Kitabı oku: «Verteidigung in Mord- und Totschlagsverfahren», sayfa 17
Anmerkungen
[1]
Zum Beginn des regulären Geburtsaktes mit Einsetzen der Eröffnungswehen grundlegend BGH Urt. v. 07.12.1983 – 1 StR 665/83, BGHSt 32, 194 = NJW 1984, 674; Anm. Hirsch, JR 1985, 335; hierzu auch Cremer, MedR 1989, 301.
[2]
OLG Karlsruhe Beschl. v. 25.04.1984 – 1 Ws 261/83, NStZ 1985, 314.
[3]
BGH Beschl. v. 02.11.2007 – 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393 = StV 2008, 246 = StraFo 2008, 174.
[4]
BGH Urt. v. 12.11.2009 – 4 StR 227/09, NStZ 2010, 214.
[5]
§ 3 Absätze 2, 5 des Transplantationsgesetzes vom 05.11.1997, in Kraft seit 01.12.1997.
[6]
Empfehlungen der Bundesärztekammer in: Reanimation – Empfehlungen für die Wiederbelebung, 2. Auflage, Deutscher Ärzteverlag Köln 2000.
[7]
siehe Rn. 2967 ff.
[8]
Ausnahme: Selbstverstümmelung gem. § 17 WStG.
[9]
BGH Beschl. v. 10.03.1954 – GSSt 4/53, BGHSt 6, 147 [153] = NJW 1954, 1049.
[10]
BGH Urt. v. 07.02.2001 – 5 StR 474/00, BGHSt 46, 279 = NStZ 2001, 324 = StV 2001, 684 Ls.
[11]
Fallbeispiele:
Rn. 458 (Gasexplosion); Rn. 459 (Brandlegung); Rn. 461 (Fahrzeugkollision); Rn. 1348 (erweiterter Selbstmord); Rn. 1350 (Mitnahmesuizid der Mutter).
[12]
St. Rspr. seit BGH Urt. v. 14.02.1984 – 1 StR 808/83, BGHSt 32, 262; siehe auch BGH Urt. v. 20.05.2003 – 5 StR 66/03, NStZ 2003, 537 = NJW 2003, 2326; Urt. v. 11.04.2000 – 1 StR 638/99, NJW 2000, 2286.
[13]
BGH Urt. v. 11.12.2003 – 3 StR 120/03, BGHSt 49, 34 = NStZ 2004, 204 mwN.; Urt. v. 07.02.2001 – 5 StR 474/00, BGHSt 46, 279 [288] = NStZ 2001, 324; Urt. v. 11.04.2000 – 1 StR 638/99, NStZ 2001, 205 = StV 2000, 617.
[14]
BGH Urt. v. 11.04.2000 – 1 StR 638/99, NJW 2000, 2286; Urt. v. 09.11.1984 – 2 StR 257/84, BGHSt 33, 66 = NStZ 1985, 319 m. Anm. Roxin.
[15]
BGH Urt. v. 20.05.2003 – 5 StR 66/03, NStZ 2003, 537.
[16]
BGH Urt. v. 20.11.2008 – 4 StR 328/08, BGHSt 53, 55 = NStZ 2009, 148, Duttge, NStZ 2009, 690 Ls. = Kühl, NJW 2009, 1155; Kudlich, JA 2009, 389; Roxin, JZ 2009, 399.
[17]
Kühl, Jura 2010, 81.
[18]
Zum sog. „Assistierten Suizid“ ausf. Rn. 782 ff.
[19]
Zur Sterbehilfe Rn. 795 ff.
[20]
Zum Tatbestand der Tötung auf Verlangen gem. § 216 StGB Rn. 771 ff.
[21]
Zur Körperverletzung mit Todesfolge gem. § 227 StGB Rn. 867 ff.
Teil 2 Der Tod und seine strafrechtliche Zurechnung › B. Todesursächlichkeit einer Handlung
B. Todesursächlichkeit einer Handlung
Teil 2 Der Tod und seine strafrechtliche Zurechnung › B › I. Der strafrechtlich maßgebende Ursachenbegriff
I. Der strafrechtlich maßgebende Ursachenbegriff
1. Condicio-sine-qua-non-Formel
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Ursächlich ist jede Bedingung, die den Erfolg herbeigeführt hat; dabei ist gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben[1]. Auch bei Tötungsdelikten gilt für die juristische Kausalität die sog. Äquivalenztheorie: Jede aktive Handlung ist i.S. der Condicio-sine-qua-non-Formel kausal, die man nicht hinwegdenken kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Ein Unterlassen ist mit dem Erfolg „quasi-ursächlich“ verknüpft, wenn dieser beim Hinzudenken der gebotenen Handlung entfiele, wenn also die gebotene Handlung den Erfolg verhindert hätte[2]. Anders verhält es sich allerdings, wenn ein späteres Ereignis die Wirkung der Handlung beseitigt und unter Eröffnung einer neuen Kausalreihe den Erfolg allein herbeiführt. Dagegen schließt es die Ursächlichkeit des Täterhandelns nicht aus, dass ein weiteres Verhalten, sei es des Täters, sei es des Opfers, sei es auch Dritter, an der Herbeiführung des Erfolgs mitgewirkt hat[3].
2. Doppelkausalität
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Liegen mehrere Umstände vor, die alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfällt, so ist jeder für den Erfolg ursächlich. Demgemäß ist wegen vollendeten Tötungsverbrechens auch zu bestrafen, wer jemanden mit Tötungsvorsatz niedergeschossen und dadurch einen Dritten dazu veranlasst hat, dem Verletzten den „Gnadenschuss“ zu geben[4].
3. Lehre der objektiven Zurechnung
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Um die Haftung für fernliegende, atypische Kausalverläufe einzugrenzen, ist unter Anwendung der Lehre der objektiven Zurechnung zu ermitteln, ob in der fraglichen Handlung eine Gefahr enthalten war, die sich im konkreten Erfolg verwirklicht hat. Beispiel: Stirbt das Opfer nicht durch die ihm vom Angeklagten mit Tötungsvorsatz zugefügten Verletzungen, sondern infolge stressbedingten Herzversagens, ist diese Abweichungen vom vorgestellten Kausalverlauf rechtlich bedeutungslos, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen. „Der Tod des Opfers durch Herzversagen ist nicht etwa Folge einer außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegenden Verkettung unglücklicher Umstände, bei der eine Haftung des Angeklagten für den Erfolg ausscheiden würde. Die Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf ist vielmehr unwesentlich und rechtfertigt auch keine andere Bewertung der Tat, weil die Handlung des Angeklagten den Tod des Opfers einschloss und dieser aufgrund dessen alsbald eintrat“[5].
4. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse
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Bei komplexen Wirkungszusammenhängen bedarf es für die Feststellung der Kausalität zumeist weiterer Überlegungen und eines Rückgriffs auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse. Auch wenn es letztlich bei der Kausalitätsfrage um eine Rechtsfrage geht, hat das Gericht die Erkenntnisse der Wissenschaft, die Erfahrungssätze des täglichen Lebens und die Gesetze der Logik zu beachten. Setzt es sich über gesicherte naturwissenschaftliche Erkenntnisse, insbesondere gefestigtes medizinisches Erfahrungswissen, hinweg, verstößt es gegen materielles Recht[6].
Teil 2 Der Tod und seine strafrechtliche Zurechnung › B › II. Eigenhändige aktive Todesverursachung
II. Eigenhändige aktive Todesverursachung
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Für die Annahme eines strafrechtlich relevanten Kausalzusammenhangs reicht nach st. Rspr. die Feststellung aus, dass das Handeln den Eintritt des – womöglich ohnehin schon nahenden – Todes beschleunigt hat[7]. Der Beschleunigungseffekt der Handlung muss allerdings im konkreten Fall medizinisch begründbar und zur Überzeugung des Gerichts tatsächlich eingetreten sein.
1. Objektiv unklarer Ursachenzusammenhang
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Wie unendlich schwer es im Einzelfall sein kann, den medizinischen Zusammenhang zwischen einem bestimmten Verhalten und dem Tod eines Menschen strafrechtlich zu klären, veranschaulicht der vom BGH entschiedene „Dolantin-Fall“[8], bei dem es um die Wirkung von schmerzlindernden Medikamenten ging, die einer Sterbenden appliziert worden waren. Toxikologen, Gerichtsmediziner und Schmerzforscher stritten heftig, ob die Medikation oder allein das Grundleiden für den Tod der Patientin verantwortlich zu machen war. Die einen sprachen von einer letalen Dosis, die anderen schlossen eine Todesursächlichkeit aus. Das Urteil des SchwurG, das kurzerhand der These vom Ursachenzusammenhang gefolgt war und auf Mord bzw. Totschlag erkannt hatte, wurde u.a. deshalb aufgehoben, weil die Richter ihre „mutige“ Annahme nicht widerspruchsfrei zu begründen vermochten.
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Aufgehoben wurde auch die Verurteilung eines Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren wegen Totschlags, der während eines einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs einen Gegenstand (Analplug) in die Scheide seiner Sexualpartnerin eingeführt und ihr schmerzhafte, erheblich blutende Verletzungen im Genitalbereich zugefügt hatte. Um ihre lauten Schmerzschreie zu dämpfen, hatte er den Feststellungen zufolge ihren Kopf mit einer Hand in eine auf dem Boden liegende Decke gedrückt und ihr dadurch die Atemwege versperrt, sodass sie verstarb. Nachdem die Getötete weder eindeutige Zeichen äußerer Gewalt noch Abwehrverletzungen aufwies und im Atmungssystem keinerlei Faserspuren aufgefunden worden waren, hob der BGH das Urteil u.a. mit der Maßgabe auf, der vom Revisionsführer unter Vorlage mehrerer gutachtlicher Äußerungen herausgestellten Möglichkeit nachzugehen, dass das „Opfer“ nicht an einer Erstickung, sondern an einer durch die Verletzungen im Genitalbereich verursachten Luftembolie verstorben sei[9].
2. Hypothetische Alternativursachen
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Andererseits hat der BGH[10] eine mit fehlender Kausalität begründete Nichtverurteilung wegen eines Tötungsdelikts zum Nachteil eines schwer herzkranken Gewaltopfers „gekippt“, das durch Schläge und Tritte nur Prellungen und Hautabschürfungen davongetragen hatte, aber noch am Tatort an Herzversagen gestorben war. Es lag vom medizinischen Standpunkt aus zwar nahe, dass Aufregung den Todeseintritt beschleunigt hatte, es war aber nach Feststellung des medizinischen Sachverständigen auch ohne jede Erregung jederzeit mit dem Ableben zu rechnen. Unter Anwendung der sine-qua-non-Formel schien bei dieser Ausgangslage nur der Schuldspruch wegen eines Körperverletzungsdelikts möglich bzw. der fiktive Freispruch in Bezug auf ein Tötungsdelikt eigentlich unausweichlich.
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Der BGH beanstandete jedoch, das SchwurG habe die Anforderungen überspannt, die an den Nachweis der Kausalität zwischen Körperverletzungshandlung und Todeseintritt zu stellen seien. Ein bestimmter Ursachenzusammenhang wegen mehrerer denkbarer Ursachen könne medizinisch-naturwissenschaftlich möglicherweise nicht positiv festgestellt, aber gleichwohl vom Tatrichter angenommen werden. Denn dessen Überzeugung dürfe sich nicht auf rein theoretische Möglichkeiten gründen. Vielmehr sei Voraussetzung dafür, dass sich der Tatrichter vom Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts überzeuge, nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und damit nicht anzuzweifelnde Gewissheit, sondern ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lasse. Außer Betracht zu bleiben hätten Zweifel, die sich lediglich auf die Annahme einer bloß gedanklichen, abstrakt theoretischen Möglichkeit gründeten. Deshalb läge es fern, eine erhebliche gesundheitliche Vorschädigung des Opfers als alleinige Ursache für sein Ableben anzusehen, wenn der Tod des Opfers im unmittelbaren Anschluss an die massive Gewaltanwendung durch den Täter eingetreten sei[11].
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Identisch hat der BGH im Falle eines nach Misshandlungen verstorbenen Behinderten argumentiert. Die Täter hatten dessen Leiche in einem Gebüsch abgelegt, wo sie einige Zeit danach aufgefunden wurde. Angesichts der fortgeschrittenen Verwesung konnte eine Todesursache pathologisch-anatomisch nicht mehr festgestellt werden. Als wahrscheinliche Todesursachen kamen den Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen zufolge eine Hirnblutung mit progredienter Eintrübung, eine Darmverletzung mit nachfolgender Entzündung oder innere Verletzungen der Bauchorgane mit verzögertem Verbluten oder zweizeitiger Blutung, verursacht durch die vorangegangenen Schläge, in Betracht, aber auch eine allgemeine Sepsis, ausgelöst durch offene Wunden älteren Ursprungs. Das SchwurG hatte sich an einer Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts oder wegen Körperverletzung mit Todesfolge gehindert gesehen, weil es nicht ausschließen wollte, dass früher zugefügte Verletzungen und der aufgrund mangelnder Ernährung und einer Sepsis zunehmend schlechte Allgemeinzustand letztendlich todesursächlich waren. Der BGH hat dies beanstandet, weil – gemessen an den Urteilsfeststellungen und dem mitgeteilten Inhalt der rechtsmedizinischen Gutachten – die Annahme einer Sepsis als Todesursache sich als bloße fernliegende hypothetische Möglichkeit darstelle, für die nichts spreche[12]. Im Übrigen seien Überlegungen zu vermissen, ob nicht die durch die Angeklagten später zugefügten Verletzungen zu dem keine zwei Tage später eingetretenen Tod beigetragen und den Todeseintritt zumindest durch weitere Schwächung des Körpers und fehlende Flüssigkeitsaufnahme begünstigt, möglicherweise sogar beschleunigt[13] haben können. Im Strafrecht genüge eine Mitursächlichkeit in diesem Sinne für die haftungsbegründende Kausalität des Täterhandelns[14].
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Ähnlich las sich die Begründung des BGH in einem Fall, in dem der Angeklagte wegen Totschlags zum Nachteil seines 2½ Monate alten schwerstbehinderten Sohnes verurteilt worden war. Der Angeklagte hatte den Kopfausschnitt einer Baby-Tragetasche, in der das Kind lag, mit Wolldecken möglichst luftdicht abgedeckt, sodass nach Auffassung des Gerichts das Kind, wie vom Angeklagten beabsichtigt, erstickte. Der Säugling litt seit seiner Geburt an dem sog. Apert-Syndrom mit schweren Missbildungen am Kopf sowie an den Händen und Füßen. Seine Atmung musste operativ stabilisiert werden. Auch lagen Hinweise auf Hirnfehlbildungen vor. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte der Junge nur das Kleinkindalter erreicht. Nachdem das Ermittlungsverfahren ohne Anhaltspunkte für einen unnatürlichen Tod zunächst eingestellt worden war, offenbarte sich der Angeklagte freiwillig den Ermittlungsbehörden.
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Obwohl medizinisch nicht sicher auszuschließen war, dass das Kind, bei dem früher plötzliche Atemstillstände (Apnoen) aufgetreten waren, aufgrund seiner Missbildungen und einer chronischen Lungenentzündung auch an einem spontanen zentralen Atemversagen verstorben sein konnte, hat der BGH die Verurteilung des Vaters wegen Totschlags bestätigt und die Feststellung gebilligt, das Kind sei – manipulationsbedingt – durch die Anreicherung der eingeatmeten Luft mit Kohlendioxid und dem gleichzeitig sinkenden Sauerstoffanteil erstickt. Die vom Tatrichter gezogenen Schlussfolgerungen brauchten nicht zwingend zu sein; es genüge vielmehr, dass sie möglich seien und der Tatrichter von ihrer Richtigkeit überzeugt sei. Allein die theoretische Möglichkeit, dass das Kind in der Zeit zwischen dem Auflegen der Decken und der letztlich tödlich wirkenden Verknappung des Sauerstoffs in der Atemluft hiervon unabhängig an einem spontanen zentralen Atemversagen verstorben sein könnte, ändere hieran nichts.
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Wenn der Tatrichter die theoretische Möglichkeit für außerordentlich fernliegend erachtet habe, dass bei dem Kind eine Vorschädigung des Atemzentrums ausgerechnet am Tattag genau in dem Zeitraum einen spontanen zentralen Atemstillstand herbeigeführt habe, während die Tragetasche zur Einleitung des Erstickungsvorgangs vom Angeklagten abgedeckt worden war, so sei diese Bewertung rechtlich nicht zu beanstanden[15].
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Der Streit um die genaue Todesursache als Anknüpfungspunkt für strafrechtliche Verantwortung kann es erforderlich machen, noch im Revisionsverfahren wissenschaftliche Abhandlungen oder Gutachten vorzulegen, die erkennen lassen, dass das Tatgericht womöglich gesicherte medizinische Kenntnisse außer Betracht gelassen oder den Sachverhalt nicht erschöpfend aufgeklärt hat[16].
3. Naturwissenschaftliche „Restzweifel“ und der „in dubio“-Grundsatz
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In Fällen, in denen am Kausalzusammenhang zwischen der Handlung des Tatverdächtigen und dem Todeseintritt in seiner konkreten Form aus medizinischer Sicht letzte Zweifel verbleiben, stellt sich die grundsätzliche Frage, in welcher Weise und ob der Zweifelsgrundsatz überhaupt Anwendung findet. Der typische Ausgangsfall:
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Der erheblich alkoholisierte Angeklagte und die ebenfalls stark angetrunkene und zusätzlich unter dem Einfluss verschiedener Medikamente stehende Geschädigte waren in der gemeinsamen Wohnung in einen längeren Streit geraten. Die Geschädigte hatte sich in das Schlafzimmer zurückgezogen, der Angeklagte war ihr gefolgt. Auf dem Bett kam es zu einem Gerangel, in dessen Verlauf der Angeklagte das Gesicht der bäuchlings liegenden Frau von hinten mindestens einige Sekunden, jedenfalls aber so lange auf das Kopfkissen drückte, bis sie keinen Laut mehr von sich gab. Er tat dies, um die Frau, die laut schimpfte und schrie, zur Ruhe zu bringen. Im zeitlichen Zusammenhang mit diesem Geschehen verstarb die Geschädigte.
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Nach Auskunft des medizinischen Sachverständigen kam als Todesursache sowohl eine „spurenarme Tötung“, ein Erstickungstod zusammen mit der Alkoholbeeinflussung oder allein die Alkoholbeeinflussung zusammen mit der Medikamentenaufnahme in Betracht. Die ersten beiden, den Angeklagten belastenden Alternativen, hat der Sachverständige als „möglich“ und „denkbar“ bezeichnet. Demgegenüber hat er es als „nicht nahe liegend“ bezeichnet, dass der Alkohol- und Medikamenteneinfluss allein ohne eine Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr tödlich gewesen sei, da bei der trinkgewohnten Geschädigten eine weit höhere als die tatsächlich festgestellte BAK nötig gewesen sei, um tödlich zu wirken. Es sei jedoch gleichwohl „nicht auszuschließen“, dass allein die Alkoholisierung im Zusammenwirken mit dem Medikamenteneinfluss eine Atemstörung verursacht und dadurch die Todesursache gesetzt habe. Diesen Ausführungen folgend ist das LG allein mit dem Hinweis darauf, es könne nicht festgestellt werden, wie lange das Anpressen des Kopfes des Opfers gegen das Kissen gedauert habe, von der letzten, fernliegenden Möglichkeit ausgegangen.
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Der BGH hat beanstandet, dass das Gericht mit der Entscheidung für die unverfänglichste Sachverhaltsvariante den Grundsatz „in dubio pro reo“ rechtsfehlerhaft angewendet habe.
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Der Zweifelssatz sei eine Entscheidungsregel, die das Tatgericht erst dann anzuwenden habe, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch unmittelbar entscheidungserheblichen Tatsache zu gewinnen vermag[17]. Das LG hätte deshalb vor Anwendung des Zweifelssatzes eine umfassende Würdigung aller relevanten tatsächlichen Umstände vornehmen müssen. Zu erwägen gewesen wäre, dass das Opfer bereits längere Zeit Alkohol- und Medikamentenmissbrauch betrieben habe, ohne in lebensbedrohliche Situationen zu geraten. Dann aber widerspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Geschädigte gerade im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem gegen sie gerichteten Gewaltangriff allein aufgrund des Alkohol- und Medikamenteneinflusses verstorben sein soll.
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Um die Überzeugung von der Ursächlichkeit der Tathandlung für den Erfolg zu gewinnen, sei eine mathematische, jede Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ausschließende, von niemandem mehr anzweifelbare Gewissheit nicht erforderlich und die bloße gedankliche, abstrakt theoretische Möglichkeit, dass der Tathergang auch anders gewesen sein könnte, dürfe die Verurteilung nicht hindern[18].
Teil 2 Der Tod und seine strafrechtliche Zurechnung › B › III. Kausalität bei mehraktigem Vorgehen
III. Kausalität bei mehraktigem Vorgehen
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Hat der Täter das Opfer vor dem Todeseintritt an mehreren Tagen (mit womöglich unterschiedlicher Zielrichtung) misshandelt, bedarf die Kausalitätsfrage u.U. einer besonders sorgfältigen Betrachtung; widersprüchliche, miteinander unvereinbare Feststellungen zum Zeitpunkt, zur Entstehung und zur Todesursächlichkeit einzelner Verletzungen gefährden den Bestand des Urteils[19]. Stirbt das Opfer an den Folgen zweier Schüsse, von denen ein jeder auch allein zum Tod geführt hätte, so sind beide Schüsse ursächlich für den Erfolg (sog. alternative Kausalität). Wurde dabei nur der erste Schuss mit Tötungsvorsatz abgegeben, so tritt die im zweiten Schuss liegende fahrlässige Tötung gegenüber der vorsätzlichen Tötung als subsidiär zurück[20].
Teil 2 Der Tod und seine strafrechtliche Zurechnung › B › IV. Unaufklärbarkeit bei Mittätern und Zweifelssatz