Kitabı oku: «Goschamarie Mofacup», sayfa 5
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Walter, Balu und Kitty spazierten gemütlich in Richtung Hinterdorf. Auch jetzt um kurz vor acht war im Festzelt noch einiges los. Es waren vor allem die weiblichen Mitglieder des Musikvereins, die letzte Hand an die Dekoration legten. Unmengen von langstieligen Sonnenblumen wurden an Zeltpfosten gebunden, Girlanden überspannten die langen Theken bei der Essensausgabe und zartgrün belaubte Birkenzweige verdeckten die hölzerne Unterkonstruktion der Bühne.
Als sie die Wirtschaft erreichten, setzte sich Balu demonstrativ zu Kitty, die auf ihren Strohballen vor dem Scheunentor gesprungen war.
„Verstehe“, murmelte Walter. Balu hatte seinen eigenen Willen und er ließ ihn meist damit durchkommen. Nach allem, was sie schon gemeinsam erlebt hatten, vertraute Walter seinem Wolfsspitz. Wenn er also mit seiner Freundin draußen bleiben wollte, gönnte er ihm das.
„Freitag, Samstag, und Sonntag wegen Gartenfest geschlossen!“, stand auf einem handgeschriebenen Schild an der Eingangstür.
„Du machst wirklich zu?“, fragte Walter, als er sich an den Stammtisch setzte.
„Nadierlich! Dees Wochaend gkehrt m Musikverein. I hons ganze Johr mei Gschäft - jetzt sollet dia Musikanta mol a Geld verdiena.“
„Dann hast du ein freies Wochenende?“
Marie lachte verächtlich. „Wo denksch na, Kerle. I hilf nadierlich an dr Kass. Do muss jo scho oiner hocka, där vo däm was verschtoht!“
Marie eilte zum Tresen und holte zwei Flaschen Bier für Walter.
„Magsch no a Veschper?“, fragte sie, doch Walter lehnte ab. „Ich hab schon mit Liesl gegessen. Mehr geht nicht rein.“
Marie lächelte ihn schelmisch an. „I hon jetzt au kloine Portiona. Des dätsch vielleicht no neibringa.“
Doch Walter verzichtete. Satt ist satt. Trotzdem wunderte er sich, dass die Wirtin die kleine Portion ins Programm aufgenommen hatte, nachdem sie sich so darüber geärgert hatte.
„Und was gibt’s bei euch Neues?“, wandte er sich seinen Freunden zu. Theo und Peter saßen stumm nebeneinander, Max klopfte einen Berg Schnupftabak auf seinen Handrücken und schniefte ihn in die Nase.
„Das Mofa ist fertig. Faxe und Fibi haben das wirklich toll gemacht. Die Anderen brauchen eigentlich gar nicht antreten.“ Er fummelte sein Handy aus der Tasche und zeigte Walter ein kurzes Video, in dem Faxe mit wehendem Haar mit dem Mofa ein Auto überholte. „Der Wahnsinn, oder?“
Walter war beeindruckt. „Aber ist das denn alles legal?“
„Wir halten uns streng an die Regeln des Mofa-Cups“, sagte Max selbstsicher.
„Und wie sieht’s mit der Straßenverkehrsordnung aus?“
Max schaute irritiert. „Wen interessiert die denn? Wir fahren ein Rennen. Da gelten andere Regeln.“
Walter verstand was Max meinte, doch auf dem Video war Faxe auf der Bundesstraße unterwegs gewesen. Die Polizei hätte sicher Verständnis für das Mofarennen.
„Und warum seid ihr heute so schweigsam?“, fragte Walter und zeigte auf Theo und Peter, woraufhin Theo grinste.
„Der redet nicht mehr mit mir, was ich gar nicht so schlecht finde.“
„Ach halt doch die Klappe, du Großkotz“, platzte es aus Peter heraus. „Schon wieder ein neuer Traktor. Natürlich ein Eicher. Den größten, den es gibt. Ich ertrage diese Angeberei einfach nicht mehr.“
Theo lehnte sich entspannt zurück. „Der ist doch nicht neu. Eher schon eine Antiquität …“
„… aber sehr gesucht und sauteuer“, unterbrach Peter. „Ich weiß nicht, ob ich Freunde brauche, die so mit Geld um sich werfen!!!“
„Jetzt beruhig dich mal wieder“, versuchte Walter die Situation zu entschärfen. „Es ist doch nur ein Traktor.“
Peter lief rot an. „Nur ein Traktor? Nur ein Traktor? Das hätte mein Traktor sein sollen!“
Walter kapierte gar nichts. „Wieso denn deiner?“
„Wir haben uns beide für den Eicher interessiert. Der war im Internet. Ich hatte eigentlich schon alles unter Dach und Fach, aber mein lieber Freund Theo hier hat ihn mir ausgespannt. Er wusste, was ich mit dem Verkäufer ausgemacht hatte und hat ihm einfach fünfhundert Euro mehr geboten. Als ich dann einen Termin zum Abholen ausmachen wollte, war der Traktor schon weg.“
„Er ist ja nicht weg“, grinste Theo, „er steht jetzt nur bei mir im Hof.“
„Du … du … du … Ar …“
Walter ging dazwischen. „Bitte beruhig dich, Peter. Das bringt doch nichts. Und du, Theo, solltest dich jetzt ein bisschen zurückhalten.“
„Oh ihr Kindskepf!“, lachte Marie. „Wänn ihr nix zum Wetta hend, no schtreitet r.“
Viel berüchtigter als ihre Auseinandersetzungen, waren die Wetten, die Theo und Peter regelmäßig austrugen, bei denen beide schon einige Blessuren davongetragen hatten.
„Des wird eich hoffentlich versehne“, schnaufte Marie und wuchtete einen Kasten Bier auf den Tisch. „Där goht auf dr Theo. Koi Widerred! Des isches Traktorbier. Des zahlt ma, wänn mr en neia Karra kauft hot.“
Theo überlegt kurz, ob er damit einverstanden war, sagte aber nichts, und zog stattdessen eine Flasche aus dem Kasten. Peter schmollte noch eine Weile mit verschränkten Armen, bis auch ihn der Durst übermannte. Fürs Erste war das Thema vom Tisch.
Derweil kassierte Marie am Nebentisch.
„Da kann aber etwas nicht stimmen“, beschwerte sich der Gast. „Meine Frau hatte doch nur die kleine Vesperplatte.“
„Des hon i scho so verrächnat. Du hosch dia Normale kett fier zeah Eiro, dei Weib die Kloi … macht zwelf Eiro. Plus die vier Bier.“
Der Mann wurde lauter und fuchtelte mit den Armen. „Aber das kann doch nicht sein, dass die kleine Portion mehr kostet, als die Große?“
„Moinsch du! I moin do was andres! Bei der Normala hon i koi Werk – des isch älles scho so gschnitta, aber bei dr Kloina muss i sälber nomol älles narichta und kloimacha. I hon meh Arbet und deshalb koschts au meh!“
Der Mann knallte dreißig Euro auf den Tisch, was exakt dem Rechnungsbetrag entsprach und knurrte: „Stimmt so!“
„I woiss“, flötete Marie zurück und steckte das Geld ein. „Machet‘s guat, ziernet nix, kommet wieder!“
Doch das Ehepaar hörte sie bereits nicht mehr.
„Typisch Schtädter“, murmelte sie und verschwand hinter dem Tresen.
Die Tür zur Gaststube wurde aufgestoßen und der Vorstand vom Musikverein kam zusammen mit Elmar zum Stammtisch.
„Für uns ist Feierabend“, freute sich Elmar und nahm eine Flasche Bier aus dem Kasten. „Den Rest Deko-Kram können die Mädels machen.“
Der Vorstand bediente sich ebenfalls aus dem Kasten und sie stießen an.
„Auf unser neues Gartenfest und den ersten Goschamarie Mofa-Cup!“
Schon brannte die erste Lord in Elmars Mundwinkel, was Max daran erinnerte, dass er noch eine Zigarre einstecken hatte. Kurz darauf brachten sie ein geselliges Rauchopfer.
„Ich hab noch was für dich, Walter“, sagte der Alte und kruschtelte in seiner Hosentasche. „Für dich und Liesl“, strahlte er und gab Walter sechs Biermarken. „Ihr müsst das ganze Wochenende den Trubel ertragen, dann trinkt doch wenigstens ein paar Bier auf den Musikverein.“
Walter nahm die Marken entgegen und hielt sie nachdenklich in der Hand.
„Vielen Dank! Hmmm … das Bier trinken wir dann wahrscheinlich zum Essen …“
Er sah den Vorstand herausfordernd an, der die Anspielung verstand und in seiner anderen Hosentasche wühlte.
„Dann lasst es euch schmecken“, brachte er zerknirscht hervor und reichte Walter vier Essenmarken. „Wenn wir beim Fest drauflegen, bist du schuld!“
Walter grinste und steckte die Marken in die Tasche. „Ihr werdet es überstehen, denke ich.“
Das Gartenfest gefiel ihm immer besser: Freimarken für Essen und Bier – das besänftigt jeden Schwaben.
„Ihr kommt hoffentlich alle morgen Abend zum Feierabendhock?“, fragte der Alte in die Runde.
„Natürlich“, bestätigte Max und blies einen Zigarrenrauchkringel zur Decke. „Vor allem, wenn der Vorstand mich auf ein Bier einlädt …“
Wieder zog der Alte die Biermarken aus der Tasche und gab Max zwei davon.
„Also, wenn das so ist …“, setzte Peter an, wurde aber vom Vorstand unterbrochen.
„Vergiss es! Irgendwer muss ja auch Bier kaufen, sonst verdienen wir am Ende wirklich nichts.“
Doch dann sah er Peters bettelnden Blick und gab nach: wortlos legte er Peter und Theo eine Biermarke hin.
„Anne kommt morgen übrigens auch“, sagte Elmar. „Ich bin ja den ganzen Abend mit der Musik auf der Bühne. Kann sie mit Klein-Walter vielleicht bei euch sitzen? Dann ist sie nicht alleine.“
„Sehr gerne“, freute sich Walter. „Dann sehe ich den kleinen Kerl auch mal wieder.“
Auch Max nickte zur Bestätigung. „Hübsche Frauen sind bei uns immer willkommen!“
„Darauf trinken wir“, stimmte Peter zu und hob seine Flasche. „Prost!“
Als Walter an Anne dachte, fiel ihm wieder ein, dass Pankys Autopsie am Freitag stattfinden sollte. Er hoffte immer noch, dass nichts dabei herauskommen würde, hatte aber trotzdem ein mulmiges Gefühl. Er sah auf die Uhr und winkte Marie mit dem Geldbeutel zu.
„Ich muss doch nochmal früh aufstehen“, beantwortete er Max‘ fragenden Blick. „Aber wenigstens habe ich am Samstag frei.“ Walter trug die Zeitungen fünfmal in der Woche aus. Die schwerere Samstagsausgabe übernahm Stefan, ein Junge aus dem Dorf, der auf ein Auto sparte.
Marie kassierte bei Walter und schenkte am Tisch seinen Schnaps ein.
„Stopp!“, rief Walter, als das Glas halbvoll war, doch Marie goss lächelnd weiter.
„Woisch, jetzt isch doch drei Däg zua – do saufsch gscheider mol auf Vorrat!“
„Scheißndreckn“, murmelte Walter und nahm einen Schluck. Der Obstler brannte fruchtig in seiner Kehle. Natürlich hätte er das Glas nicht leer trinken müssen, doch welcher Schwabe verschenkt schon etwas.
Eine halbe Stunde später machte er sich schwankend auf den Heimweg.
„Ich glaube, Walter hat einen sitzen“, kicherte Kitty, als Walter sich am Bach vor der Tür erleichterte. Immer wieder musste er seinen Stand korrigieren, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. „Ist doch gar nicht so schlimm“, wiegelte Balu ab. „Immerhin kann er noch stehen. Und für den Heimweg hat er ja mich. Dann spiele ich halt den Blindenhund.“
13
„Du siehst aber nicht gut aus“, lästerte Jussuf am nächsten Morgen und pustete in seine Kaffeetasse.
„Geht schon“, log Walter. Er hatte geschlafen, wie ein Toter, bis ihn sein Radiowecker mit einem alten Hit von Michelle aus dem Koma geholt hatte. Also ein schlechter Tag. Walter ertrug die Quietschestimme der Sängerin einfach nicht. Er hatte leichtes Kopfweh und sein Gehirn fühlte sich irgendwie schwammig an. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren.
„Es ist ja dein letzter Tag in dieser Woche“, grinste Jussuf, „das schaffst du schon.“
„Kümmere du dich lieber um deine Tanzschuhe“, knurrte Walter zurück. „Du solltest heute Abend schon einen guten Eindruck machen.“
Jussuf zuckte zurück. „Autsch! Das ist ja schon heute. Das hatte ich fast vergessen …“
„Verdrängt“, korrigierte Walter. „Das hätte ich auch. Du kannst mir dann ja am Samstag beim Mofacup erzählen, wie es gelaufen ist.“ Das erste Lächeln des Tages huschte über Walters Gesicht. Schadenfreude ist einfach die schönste Freude.
„Heute teilst du aber ganz schön aus“, sagte Jussuf vorwurfsvoll.
„Entschuldige“, ruderte Walter zurück. „War nicht so gemeint. Aber ich bin noch etwas neben der Spur. Der extra große Schnaps gestern hat mir nicht gutgetan.“
Jussuf lachte. „Alles gut. Wenn ich einen Kater habe, darf man mich auch nicht ansprechen. Komm – ich helfe dir den Karren zu beladen.“
Als Jussuf weg war, machte Walter sich mit Balu auf den Weg. Zum Glück wusste auch Balu mittlerweile welche Haushalte eine Zeitung bekamen, denn Walter hätte an diesem Tag doch den ein oder anderen vergessen. Mit einem leisen „Wuff“ machte er sein Herrchen jedes Mal auf einen ausgelassenen Briefkasten aufmerksam.
Vor allem wenn es bergauf ging, fiel Walter das Laufen schwer, doch die frische Luft tat ihm gut und es ging ihm mit jedem Meter besser.
„Scheißndreckn“, schimpfte er, als er das Licht an Eugen Heesterkamps Haus sah. Der ehemalige Lehrer war ein ausgemachter Frühaufsteher. Manchmal hatte Walter das Gefühl, dass Eugen ihm auflauerte.
„Guten Morgen“, begrüßte ihn Eugen im Morgenmantel. Der Mantel war deutlich zu kurz und entblößte seine haarigen, dünnen Beine, die am unteren Ende in Filspantoffeln steckten. Auf beide Schuhe war ein Katzengesicht gestickt.
„Sie sind aber spät dran heute. Verschlafen?“
„Zeitung“, knurrte Walter und drückte Eugen das Blatt in die Hand. Dann stutzte er. Irgendetwas war an dem Lehrer heute anders. Er brauchte ein paar Sekunden, bis er darauf kam.
„Da hat wohl eine der Bienen Ihre gute Absicht nicht erkannt“, grinste Walter und zeigte auf Eugens Nase, die leuchtend rot und angeschwollen war.
„Ich weiß auch nicht, was da passiert ist“, antwortete Eugen und tastete unbewusst seine Nase ab. Der Schmerz ließ ihn zurückzucken. „Alles lief prima, aber auf einmal hatte ich eins von den Tierchen in der Nase. Sie ist reingekrochen und hat sofort gestochen. Ich hab sie rausgepustet, aber der Stachel blieb innen stecken. Ich hab ihn erst zu Hause mit einer Pinzette herausbekommen. Es tut höllisch weh.“
„Na dann gute Besserung – auch gesundheitlich“, verabschiedet sich Walter fröhlich. Der Tag wurde mit jeder Minute besser. Außerdem nahm er sich vor, später noch in die Bäckerei nach Bavendorf zu fahren. Er verspürte eine unglaubliche Lust auf ein Stück Bienenstich.
Die zweite Runde Schlaf hatte Walter gutgetan und er saß gutgelaunt auf der Terrasse. Liesl war herübergekommen und Walter erzählte ihr von Eugens Missgeschick.
„Er sieht aus wie Pinochio“, lästerte er. „Einen Mordszinken hat er im Gesicht. Richtig dick und rot.“
„Jetzt hör doch auf, über Eugen herzuziehen“, wies Liesl ihn zurecht, musste aber selber grinsen. „Bei Bienenstichen soll der Saft vom Spitzwegerich helfen. Ich pflücke nachher ein paar und bringe sie ihm vorbei.“
In Walters Gedanken entstand ein Bild des ehemaligen Lehrers mit Spitzwegerich in den Nasenlöchern, die wie zwei Puschel überlanger Nasenhaare herausstanden. Das Bild gefiel ihm.
„Mach das“, sagte er und griff nach seiner Kaffeetasse. In diesem Moment meldete sein Handy den Empfang einer neuen Nachricht. Walter entsperrte das Gerät und las, was Anne ihm geschrieben hatte.
„Scheißendreckn“, flüsterte er.
„Was ist denn los?“, fragte Liesl besorgt. Walter hielt ihr das Handy hin.
„Oh Mist“, stimmte Liesl zu.
Pankys Obduktion war abgeschlossen. Er wurde vergiftet.
14
Nur wenige Minuten nach Annes Nachricht, klingelte Walters Handy.
„Hallo?“, meldete er sich, wie immer ohne Namen.
„Hubert hier“, antwortete der Ravensburger Kriminalkommissar. „Hast du auch eine Nachricht von Anne bekommen?“
Walter nickte unwillkürlich. „Ja. Das ist fürchterlich. Was bedeutet das denn jetzt?“
„Das bedeutet, dass ich einen neuen Fall an der Backe habe. Mein Chef hat ihn mir gerade zugeteilt. Ich sei doch der Spezialist für Morde in Taldorf, hat er gemeint.“
Walter ahnte, worauf dieses Gespräch hinauslief und versuchte gegenzusteuern.
„Hör mal … ich würde da mal nicht vom Schlimmsten ausgehen. Es kann auch immer noch ein Versehen gewesen sein … oder ein Unfall … eine Verwechslung … oder sogar ein Selbstmord.“
„Schon klar“, erwiderte Kripo-Hubert, „glaub mir: ich weiß, was ich zu tun habe. Und das ist zuallererst ein Besuch auf dem Wagnerhof. Ich muss mir den vermeintlichen Tatort ansehen.“
Walter hoffte immer noch davonzukommen. „Die Adresse hast du ja sicher?“, fragte er scheinheilig.
„Natürlich“, seufzte Kripo-Hubert, der spürte, dass Walter sich heraushalten wollte. „Und ehrlich gesagt, habe ich mit deiner Hilfe gerechnet. Du kennst die Leute doch und könntest ganz anders mit ihnen reden. Sie wissen noch nichts vom Ergebnis der Obduktion und es wird sicher ein Schock. Ich hätte dich wirklich gerne dabei.“
Walter hörte das Flehen in Kripo-Huberts Stimme, gleichwohl verspürte er nicht die geringste Lust als Hiobersatz schlechte Nachrichten zu überbringen. Überall erledigte das die Polizei, nur hier in Taldorf, musste er immer mit dabei sein. Warum? Eine Absage lag ihm auf der Zunge, doch er brachte es nicht übers Herz. Sie waren zu gute Freunde und nach allem, was sie in den letzten Jahren gemeinsam erlebt hatten, konnte Walter seine Hilfe nicht verweigern.
„Natürlich“, murmelte er resigniert. „Wie läuft das ab?“
Kripo-Hubert räusperte sich. „Ich komme in ungefähr einer Stunde mit einem Mann von der Spurensicherung bei dir vorbei, dann gehen wir zusammen auf den Hof und schauen uns alles an.“
„Glaubst du wirklich, wir finden da noch was?“, zweifelte Walter. „Panky ist vor vier Tagen gestorben … wahrscheinlich haben sie das Zimmer schon aufgeräumt … vielleicht sogar schon geputzt …“
„Ich weiß, ich weiß. Aber das ist nun mal die normale Vorgehensweise.“
Walter wusste wie penibel Kripo-Hubert seiner Arbeit nachging und vertraute ihm.
„Schön. Dann sehen wir uns in einer Stunde“, beendete er das Gespräch.
Walter hatte Liesl von Kripo-Huberts Anruf erzählt und sie hatte dem Kommissar zugestimmt. Es würde der Familie bestimmt leichter fallen, wenn jemand dabei war, den sie kannten. Walter war sich da nicht so sicher. Menschen reagierten auf solche Nachrichten sehr unterschiedlich. Außerdem kam unweigerlich die Frage nach der Ursache der Vergiftung auf. Natürlich konnte es sich immer noch um einen fürchterlichen Unfall handeln, doch es war auch möglich, dass Absicht dahintersteckte … dass Panky ermordet wurde. Auch ohne kriminalistische Ausbildung wusste Walter, dass die Täter zu einem hohen Prozentsatz aus dem engeren Umfeld der Opfer stammten. Und wer war näher dran als die Familie? Kurz überlegte er Balu mitzunehmen, verwarf den Gedanken aber wieder. Mit Kripo-Hubert und dem Mann von der Spurensicherung an seiner Seite fühlte er sich sicher.
Kripo-Hubert und der Spurensicherer kamen mit getrennten Autos. Walter wartete schon vor dem Haus und stieg zu Hubert in den Wagen. Selbst durch die geschlossenen Türen und Fenster konnte er Balus wütendes Geheul hören. Als Walter sich zum Gehen fertig gemacht hatte, war der Wolfsspitz immer aufgeregter geworden und hatte ihn sogar angebellt. Er wusste, dass sein Hund sich nur Sorgen um ihn machte und hoffte, dass er in seinem Zorn nicht das gesamte Haus verwüstete.
Der Weg zum Wagnerhof war nicht weit, trotzdem nutzte Walter die kurze Zeit, um einen Blick in den Obduktionsbericht zu werfen, den Kripo-Hubert ihm gegeben hatte. Er verstand kaum etwas vom Fachchinesisch der Pathologin. Frau Dr. Kurz konnte bestimmte Sachverhalte eigentlich sehr verständlich darstellen, blieb in ihren Berichten aber sehr sachlich.
„Er wurde vergiftet“, reagierte Kripo-Hubert auf Walters fragenden Blick. „In seinem Magen fand man Reste vom Abendessen, eine kleine Menge starken Alkohol – vermutlich Schnaps – und eine hohe Dosis Zyankali. Man nennt es auch Blausäure. Sehr giftig. Sehr tödlich. Dein Freund hatte keine Chance, nachdem er es zu sich genommen hatte, selbst wenn ein Arzt bei ihm am Bett gestanden hätte.“
Sie klingelten und Andrea öffnete die Tür. Verwirrt sah sie von Walter zu den beiden fremden Männern. „Was kann ich für Sie tun?“
Kripo-Hubert zeigte seinen Dienstausweis. „Ich bin von der Ravensburger Kriminalpolizei und muss mit Ihnen sprechen. Hätten Sie ein paar Minuten für uns?“
„Natürlich“, sagte Andrea leise und führte die Männer ins Haus. Sie nahmen in der geräumigen Küche Platz, nur der Mann von der Spurensicherung hielt sich im Hintergrund und blieb stehen.
„Frau Meinert“, begann Kripo-Hubert vorsichtig, „Sie haben eine Autopsie Ihres verstorbenen Vaters beantragt und das Ergebnis ist jetzt da. Ich muss Ihnen leider sagen, dass er keines natürlichen Todes gestorben ist.“
Andrea schaute den Kriminalkommissar mit großen Augen an.
„Die Pathologin hat im Magen Ihres Vaters, neben Essensresten, auch hochkonzentrierten Alkohol gefunden … und Zyankali.“
Noch immer brachte Andrea kein Wort hervor und schaute hilfesuchend zu Walter.
„Das ist ein Gift“, erklärte der. „Es ist auch unter dem Namen Blausäure bekannt. Daran ist dein Vater gestorben.“
„Was?“, hauchte sie und jegliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. „Aber wie … wie … wie ist das möglich?“
„Wir sind hier, um das zu untersuchen“, sprach Kripo-Hubert weiter. „Wir würden gerne das Zimmer ihres Vaters anschauen, wenn Sie nichts dagegen haben. Der Mann“, Hubert zeigte nach hinten, „ist von der Spurensicherung. Es wird nicht lange dauern.“
Andrea schlug die Hände vors Gesicht und rang nach Luft. „Also ich weiß nicht … mein Mann ist nicht da … ich weiß nicht, was er dazu sagen würde. Ist das denn unbedingt notwendig?“
Kripo-Hubert sah ihr direkt in die Augen. „Ich weiß, das ist alles sehr schlimm für Sie, aber wollen Sie denn nicht erfahren, warum ihr Vater gestorben ist?“
Andreas Blick wanderte hektisch zwischen Walter und Kripo-Hubert hin und her, dann endlich nickte sie.
„Dann gehen wir am besten gleich in sein Zimmer.“ Kripo-Hubert erhob sich, Walter und der Spurensicherer folgten ihm. Sie gingen in den ersten Stock, wo Andrea auf eine Tür zeigte. „Das ist … das war sein Zimmer“, sagte sie und wollte die Tür öffnen, doch der Spurensicherer hielt sie sanft zurück. „Lassen Sie mich das machen“, bat er, „wir wollen so wenig Spuren verunreinigen, wie möglich.“
Andrea nickte und blieb vor der Tür stehen, während die Anderen das Zimmer betraten. Walter sah sich um. Wände mit dunkler Holztäfelung, ein riesiger Bauernschrank mit bunter Bemalung, ein Doppelbett aus massivem Holz, neben dem Bett ein antikes Nachttischchen mit einer Marmorplatte oben drauf. Alles wirkte sehr ordentlich. Aufgeräumt. Sauber.
„Hast du nach Pankys Tod hier schon geputzt?“, fragte Walter.
„Geputzt nicht“, antwortete Andrea. „Aber ich habe das Bett frisch bezogen. Ich … ich … also, ich weiß nicht, warum ich das getan habe, aber es erschien mir richtig.“
Walter nickte. Eigentlich gab es hier nichts zu sehen. Der Spurensicherer bepuderte einige Stellen in der Nähe des Bettes mit Fingerabdruckpulver und sicherte sie anschließend mit einem Klebestreifen. Er machte von allem Fotos und trug seine Proben in einer Liste ein.
Eines interessierte Walter noch: „Dieser Alkohol in seinem Magen … der Schnaps … weißt du, wo der herkam? Der Todeszeitpunkt liegt zwischen sechs und sieben Uhr am Morgen und ich kann mir nicht vorstellen, dass Panky um die Uhrzeit schon einen gepichelt hat … oder hatte er vielleicht ein Alkoholproblem?“
Den letzten Teil der Frage hatte Walter sehr vorsichtig gestellt, da er Panky nicht in ein schlechtes Licht rücken wollte, doch Andrea schüttelte den Kopf.
„Papa trank fast keinen Alkohol. Nur mal ein Gläschen Wein zu besonderen Anlässen. Aber er hat jeden Morgen einen Schluck von seinem Lebenstrunk genommen. So nannte er das.“
Kripo-Hubert blickte auf. „Lebenstrunk? Was soll das sein?“
„Irgendein Kräuterschnaps. Was genau drin ist, weiß ich nicht. Er trank das Zeug schon seit über dreißig Jahren. Jeden Morgen vor dem Aufstehen. Das hat ihm mal ein Freund empfohlen. Damit soll man uralt werden.“
Das hat in diesem Fall nicht funktioniert, überlegte Walter und sah sich noch einmal um. Wenn Panky den Schnaps vor dem Aufstehen getrunken hatte, müsste hier doch irgendwo die Flasche stehen. Er zeigte auf das Nachtkästchen. „Darf ich?“ Andrea nickte.
Walter öffnete vorsichtig die Tür. Auf der linken Seite lag ein Oberarmblutdruckmessgerät mit aufgerollter Manschette, daneben stand die Schnapsflasche. Ein Schnapsglas war, wie ein Hut, über den Flaschenhals gestülpt. Sofort schob der Spurensicherer Walter beiseite und machte Fotos. Dann verpackte er die Flasche und das Gläschen einzeln in Plastikbeutel.
„Gehörte das auch Ihrem Vater?“, fragte Hubert und zeigte auf den Spalt zwischen Bett und Nachttischchen. In der Ritze klemmte ein zerknittertes Stofftaschentuch.
Andrea schaute genauer hin. „Ja. Mit dem Tuch hat er immer das Schnapsglas ausgewischt, bevor er es zurück ins Schränkchen gestellt hat.“
Der Spurensicherer zog das Taschentuch mit einer Pinzette hervor und steckte es ebenfalls in einen Beutel.
Andrea fuhr herum, als unten die Eingangstür zugeschlagen wurde.
„Andrea? Wo steckst du?“, rief ihr Mann, dann waren seine Schritte auf der Treppe zu hören.
„Was … was soll denn das hier werden?“, blaffte er kurz darauf. „Andrea, was sind das für Leute und was wollen die hier?“
„Walter kennst du ja … und das ist ein Kommissar von der Kriminalpolizei und ein Herr von der Spurensicherung …“
„Was zum Teufel ...“, setzte Steffen an, doch Andrea unterbrach ihn. „Sie sagen Papa wurde vergiftet. Mit Zyankali. Das kam bei der Obduktion heraus.“
„Aber das kann doch gar nicht sein! Wie soll er denn da drangekommen sein?“
Kripo-Hubert räusperte sich. „Genau das wollten wir sie auch fragen. Haben Sie auf dem Hof irgendwo Zyankali? Vielleicht in einem Spritzmittel oder etwas Ähnlichem?“
Steffen zog irritiert die Stirn kraus. „Soweit ich weiß: nein.“
„Wenn ich mich recht erinnere, war das Zeug früher in Rattengift, bis es dann irgendwann verboten wurde“, mischte sich Walter ein. „Habt ihr davon vielleicht noch irgendwo ein paar alte Päckchen rumliegen?“
Steffen sah Andrea an, die nur mit den Schultern zuckte.
„Ich glaube nicht, aber beschwören kann ich das nicht. Der Hof ist groß und Papa hatte viele Sachen irgendwo gebunkert. Er konnte ja nichts wegschmeißen.“
„Nun gut“, sagte Kripo-Hubert und verließ das Zimmer. „Das war’s fürs Erste, aber wir müssen mit ein paar Leuten nochmal wiederkommen und uns den Hof ansehen. Vielleicht finden wir das Gift ja irgendwo.“
Steffen stolperte ihm hinterher. „Hey Moment – brauchen Sie dafür nicht einen Durchsuchungsbefehl?“
„Den habe ich morgen“, sagte Kripo-Hubert kühl und ging die Treppe hinunter. „Eine letzte Frage noch:“, sagte er an Andrea gewandt, „hatte Ihr Vater irgendwelche Feinde? Oder gab es in letzter Zeit Streit mit jemandem?“
„Sie meinen, jemand hat ihm das angetan?“, keuchte sie. „Nie und nimmer. Fragen Sie Walter, der kannte ihn doch auch. Papa war im ganzen Dorf beliebt. Wenn er Streit mit jemandem hatte, dann weiß ich nichts davon.“
Sie verabschiedeten sich und gingen zu Kripo-Huberts Wagen. Der Spurensicherer blieb noch, um die Fingerabdrücke von Andrea und Steffen abzunehmen. So konnte er später ihre Spuren, die sie mit Sicherheit im Zimmer hinterlassen hatten, ausschließen.
„Glaubst du Panky wurde ermordet?“, fragte Walter.
„Kann sein“, antwortete Kripo-Hubert einsilbig. „Aber da habe ich schon die komischsten Dinge erlebt. Warten wir erstmal ab, was die Untersuchung der Schnapsflasche ergibt. Wenn wir darin das Gift finden, sind wir ein ganzes Stück weiter.“
Sie hielten vor Walters Haus. „Sehen wir uns morgen auf dem Markt?“, fragte Kripo-Hubert.
„Das hängt ein bisschen vom heutigen Abend ab“, lachte Walter. „Das Fest geht los und ich gehe mit Liesl zum Essen hin. Wenn es danach nicht ausartet, komme ich natürlich.“
Kripo-Hubert hob die Hand zum Gruß und rauschte vom Hof. Walter steuerte direkt seinen Kühlschrank an. Nichts half besser beim Nachdenken als ein kaltes Bier.
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