Kitabı oku: «Verteidigung in Mord- und Totschlagsverfahren», sayfa 23
m) Nachtatverhalten
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Für die Frage des Tötungsvorsatzes ist nicht zuletzt das Nachtatverhalten von indizieller Bedeutung.
aa) Aufrichtige Reue
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Auch aufrichtige Reue und tiefes Bedauern sind u.U. geeignet, die Annahme, der Täter habe die Tötung des Opfers innerlich gebilligt, in Frage zu stellen[99]. In einem anderen Fall war der Angeklagte, nachdem er seine Ehefrau im Affekt erstochen hatte, neben ihr niedergekniet, hatte sie auf den Schoß genommen, sie geschüttelt und angesprochen. Dieses entlastende Nachtatverhalten, so der BGH, sei durchaus geeignet, einen Tötungsvorsatz in Frage zu stellen[100].
bb) Zusammenbrechen beim Erhalt der Todesnachricht
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Hat der Täter auf die Todesnachricht zutiefst erschüttert reagiert, könnte dies dafür sprechen, dass er bei der Tatbegehung die Todesfolge nicht bedacht, zumindest aber nicht gebilligt hat[101].
cc) Sorge und Rettungsbemühungen
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Fürsorge für das noch für lebend gehaltene Opfer, insbesondere Rettungsbemühungen (durch Mund-zu-Mund-Beatmung[102], Verständigung des Notarztes[103]) sind immer ein gewichtiges Indiz gegen die Inkaufnahme eines tödlichen Verlaufs.
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Dass sich ein Angreifer nach der Tat weigert, einen Rettungswagen zu rufen, besagt hinsichtlich eines Tötungsvorsatzes nichts, wenn der Geschädigte offensichtlich nicht lebensgefährlich verletzt ist und lediglich fortbestehende Verärgerung über den Geschädigten für diese Reaktion ursächlich ist. Auch in dem Verstecken des Messers nach der Tat ist nicht ohne Weiteres ein Indiz für die Tötungsabsicht des Angeklagten zu sehen, weil aus der Sicht des Täters diese Handlung genauso gut geeignet war, die von ihm begangene gefährliche Körperverletzung zu verdecken[104].
dd) Verlassen des Tatorts
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Das Verlassen des Tatorts kann auf Gleichgültigkeit hinsichtlich eines denkbaren Todeseintritts hindeuten[105], sofern nicht durch die Anwesenheit Dritter die medizinische Versorgung des Opfers sichergestellt ist. Nicht selten aber flieht der Täter allein aus Furcht vor Vergeltung oder in Erwartung seiner Festnahme.
ee) Zurücklassen des Opfers bei Minusgraden
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Zu Unrecht war in einem anderen Schwurgerichtsfall der bedingte Tötungsvorsatz nicht nur aus den massiven Gewalteinwirkungen (mehrfache, erhebliche stumpfe Gewalt insbesondere durch Fußtritte auf Gesicht, Hals und den sonstigen Körper) gefolgert worden, sondern auch aus dem Nachtatverhalten, bei dem der Angeklagte das Opfer halb entkleidete und bei Temperaturen um den Gefrierpunkt zwischen der Bordsteinkante und einem geparkten Auto ablegte, sodass „auch in jedem Fall ein Erfrieren als mögliche Todesursache in Betracht gekommen wäre“. Der BGH vermisste Feststellungen zur Vorstellung des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt. Denn nur wenn der Angeklagte das Opfer noch nicht für tot gehalten und weiterhin erkannt hätte, dass durch das teilweise Entkleiden und Ablegen bei tiefen Temperaturen der Todeseintritt infolge Erfrierens eintreten könne, wäre ein solcher Schluss gerechtfertigt. Hätte der Angeklagte seinen Begleiter aber bereits für tot gehalten, gäbe sein späteres Verhalten für die Begründung eines Tötungsvorsatzes nichts her[106].
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Bedingter Tötungsvorsatz

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7. Beurteilungsspielraum des Tatrichters
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Unter Beachtung seiner formalen Vorgaben billigt der BGH dem Tatrichter hinsichtlich der Vorsatzfrage einen Beurteilungsspielraum zu – jedenfalls in der Theorie. Ob als Ergebnis der gebotenen Gesamtschau bedingter Tötungsvorsatz anzunehmen ist oder nicht, ist und bleibt dabei eine Frage der Beweiswürdigung im einzelnen Fall, für die die Hemmschwellen-Theorie keine dem Zweifelssatz vergleichbare Entscheidungsregel enthält[107]. Hinsichtlich der Gesamtwürdigung des Tatrichters besteht grundsätzlich ein der Überprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Spielraum[108]. Nicht zuletzt deshalb kommt es bei Begründungsmängeln in aller Regel nur zur Urteilsaufhebung mit Zurückverweisung und nicht zu einer Schuldspruchänderung durch das Revisionsgericht, sofern es sich nicht ausnahmsweise um einen der bereits angesprochenen Evidenz-Fälle handelt, in denen Tötungsvorsatz auf der Hand liegt[109] oder die Annahme des Tötungsvorsatzes auf bloßen Vermutungen beruht[110].
8. Auswirkungen der Hemmschwellen-Lehre auf den Schwurgerichtsalltag
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Es sind vor allem Staatsanwälte und Nebenkläger, die schon im Hinblick auf die Abschreckung der Gewalttäter von morgen für eine härtere Gangart plädieren und die Verneinung des Tötungsvorsatzes trotz äußerst gefährlichen Vorgehens beklagen. Problematisch ist, wenn sich Staatsanwaltschaft und Gericht schon generell auf einen schärferen Kurs verständigen, wie dies etwa zwischen den Strafrichtern des LG Hildesheim und der angegliederten StA geschehen und von der Lokalpresse unter der Überschrift „Klare Kante gegen Gewalttäter“ im Februar 2011 berichtet worden ist[111]. Dem Eindruck, dass man sich in Zweifelsfällen für die Mord- oder Totschlagsanklage entscheide, sind der Behördenleiter der StA Hildesheim und der Präsident des LG Hildesheim allerdings auf Anfrage entgegengetreten.
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Die Kritik an der Hemmschwellen-Lehre[112] teile ich nicht, denn sie verkennt das hinter der BGH-Rechtsprechung stehende Anliegen. Dadurch, dass die Schwurgerichte gezwungen sind, auch die gegen den Tötungsvorsatz sprechenden Umstände erschöpfend darzustellen und zu würdigen und das gefundene Ergebnis in jedem Einzelfall sorgfältig und rational nachvollziehbar zu begründen, hat der BGH konzeptionell eine durchaus wirksame Barriere gegen vorschnelle und eher vom Gefühl geleitete Annahmen zum Tötungsvorsatz errichtet. Man könnte auch verkürzt davon sprechen, dass die Theorie zur Tötungshemmschwelle die Schwelle zur leichtfertigen Bejahung des bedingten Tötungsvorsatzes angehoben hat. Das ist auch gut so, denn während der Strafrahmen bei der Körperverletzung mit Todesfolge 3 bis 15 Jahre, in minder schweren Fällen 1 Jahr bis 10 Jahre beträgt, droht dem Täter, der das Opfer bedingt vorsätzlich zu Tode gebracht hat, unter Umständen sogar zwingend lebenslange Haft, wenn auch noch ein Mordmerkmal verwirklicht worden ist.
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Leider ist die aus der BGH-Rechtsprechung zur Hemmschwellen-Lehre folgende gesteigerte Darlegungspflicht mittlerweile zum Einfallstor staatsanwaltschaftlicher Revisionen gegen missliebige Urteile geworden, in denen bedingter Tötungsvorsatz verneint worden ist. Zwar hebt der BGH hervor, der Tatrichter sei auch dann, wenn er sich vom Tötungsvorsatz nicht zu überzeugen vermag, nicht gehalten, in den schriftlichen Urteilsgründen eine erschöpfende Aufzählung sämtlicher beweiserheblicher Gesichtspunkte sowie der seine Überzeugung begründenden Erwägungen darzulegen[113]. Dennoch sind die durch Staatsanwälte allein mit der Sachrüge erfolgreich angegriffenen Urteile zum bedingten Tötungsvorsatz kaum noch zu zählen.
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Es ist nicht zu übersehen, dass es auch in den Reihen des BGH Tendenzen gibt, die Grundsätze der Hemmschwellen-Lehre in Frage zu stellen. So „mahnte“ der 3. Strafsenat des BGH[114], die Rechtsprechung des BGH zur hohen Hemmschwelle bei Tötungsdelikten nicht dahin misszuverstehen, dass die hohe und offensichtliche Lebensgefährlichkeit einer Gewalthandlung in der praktischen Rechtsanwendung regelmäßig nicht ausreiche, um (bedingten) Tötungsvorsatz anzunehmen. Auch dass der Angeklagte „keinen Grund“ gehabt habe, das Opfer zu töten, sei zu relativieren, weil der für möglich erkannte Erfolg nicht den Wünschen des Täters entsprechen müsse[115]. Allenfalls hochgradig interessenwidrige Tatfolgen würden der Annahme einer Billigung des Erfolges durch „einen in der Steuerungsfähigkeit beeinträchtigten, ohnehin überaus unüberlegt handelnden Täter“ widerstreiten.
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Die Richter des 2. und des 4. Strafsenats gingen noch einen Schritt weiter: Weder eine erhebliche Alkoholisierung noch gar ein Handeln in affektiver Erregung und aufgrund spontanen Entschlusses sprächen gegen das Vorliegen von Tötungsvorsatz zum Handlungszeitpunkt; vielmehr seien diese Umstände „nach sicherer Erfahrung“ gerade „besonders geeignet“, die „Hemmschwelle auch für besonders gravierende Gewalthandlungen herabzusetzen“[116].
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Der tatrichterliche Beurteilungsspielraum ist angesichts dieser Entwicklung nach meinem Empfinden längst zur Farce geworden. Selbst die nochmalige Verneinung bedingten Tötungsvorsatzes durch ein zweites SchwurG hält Staatsanwälte nicht davon ab, erneut den BGH anzurufen. Und dieser hebt das Urteil unter Umständen ein weiteres Mal auf, wenn es abermals nicht den gesteigerten Darlegungsanforderungen zum bedingten Tötungsvorsatz genügt[117]. Mancher Staatsanwalt lässt erst locker, wenn sich die Gerichte seiner Vorstellung von der „Wahrheit“ fügen und zur Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes durchringen.
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Nicht wenige Schwurgerichtsvorsitzende sind verunsichert und beklagen im Gespräch mit dem Verteidiger die Beliebigkeit, mit der der BGH in Fragen des bedingten Tötungsvorsatzes „aus der Ferne“ oder „vom grünen Tisch“ zu urteilen scheint. Der Vorwurf der Beliebigkeit ist längst nicht immer berechtigt, denn obwohl die BGH-Rechtsprechung zur Hemmschwellen-Lehre seit Jahrzehnten bekannt ist, leiden nicht wenige der aufgehobenen Urteile tatsächlich daran, dass das erkennende Gericht den Sachverhalt, insbesondere das Tatgeschehen im engeren Sinne, nicht detailliert genug dargestellt oder sich geradezu aufdrängende Fragen nicht bzw. nicht erschöpfend erörtert hat.
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Spürt der Verteidiger in der Hauptverhandlung oder kann er sogar anhand von Beschlussbegründungen erkennen, dass seine gegen den Tötungsvorsatz vorgebrachten Argumente beim SchwurG Zustimmung finden, tut er gut daran, dem Gericht „zuzuarbeiten“, indem er die gesamte Argumentationskette „druckreif“ zu Papier bringt und als Verteidigererklärung gem. § 257 StPO zur Akte gibt, sodass sich das Gericht in seiner schriftlichen Urteilsbegründung an dieser sorgfältigen Ausarbeitung orientieren kann.
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Freilich kann im Einzelfall eine noch so detaillierte Begründung zur inneren und äußeren Tatseite nicht verhindern, dass dem BGH das Ergebnis missfällt und er auf die Revision der StA oder der Nebenklage die Verneinung bedingten Tötungsvorsatzes mit der Begründung beanstandet, der Tatrichter habe die Anforderungen an die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes überspannt[118] oder die Beweisbedeutung der von ihm als gewichtig angesehenen einzelnen Umstände (Indizien) nicht zutreffend erkannt bzw. eingeordnet und deren Gewicht nicht fehlerfrei beurteilt[119].
Teil 3 Grundzüge des materiellen Kapitalstrafrechts › D › III. „Klassische“ Angriffsformen im Licht der BGH-Rechtsprechung
III. „Klassische“ Angriffsformen im Licht der BGH-Rechtsprechung
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Im Folgenden sollen, unterschieden nach dem jeweiligen Angriffsmodus, Fallgestaltungen dargestellt werden, in denen der BGH nach den Grundsätzen seiner Hemmschwellen-Lehre die Annahme eines (bedingten) Tötungsvorsatzes oder dessen Ablehnung beanstandet bzw. gebilligt hat. Der Vorsatzproblematik bei Unterlassungsvorwürfen ist ein gesonderter Abschnitt gewidmet[120]. Weniger das im Einzelfall gefundene Ergebnis, als vielmehr die Betrachtung der jeweils diskutierten Umstände ist für die Arbeit des Strafverteidigers am praktischen Fall von Nutzen.
1. Verschluss der Atemwege (Ersticken)
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Wird das Opfer mit den Händen gewürgt oder mit einem Werkzeug gedrosselt oder werden die Atemwege auf andere Art verschlossen, wie etwa durch eine weiche Bedeckung (Kissen, Wolldecken[121]) oder das Anpressen des Gesichts auf eine entsprechende Unterlage[122], ist das Spektrum der in Betracht kommenden Tatbestände groß. Je nach Intensität und Dauer kann, wenn der Angriff überlebt wird, eine einfache Körperverletzung (§ 223 StGB), eine Gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB), aber auch ein versuchtes Tötungsdelikt in Betracht kommen.
a) Komprimierende Gewalt gegen den Hals (Würgen und Drosseln)
aa) Würgeangriff mit bloßen Händen
(1) Abgrenzung zur lebensgefährdenden Körperverletzung
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Nach der Rechtsprechung des BGH kann ein fester Würgegriff an den Hals, der ein- oder beidhändig erfolgen kann[123], durchaus geeignet sein, eine Lebensgefährdung herbeizuführen[124]. Dies bedürfe aber der gesonderten Feststellung unter besonderer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Zwar reicht für § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht jeder Griff aus, der zu würgemalähnlichen Druckmarken oder ausgeprägten Würgemalen führt[125], ebenso wenig bloße Atemnot[126]; andererseits kann Würgen bis zur Bewusstlosigkeit oder bis zum Eintritt von Sehstörungen beim Opfer dessen Leben gefährden[127]. Maßgebend sind vor allem Dauer und Stärke des Würgens[128]. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB setzt über eine abstrakte Gefährdung hinaus nicht voraus, dass das Opfer tatsächlich in Lebensgefahr geraten ist[129]. Es kann im Einzelfall geboten sein, Feststellungen über Art und Ausmaß von eventuell im Halsbereich entstandenen Verletzungen zu treffen und in den Urteilsgründen mitzuteilen, ebenso wie die Zeitspanne, in der das Würgen nach Eintritt der Bewusstlosigkeit fortgesetzt worden ist[130]. Fehlen Angaben dazu, auf welche Weise, wie lange und wie intensiv das Opfer gewürgt worden ist, mangelt es an wesentlichen Anknüpfungspunkten für die Tätervorstellung von der Lebensgefährlichkeit der Handlung[131].
(2) Intensität und Dauer
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Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für zumindest bedingten Tötungsvorsatz oder ist infolge des Würgeaktes sogar der Tod eingetreten, sind die §§ 211, 212, 227 StGB zu prüfen. Für bedingten Tötungsvorsatz kann sprechen, dass der Täter während des mindestens zweiminütigen – weiteren – Würgens das Ringen seines Opfers um Luft und dessen vergebliche Abwehrversuche wahrgenommen hatte, ohne von seinem Opfer abzulassen[132].
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In einem anderen authentischen Fall war das Opfer mindestens drei, möglicherweise fünf Minuten lang mit einem Gürtel stranguliert, der Täter aber nur wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt worden. Der BGH[133], der den Schuldspruch auf Totschlag abänderte, bemängelte, das SchwurG habe nicht auf die außerordentlich lange Dauer des Strangulierens von drei bis fünf Minuten[134] abgestellt und verkannt, dass der Angeklagte nicht nur eine das Leben gefährdende Handlung vorgenommen, sondern sein Opfer in einer Weise verletzt habe, die ganz sicher – etwa einem Stich in das Herz vergleichbar – zum Tode führen musste. Damit habe die Drosselung ihre Eignung als bloße Verletzungshandlung bereits vollständig verloren. Sie habe nur noch zur Tötung des Opfers führen können. In einer solchen Fallkonstellation liege (zumindest) bedingter Tötungsvorsatz auf der Hand, ohne dass es dafür besonderer Anforderungen an die Darlegung der inneren Tatseite in den Urteilsgründen bedürfe.
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Wenn der (uneingeschränkt schuldfähige) Täter sein Opfer allerdings immer wieder würgt und danach unter Einsatz eines zur Tötung geeigneten Werkzeugs (etwa einer Paketschnur) massiv drosselt, kann er kaum ernsthaft darauf vertrauen, dass er das Opfer lediglich verletzt und nur betäubt[135]. Beanstandet hat der BGH die Annahme eines (bedingten) Tötungsvorsatzes in Bezug auf einen Angeklagten, der von der Rückbank eines Pkws aus ein Seil um den Hals des auf dem Fahrersitz befindlichen Opfers geworfen und dieses schnell und äußerst kraftvoll zugezogen hatte, woraufhin das Opfer sofort bewusstlos geworden war. Der Angeklagte hatte sich dahin eingelassen, er habe das Opfer nur kampfunfähig machen wollen. Das Gericht hielt dies für eine Schutzbehauptung, weil er, nachdem er die Bewusstlosigkeit des Opfers erkannt habe, dass Seil weiter festgehalten habe. Wie der Angeklagte vom Rücksitz aus diese Feststellung habe treffen können, war den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen. Die Annahme des Tötungsvorsatzes beruhte folglich auf unklarer Beweisgrundlage[136].
bb) Täter unter Drogeneinfluss
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Selbst beim Würgen mit einem Strick als Drosselwerkzeug kann infolge erheblicher Rauschgifteinwirkung das Erkennen wie auch die Billigung der möglichen Folgen zweifelhaft erscheinen[137].
cc) Affekttäter und Täter mit hoher BAK
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In Bezug auf alkoholisierte Täter lässt sich beim BGH keine eindeutige Linie erkennen. Das LG hatte den Angeklagten trotz einer sehr hohen BAK wegen Totschlags (in einem minder schweren Fall) verurteilt, weil er die Geschädigte mehrere Minuten lang gewürgt und sie dadurch getötet hatte. Die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes stützte es im Wesentlichen auf die massiven Verletzungen des Opfers (kräftige Unterblutungen in Halsweichteilen, Abbrüche beider Schildknorpelhörner sowie Bruch des rechten Zungenbeins) und die Dauer und Intensität des mehreren minutenlangen Würgens, dessen es nicht bedurft hätte, um das Opfer nur am Schreien zu hindern. Der BGH hielt diese Begründung für ausreichend[138].
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Obwohl in einem anderen Fall der Ehemann, der seine Ehefrau in trunkenem und zudem aufgrund einer Auseinandersetzung äußerst erregtem Zustand erwürgt und durch Drosseln und Würgen vergleichbare Verletzungen erzeugt hatte (Bruch des Zungenbeins und des oberen Schildknorpelfortsatzes am Kehlkopf), hat der BGH die Verurteilung wegen Totschlags aufgehoben und unter Abänderung der Entscheidung auf Körperverletzung mit Todesfolge erkannt[139]. Der BGH verlangt jedenfalls, dass das Tatgericht das Tatgeschehen zumindest so konkret und detailreich mitteilt, dass dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Überlegungen, die zur Bejahung oder zum Ausschluss des bedingten Tötungsvorsatzes geführt haben, möglich ist. Es versteht sich nicht von selbst, dass ein stark alkoholisierter Täter, der seine Ehefrau würgt, noch die tödlichen Folgen seines Handels erkennt[140].
b) Abdecken der Atemwege
aa) Säuglingstod durch Ersticken
(1) Gewaltsamer Erstickungstod oder plötzlicher Säuglingstod
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Die Frage nach dem Tötungsvorsatz stellt sich erst, wenn Klarheit herrscht, dass tatsächlich ein gewaltsamer Erstickungstod vorliegt. Es gibt jedoch Konstellationen, die aus gerichtsmedizinischer Sicht eine sichere Beantwortung dieser Frage nicht zulassen. Dies kann am Fall eines 26-jährigen Angeklagten veranschaulicht werden, den das LG Deggendorf im Januar 2005 vom Vorwurf des Totschlags an seiner Tochter Laura-Patricia freigesprochen hat. Ihm war angelastet worden, das 4 ½ Monate alte Mädchen erstickt zu haben, indem er dem Säugling entweder Mund und Nase zugehalten oder den Brustkorb mit erheblichem Kraftaufwand zusammengepresst habe. Die Obduktion der Leiche hatte zahllose Punktblutungen in der Gesichtshaut des Kindes, in der Kopfschwarte und der Beinhaut des Schädels, im Bereich der Augenlider, der Bindehäute sowie der Mundschleimhäute ergeben, jedoch keine sonstigen äußeren Verletzungshinweise. Der Obduzent traf die vorläufige Feststellung, dass sich die zahllosen Punktblutungen im Gesamtkopfbereich in erster Linie durch einen Erstickungsvorgang im Sinne einer gewaltsamen Bedeckung der Atemöffnungen oder durch eine Brustkorbkompression erklären ließen. Der Angeklagte hat die Tat bestritten und beteuert, mit dem Kind im Arm vor dem Fernseher eingeschlafen zu sein. Als er aufgewacht sei, habe das Kind auf dem Boden gelegen und leblos gewirkt. Er habe keine Atmung mehr feststellen können. Das Gericht hat zwei Sachverständige gehört. Der als Sachverständiger gehörte Obduzent vertrat die Ansicht, dass die Blutungen die Folge einer äußeren mechanischen Erstickung seien. Sie könnten weder durch die vorgenommenen Wiederbelebungsmaßnahmen noch durch eine chronische Bronchitis, an der das Kind vor seinem Tod gelitten habe, erklärt werden. Ob eine natürliche Todesursache aufgrund gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse ausscheide, ließ der Sachverständige offen. Der zweite Sachverständige pflichtete ihm zwar bei, dass die Anzahl der Punktblutungen den Verdacht auf einen gewaltsamen Erstickungstod begründen könnte. Allerdings gebe im vorliegenden Fall die Gesamtschau aller Befunde und Umstände – Überwärmung des Wohnzimmers, vorzeitiges Abstillen, Lungenerkrankung des Kindes – keinen Hinweis auf einen äußeren oder inneren Erstickungsvorgang, sondern lege vielmehr einen plötzlichen Säuglingstod nahe. Dass die Schwurgerichtskammer vor diesem Hintergrund den Angeklagten freisprach, war nicht zu beanstanden[141].
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Der Fall zeigt eindringlich, wie unerlässlich es ist, auf Hinzuziehung weiterer Experten zu drängen, wenn der eigene Mandant trotz belastender rechtsmedizinischer „Befunde“ unbeirrt an der Behauptung festhält, es habe sich um einen natürlichen Tod gehandelt.