Kitabı oku: «Verteidigung in Mord- und Totschlagsverfahren», sayfa 21

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2. Unanwendbarkeit des § 213 StGB in Mordfällen

264

Die absolute Androhung lebenslänglicher Freiheitsstrafe verwehrt jede graduelle Abstufung im individuellen Schuldgehalt. Auch der Täter, der Mordmerkmale verwirklicht hat, kann unter Umständen zur Tat getrieben oder hingerissen worden sein, die das Gesamtgeschehen in milderem Licht und die Verhängung einer lebenslangen Haftstrafe unangemessen hart erscheinen lassen. Wer, wie Schrifttum und Rechtslehre, den Mord als „qualifizierten Totschlag“ ansieht, hätte zumindest dogmatisch kaum Schwierigkeiten, die Regelung über den minder schweren Fall im Sinne von § 213 StGB auch auf Morddelikte zu erstrecken. Folgt man jedoch dem BGH, so ist § 213 StGB auf Morddelikte von vornherein unanwendbar[15].

265

Der BGH, der andererseits die Augen vor gewissen Härtefällen nicht verschließen kann, behilft sich auf zwei unterschiedlichen Wegen: Zum einen werden einzelne Mordmerkmale einschränkend interpretiert. So wird etwa „Heimtücke“ bei fehlender feindlicher Willensrichtung verneint[16]. Zum anderen ist man beim Heimtückemord bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände aus Verhältnismäßigkeitserwägungen im Zuge einer Strafrahmen- und Strafzumessungslösung auf die Vorschrift des § 49 Abs. 1 StGB ausgewichen, die es gestattet, eine zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe zwischen 3 und 15 Jahren zu verhängen[17].

3. Hinweispflicht bei Tatbestandswechsel

266

Da die Vorschriften der §§ 211 und 212 StGB trotz des ihnen gemeinsamen Tatbestands der vorsätzlichen Tötung eines Menschen „andere Strafgesetze“ i. S. v. § 265 Abs. 1 StPO sind, ist selbst bei einem Wechsel des Anklagevorwurfs von Mord auf Totschlag ein rechtlicher Hinweis grundsätzlich unentbehrlich[18].

4. Einschränkung hinsichtlich § 154a StPO

267

Es ist rechtlich nur möglich, einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind, nach § 154a StPO auszuscheiden. Bei einer Tat, für die der Tatbestand des Mordes gemäß § 211 StGB in Betracht kommt, kann daher die Strafverfolgung gemäß § 154a StPO nicht auf den Tatbestand des Totschlags gemäß § 212 StGB beschränkt werden, weil diese beiden Delikte nach der Rechtsprechung selbstständige Straftatbestände mit verschiedenem Unrechtsgehalt sind, von denen nur entweder der eine oder der andere erfüllt sein kann[19].

Anmerkungen

[1]

Ausf. Küper, JZ 1991, 911; Überbl. MK-StGB/Schneider Vor § 211 Rn. 132 ff.

[2]

BGH Urt. v. 26.01.2000 – 3 StR 410/99.

[3]

BGH Beschl. v. 10.01.2006 – 5 StR 341/05, NStZ 2006, 286 = StV 2006, 579.

[4]

S. auch Küper, JZ 2006, 608.

[5]

BGH Urt. v. 28.11.2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96 = NStZ 2008, 648 = StV 2008, 181 Ls.

[6]

Auf die Darstellungen von Fischer/Gutzeit, JABl 1998, 41 und Engländer, Die Teilnahme an Mord und Totschlag, JA 2004, 410, zu Grundfragen des § 28 StGB und zum Verhältnis von § 211 und § 212 StGB wird verwiesen.

[7]

Vgl. exemplarisch Beulke, NStZ 1990, 278 mwN.

[8]

BGH Urt. v. 14.10.1954 – 4 StR 362/54, BGHSt 6, 329 [330] = NJW 1954, 1896.

[9]

BGH Urt. v. 25.07.1989 – 1 StR 479/88, BGHSt 36, 231 [233] = NStZ 1990, 277 m. Anm. Beulke ; Timpe, JZ 1990, 97.

[10]

Beulke, NStZ 1990, 278 [279].

[11]

Zum Problemkreis siehe Ausf. Schönke/Schröder/Cramer28 § 25 Rn. 15.

[12]

Innerhalb der niedrigen Beweggründe wiederum wird teilweise noch weiter differenziert.

[13]

BGH Urt. v. 07.02.1996 – 2 StR 571/95, NStZ 1996, 384.

[14]

BGH Urt. v. v. 24.11.2005 – 4 StR 243/05, NStZ 2006, 288; Urt. v. 07.05.1996 – 1 StR 168/96, NStZ 1996, 434 [435]; vgl. auch Urt. v. 22.03.2000 – 3 StR 10/00, NStZ 2000, 421 [422].

[15]

BGH Beschl. v. 25.08.2010 – 1 StR 393/10

[16]

BGH Beschl. v. 22.09.1956 – GSSt 1/56, BGHSt 9, 385 [390] = NJW 1957, 70.

[17]

BGH Beschl. v. 19.05.1981 – GSSt 1/81, BGHSt 30, 105 = NStZ 1981, 344; Näheres Rn. 209.

[18]

BGH Urt. v. 14.02.1995 – 1 StR 725/94, NStZ-RR 1996, 10; ausf. Rn. 2788 ff.

[19]

BGH Urt. v. 26.01.2000 – 3 StR 410/99, insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2000, 267.

Teil 3 Grundzüge des materiellen Kapitalstrafrechts › D. Tötungsvorsatz bei Mord und Totschlag

D. Tötungsvorsatz bei Mord und Totschlag

Teil 3 Grundzüge des materiellen Kapitalstrafrechts › D › I. Die Formen und Strukturelemente des Tötungsvorsatzes

I. Die Formen und Strukturelemente des Tötungsvorsatzes

268

Der Vorwurf des Mordes oder Totschlags setzt einen zur Tatzeit bestehenden Tötungsvorsatz voraus, der vom bloßen Verletzungsvorsatz und vom reinen Gefährdungsvorsatz abzugrenzen ist, selbstverständlich auch, wenn dazu Anlass besteht, von der schlichten Fahrlässigkeit. Nicht selten lassen die Schwurgerichte die Frage nach dem Tötungsvorsatz offen, wenn sie einen strafbefreienden Rücktritt von einem etwa vorliegenden Tötungsdelikt annehmen. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden[1].

1. Zeitpunkt der Tatbegehung

269

Der Tötungsvorsatz muss zum Zeitpunkt der Tatbegehung bestehen. Die nachträgliche Billigung (dolus subsequens) genügt ebenso wenig wie ein zuvor gefasster, zum Zeitpunkt der Tatbegehung aber bereits aufgegebener oder grundlegend abgewandelter Tatentschluss (dolus antecedens).

270

Geht ein Täter im Verlauf der Tatausführung vom Körperverletzungs- zum Tötungsvorsatz über und steht fest oder ist zumindest nicht auszuschließen, dass den zum Tod führenden – den Todeseintritt vielleicht auch nur beschleunigenden – Handlungen „lediglich“ Körperverletzungsvorsatz zugrunde lag, scheidet vollendeter Totschlag aus. Zu verurteilen ist regelmäßig nur wegen Körperverletzung mit Todesfolge und versuchtem Totschlag[2]. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar, dass etwa bei einem mehraktigen Geschehen der ursprüngliche Tötungsvorsatz einer Ernüchterung weicht, nachdem sich während eines Handgemenges aus der Tatwaffe, die zunächst Ladehemmung hatte, doch noch ein Schuss löst, der sein Ziel verfehlt. Indem der Täter, der zunächst von einem fehlgeschlagenen Versuch ausgehen musste, jetzt unter Aufgabe seines Tötungsvorsatzes von weiteren Schussversuchen Abstand nimmt, kann er mit strafbefreiender Wirkung vom versuchten Tötungsdelikt zurücktreten[3].

2. Das Wissens- und das Willenselement als Vorsatzkomponenten

271

Tatbestandsvorsatz im strafrechtlichen Sinne ist, verkürzt gesprochen, Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung[4]. Nur wenn beide Komponenten zum Zeitpunkt der Tatbegehung vorliegen[5], das Wissenselement (intellektuelles oder kognitives Element) und das Wollenselement (das voluntative Element), kann der Tatbestand eines Vorsatzdelikts verwirklicht sein.

272

Entsprechendes gilt auch uneingeschränkt für den Tötungsvorsatz; auch Tötungsvorsatz liegt nur vor, wenn die tödlichen Folgen des Handelns vom Bewusstsein und vom Willen des Täters getragen werden.

3. Formen des Tötungsvorsatzes

273

Auf der Bewusstseins- und/oder Willensebene lassen sich drei 3 Formen des Tötungsvorsatzes unterscheiden, nämlich die Tötungsabsicht (dolus directus I), der direkte Tötungsvorsatz (dolus directus II) und der Eventualvorsatz (dolus eventualis)[6].

274

Generell genügt in Bezug auf Mord und Totschlag dolus eventualis; nur einige wenige Mordalternativen sind allein mit der Annahme eines dolus directus vereinbar[7].

a) Dolus directus 1. Grades

275

Tötungsabsicht (dolus directus 1. Grades) setzt auf der Bewusstseinsebene das Wissen des Täters voraus, dass angesichts der konkreten Tathandlung der Tod des Opfers sicher oder zumindest möglich ist und, als voluntatives Moment, dass sich der Täter von einem zielgerichteten Erfolgswillen (unbedingter Tötungswille) leiten lässt. Das Nachlaufen mit dem Messer in der Hand in Kenntnis dessen, dass das Opfer bereits (lebensbedrohlich) verletzt war, kann einen solchen Schluss nahe legen[8].

b) Dolus directus 2. Grades

276

Im Unterschied hierzu reicht beim dolus directus 2. Grades bei im Übrigen identischen Voraussetzungen auf der Bewusstseinsebene aus, dass der Täter den Erfolg nicht bezweckt, sondern nur als sichere Nebenfolge seines (vorsätzlichen) Tuns wissentlich in Kauf nimmt[9].

c) Bedingter Tötungsvorsatz

277

Bedingter Tötungsvorsatz ist nach der Rspr. (nur) dann anzunehmen, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges (also den Todeseintritt) als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihm abfindet, mag auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein. Es müssen sich auch beim Eventualvorsatz beide Elemente der inneren Tatseite finden lassen, nämlich sowohl das Bewusstsein der konkreten Gefahr für das geschützte Rechtsgut (sog. Wissenselement) als auch der Wille, diese Gefahr zu verwirklichen (sog. Willenselement als voluntative Vorsatzkomponente)[10].

278

Auch in Gleichgültigkeit, bei der dem Täter alles, was mit dem Opfer geschieht, also auch dessen Tod, „recht ist“, soll sich u.U. das zum bedingten Vorsatz gehörende Willenselement der Billigung manifestieren können[11].

279

Das setzt allerdings voraus, dass der Täter bei seinem Vorgehen überhaupt mit tödlichen Folgen gerechnet hat, also das Wissenselement des bedingten Vorsatzes gegeben ist. Anderenfalls scheidet die Billigung des Todeserfolges schon deshalb aus, weil sich niemand mit einem Ereignis willentlich abfinden kann, dessen Eintritt er gedanklich nicht in Betracht zieht. Die allgemeine Gleichgültigkeit des Täters gegenüber dem Schicksal des Opfers stellt dann noch keine den bedingten Tötungsvorsatz tragende Billigung dar[12].

4. Abgrenzungserfordernis

280

Wie der Tötungsvorsatz von anderen, je nach Fallgestaltung in Betracht kommenden Schuldformen abzugrenzen ist, soll anhand des im Jahre 2000 vom BGH entschiedenen „Armbrust-Falls“ veranschaulicht werden, bei dem ein alkoholisierter 19-Jähriger (BAK:1,64 ‰) seine Freundin tödlich verletzte, indem er „aus Imponiergehabe“ trotz aller Warnungen vor den Augen seiner beunruhigten Kameraden mit einer zuvor entsicherten Armbrust „in Scharfschützenmanier“ auf die in der Küche aufhältige junge Frau anlegte und im Wissen um die äußerste Gefährlichkeit und die möglicherweise letalen Folgen den Abzug betätigte. Die Annahme „bedingten Tötungsvorsatzes“ – ihm sei es in diesem Moment gleichgültig, wenn auch nicht erwünscht gewesen, ob seine Freundin getroffen würde – und seine darauf gestützte Verurteilung wegen Totschlags erwies sich als nicht tragfähig[13].

a) Lebensgefährdungsvorsatz

281

Vorstellbar ist, dass sich der Angeklagte – allen Warnungen zum Trotz – alkoholbedingt des Risikos nicht in vollem Umfang bewusst war, er seine eigene Treffsicherheit überschätzt und deshalb auf einen glücklichen Ausgang vertraut hat. Wer leichtfertigerweise „mit dem Feuer spielt“, indem er die Möglichkeit von Verletzungen oder eines tödlichen Resultats erkennt (und sogar noch darauf hingewiesen wird), mit den (schwerwiegenden) Folgen jedoch nicht einverstanden ist und ernsthaft auf deren Ausbleiben vertraut[14], hat nur Gefährdungsvorsatz und handelt in Bezug auf etwaige Verletzungen oder Todesfolgen nur „bewusst fahrlässig“, nicht jedoch vorsätzlich. Auch hier käme nur eine Bestrafung aus § 222 StGB wegen fahrlässiger Tötung in Betracht. Weil die vorsätzliche Herbeiführung einer Lebensgefahr nicht notwendig voraussetzt, dass der Täter mit dem Schlimmsten rechnet und sogar einen tödlichen Verlauf billigend in Kauf nimmt, ist es nicht widersprüchlich, bedingten Tötungsvorsatz zu verneinen und stattdessen nur einen Lebensgefährdungsvorsatz zu bejahen[15].

282

Im Übrigen werden wir tagtäglich Zeuge, wie Kunstschützen oder Messer- und Axtwerfer in Zirkusmanegen oder Varietéveranstaltungen mit waghalsigsten Vorführungen für „Nervenkitzel“ sorgen, indem sie ihre Assistenten „ins Visier“ nehmen, um sie nur haarscharf zu verfehlen. Da dies mit Einverständnis des Gehilfen geschieht, sind seltene Unfälle mit Verletzten, wie 2003 in einer englischen TV-Show, nach dem Grundsatz der bewussten Risikoübernahme in aller Regel kein Fall für den Staatsanwalt[16].

b) Körperverletzungsvorsatz

283

Hatte unser Armbrustschütze bei Betätigung des Abzugs womöglich nicht in Gänze ausgeschlossen, die Frau vielleicht doch zu verletzen, allerdings ohne sie tödlich zu treffen, und hatte er eine solche Verletzungsfolge, nicht hingegen den Tod der Betreffenden, billigend in Kauf genommen (bedingter Körperverletzungsvorsatz), wäre „nur“ der Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge gem. § 227 StGB erfüllt.

284

Die Formen des Tötungsvorsatzes


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Teil 3 Grundzüge des materiellen Kapitalstrafrechts › D › II. Die „Hemmschwellen“-Theorie des BGH

II. Die „Hemmschwellen“-Theorie des BGH[17]

1. Anwendungsbereich

285

Zuverlässigste Beurteilungsgrundlage für die Vorsatzfrage ist immer noch das rückhaltlose Tatbekenntnis des Beschuldigten, von dessen Glaubhaftigkeit sich der Tatrichter jedoch eine sichere Überzeugung zu verschaffen hat. Wird die Tat nicht eingeräumt, müssen direkter oder bedingter Tötungsvorsatz im Wege der Beweiswürdigung festgestellt und, soweit erforderlich, von anderen in Betracht kommenden Schuldformen abgegrenzt werden[18]. Das ist manchmal einfacher gesagt als getan.

286

Bei objektiv ungefährlichen Handlungen oder einem Vorgehen des Tatverdächtigen mit (leicht) beherrschbaren Risiken ist der Gedanke, es könne Tötungsvorsatz im Spiel gewesen sein, eher fernliegend. Ganz anders bei äußerst gefahrenträchtigen Handlungen, die zum Tod eines Menschen geführt haben, oder die, wenn tödliche Folgen ausgeblieben sind, jedenfalls geeignet waren, einen Menschen zu töten. Insbesondere in den vielen Fällen des untauglichen, fehlgeschlagenen oder abgebrochenen Versuchs, in denen das Opfer den Angriff überlebt hat[19], stellt sich nicht selten ernsthaft die Frage, ob nur die Rettungsmedizin dem Täter einen Strich durch die Rechnung gemacht oder der relativ glimpfliche Ausgang nicht vielmehr auch der Bewusstseinslage und dem Willen des Tatverdächtigen entsprochen hat.

287

Um die Anforderungen an die tatrichterliche Begründungspflicht zu konkretisieren, bedient sich der BGH, wenn es bei äußerst gefährlichen Handlungen um die Feststellung des Tötungsvorsatzes und dessen Abgrenzung von anderen Schuldformen, insbesondere vom bloßen Lebensgefährdungs- oder Körperverletzungsvorsatz[20], aber auch von der bewussten Fahrlässigkeit[21] geht, der sog. „Hemmschwellen“-Theorie, mit der sich der Verteidiger in Kapitalstrafverfahren intensivst vertraut machen muss. Zahllose höchstrichterliche Entscheidungen, die hierzu vorzufinden sind, spiegeln die immense Praxisrelevanz wider.

2. Feststellungen zum Tötungsvorsatz mittels Indikatoren

288

Ob bei Begehung der Tat sowohl das Bewusstsein (Wissenskomponente) als auch der Wille (Willenskomponente) vorgeherrscht haben, den Tod eines Menschen zu bewirken, betrifft innerpsychische Vorgänge, die sich, wenn der Tatverdächtige Tötungsabsichten leugnet oder zur Sache schweigt, im Rahmen der tatrichterlichen Beweiswürdigung am ehesten über Indizien erschließen. Schweigt der Betreffende, ist die Feststellung sogenannter innerer Tatsachen, wie etwa die Motive für das Handeln, ohnehin zumeist nur durch Rückschlüsse aus äußeren Umständen möglich[22]. Neben objektiven Umständen können auch Erkenntnisse zur Interessenlage des Tatverdächtigen ein wichtiger Anhaltspunkt für innere Tatsachen sein[23]. Einer der wichtigsten Indikatoren für vorhandenen direkten oder bedingten Tötungsvorsatz ist die objektive Gefährlichkeit der Handlung.

3. Die Indizwirkung der Gefährlichkeit

289

Anknüpfungspunkt der Hemmschwellen-Theorie ist das der konkreten Tathandlung innewohnende – mehr oder weniger hohe – Risiko, einen tödlichen Verlauf zu nehmen. Der einsichtige Grundgedanke: Je wahrscheinlicher zum Zeitpunkt des Tatentschlusses der Tod des Opfers war, desto eher wird auch der Täter diesen Erfolg berücksichtigt und akzeptiert haben.

290

Ausgehend von dieser Grundüberlegung liegt es nach Ansicht des BGH bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen besonders nahe, dass der Täter auch mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könnte zu Tode kommen, und dass er einen solchen Erfolg auch billigend in Kauf nimmt, wenn er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt[24]. Der BGH spricht in diesem Zusammenhang wiederholt von der starken „Indizwirkung der äußersten Gefährlichkeit des Angriffs“[25]; die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende „offensichtliche Lebensgefährlichkeit“ sei ein wesentlicher Indikator[26] und stelle für den Vorsatznachweis einen „Umstand von erheblichem Gewicht“ dar, sodass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen der subjektive Tatbestand eines Tötungsdelikts sehr nahe liege[27]. In diesen Fällen sei ein Schluss von der objektiven Gefährlichkeit der Gewalthandlungen des Täters auf bedingten Tötungsvorsatz grundsätzlich möglich[28].

4. Berücksichtigung der menschlichen Tötungshemmschwelle

291

Andererseits, so der BGH in ständiger Rechtsprechung, sei zur Tötung eines Mitmenschen eine besonders hohe Hemmschwelle, die Tötungshemmschwelle, zu überwinden. Angesichts dieser, eigenen Moralvorstellungen gehorchenden inneren Widerstände, sei immer die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Täter selbst bei seinem äußerst riskanten Vorgehen die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder ernsthaft – und nicht nur vage – darauf vertraut habe, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten[29]. Die Hemmschwelle, eine Person zu töten, sei ungleich höher als die Skrupel, einen anderen Menschen „nur“ zu verletzen (oder zu gefährden)[30].

292

Bei der Annahme bedingten Vorsatzes seien deshalb beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissenselement als auch das Willenselement, in jedem Einzelfall besonders zu prüfen[31]. Geboten sei eine Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Tatumstände, in die auch die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motive mit einzubeziehen seien.

293

Insbesondere bei spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen könne aus dem Wissen um den möglichen Erfolgseintritt nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten geschlossen werden, dass auch das – selbstständig neben dem Wissenselement stehende – voluntative Vorsatzelement gegeben sei[32]. Dabei werde in der Regel ein Vertrauen des Täters auf das Ausbleiben des tödlichen Erfolges dann zu verneinen sein, wenn der von ihm vorgestellte Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahe komme, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern könne[33]. Der Schluss von der Gefährlichkeit der Tatausführung auf den Tötungsvorsatz sei nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter alle nach Sachlage in Betracht kommenden subjektiven und objektiven Umstände in seine Erwägungen einbeziehe, die dieses Ergebnis in Frage stellen können; dies gelte für die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes und erst recht für die Annahme direkten Tötungsvorsatzes[34].