rausholen, ist unglaublich. Und dann kommt ja auch noch Nico hierher. Bist du schon aufgeregt?“

„Warum sollte ich aufgeregt sein?“, wunderte sich Walter. „Nur weil da irgendein Rennfahrer-Promi am Start ist? Also mir ist das schnuppe.“

„Aber Walter - das ist doch nicht irgendein Rennfahrer. Nico Berg ist das größte Fahrertalent Deutschlands … wenn nicht sogar der ganzen Welt. Und der kommt hierher. Stell dir vor: der fährt da drüben auf der Wiese beim Rennen mit. Und dann ist er ja sicher auch zur Siegerehrung da. Für ein Autogramm von ihm würde ich töten …“

Bei dem Wort „töten“ ließ Balu ein leises Knurren hören. In den letzten zwei Jahren hatte es in Taldorf und Umgebung genug Tote gegeben und Walter hatte die Morde mit seinen Freunden von der Polizei aufgeklärt. Einmal war Walter dabei angefahren worden. Nur Balus beherztes Eingreifen hatte damals Schlimmeres verhindert.

„Ich denke, du kommst auch ohne einen Mord an dein Autogramm“, lachte Walter, der Balus Knurren sehr wohl wahrgenommen hatte. „Wenn der Kerl für ein Mofarennen extra nach Taldorf kommt, kann er so verkehrt nicht sein.“

Jussuf zuckte mit den Schultern. „Naja, er soll schon ziemliche Starallüren haben.“

„Woher weißt du das?“

„Aus der Klatschpresse. Meine Frau kauft immer diese Heftchen. Eigentlich totaler Schrott, aber du bist über die Promis auf dem Laufenden.“

Walter verzog das Gesicht. Er konnte sich nichts Langweiligeres vorstellen, als Artikel über irgendwelche C-Promis zu lesen. Da könnte er genauso gut das Dschungelcamp anschauen.

Trotzdem war seine Neugier geweckt. „Was erzählt man denn über den Kerl?“

„So dies und das … viele Partys und vor allem: viele Frauen. Er hat quasi jede Woche ne andere. Er wurde auch mal verhaftet, weil er auf einer Privatparty erwischt wurde auf der Drogen rumgingen. Sie konnten ihm aber nichts nachweisen.“

„Gibt’s für Rennfahrer nicht auch Drogentests? Das ist doch heute in jeder Sportart üblich?“

„Keine Ahnung“, gab Jussuf zu und stellte seine leere Tasse in die Spüle. „Wahrscheinlich schon. Aber du weißt ja: wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wenn jemand Drogen nehmen will, dann schafft er das auch. Trotz irgendwelcher Tests.“

„Kommst du nur zum Mofarennen, oder auch am Freitag zum Feierabendhock?“, wechselte Walter das Thema.

„Freitag kann ich nicht … ich habe von meiner Frau zum Geburtstag wieder einen Kurs geschenkt bekommen … und der ist immer am Freitag.“

„Nochmal ein Sprachkurs? Warum das denn? Dein Deutsch ist mittlerweile besser als meins …“

„Nein, kein Sprachkurs … ähm …“, druckste Jussuf herum. „Es ist ein Salsakurs.“

„Ach du lernst kochen? Salsa … das ist doch diese scharfe Sauce beim Mexikaner …“

Jussuf schüttelte den Kopf. „Nicht kochen, Walter, tanzen. Salsa ist ein Tanz.“

Walter war fassungslos. „Auf sowas stehst du? Hätte ich nicht von dir gedacht.“

Jussuf seufzte. „Ich auch nicht. Ich habe null Rhythmusgefühl und zwei linke Füße.“

„Und warum schenkt sie dir dann so einen Kurs?“

„Na, weil sie Salsa tanzen möchte.“

Jetzt verstand Walter, in welcher Falle sein Freund saß. Er konnte das Geschenk seiner Frau ja schlecht ablehnen, dabei hatte sie es sich eigentlich selber geschenkt. Raffiniert. Tanzkurs, durchfuhr Walter ein Gedanke. Da war doch was. Dann erinnerte er sich: kurz vor der Pandemie hatte Liesl davon gesprochen, einen Tanzkurs machen zu wollen, doch dann wurde ja alles geschlossen. „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, hatte er damals zu ihr gesagt. Was, wenn sie sich daran erinnerte? Walter bekam ein flaues Gefühl im Magen.

„Na, dann wünsche ich dir viel Spaß“, sagte er und klang dabei gehässiger, als er beabsichtigt hatte. Als sie vor der Tür die Zeitungen in Walters Handkarren verstauten, kam ihm noch ein Gedanke.

„Es wäre echt nett von dir, wenn du das mit der Tanzerei nicht erwähnen würdest, wenn Liesl dabei ist. Nicht, dass sie noch auf komische Gedanken kommt.“

Jussuf versprach es ihm und fuhr kurz darauf vom Hof. Vier weitere Austräger warteten schon auf seine Lieferung.

5

Walter arbeitete seine Zeitungsrunde ab, die ihn zuerst über die Höh nach Wernsreute führte, weiter über Alberskirch und Dürnast, und am Ende zurück nach Taldorf. Immer wieder musste er an Jussufs Tanzkurs denken. Wie kommen die Leute nur auf sowas? Gerade wenn sie schon älter sind. Vielleicht war es der Versuch etwas Abwechslung in ihre Beziehung zu bringen, ohne sich gleich einen Liebhaber zuzulegen. Dann wäre ein Tanzkurs so etwas wie eine Therapie zur Bewältigung einer Midlifecrises, zumindest für den weiblichen Teil. Aber was gibt es für die Männer? Bierseminare? Weinproben? Kegelabende? Alles war besser als ein Tanzkurs. „Solche Probleme hast du nicht“, murmelte Walter neidisch, als er Balu dabei beobachtete, wie er einen Laternenpfahl markierte.

In Alberskirch machten sie eine kurze Trinkpause. Vor Faxes Garage füllte Walter Wasser für Balu in eine Plastikschale und nahm selbst einen großen Schluck aus der Flasche. In der Werkstatt brannte ein schwaches Licht. Wahrscheinlich hatte Faxe aus Versehen eine Lampe angelassen. Neugierig drückte er ein Auge auf das große Schlüsselloch im Garagentor. Tatsächlich war eine Leuchte an und Walter erkannte Max‘ Rennmofa auf einem Arbeitstisch. Zwischen leeren Bierflaschen lagen Fahrzeugteile, Werkzeug und ölbeschmierte Lumpen. Für Walter sah das Mofa schon recht fertig aus, lediglich am Motor, schien noch etwas zu fehlen. Er hoffte, dass sich die vielen Stunden Arbeit, die Faxe und Max in dieses Projekt steckten, am Ende auszahlten. Es wäre schön, wenn der Sieger aus dem Dorf käme.

Auf dem Weg zurück nach Taldorf stand auch das Haus von Eugen Heesterkamp auf Walters Liste. Hier war er immer besonders vorsichtig, da der pensionierte Gymnasiallehrer (Oberstudienrat AD, Fächer: Biologie und Sport) ihn schon mehrfach erschreckt hatte, doch in dieser Nacht war alles ruhig.

Balu war schon vorrausgelaufen und unterhielt sich mit Bimbo, einem Haflingerwallach, dessen obere Stalltür immer offenstand. Bimbo war meist schlecht gelaunt und streitlustig, doch im Laufe der Zeit war das Verhältnis zwischen den beiden Tieren besser geworden.

„Warum ist eigentlich nur bei euch etwas los?“, meckerte Bimbo. „Bisher war das Gartenfest immer hier im Vorderdorf und jetzt ist das auch noch weg.“Balu wusste, wie neugierig der Wallach war, aber über den Lärm beim Rennen wäre er sicher auch nicht glücklich. „Mecker nicht! Bei dir laufen doch immer noch genug Leute vorbei. Dafür kriegst du von dem Motorenlärm nichts mit.“„Aber ich wäre gern näher dran. Die Ruhe habe ich das ganze Jahr über. Ich brauche einfach mal etwas Abwechslung.“Balu verstand, was er meinte. Der Haflinger stand die meiste Zeit in seinem Stall und konnte nicht, wie Balu, mit seinen Freunden Ausflüge machen oder einfach umherziehen. Auch das schönste Zuhause wurde irgendwann langweilig, wenn man nichts anderes zu sehen bekam. „Ich könnte ja mal wieder deine Stalltür aufmachen“, bot Balu an. Dass er Türen öffnen konnte, war eins der wenigen Geheimnisse, die er vor Walter bewahrte. „Ach lass mal. Die fangen mich ja eh gleich wieder ein. Da verlasse ich mich lieber darauf, dass du mich auf dem Laufenden hältst.“„Ist versprochen“, bellte Balu und galoppierte hinter Walter her.

Die Häuser im Hinterdorf waren die Letzten auf Walters Tour. Der Feierabend war zum Greifen nahe. Auch der Wagnerhof bekam eine Zeitung. Erneut musste er an Panky denken. Es tat ihm leid, dass der alte Landwirt nach dem Tod seiner Frau niemanden mehr kennengelernt hatte. Wenn Walter zurückblickte, war die Zeit, die er allein gelebt hatte, nicht schön gewesen. Heute mit Liesl an seiner Seite konnte er sich das gar nicht mehr vorstellen. Vielleicht sollte er Panky mal besuchen oder auf ein Bier einladen? Ein bisschen Abwechslung würde ihm sicher guttun.

Die letzte Zeitung klemmte er unter die Klinke bei der Goschamarie und tastete auf dem Fenstersims vorsichtig nach dem Schnapsglas, das Marie dort für ihn hinstellte. Das war ihre Art, „Danke“ zu sagen. Walter setzte sich auf die oberste Treppenstufe am Eingang und genoss den Obstler in kleinen Schlucken. Wenn er zu viel Schnaps auf einmal trank, bekam er Schluckauf. Über dem Hummelberg breitete sich schon die Morgenröte aus und ließ die Landschaft rot glühen. Wie auf Kommando begannen einige Vögel zu zwitschern, die ihre nächtliche Pause in den Bäumen und Sträuchern beendeten.

Das leere Schnapsglas stellte er zurück auf den Simsen und machte sich mit Balu auf den Heimweg. Auf Höhe des verlassenen Hauses fiel ihm Maries Gruselgeschichte wieder ein und er hielt einen Moment inne. War da nicht ein Geräusch? Er sah zu Balu, der seinen Blick gleichgültig erwiderte. Walter erschrak fast zu Tode, als über ihm eine Elster krähte und davonflog. Er schüttelte sich. „Das kommt davon, wenn man sich so einen Blödsinn anhört“, ärgerte er sich und nahm sich vor, das nächste Mal gar nicht mehr hinzuhören.

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