Kitabı oku: «Goschamarie Mofacup», sayfa 3

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6

Es war kurz vor elf, als Walter die Augen aufschlug. Ein einzelner Sonnenstrahl zielte genau auf sein Gesicht und blendete ihn. Er hatte am Vorabend den Rollladen nicht richtig heruntergelassen, so dass zwischen zwei Lamellen eine Lücke klaffte.

„Scheißndreckn“, fluchte er und drehte sich zur Seite. Er beobachtete winzige Staubpartikel, die von dem Strahl beleuchtet wurden und träge im Raum schwebten. Er blieb noch ein paar Minuten liegen und streckte sich ausgiebig, bevor er sich aus dem Bett schwang und seinen Morgenmantel überwarf.

In der Küche wartete Balu vor der Tür zum Garten, die Walter nach einer kurzen Begrüßung öffnete.

„Guten Morgen, Langschläfer“, begrüßte ihn Kitty, die sich auf einem der Gartenstühle eingerollt hatte. „Nicht ich bin der Langschläfer, sondern Walter“, verteidigte sich der Wolfsspitz. „Und ich kann ja nicht immer selber die Tür aufmachen, sonst weiß Walter Bescheid. Das hebe ich mir für Notfälle auf.“ Er lief in die Sonne und streckte sich genüsslich: die Vorderpfoten weit nach vorne geschoben und das Hinterteil in die Höhe gereckt. Dann schüttelte er sich so heftig, dass ihn eine Wolke aus Hundehaaren einhüllte. „Wo warst du eigentlich heute Nacht?“, beschwerte sich Balu. „Ich dachte wir sehen uns an der Wirtschaft.“„Ich war mit Eglon unterwegs. Wir haben Seppi besucht.“ Eglon war der dicke rote Kater, der jetzt bei Liesl wohnte. Er hatte ursprünglich in Alberskirch bei dem alten Pfarrer gelebt, doch als dieser gestorben war, hatte er eine neue Bleibe gebraucht und war nach Taldorf gekommen. Seppi war der Igel, der zuletzt unten in Liesls gemauertem Grill gewohnt hatte, bis er im vergangenen Frühjahr weiter vor ins Dorf gezogen war. Dort wohnte er in einer kleinen Höhle, aus aufeinandergeschichteten Steinen in direkter Nachbarschaft zu einem Igelweibchen. „Wie geht es ihm denn?“, erkundigte sich Balu. „Eglon?“„Nein. Seppi natürlich.“ Kitty grinste. „Er hatte bei dem Weibchen Erfolg. Da gibt es demnächst Nachwuchs.“„Das freut mich wirklich für ihn“, sagte Balu ehrlich. Er mochte den ängstlichen Igel und nahm sich vor, ihn bald selbst einmal zu besuchen. „Und was gibt’s sonst Neues im Dorf?“„Am Morgen war der Notarzt im Hinterdorf“, wusste Kitty. „Ich weiß nicht, was passiert ist, aber ich glaube, er war auf dem Wagner-Hof.“ Balu überlegte. „Auf dem Hof wohnen doch nur Andrea, ihr Mann Steffen und der alte Panky. Die Kinder sind ja beim Studieren. Es ist wohl am Wahrscheinlichsten, dass irgendwas mit Panky ist. Wir sollten uns mal umhören.“„Das kann ich euch ersparen“, maunzte Eglon und sprang auf den Gartenstuhl neben Kitty. „Ich komme gerade von dahinten. Es ist tatsächlich Panky. Er ist tot.“Balu war entsetzt. „Was ist denn passiert? Ich habe ihn am Samstag noch gesehen, als er sich den Zeltaufbau angeschaut hat. Da hat er sich auch mit Walter unterhalten. Ich fand nicht, dass er schlecht aussah.“Eglon hatte sich zurückgelehnt und leckte durch sein Bauchfell. „Genau weiß ich es nicht. Ich war nicht im Haus. Aber ich habe seine Tochter mit einer Nachbarin reden hören. Er sei im Schlaf gestorben, hat sie gesagt. Sie hätten ihn heute Morgen tot in seinem Bett gefunden.“„Wie alt war er denn?“, wollte Kitty wissen. „Siebenundsiebzig. Da wären schon noch ein paar Jahre drin gewesen. Aber so ist das halt: wenn deine Uhr abgelaufen ist, kannst du nichts daran ändern.“ Eglon ließ sich von seinem Stuhl rutschen und streckte seinen buschigen roten Schwanz in die Höhe. „Mein Magen knurrt. Ich gehe mal rüber. Da müsste noch ein voller Napf auf mich warten.“Er schlenderte zwischen den Jostabüschen hindurch und verschwand in Liesls Garten. „Mal wieder ein Toter in Taldorf. Das hatten wir schon lange nicht mehr“, sagte Kitty nachdenklich. „Ein alter Mann ist gestorben“, entgegnete Balu. „Sowas passiert eben. Solange niemand ermordet wird, ist alles in Ordnung.“„Woher willst du denn wissen, dass es kein Mord war?“, hakte Kitty nach. „Nur weil er alt war, heißt das noch lange nicht, dass er eines natürlichen Todes gestorben ist.“Balu knurrte verärgert. „Mal nicht den Teufel an die Wand. Wem sollte Pankys Tod denn etwas bringen?“Die Tigerkatze legte den Kopf schief. „Tja, das ist die Frage, um die es immer geht.“

Walter hatte noch immer seinen Morgenmantel an. Mit einer frischen Tasse Kaffee setzte er sich an das kleine Tischchen auf der Terrasse, musste aber vorher einen ganzen Berg roter Katzenhaare von seinem Stuhl wischen. Er saß kaum, als er Liesls Wagen in der Einfahrt hörte.

„Stell dir vor, was passiert ist“, keuchte sie kurz darauf atemlos. „Panky – der Alte, den du mir beim Zeltaufbau vorgestellt hast … er ist tot.“

Walter verschluckte sich an seinem Kaffee und stellte die Tasse hustend auf den Tisch. „Was? Wieso? Woher weißt du das?“

„Ich war im Lidl in Neuhaus und habe Karle aus Alberskirch getroffen. Der hat es mir erzählt.“

Walter konnte es nicht glauben. „Ja aber wie? Was ist passiert? Wusste Karle das auch?“

Liesls Atem beruhigte sich etwas und sie zeigte auf Walters Kaffeetasse, der zur Bestätigung nickte. Bevor sie weitersprach, nahm sie einen Schluck.

„Es war nichts Außergewöhnliches, meint Karle. Sie haben ihn heute Morgen in seinem Bett gefunden und den Notarzt angerufen. Sein Hausarzt kam dann auch noch, der hat aber nur noch den Tod festgestellt.“

„Wie furchtbar für Andrea und Steffen … und für Pankys Enkel. Soviel ich weiß, hatten sie ein sehr gutes Verhältnis.“

„Kennst du sie gut?“

„Wen? Die Enkel?“

„Alle. Die ganze Familie eben.“

Walter seufzte. „Mit Panky hab ich mich immer gut verstanden. Auch wenn er sich die letzten Jahre rar gemacht hat, war es immer nett ihn zu treffen. Er hatte so einen ganz besonderen Humor. Ein bisschen schräg, aber lustig. Seine Tochter und ihren Mann kenne ich eigentlich nur vom Sehen. Die sind ja auch einiges jünger als ich. So um die vierzig, schätze ich. Aber auch die waren immer sehr freundlich. Der Steffen hat mal mein Auto mit dem Traktor aus einer sumpfigen Wiese gezogen. Er wollte gar nichts dafür haben. Netter Kerl.“

„Jetzt ärgert es mich fast, dass ich Panky nicht besser gekannt habe“, sagte Liesl leise. „Da wohnt man nur ein paar hundert Meter voneinander entfernt und ich habe ihn erst am Samstag kennengelernt.“

Walter nickte. „Das lag aber nicht an dir. Als vor ein paar Jahren Pankys Frau gestorben ist, hat er sich total zurückgezogen. So wie ich damals auch.“

Liesl verstand. „Nur, dass du eine neue Nachbarin bekommen hast, die dich in den Hintern getreten hat …“

„Genau“, lächelte Walter und gab Liesl einen Kuss. „Und dafür bin ich dir bis heute dankbar.“

„Was macht man denn bei so einem Anlass im Dorf?“

„Da gibt es keine festen Regeln, aber ich werde heute Nachmittag mal rüber gehen und meine Hilfe anbieten. Vielleicht brauchen sie ja irgendwas.“

„Das ist eine sehr nette Geste, aber geh bitte allein. Ich kenne die Leute ja gar nicht. Da scheint es mir nicht angemessen.“

Sie blieben noch eine Weile auf der Terrasse sitzen, dann verabschiedete sich Liesl in die Küche. Sie kündigte einen großen Salat mit Putenschnitzel an. Walter ging ins Schlafzimmer und zog sich um. Da der Schrank schon offen stand, inspizierte er seinen schwarzen Anzug, den er immer zu Beerdigungen trug. Demnächst würde er ihn wohl brauchen.

7

Es war kurz nach drei, als Walter mit Balu das Haus verließ. Am Festzelt waren die Seitenplanen hochgerollt und eine kleine Gruppe hatte begonnen, den Zeltboden zu verlegen. Unter ihnen waren auch Manne und Otto, zwei weißhaarige Rentner aus dem Vorderdorf, die Walter mit ihren behandschuhten Händen zuwinkten. Er beschleunigte seine Schritte, um nicht den Eindruck zu erwecken, er hätte zu viel Zeit, sonst könnte ja jemand auf die Idee kommen, ihn für die Arbeiten im Zelt einzuspannen.

Er sah absichtlich in die andere Richtung, wo neben der Straße ein tiefer Graben verlief. Er versuchte den Wasserstand auszumachen, doch da war nichts. Bei starken Regenfällen sprudelte hier das Wasser und auch über das Jahr hinweg plätscherte immer ein kleines Rinnsal friedlich vor sich hin, doch nun war der Graben bis auf den Grund ausgetrocknet. Walter erinnerte sich noch gut an die Hitzewelle im letzten Jahr, als sogar das Gießen und Rasensprengen verboten worden war. Sie brauchten dringend Regen, aber wenn man dem Wetterbericht glaubte, blieb es die ganze Woche sonnig und heiß.

„Heit bisch aber fria dra“, rief Marie über den Hof, als sie Walter entdeckte. Sie leerte einen Eimer mit Putzwasser in den ausgetrockneten Bach vor der Wirtschaft. „Komm rei, i hon dir au a kalts Bierle aus’m Kiehlschrank. Des brauchsch bei därra Hitz.“

Doch Walter lehnte ab. „Danke Marie, aber ich will gar nicht zu dir. Ich schaue mal auf dem Wagner-Hof vorbei …“

Marie nickte betroffen. „Jo, do hosch recht. Isch scho traurig, dass dr Panky jetzt nimme isch. Wär hett dänkt, dass des sooo schnell goht?“

„Ich komme vielleicht später noch auf dein Angebot zurück“, rief Walter und hob die Hand zum Gruß. Ein kaltes Bier war einfach zu verlockend.

Auf dem Wagner-Hof war alles ruhig. An den meisten Fenstern waren die Rollladen heruntergelassen, die Eingangstür stand einen spaltbreit offen. Walter wollte gerade klingeln, als er Stimmen im Haus hörte.

„Das kommt überhaupt nicht in Frage! Das hätte er nie gewollt!“, rief eine verärgerte Frauenstimme.

„Jetzt glaub mir halt“, drängte eine Männerstimme, „wir haben in letzter Zeit ein paar Mal darüber gesprochen und er hat mehrmals beteuert, dass er eingeäschert werden möchte.“

„Niemals. Du lügst!“

„Warum sollte ich lügen? Bringt doch nichts. Er hat seine Meinung eben geändert.“

„Nix hat er geändert. Für seine letzte Ruhe hat er sich nichts mehr gewünscht, als neben Mama beerdigt zu werden, in einem schönen Sarg und nicht als Asche in einer kleinen Dose.“

„Ach – und wann hat er das gesagt? Bestimmt vor ein paar Jahren!“

Keine Antwort.

„Siehst du: er hat es sich anders überlegt. Jetzt stell dich doch nicht quer und verweigere deinem Vater seinen letzten Willen. Wir sollten uns nur beeilen, damit wir einen Termin beim Krematorium machen können.“

„Ich will das nicht!“, schrie die Frauenstimme verzweifelt. „Und ich weiß, dass Papa das auch nicht wollte und damit Schluss!“

Der Mann resignierte. „Du musst dich erst mal beruhigen. Du bist ja völlig durch den Wind. Lass uns später nochmal darüber reden.“

Walter fand, es sei ein guter Moment um zu klingeln.

Dingdong.

„Hallo?“, rief er durch den Türspalt. „Jemand da?“ Er wollte nicht, dass die beiden das Gefühl hatten, er hätte sie gerade belauscht. Andrea öffnete ihm die Tür und blinzelte ins Sonnenlicht. Sie hatte geweint und ihre Augen waren gerötet.

„Hallo Walter, schön dich zu sehen. Was kann ich denn für dich tun?“ Sie wirkte zerbrechlich und sprach sehr leise. Walter vermutete, dass sie ihre letzte Energie bei dem Streit, den er mitangehört hatte, aufgebraucht hatte.

„Ich bin nur gekommen, um zu sagen, wie leid es mir tut. Mein aufrichtiges Beileid.“ Walter trat näher heran und umarmte Andrea sanft.

„Das ist lieb von dir“, schluchzte sie und zog ein zerknülltes Papiertaschentuch aus der Tasche, um sich die Nase zu putzen.

„Und ich wollte anbieten … also … wenn ihr irgendwas braucht … wenn ich euch helfen kann … dann sag mir einfach Bescheid.“

Sie nickte und wollte etwas sagen, doch in diesem Moment rauschte ein Auto in den Hof und parkte direkt neben der Eingangstür. Der kastige Volvo-Kombi schüttelte sich, als der Motor erstarb.

„Komme ich noch rechtzeitig?“, fragte die alte Frau und hielt sich am Rahmen fest, als sie umständlich aus ihrem Auto kletterte.

Andrea nickte. „Er liegt noch in seinem Zimmer. Der Bestatter kommt erst heute Abend. Schön, dass du es noch geschafft hast, Creszenz.“

Die alte Creszenz lebte in Oberzell. Jeder wusste um ihre Fähigkeiten als Gesundbeterin. Die Klassiker waren Warzenwegbeten und Brandlöschen (bei Verbrennungen). Als Jugendlicher war Walter selbst einmal bei ihr gewesen, um die Warzen an seiner Hand loszuwerden, die gegen die Mittelchen aus der Apotheke immun zu sein schienen. Die Frau war ihm damals unheimlich gewesen, doch ihre Sprüche hatten gewirkt: zwei Tage später waren alle Warzen weg gewesen.

„Was will denn die alte Hexe hier?“, flüsterte Andreas Mann, der hinter ihr im Türrahmen erschienen war.

„Ich bin zwar alt, aber nicht taub“, raunte die Alte. „Ich bin hier, weil dein Schwiegervater das so gewollt hat.“

Steffen sah ratlos zu seiner Frau. „Papa hat immer gesagt: wenn mal was mit ihm ist, soll ich die Creszenz holen. Nur der würde er vertrauen … also, hab ich sie angerufen.“

„Oh bitte, das geht jetzt aber echt zu weit!“ Steffen schob sich an seiner Frau vorbei und baute sich vor der Gesundbeterin auf. „Hören Sie Frau Creszenz, es ist wirklich nett, dass Sie gekommen sind, aber wir brauchen Sie hier nicht. Auch wenn mein Schwiegervater auf das … was immer Sie machen … reingefallen ist, wir tun das nicht. Sie können mit Ihrem Hokuspokus wieder nach Hause fahren.“

Walter stand teilnahmslos daneben und fühlte sich fehl am Platz. Oben lag der tote Panky in seinem Bett und hier unten zettelte sein Schwiegersohn einen Streit mit der alten Creszenz an. Das hätte Panky ganz und gar nicht gefallen.

Andrea zog ihren Mann am Arm in den Hauseingang. „Komm mal mit“, zischte sie ihm zu und zog ihn weiter ins Haus. Obwohl sie flüsterten hörte Walter, dass sie sich stritten. Verlegen wich er dem Blick der alten Creszenz aus, die ihn von oben bis unten musterte.

„Hast dich gut entwickelt, Walterchen. Und das mit den Warzen haben wir auch ganz gut hinbekommen.“ Sie zeigte auf Walters Hände.

„Ähm ja … das hat wirklich … also natürlich gut geholfen“, stotterte Walter. Die Frau war ihm immer noch unheimlich. Trotzdem war er neugierig.

„Warum wollte Panky eigentlich, dass du nach ihm siehst?“

„Er hatte Angst davor, nicht tot zu sein.“

„Wie das? Der Arzt war doch hier und hat ihn für tot erklärt.“

„Ach, das Gerücht kursiert bei den Älteren immer noch“, seufzte Creszenz. „Ganz früher kam es hin und wieder vor, dass jemand nur scheintot war und dann lebendig begraben wurde. Es gibt sogar Gräber, auf denen ist ein Glöckchen befestigt, das über eine Schnur mit dem Sarg verbunden ist, damit der Tote, falls er denn doch nicht tot sein sollte, auf sich aufmerksam machen kann.“

Walter war verblüfft. „Sowas ist wirklich passiert? Klingt ja fürchterlich. Ich hoffe, die Ärzte passen da heute besser auf.“

„Natürlich“, bestätigte Creszenz. „Ich kenne Pankys Hausarzt. Wenn der gesagt hat, er ist tot, ist er das auch. Aber da ist noch etwas: Panky hat mir aufgetragen im Falle seines Todes seine Leiche anzuschauen, um festzustellen, ob es eine natürliche Todesursache war.“

„Wie willst du das denn machen?“, zweifelte Walter. „Du bist doch keine Pathologin oder etwas Ähnliches.“

„Indem ich ihn mir anschaue.“

„Einfach nur anschauen?“

Creszenz nickte.

„Und dann weißt du, woran er gestorben ist?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Woran genau kann ich nicht sagen, aber ich sehe, ob es ein natürlicher Tod war oder nicht.“

Das mit den Warzen damals war ein toller Trick, dachte Walter, aber jetzt übertrieb sie es für seinen Geschmack. Am Ende würde sie noch mit Pankys Geist reden oder ihm aus der toten Hand lesen.

„Du kannst jetzt zu ihm“, sagte Andrea, die ohne ihren Mann zurückgekommen war. „Geh ruhig hoch. Du weißt ja, wo sein Zimmer ist. Ich würde lieber hierbleiben.“

Creszenz nickte und verschwand schweigend im Haus.

„Hat sich Steffen denn wieder beruhigt“, fragte Walter vorsichtig.

„Ach, der kriegt sich schon wieder ein. Er kann mit sowas halt nichts anfangen. Er ist in der Stadt aufgewachsen und kennt solche Leute wie die Creszenz nicht. Für ihn ist das alles Humbug.“

„Aber es kann ja nicht schaden“, sagte Walter gleichgültig. „Und wenn Panky das so wollte, dann ist es doch in Ordnung.“

„So sehe ich das auch.“

In diesem Moment kam Creszenz zurück und machte ein ernstes Gesicht. „Was hat denn der Arzt als Todesursache eingetragen?“

„Herz-Kreislauf-Versagen, glaube ich. Er sagte, das sei in dem Alter das Wahrscheinlichste.“

„Ich widerspreche dem Arzt ja nur ungern, aber ich denke, ihr solltet eine Autopsie machen lassen.“

Andrea und Walter sahen Creszenz fragend an.

„Ich bin mir sicher: Panky ist nicht auf natürliche Art gestorben!“

8

„Und was heißt das jetzt?“, fragte Theo verwirrt. „Machen die bei Panky jetzt eine Obduktion?“

„Ich weiß nicht, wie das abläuft“, gab Walter zu. „Ich habe keine Ahnung, ob überhaupt jemand auf die Aussage einer alten Gesundbeterin hört.“

Walter war nach seinem Besuch auf dem Wagnerhof direkt in die Wirtschaft gegangen. Überrascht hatte er festgestellt, dass Theo, Peter und Max schon am Stammtisch saßen. Als er ihnen erzählte, was vorgefallen war, konnte sich niemand einen Reim darauf machen.

„Wänn d’Creszenz des sagt, dänn isch des au so“, warf Marie ein, die Walter ebenfalls zugehört hatte. „In hon se mol zufällig beim Eikaufa droffa. Da sagtse, i sott doch mol beim Doktr vorbeiluaga und nachm Blutdruck gucka lossa. Des hon i gmacht und des war guat so. Viel z‘hoch ischer gwäa. Des hätt bees ausganga kenna. Jetzt nimm i halt jeden Dag zwoi Tablettla und älles isch guat.“

„Meinst du nicht, das war nur gut geraten?“, wandte Max ein. „Sie kennt dich ja und weiß wie alt du bist und sieht, dass du ein paar Kilo zu viel auf den Rippen hast …“

„Wa willsch du mir damit saga? Etwa, dass i fätt wär?“ Marie baute sich mit den Händen in den Hüften bedrohlich vor Max auf.

„Ich mein ja nur“, ruderte dieser zurück. „Die Chance auf einen Treffer war da schon recht hoch.“

„Deshalb muss mr aber it glei so frech wärra“, schimpfte Marie im Weggehen und gab Max einen Klaps auf den Hinterkopf.

„Den Rest des Abends darfst du dich über warmes Bier freuen“, sagte Theo leise, nachdem er sich vergewissert hatte, dass Marie außer Hörweite war.

„Aber was ist denn jetzt mit Panky?“, griff Peter das Thema wieder auf. „Nehmen wir mal an, die machen eine Obduktion und es stellt sich raus, dass er tatsächlich nicht einfach so gestorben ist. Ist das dann ein Fall für die Polizei?“

Walter zuckte zusammen. „Jetzt mal langsam. Da gibt es viele Möglichkeiten … vielleicht hat Panky irgendwelche Tabletten nicht vertragen … oder was Schlechtes gegessen … oder was Falsches verschluckt: auf so einem Hof gibt es genug giftige Chemikalien. Oder was am Wahrscheinlichsten ist: die Creszens hat sich einfach geirrt. Sie leistet sicher gute Arbeit, wenn es um Warzen geht … aber das jetzt … sie ist doch kein Arzt.“

„Hat Andrea denn gesagt, was sie vorhat?“, wollte Peter wissen. „Eine Obduktion muss doch ein enger Angehöriger beantragen. Das sind ja nur sie und ihr Mann.“

Walter schüttelte den Kopf. „Sie war nach Creszenz‘ Auftritt total erschüttert und ist ins Haus zurückgegangen. Ich denke mal, sie wird das mit Steffen besprechen, wobei der, glaube ich, kein Interesse daran hat.“

„Wie kommst du darauf?“, fragte Max und zündete sich eine Zigarre an.

„Ich habe das Gefühl, er will es nur schnell hinter sich bringen. Die Beerdigung und das alles. Ich habe zufällig gehört, wie er sich mit Andrea gestritten hat. Er meinte, Panky hätte sich eine Einäscherung gewünscht und sie müssten sich beeilen, aber Andrea wollte davon nichts wissen.“

Die Tür wurde aufgestoßen und eine Schar verschwitzter Zeltaufbauer strömte herein und verteilte sich an den freien Tischen. Nur Elmar steuerte zielsicher den Stammtisch an.

„Ihr lasst es euch in der Wirtschaft gut gehen, während wir bei der Hitze den Zeltboden verlegt haben“, meckerte er. „Aber wir sind jetzt mit dem Boden fertig. Ab morgen sind andere dran. Die bauen die Bühne auf, die Tresen an der Essen- und Getränkeausgabe, den Weizenbierstand und die Bar. Wir liegen prima im Zeitplan.“ Elmar klopfte eine Lord aus der Schachtel und inhalierte genüsslich. Der Rauch stieg zur Decke und verband sich mit Max‘ Zigarrennebel. Walter war froh, dass es Sommer war und alle Fenster offenstanden. In der kalten Jahreszeit war der Rauch manchmal so dicht, dass man nicht mehr bis zum anderen Ende der Gaststube sehen konnte.

„Sodele, do hosch a eiskalts Bierle. Die Fleißige kriagat immers Beschte“, sagte Marie freundlich. Dann knallte sie eine Flasche vor Max auf den Tisch. „Und fier die Frecha und Faule gibt’s dr Rescht!“

Max lächelte unbeholfen und griff nach seinem Bier. Es war lauwarm.

„Was gibt’s denn Neues?“, wollte Elmar wissen und Walter erzählte noch einmal, was er auf dem Wagnerhof erlebt hatte.

„Auf die Creszenz sollte man hören“, sagte Elmar bestimmt und trank einen Schluck Bier. Eiskalt. „Sie macht ja nicht nur das mit dem Gesundbeten. Sie träumt auch manchmal Sachen, die dann wirklich passieren. Manche würden das Visionen nennen. Muss man das glauben? Nicht unbedingt, aber ganz sicher hat die Frau ein paar Sinne mehr als normale Menschen.“

Max verzog das Gesicht. „Visionen … die hab ich auch manchmal … vor allem, wenn ich zu viel warmes Bier getrunken habe.“ Marie warf ihm vom Tresen aus einen bösen Blick zu.

„Mir hat sie auch mal von einem ihrer Träume erzählt“, fuhr Elmar fort. „Sie sagte, sie hätte mich in einem eigenen Fliesenlegerbus gesehen und hat mir sogar das Logo auf dem Fahrzeug beschrieben. Damals hatte ich schon länger überlegt, ob ich mich selbständig machen soll, hab mich bis dahin aber nicht getraut. Ihr Traum hat mir dann den letzten Kick gegeben und ich habe es durchgezogen. Das habe ich nie bereut.“

„Also hat sie dir eigentlich nur erzählt, was du hören wolltest“, grummelte Max. „Da hättest du auch eine Münze werfen können.“

„Ich weiß nur, dass das mit den Warzen damals funktioniert hat“, warf Walter ein. „Der Rest ist mir eigentlich egal.“

Er sah auf die Uhr und signalisierte Marie, dass er bezahlen wollte. „Ich muss ja wieder früh raus“, reagierte er auf Elmars fragenden Blick. „Ist ja nicht jeder selbständig und kann bis Mittag im Bett liegen.“ Elmar registrierte den Seitenhieb, reagierte aber nicht darauf.

Marie kam, um zu kassieren. „So, no a Schnäpsle auf dr Wäg. Där isch au ausm Kielschrank“, sagte sie und lächelte Max an, der an seinem warmen Bier nuckelte. Wenigstens war ihr Lächeln eiskalt.

Walter stand auf und ging mit Manne und Otto, die sich ebenfalls auf den Heimweg machten, zur Tür.

Marie stand am Tresen und winkte ihnen hinterher: „Machet‘s guat, ziernet nix, kommet wieder!“

„Warum geht ihr denn schon Heim?“, wunderte sich Walter über die beiden weißhaarigen Rentner.

„Wir wollten lieber mit dir und Balu gehen“, erklärte Otto. „Marie hat gesagt, in dem Haus da spukt es. Da gehen wir auf Nummer sicher.“

Die drei beäugten das verlassene Haus misstrauisch, als sie im Halbdunkel daran vorbeiliefen. Nur Balu trabte mit Kitty gelangweilt nebenher. Die Tigerkatze hatte vor der Wirtschaft auf ihn gewartet und er hatte ihr berichtet, was geschehen war.

„Vielleicht riecht diese Creszenz einfach nur besser, als die anderen Menschen“, vermutete Kitty. „Zu blöd, dass sie Panky schon abgeholt haben. Da hätte ich auch mal gerne geschnüffelt.“ „Hauptsache es war kein Mord“, jammerte der Wolfsspitz. „Da wäre Walter doch bestimmt wieder dabei.“„Es kommt, wie es kommt“, orakelte Kitty wenig hilfreich. „Und genau das macht mir Sorgen.“

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