Kitabı oku: «Verteidigung in Mord- und Totschlagsverfahren», sayfa 29
b) Geisterfahrt in Selbstmordabsicht
461
Rammt der Täter in Selbstmordabsicht ein mit drei Insassen besetztes Fahrzeug, um einen für ihn tödlichen Zusammenstoß beider Fahrzeuge herbeizuführen, wird er kaum darauf vertraut haben, dass die Insassen des gegnerischen Pkw die Kollision überleben[327].
c) Mutwilliges Anfahren einer Person
462
Der Tatverdächtige hatte aus Eifersucht seinen Pkw mit dem rechten Vorder- und Hinterreifen über den Randstein auf den Gehweg gelenkt und dort seine Ehefrau angefahren, die etwa 60 cm vom Fahrbahnrand entfernt mit einem anderen Mann stand und ihm den Rücken zuwandte. Stoßfänger und Kotflügel vorn rechts stießen mit einer Überdeckung von etwa 10 cm gegen die linke Kniekehle der Ehefrau. Diese wurde nach vorn geschleudert und prallte in einer Entfernung von mehreren Metern von der Anstoßstelle unkontrolliert auf das Pflaster des Gehwegs. Sie erlitt einen Bruch des Nasenbeins, Platzwunden im Gesicht und am Kopf, Prellungen sowie ein Schädelhirntrauma ersten Grades. Der Angeklagte hatte, nachdem er seinen Pkw zurück auf die Fahrbahn gesteuert hatte, nach wenigen Metern angehalten, war ausgestiegen und zurückgelaufen. Als der männliche Begleiter der Ehefrau ihm zurief, er solle stehen bleiben, war er geflüchtet, hatte mit seinem Handy die Polizei angerufen und erklärt, dass er gerade jemanden angefahren habe und, weil er bedroht worden sei, von der Unfallstelle geflüchtet sei. Er folgte der Anweisung, zum Unfallort zurückzukehren, und stellte sich den dort bereits eingetroffenen Polizeibeamten.
463
Das LG hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren sowie Fahrerlaubnisentzug verurteilt. Der Einlassung des Angeklagten, er habe an seiner Ehefrau ganz nah vorbeifahren wollen, um diese zu erschrecken, und sei dabei zu nahe an sie herangekommen, folgte das Gericht nicht. Es war vielmehr davon ausgegangen, er habe seine Ehefrau „ernsthaft verletzen“ wollen und beschlossen, deren Ahnungslosigkeit auszunutzen, um sie mit dem Pkw anzufahren. Dass sie dadurch oder durch einen Sturz auf den gepflasterten Gehweg möglicherweise getötet werden könnte, habe er billigend in Kauf genommen.
464
Der BGH bemängelte die Beweiswürdigung zur inneren Tatseite. Im Übrigen hätte sich im Hinblick auf das Nachtatverhalten des Angeklagten die Prüfung eines strafbefreienden Rücktritts vom unbeendeten Versuch nach § 24 Abs. 1 StGB aufdrängen müssen. Er könnte die weitere Tatausführung mit dem Abstellen des Fahrzeugs freiwillig aufgegeben haben. Auch dann, wenn der Angeklagte, als er zunächst zum Unfallort zurückgehen wollte, davon ausgegangen wäre, er habe seine Ehefrau möglicherweise tödlich verletzt, hätte es der Prüfung bedurft, ob der Angeklagte mit der Benachrichtigung der Polizei die Vollendung der Tat im Sinne des § 24 Abs. 1 S. 1 StGB freiwillig verhindert oder er sich im Sinne des Satzes 2 dieser Vorschrift jedenfalls ernsthaft um deren Verhinderung bemüht habe[328].
d) Absichtliches Überrollen einer Person
465
Weil er in einer Kneipe Ärger mit dem Wirt und anderen Gästen bekommen hatte, war der alkoholisierte Angeklagte (BAK ca. 1,7 ‰) zu seinem vor der Tür abgestellten Pkw „geleitet“ worden. Während der wütende Angeklagte das Auto rückwärts aus der Parkposition etwa zwei Meter zurücksetzte, trat der Wirt in den Einwirkungsbereich des Fahrzeugs, wurde zu Boden gestoßen und zog sich eine schmerzhafte Verletzung im Beinbereich zu. Nach einem Wendemanöver auf dem gut ausgeleuchteten Platz fuhr der Angeklagte in seiner Wut und alkoholischen Enthemmung bewusst auf den mindestens sieben Meter vor seinem Fahrzeug liegenden Wirt zu. Er erfasste ihn frontal. Wie der Angeklagte bemerkte, wurde der Körper des Geschädigten für zwei bis drei Sekunden unter dem Pkw durchgewalkt und erst nach etwa 15 m Kreisfahrt freigegeben; sodann fuhr der Angeklagte davon. Der Geschädigte erlitt durch dieses Geschehen so schwerwiegende Verletzungen, dass er kurz darauf verstarb. Da der Angeklagte die auf der Fahrbahn liegende Person deutlich erkannt hatte und nicht übermäßig alkoholisiert war, war die Verurteilung wegen Totschlags nicht zu beanstanden[329].
e) Riskantes Zufahren zur Erzwingung des Fluchtweges
466
Ein Kraftfahrer, der sich durch riskante Fahrmanöver den Fluchtweg erzwingt, vertraut in der Regel darauf, der Kontrahent werde unter dem Eindruck des sich nähernden Fahrzeuges noch rechtzeitig die Spur freigeben. Damit muss sich der Tatrichter auseinandersetzen, wenn er zu dem Schluss kommt, dem Angeklagten sei es auf die Verletzung des Kontrahenten angekommen[330]. Das gilt auch für das Durchbrechen einer Polizeisperre, um sich der Festnahme zu entziehen[331]. Einen Erfahrungssatz, dass den Tod billigend in Kauf nähme, wer auf einen Passanten in der Absicht zufahre, ihn zu erfassen, gäbe es nicht; es sei, so der BGH, auch nicht fernliegend, dass der Kraftfahrer nicht nur davon ausgehe, der Passant werde sich durch einen Sprung beiseite in Sicherheit bringen können, sondern auch darauf vertraue, ihn, falls er ihn doch erfasse, nur zu verletzen[332].
467
Die Erwägungen, mit denen das LG Hildesheim[333] einen Kraftfahrer wegen versuchten Mordes verurteilt hat, der durch Beschleunigen seines Transporters zwei Polizeibeamte eines Anhaltepostens zum fluchtartigen Verlassen der Fahrbahn gezwungen hatte, sind alles andere als überzeugend. Der Angeklagte hatte beteuert, er habe niemanden gefährden wollen und es nicht für möglich gehalten, dass er jemanden verletze oder gar überfahre und damit eventuell töte. Das LG hat sich eingehend mit der Gewaltbereitschaft des Angeklagten befasst, dabei aber völlig aus dem Blick verloren (und mit keinem Wort erwähnt), dass Polizeibeamte (nicht nur in Niedersachen) im Rahmen ihrer Ausbildung gelernt haben, Fahrzeugkontrollen so durchzuführen, dass der Eigensicherung höchste Priorität zukommt. Die einschlägigen Bestimmungen bzw. Empfehlungen finden sich in der Polizeidienstvorschrift (PDV) 450 (Selbstschutz der Polizei – VS-NfD) bzw. im Leitfaden 371 (Eigensicherung – nfD, Ausgabe 2002). Bei letzterem handelt es sich um einen mehrseitigen Ratgeber für ein bestimmtes Einsatzverhalten, der unter seiner Ziffer 3.3 auch Instruktionen für Polizeibeamte bei „Fahrzeugkontrollen“ und unter Ziffer 3.4. bei der Einrichtung von „Kontrollstellen“ enthält. Dort heißt es u.a., dass „die komplexe Situation an Kontrollstellen besondere Aufmerksamkeit“ erfordere. Die „Unberechenbarkeit von Fahrzeugführern“ und die Möglichkeit, das Fahrzeug als „Waffe“ einzusetzen, beinhalteten besondere Gefahrenmomente. Auch bei Durchfahrtkontrollen sei ein Angriff möglich. Der Beamte solle deshalb die Kontrollstelle immer so wählen, dass die beabsichtigte Kontrolle sowie sich ergebende Folgemaßnahmen ohne Gefährdung der Einsatzkräfte und der zu kontrollierenden Personen durchgeführt werden könnten (…). Wortwörtlich heißt es: „Rechnen Sie damit, dass der Anzuhaltende nicht reagiert oder ein Anhalten vortäuscht. Nehmen Sie deshalb eine Position ein, die es Ihnen ermöglicht, sich in Sicherheit zu bringen“. Jeder Verkehrsteilnehmer weiß, dass Beamte nicht in der Fahrspur verbleiben, bis sie umgefahren werden. Es war also kein Zufall, dass die Beamten völlig unversehrt geblieben sind. Sie mögen konkret oder abstrakt gefährdet gewesen sein. Ein ernsthaftes Risiko, angefahren und getötet zu werden, dürfte zu keiner Zeit bestanden haben.
f) Mitschleifen eines Fußgängers
468
Die Frage des bedingten Tötungsvorsatzes stellt sich auch beim Mitschleifen eines an der Seite eines Pkw hängenden Fußgängers mit hoher Geschwindigkeit. Der BGH hat auch in jenen Fällen klargelegt, dass das Mitschleifen eines Fußgängers, um diesen abzuschütteln, äußerst gefährlich sei und den Gedanken nahelege, der Täter habe mit der Möglichkeit gerechnet, das Opfer könne dabei zu Tode kommen. Der bedingte Tötungsvorsatz setze jedoch weiter voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges, den er als möglich und nicht ganz fernliegend erkenne, auch billige[334]. Der Angeklagte habe den Tötungserfolg zwar als möglich vorausgesehen, aber dennoch ernsthaft – und nicht nur vage – darauf vertraut, er werde nicht eintreten. Er habe deshalb in Bezug auf den bedingten Tötungserfolg nur (bewusst) fahrlässig gehandelt[335]. Zu berücksichtigen ist in diesen Fällen, dass es sich zumeist um einen durch Kürze und Schnelligkeit gekennzeichneten Ablauf und einen spontan gefassten Tatentschluss handelt.
469
In den Fällen der Polizeiflucht, so der BGH, werde hingegen in der Regel ein Tötungsvorsatz von vornherein zu verneinen sein[336].
g) Versuchter „Mitnahmesuizid“ mit Pkw
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In einem Gefühl der Ausweglosigkeit und Verzweiflung hatte der Angeklagte beschlossen, sich und seiner Beifahrerin, die er mit einem Messer bedroht und verletzt hatte, „mittels eines bewusst herbeigeführten Unfalls das Leben zu nehmen“. Er fuhr sodann mit einer Geschwindigkeit von ca. 120 km/h bewusst und gewollt ungebremst gegen die linke Leitplanke, wodurch das Fahrzeug nach rechts abgewiesen wurde, sich mehrfach überschlug und auf dem Standstreifen mit Totalschaden zum Stehen kam. Durch den Unfall erlitt die Frau weitere Verletzungen. Sie konnte jedoch den Pkw verlassen und ein Fahrzeug anhalten, dessen Insassen Hilfe herbeiholten. Während sie wartete, kam der Angeklagte auf sie zu, wobei er das Messer in der Hand hielt, und sagte zu ihr: „Bitte verrate mich nicht“. Auf Aufforderung der Frau warf er sodann das Messer in ein Gebüsch. Der BGH[337] hat die Annahme zweier minder schwerer Fälle des versuchten Totschlags (§§ 212, 213 2. Alt. StGB) gebilligt (in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr) und – wegen des Fehlschlags – die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts nicht beanstandet.
h) Durchbrechen einer Hauswand mit Kfz
471
Das LG hatte den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung – jeweils in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen –, mit Sachbeschädigung und mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Der stark alkoholisierte (2,77 ‰) Angeklagte hatte auf einer Geburtstagsfeier mit seiner Ehefrau und drei anderen Gästen an einem Tisch gesessen, etwa zwei Meter von dem Fenster entfernt, vor dem der Angeklagte mit Front zum Gebäude seinen Pkw Audi A 6 geparkt hatte. Nachdem er seine Frau mehrmals vergeblich zum Aufbruch gedrängt hatte, war er verärgert in seinen Pkw gestiegen und hatte die Hauswand mit etwa 25 – 35 km/h in Höhe des besagten Fensters gerammt. Der Pkw durchbrach die Mauer und drang mit seiner Front etwa 1,50 m in den dahinter liegenden Raum ein, bevor er zum Stehen kam. Die vier in dem Raum befindlichen Personen wurden durch den Aufprall zur Seite geschoben, was Prellungen u.a. zur Folge hatte. Der Angeklagte hatte sich auf Erinnerungslosigkeit berufen. Die Verurteilung wegen versuchten Totschlags war zu beanstanden. Der BGH[338] kritisierte, das LG habe nicht hinreichend das Zusammenwirken der Alkoholisierung und eines Affektaufbaus berücksichtigt und nicht gewürdigt, dass kein einleuchtendes Tötungsmotiv erkennbar war. Zweifel am (bedingten) Tötungsvorsatz stünden allerdings der Annahme vorsätzlichen Handelns nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB nicht entgegen.
15. Manipulationen an Fahrzeugbremsen
472
In einem authentischen Fall war einem in Trennung lebenden jungen Mann vorgeworfen worden, die Bremsanlage am Pkw seiner Ehefrau mit Tötungsabsicht außer Funktion gesetzt zu haben, um in den Genuss ihrer Lebensversicherung zu gelangen. Der Bremsdefekt war der Ehefrau nur über eine sehr kurze Fahrtstrecke verborgen geblieben. Sie hatte angehalten und war, nachdem sie den Leistungsabfall im Bremssystem unschwer wahrgenommen hatte, äußerst umsichtig weitergefahren, soweit sie meinte, dieses guten Gewissens verantworten zu können. Gegen den Ehemann, der jeden Verdacht von sich wies, erging Haftbefehl wegen versuchten Mordes, den das OLG im Beschwerdeverfahren bestätigte, und sich nur veranlasst sah, die gem. § 111a StPO angeordnete vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufzuheben[339].
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Die Anklage wegen Mordversuchs brach in der Hauptverhandlung in sich zusammen; der – Tötungsabsicht leugnende – Tatverdächtige wurde im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH[340] vom SchwurG lediglich wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gem. § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB verurteilt, nachdem die Befragung des Kfz-Sachverständigen ergeben hatte, dass ein künstlich erzeugter Bremsdefekt vom Fahrer in der Regel schon nach wenigen Metern bemerkt wird, längst bevor eine konkrete Gefahrensituation eintritt. Unter diesen Umständen war auch aus Sicht des Angeklagten, der mit der Fahrzeugtechnik vertraut war, mit einem tödlich verlaufenden Verkehrsunfall nicht im Entferntesten zu rechnen.
474
Auch die Verurteilung eines Angeklagten wegen versuchten Mordes hob der BGH auf. Er hatte am Fahrzeug seiner Ehefrau eine Kreuzschlitzschraube in die Lauffläche eines Vorderreifens gedreht und den zur linken Vorderradbremse führenden Bremsschlauch fast vollständig durchtrennt, sodass die Bremsflüssigkeit auslief. Die Bremswirkung der Bremsanlage wurde hierdurch um etwa die Hälfte herabgesetzt. Die Ehefrau hatte schon nach kurzer Fahrstrecke das Bremsversagen bemerkt und ihr Fahrzeug mittels Handbremse zum Stehen gebracht. Der BGH vermisste die Antwort auf sich aufdrängende Fragen: War objektiv eine Lebensgefahr für die Fahrerin oder andere Verkehrsteilnehmer durch das Vorgehen des Angeklagten entstanden? Mit welchen Kollisionsgeschwindigkeiten war bei einem Unfall in Folge eines Bremsversagens zu rechnen? Hatte der Angeklagte mit unfallvermeidenden Reaktionen der Fahrerin rechnen können oder gerechnet?[341]
16. Lebensgefährliche Sexualpraktiken
a) Tod nach gewaltsamem Einführen von Gegenständen
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Der Angeklagte hatte seiner Sexualpartnerin im Zuge einvernehmlich begonnener sexueller Handlungen nach gemeinsamem MDMA-Konsum schwerste Verletzungen im Vaginal- und Genitalbereich zugefügt, die zuletzt durch das gewaltsame Einführen einer Weinflasche oder eines Analplugs mit 12 cm Durchmesser in den Anus entstanden waren, während die Partnerin aufgrund der Drogenintoxikation das Bewusstsein verloren hatte. Sie verstarb aufgrund der erlittenen schwersten Verletzungen in Kombination mit der Intoxikation nach mindestens 15 Minuten. Der Angeklagte bemerkte, dass sie blutete, führte dennoch weiter Gegenstände in ihren Körper ein, bis die verwendete Gleitcreme aufgebraucht war. Der Angeklagte ließ schließlich von ihr ab, legte eine Bettdecke über ihren Körper, und verließ am anderen Morgen die Wohnung, nachdem er sich geduscht und Spuren beseitigt hatte[342]. Das LG konnte keinen Tötungsvorsatz erkennen. Der Angeklagte habe die Gegenstände nicht als gefährliche Werkzeuge, sondern als Sexspielzeug betrachtet. Er sei sich nicht bewusst gewesen, dass er dem Opfer lebensgefährliche Verletzungen zufügte. Der BGH hob das Urteil auf Antrag der StA auf, weil es widersprüchlich und lückenhaft sei. Er habe aus Vorerfahrungen mit anderen Partnerinnen und aus vergeblichen Versuchen der Verstorbenen am Tattag gewusst, dass der „Analplug“ zu groß war, um anal oder vaginal eingeführt zu werden. Unter diesen Umständen sei die Annahme fernliegend, er habe nicht bedacht, dass durch das gewaltsame Einführen schwere Verletzungen entstehen könnten. Eine etwaige Einwilligung sei schon wegen Sittenwidrigkeit unbeachtlich.
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Das BGH-Urteil überzeugt nicht[343]. Selbst die Bedenken des BGH zugrunde gelegt, wäre allenfalls Verletzungsvorsatz, hingegen nicht bereits bedingter Tötungsvorsatz zu belegen. Im Grunde hat der BGH in revisionsrechtlich unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Gerichts durch seine eigene ersetzt, weil er mit dem Urteil an sich nicht einverstanden war. Wenig einleuchtend ist auch der Hinweis, dass im Rahmen der neuen Verhandlung, sollte bedingter Tötungsvorsatz nicht nachweisbar sein, zu prüfen sei, ob der Angeklagte im Verlauf der Nacht erkannte, dass seine Partnerin hilfebedürftig war, also ein – ggf. versuchtes – Tötungsdelikt durch Unterlassen vorliege, da offenbar bislang nicht auszuschließen war, dass der Tod bereits 15 Minuten nach dem Einführen der Gegenstände eingetreten war.
b) Herzstillstand nach sadomasochistischen Praktiken
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Sadomasochistische Handlungen, die zu tatbestandsmäßigen Körperverletzungen führen, stellen nicht bereits wegen ihrer sexuellen Motivation einen Verstoß gegen die guten Sitten dar. Sie können aber sittenwidrig sein, wenn der Einwilligende durch die Körperverletzungshandlung in konkrete Todesgefahr gebracht wird. Im Rahmen einvernehmlicher sadomasochistischer Praktiken war die Sexualpartnerin des Angeklagten zu Tode gekommen. Verabredet war die massive Kompression der Halsgefäße, die die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn unterbindet und leicht zum Herzstillstand führt. Bedingter Tötungsvorsatz war zu verneinen, weil aufgrund der gebotenen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände rechtsfehlerfrei davon auszugehen war, der Angeklagte habe ernsthaft darauf vertraut, der als möglich erkannte Tod seiner Partnerin werde nicht eintreten[344]. Ein solches Vertrauen versteht sich von selbst, wenn die gefährlichen Praktiken bis dahin immer folgenlos geblieben sind und das Todesrisiko stets beherrscht wurde.
17. Ansteckung Dritter mit Aids-Virus
a) Ungeschützter Geschlechtsverkehr
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Eine Strafbarkeit des infizierten Täters, der ungeschützten Verkehr hat, wegen eines vorsätzlichen oder versuchten Tötungsdelikts scheidet nach herrschender Meinung regelmäßig aus.
aa) Vorfrage des Kausalitätsnachweises
479
Allerdings dürfte entgegen weit verbreiteter Meinung eine Strafbarkeit nicht bereits am Kausalitätsnachweis scheitern. Zwar trifft zu, dass viele Jahre zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit vergehen können und das Ansteckungsrisiko (bei einem einzigen heterosexuellen Kontakt mit 1:100 bis 1:1000) sehr gering ist. Andererseits ist heute aufgrund verfeinerter wissenschaftlicher Methoden ohne Weiteres mittels virologischer Blutuntersuchungen der Nachweis möglich, dass das Virus, mit dem sich das Opfer infiziert hat, vom Täter stammt.
bb) Straflose Teilnahme an der Selbstgefährdung des „Opfers“?
480
Die Strafbarkeit wegen eines versuchten oder vollendeten Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts scheidet aus, wenn der Täter lediglich die eigenverantwortlich gewollte und bewirkte Selbstgefährdung eines anderen veranlasst, ermöglicht oder fördert, auch wenn sich das von diesem bewusst eingegangene Risiko realisiert[345].
cc) Zweifel hinsichtlich der „Billigung“ tödlicher Folgen
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Wenn jemandem bei Ausübung des Geschlechtsverkehrs mit einem ahnungslosen Partner bewusst ist, dass er Träger des HI-I-Virus ist, kann daraus nicht ohne Weiteres gefolgert werden, dass er die Möglichkeit der Infizierung mit AIDS und damit eines letalen Ausgangs billigend in Kauf genommen hat[346]. Zweifel an der Billigung eines tödlichen Ausgangs lassen sich damit begründen, dass bei AIDS mit einer variablen, unter Umständen sehr langen Inkubationszeit zu rechnen ist und der Täter womöglich die Hoffnung vieler HIV-Infizierter teilt, die Wissenschaft werde in dieser Zeitspanne ein wirksames Heilmittel gegen AIDS gefunden haben und die Krankheit werde bei ihm selbst, aber auch bei seinen Partnern, sollten sie sich überhaupt angesteckt haben, erst nach der Entdeckung eines solchen Heilmittels ausbrechen. Ein HIV-Infizierter, der in Kenntnis seiner Ansteckung mit einem anderen ohne Schutzmittel Sexualverkehr ausübt, wird deshalb in aller Regel nur wegen gefährlicher Körperverletzung zu bestrafen sein.
482
Ist eine Übertragung des AIDS-Erregers nicht feststellbar, kommt Strafbarkeit wegen Versuchs in Betracht[347]. Dagegen ist Tötungsvorsatz im Allgemeinen zu verneinen[348]. Dieses Urteil ist vielfach besprochen worden[349].