Kitabı oku: «Lords of the Left-Hand Path», sayfa 12
MAGISCHER PAPYRUS: „Ich bin der vom Himmel Herabgestiegene.“ (PGM IV:1018)
JESUS: „Ich bin … die Wahrheit … “ (Johannes 14 : 6)
MAGISCHER PAPYRUS: „Ich bin die Wahrheit.“ (PGM V:148)17
War aber Jesus wirklich ein Meister des linkshändigen Pfades? Legt man strengste Maßstäbe hinsichtlich der Belege und Forschungsmethoden an (und lässt man die oft von subjektiven Interessen geleiteten Interpretationen seiner Jünger außer acht), dann erscheint es offensichtlich, dass Jesus als Mensch und Magier ein Praktizierender des linkshändigen Pfades gewesen ist. Er war ein Antinomist, predigte die Abkehr vom überlieferten jüdischen Gesetz und wurde von seinen zeitgenössischen Gegnern des „Satanismus“ geziehen (ein Vorwurf, den er niemals explizit zurückwies). Er lehrte die Erlösung des Individuums unabhängig von seiner Gemeinschaft, während er die Vergöttlichung seines eigenen individuellen Selbst praktizierte. Dass dies alles, trotz der absichtlichen (und erfolgreichen) Umwandlung seiner Lehre in eine Doktrin des rechtshändigen Pfades, noch erkennbar ist, ist äußerst bemerkenswert.
Zu den Parallelen zwischen Jesus und Simon Magus gehört auch die Tatsache (die man später gerne verwischen und verschleiern wollte), dass Jesus eine mutmaßliche Prostituierte, Maria Magdalena, als Anhängerin hatte. Dies scheint auch zu den Kernbestandteilen der Legenden um Simon Magus zu gehören.18
Letztlich können wir jedoch, da das Christentum als Institution von Männern wie Saulus/Paulus (der ein eifriger Verfolger der ersten Jünger Jesu und niemals selbst vom „Meister“ persönlich unterrichtet worden war) und Jesu Bruder Jakob (der seinen Bruder sein gesamtes Leben lang für wahnsinnig hielt) begründet und gefördert wurde, nicht annehmen, dass irgendeine der eventuellen linkshändigen Lehren Jesu korrekt überliefert sind. Wenn Jesus ein Herr des linkshändigen Pfades gewesen ist, dann wurden seine Predigten insgesamt von einer Gruppe seiner Anhänger derart verfälscht, dass seine eigentlichen Lehren nicht wie diejenigen des Apollonius von Tyana oder des Simon Magus erhalten sind. Oder, um eine schmerzliche Wahrheit deutlich auszusprechen: Alle organisierten Erscheinungsformen des rechtgläubigen Christentums – der östlichen oder westlichen, der katholischen wie der protestantischen Tradition – sind Zeugnisse der Intoleranz und des Hasses des rechtshändigen Pfades auf den individuellen Geist.
Der Islam und der linkshändige Pfad
In der südlichen Tradition (oder der des Mittleren Ostens) verkörpert kein anderes Denksystem die Ideale des rechtshändigen Pfades perfekter als der orthodoxe Islam. Dem Wortsinne nach bedeutet er „Unterwerfung“: Unterwerfung unter die Gesetze Allahs. Philosophisch gesehen, ist der Islam unter den Religionen des Mittleren Ostens die am strengsten monotheistische. Gleichwohl ließ diese radikale Theologie ein beträchtliches Maß an freiem Denken außerhalb der Grenzen des religiösen Lebens zu, weshalb die Muslime Persiens, Ägyptens und des maurischen Spaniens zu so großen Aufzeichnern und Interpreten der griechischen Philosophie wie auch selbst zu schöpferischen Leistungen auf vielen philosophischen und wissenschaftlichen Gebieten befähigt wurden.19 Die Muslime sammelten und studierten die Werke Platons, Aristoteles‘ und der Neuplatoniker zu einer Zeit, als diese in kirchlichen Kreisen des Westens für reines Teufelszeug gehalten wurden.
Historisch betrachtet, ist der Islam eine weitere von der jüdischen oder hebräischen Mythologie inspirierte Kultform. Sie wurde von Mohammed (570 - 632) begründet, der seine religiöse Lehre durch militärische Eroberungen schnell verbreitete. Vom ersten Augenblick an wurde dies mit dem Begriff eines Heiligen Krieges (ar. Jihad) beschrieben. Innerhalb von zehn Jahren nach dem Tode des Propheten hatten islamische Armeen Ägypten, Palästina, Syrien, Mesopotamien und weite Teils Persiens erobert. Ein Jahrhundert nach Mohammeds Tod überschritten die Sarazenen von Spanien aus, das gänzlich in ihre Hände gefallen war, die Grenze zum Frankenreich. Erst in der Schlacht von Tours im Jahre 732 konnten sie von Karl Martell („der Hammer“) gestoppt werden; dennoch hielten sie die iberische Halbinsel für weitere achthundert Jahre besetzt.
Die zentrale Lehre des Islam liegt in der als Shadah bekannten Formel: „Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Gesandter.“ „Allah“ ist von demselben gemeinsemitischen Namen für Gott abgeleitet, den wir auch in dem hebräischen „El“ finden. Die arabische Form geht auf al-Ilah, „der Gott“, zurück. Die Unterwerfung unter dieses Glaubensbekenntnis sowie unter die Gesetze, die in Mohammeds Buch, dem Qur‘an bzw. Koran („der Vortrag“), mitgeteilt sind, ist das Wesen des Islam.
Trotz alledem gab es, zumal in den früheren islamischen Kulturen, gewisse Freiräume für überraschende Abweichungen von den herrschenden Normen. Wenn jemand seine religiösen Pflichten in Übereinstimmung mit den üblichen Gepflogenheiten erfüllte, konnte er durchaus – wenn auch nur im Geheimen – so frei sein, seinen philosophischen oder magischen Interessen nachzugehen, die sich von den moralischen Beschränkungen oder Gesetzen abhoben. Daher konnte die muslimische Kultur während des Mittelalters zu einer Bastion klassischer Studien werden. Der heutige Islam hingegen ist durch den großen Einfluss des wahabitischen Fundamentalismus in hohem Maße abgestumpft gegenüber der fortschrittlichen Intellektualität, die einst in der islamischen Welt gepflegt wurde. Geheime (und manchmal nichtislamische) Ziele wurden nicht selten in gewissen heterodoxen Sekten oder Bruderschaften verfolgt. Die Hauptkategorie solcher Sekten ist unter dem Namen „Sufismus“ bekannt. Vor dem Hintergrund des Sufismus hat man oft bestimmte Charakteristika des linkshändigen Pfades ausgebildet. Zwei weitere islamische Sekten, die im Hinblick auf den linkshändigen Pfad von Interesse sind, sind die Ismailiten (oder Assassinen) und die Jesiden.
Bevor wir uns diesen Sekten widmen, ist es sinnvoll, die spezifische muslimische Sichtweise des Shaitan (Satan) oder Iblis, wie er auch genannt wird, zu betrachten. Der Name „Iblis“ ist vom griechischen Wort diabolus abgeleitet. In der islamischen Mythologie lehnte es Iblis ab, sich zu verneigen, bevor Adam (die Menschheit) sowie alle anderen Engel Allahs dies taten, wie es ihnen befohlen war (Koran II:34). Aufgrund dieser Selbstüberhebung und Auflehnung wurde Shaitan zur Strafe verstoßen.
Eine sufistische Schule, die von Ibn Arabi begründet wurde, bietet eine andere Interpretation, warum sich Iblis nicht niedergeworfen habe. Sie sagen, Iblis repräsentiere die Einbildungskraft, die sich niemals selbst dem Intellekt unterwerfe. „Die Einbildungskraft […] löst die Fähigkeit zur Erinnerung zugleich auf und konzentriert sie; dadurch führt sie sowohl zu ‚Sünde und Auflehnung‘ als auch zur Anschauung des Göttlichen in den Dingen.“20
Der Begriff „Sufi“ wird verwendet, um eine Anzahl von mystischen Sekten innerhalb des Islam zu beschreiben. Der Sufismus ist eine islamische Synthese mystischer Lehren, die oft von Gnostizismus, Neuplatonismus sowie anderen religiösen Sekten und Traditionen beeinflusst sind. In jedem Fall enthält er eine Vielzahl eigentümlicher Merkmale, die auf islamischen und nativ-arabischen und -persischen Ideen beruhen. Sichere Belege für die sufistische Bewegung gehen auf die Zeit um 800 zurück; seitdem bilden sie bis heute einen lebendigen Teil der islamischen Kultur. Es scheint offensichtlich, dass diese Tendenzen im Islam weitgehend auf ursprünglich persische oder iranische Einflüsse zurückgehen. Nach Auffassung einer bestimmten Tradition sollen die Wurzeln in der Persönlichkeit von Mohammeds persischem Barbier Salman al-Farisi liegen, der im Hause des Propheten gewohnt hat. Wenn es Merkmale des linkshändigen Pfades gibt, die sich irgendwo in der rechtshändigen Philosophie des Islam finden, dann ist dies im Sufismus der Fall. Und in der Tat gibt es einige wichtige verwehte Spuren ausgearbeiteter Ideen des linkshändigen Pfades in diesen Sekten.
Für einige Sufis ist Iblis eine Manifestation von Allahs Herrlichkeit. Sie sagen, dass er es ablehnte, sich Gottes Befehl zu unterwerfen, da er so sehr dem Absoluten hingegeben sei, dass er diese Ausrichtung nicht aufgeben könne, um etwas anderes zu verehren.
Im islamischen Denken kommt hier erneut der Topos des doppelten Erbes des linkshändigen Pfades auf, des fleischlichen und des geistigen. In einer mystischen Sichtweise ist Iblis die fleischliche Seele (nafs): „Zu Beginn waren die fleischliche Seele und Satan eins. Und beide haben Allah beneidet und wurden dessen Feinde.“21
Von Iblis wird gesagt, dass er einen besonderen Bezug zum Absoluten habe. Dies hängt mit der Idee zusammen, dass er der Archetypus des vom Absoluten losgelösten „Ich-Bewusstseins“ sei. In einem bestimmten Sinne verweigerte Iblis Allah aufgrund seiner Liebe und Loyalität zu seinem innigst Geliebten (dem Absoluten) den Gehorsam. Er wurde für seinen Ungehorsam verflucht und bestraft, aber er erhält dadurch eine gewisse Rechtfertigung, dass er wegen seines einzigartigen Verhältnisses zum Absoluten ausgestoßen wurde. Die Parallele zur Psycho-Kosmologie des gnostischen Magiers ist offensichtlich.
Ayn al-Qozat Hamadani, ein Sufi, der für sein Denken im Jahre 1131 hingerichtet wurde, bezog sich auf diejenigen, die als die „Eigenständigen“ eine besondere Affinität zu Iblis haben und getrennt von Allah gedeihen. Peter Lamborn Wilson schreibt:
Ayn al-Qozat deutet an, dass eine Trennung aus Liebe in mancherlei Hinsicht einer Vereinigung aus Liebe überlegen ist, da erstere eine Dynamik impliziert, letztere aber einen bloß statischen Zustand impliziert. Iblis ist nicht nur das Vorbild der Vereinzelten, sondern er bringt eine solche Natur auch in seinen menschlichen Verehrern hervor – und obwohl manche sie als ‚böse‘ erfahren, weiß der Sufi, dass dies notwendig und gut ist.22
Wie wir in Kapitel 8 sehen werden, spiegelt sich bei Aleister Crowley (oder seinem „Heiligen Schutzengel“) in dessen Buch des Gesetzes (I:29) einiges von diesen Gefühlen wieder, wenn Nuit sagt: „Um der Liebe willen bin ich getrennt, um der Hoffnung auf Vereinigung willen.“
Al-Qozat fährt fort, sein Bild von Iblis als Wächter einer inneren, göttlich erfüllten Kammer, die von einem Schwarzen Licht erleuchtet wird, zu entfalten. Es handelt sich um ein Reich jenseits aller Zweiheit; um „Dunkelheit, die jedoch gleich dem Licht ist.“23 Al-Qozat erklärt: Höre das Wort Gottes: ‚Ehre sei Gott, der Himmel und Erde erschaffen und die Dunkelheit wie das Licht hervorgebracht hat.‘ ([Koran] VI:1) Wie könnte es das Schwarze gänzlich ohne das Weiße oder Weißes ohne Schwarzes geben? Es kann nicht sein.“24
Für einige Sufis wurde die Gestalt des Iblis zu einem geheimen Vorbild. Eine ziemlich berüchtigte Gruppierung, die Malamatiya-Sekte (von ar. Malama, „Schande“), praktizierten einen Antinomismus, der an die Sekten der Ophiten oder der Barbelo-Gnostiker erinnert. Die Mitglieder dieser Sekte glaubten, dass die Nähe zu einem göttlichen Zustand durch den Grad der Verachtung bezeugt wird, die ihnen die normale menschliche Gemeinschaft entgegenbringt. Sie missachteten die religiösen Gesetzte vollständig und begingen fortwährend sündhafte Taten.25
Einer der ersten praktizierenden Sufis, dessen Ideen auf dem linkshändigen Pfad beruhten, war Abu-Yazid aus Persien (gest. 875). Er kam zu der Erkenntnis, dass Gott die Entsprechung seiner eigenen Seele sei. Er schrieb: „Heil mir! Wie groß ist meine Herrlichkeit!“ Technisch gesprochen, beging er die intellektuelle Sünde des „Inkarnationismus“ (ar. hulul), indem er behauptete, sich als Gott (oder ein Gott) inkarniert zu haben. Dabei scheint es sich um eine allgemeine Tendenz der sufistischen Glaubensvorstellungen zu handeln. Wiederum werden wir an die gnostischen Sekten erinnert, in denen ein Anhänger auf einer gewissen Stufe ausrufen konnte: „Ich bin Christus.“26
Al-Junaid (gest. 910) entwickelte die Idee, dass die von Gott abgelöste Existenz des Menschen auf Gottes eigenem Willen beruhe. Dennoch trachte Gott danach, diese Vereinzelung zu „überwinden“, indem er die Fülle seines eigenen Selbst herausstelle. Dieser Sufi bediente sich der Bilderwelt der erotischen Liebe, um seine Theologie der menschlichen Getrenntheit von Gott zu artikulieren. Der Liebende begehrt die Vereinigung, zieht aber eine intensive Lust aus dem Leiden, dass aus der Trennung erwächst.27
Der Radikalste unter den frühen Sufis war ein Schüler al-Junaids, Mansur al-Hallaj (gest. 922), der sich durchaus selbst als einen Gott, oder vielleicht auch als den fleischgewordenen Logos, ansah. Er identifizierte sich mit dem Logos der Wahrheit. In seinem Kitab al-Tawasin schrieb er:
Wenn Du Gott selbst nicht erkennst, so erkenne wenigstens seine Zeichen. Ich bin dieses Zeichen; ich bin die Schöpferische Wahrheit (ana ‚l-haqq), denn durch die Wahrheit bin ich in Ewigkeit wahr. Meine Freunde und Lehrer sind Iblis und Pharao. Iblis wurde mit dem Feuer der Hölle verbrannt, aber er widerrief nicht. Pharao wurde im Meer ertränkt, aber er widerrief nicht und erkannte nichts zwischen sich und Gott an. Und auch ich werde nicht widerrufen, auch wenn ich gekreuzigt und getötet werde und obwohl meine Hände und Füße abgeschlagen werden.28
Wegen der Niederschrift dieser Worte wurde al-Hallaj zum Tode verurteilt. Er hatte die große Blasphemie begangen, sich selbst mit (einem) Gott gleichzusetzen, und, was noch schlimmer ist, er hatte sich dafür des Vorbildes Jesu Christi bedient. Die Art seiner Hinrichtung entsprach daher der seines Helden: Kreuzigung. Von Al-Hallaj wird gesagt, dass er eine „Beständigkeit des Selbst im Wirklichen“ erreicht habe (Ar. baqa‘), die ihm ermöglichte, nach seinem Martyrium ins Paradies einzugehen.29
Die Assassinen und der Alte Mann vom Berge
Eine andere Gruppe, die Merkmale des linkshändigen Pfades aufweist, ist die Sekte der Ismailiten innerhalb des schiitischen Islam Persiens. Die Ismailiten sind historisch auch als Hashishin oder „Assassinen“ bekannt. Die Sekte hat ihren Ursprung im Jahre 1074, als der Perser Hassan-i Sabbah in Kairo in die ismailitische Lehre eingeweiht wurde. 1094 bezog er sein Hauptquartier in einer Bergfestung in Persien, die „Alamut“ (Adlerhorst) genannt wurde. Dadurch spaltete sich die Sekte in zwei unterschiedliche Zweige auf: in einen orientalischen mit seinem Zentrum in Alamut und einen okzidentalen in Ägypten und im Jemen.30 Es war der Scheich oder „Alte“ der Festung Alamut – der so genannte Alte Mann vom Berge –, über den Marco Polo in seinem Buch über seine Reise in den Osten berichtete.31
Hassan-i Sabah entwickelte und lehrte ein System spiritueller Hermeneutik, das im Arabischen ta'wil genannt wird: „Etwas auf seine Wurzeln oder seinen tiefsten Sinn zurückführen.“ Ta‘wil wird angewandt, um hinter die exoterischen Begrenzungen des Gesetzes (shari'ah) und des Weges (tariqah) der Religion vorzustoßen, wodurch man in die esoterische Wirklichkeit (haqiqah) jenseits der äußeren Formen gelangen soll.32
Es ist bemerkenswert, dass eine durchaus lebendige, moderne westliche Mythologie um die Gestalt des Hassan-i Sabbah errichtet wurde. Sie entstammt im großen und ganzen der romantischen Mystifizierung eines geheimen, auf einsamen Bergeshöhen geübten Kultes Haschisch rauchender Assassinen,33 deren Parole eine ketzerische Bemerkung war, die Hassan-i Sabbah auf seinem Totenbett geäußert haben soll: „Nichts ist wahr, alles ist erlaubt.“ Abgesehen von der Frage, ob diese Äußerung irgendeine historische Verbindung mit Hassan-i Sabbah hat, gingen von diesen kraftvollen Worten große künstlerische und esoterische Impulse auf die jüngere Geschichte aus. Von Nietzsche in seinem Werk Zur Genealogie der Moral mit Bezug auf den „Orden der Assassinen“ (die er „freie Geister par excellence“ nennt34) zitiert, verbreitete es sich später durch den Künstler Brion Gysin und seinen Freund, den Beat-Schriftsteller William S. Burroughs, wie durch den Autor Robert Anton Wilson und die moderne Bewegung des so genannten „Diskordianismus“ in subkulturellen Kreisen. In noch jüngerer Zeit wurde es in verschiedenen Spielarten des Okkultismus für praktische Techniken adaptiert, darunter insbesondere die „Chaosmagie“ von Peter J. Carroll und den Illuminaten von Thanateros (IOT).
Im Jahre 1162 wurde Hassan II. (der Sohn von Hassan-i Sabbah) Scheich von Alamut. Am 17. Ramazan (8. August) 1164 verkündete er die Qiyamat: die Große Wiedergeburt. Dabei proklamierte er: „Die Ketten des Gesetzes sind zerbrochen!“ Die Bewohner des Adlerhorstes sind frei von den Verpflichtungen der religiösen Gesetze des Islam, und ein immerwährender Urlaub wurde ausgerufen. Von Hassan II. kann gesagt werden, dass er den „Imam seines eigenen Daseins“35 verwirklicht und sodann all seine Anhänger aufgefordert habe, daran teilzuhaben.36 Durch die Qiyamat, so behauptete Hassan II., sei die Wiederauferstehung von den Toten in leibhaftigen Körpern bereits zu Lebzeiten möglich. Der ismailitische Eingeweihte „stirbt vor dem Tod, indem er zu einem Verständnis der getrennten und verfremdeten Aspekte des Selbst, des Ego als einer programmierten Illusion, gelangt. Er wird im Bewusstsein „wiedergeboren“, aber seine Wiedergeburt vollzieht sich in seinem individuellen Körper als „Seele voller Frieden“.37 1166 wurde Hassan II. ermordet.
Es scheint so, dass Hassan II. seine Anhänger zu schnell allzu weit führte. Vielleicht hatte er selbst tatsächlich einen spirituellen „Zustand“ der Dauerhaftigkeit (baqa‘) erreicht, aber seine Lehre der Qiyamat, die auf der Praxis der ta'wil beruht, ist auf viele Jahre gradueller Stufen der ismailitischen Initiation aufgebaut. Von der Stufe jedoch, die derjenigen der Dauer unmittelbar vorangeht, wird gesagt, dass sie eine Annihilation (ar. fana') sei38. Diese Vernichtung ist kein Ende an sich, was wohl auf dem rechtshändigen Pfad der Fall wäre, sondern sie ist eher eine Phase, die man hinter sich lassen muss, bevor man die individuelle Dauer erreichen kann. Hassan II. war bestrebt, seinen Anhängern den reinen Zustand der Dauer in einer einfachen und direkten Form zu vermitteln, die sie anscheinend noch nicht akzeptieren oder erreichen konnten. Aus der Perspektive des linkshändigen Pfades hat er versucht, über Nacht eine Schule des intellektuell ausgerichteten, allmählich ansteigenden Weges in eine des sinnlichen, unmittelbar immanenten Weges zu verwandeln. Letztlich funktionierte das für keinen seiner Schüler.
Die Ismailiten gelangten zu dem Glauben, dass ihr Imam ein göttlicher Mann gewesen sei, und nach 1164, der Zeit der Qiyamat, behaupteten viele die Möglichkeit eines „rein spirituellen Islam, der von jeglichem Gesetzesgeist, von aller Knechtschaft gegenüber dem Gesetz befreit ist.“39 Weit davon entfernt, eine Unterwerfung unter den „Willen Gottes“ zu sein, ist auf der letzten ismailitischen Initiationsstufe (der IX.) „jeder Schleier einer dogmatischen Religion vollständig beiseite geworfen, und der Initiierte wandelt sich ganz einfach in einen Philosophen, der frei ist, ein beliebiges System oder diejenige Mischung anzunehmen, die seinem Geschmack am meisten entspricht.“40
Im Jahre 1251 wurde die Festung von Alamut von den Mongolen erobert und zerstört, und ihre große Bibliothek wurde niedergebrannt. Die Ismailiten fanden darauf Zuflucht in verschiedenen sufistischen Sekten.41 Im neunzehnten Jahrhundert erlebten die Ismailiten unter der geistigen Führung des Aga Khan einen Wiederaufstieg, und gegenwärtig sind sie eine prosperierende Gemeinschaft mit zentralem Sitz in Indien.42
Die jesidischen Teufelsanbeter
Die Jesiden eine muslimische Gemeinschaft zu nennen, mag richtig oder falsch sein. Nichtsdestotrotz ist es am sinnvollsten, sie innerhalb des kulturellen Milieus des Islam zu behandeln. Sie „Teufelsanbeter“ zu nennen, wie dies so oft getan wurde43, mag ebenfalls richtig oder falsch sein. Wie dem auch sei, sie wurden derart häufig so bezeichnet, dass es nötig erscheint, ihre Glaubensvorstellungen vor dem Hintergrund des linkshändigen Pfades zu diskutieren.
Die Jesiden sind ein kurdisches Volk. Kurdisch ist eine Sprache des iranischen Zweigs der indoeuropäischen Sprachfamilie. Sie sind also kein Teil der arabischen Bevölkerung, die sie mittlerweile in ihrer Heimat umgibt, die im Tal von Lalisch und in dessen Umgebung, nahe der Quellen der Flüsse Euphrat und Tigris im Norden des heutigen Irak, liegt. Zeugnisse der jesidischen Religion gibt es erst seit dem vierzehnten Jahrhundert. Ihre seltsamen Bräuche mögen auf alte, vorislamische Wurzeln zurückgehen, die in die religiöse Terminologie des Islam übertragen wurden, oder sie stellen eine eigene, ursprüngliche Schöpfung dar.
Historisch führen die Jesiden die Spur ihres Glaubens auf Scheich Adi ibn Musafir zurück, der das Tal von Lalisch vom Tal von Baalbek in Libanon auf der Straße nach Bagdad erreichte. Um das Jahr 1100 weilte er in Bagdad und stand dort mit verschiedenen Sufis in Verbindung, darunter Ayn al-Qozat Hamadani. Bei den Kurden in Lalisch gründete er einen Orden, der äußerlich rechtgläubig erschien, insgeheim aber Melek Taus, den Iblis von al-Hallaj, verehrte.
Abb. 4.4. Jesidischer Schrein
Der Name „Jesiden“ ist möglicherweise von dem persischen Wort yaz(a)d-, „höchstes Wesen“, abgeleitet, das der zoroastrischen Terminologie entstammt. Von den schiitischen Muslimen Persiens wurde der Begriff in einem pejorativen Sinne auf jemanden bezogen, den man für „heidnisch“ oder „ungläubig“ hielt.44
Nach der Lehre der Jesiden erschuf die „Erste Ursache“ oder Gott (Khuda) den Kosmos, wobei er von sieben Engeln vertreten wurde. Der erste von ihnen, Azaziel oder Asa'el, lehnte es ab, sich vor Adam (dem Menschen) zu verneigen, der direkt von Khuda selbst geschaffen wurde. Einer der Gründe für diese Weigerung mag, nebenbei gesagt, darin liegen, dass Azaziel aus Feuer gebildet, Adam hingegen nur aus Erde geformt worden war – der Engel weigerte sich, vor einem niederen Wesen niederzuknien.45 Gleichwohl vergab Khuda Azaziel, der somit durchaus nicht der Geist des Bösen ist, als der er von Uneingeweihten betrachtet wird. Die Jesiden halten den Namen Shaitan (Satan) für eine Beleidigung Azaziels und lehnen dieses Wort ab. Wenn der Name in ihrer Gegenwart dennoch benutzt wird, fordern sie eine Vergeltung.
Auch der Name „Azaziel“ ist unter ihnen aber nur selten zu hören. Er wurde weitgehend durch einen Beinamen – „Melek Taus“ („der Engel Pfau“) – verdrängt. Die Jesiden vertrauen auf Melek Taus und bitten um sein besonderes Wissen und seinen Schutz. Sie glauben an einen Gerichtstag in ferner Zukunft und nehmen an, dass die Gläubigen viele Wiedergeburten durchleben (ein Glauben, der von anderen ismailitischen Sekten, etwa den Drusen, geteilt wird). Für die Jesiden ist das Böse ein Bestandteil des natürlichen Lebens und nicht das Werk eines übernatürlichen Wesens. Melek Taus Rolle beim „Sturz“ des Menschen ist nicht diejenige eines Verführers: Er wird als der gute Hüter der Weisheit angesehen, den die Menschheit zum Überleben benötigt.
In einem der heiligen Bücher der Jesiden, genannt Kitab el-Aswad auf Arabisch oder Mas'haf Rish auf Kurdisch (was beides „das Schwarze Buch“ bedeutet), wird berichtet, dass Gott Adam (nur den Mann) geschaffen und ihn ins Paradies versetzt habe, wo ihm jedoch verboten wurde, Weizen zu essen. Nachdem hundert Jahre vergangen sind, fragt Melek Taus Gott, warum Adam nicht gewachsen sei und sich vermehrt habe. Gott antwortet ihm, indem er dem Engel Pfau die Herrschaft über die Welt verleiht. Melek Taus fordert Adam daraufhin auf, Gottes Verbot zu übertreten und vom Weizen zu essen. Der Engel Pfau führt Adam also aus dem Paradies hinaus. Erst danach wird die Frau erschaffen (unter Adams linker Achselhöhle), und die Menschheit ist nun in der Lage, sich zu vermehren.46 Die positive, evolutionäre Rolle Melek Taus ist hier also offensichtlich.
Wie diese positive, den Fortschritt fördernde Rolle sich in den spirituellen Lebensweisen individueller Menschen widerspiegelt, beschreibt ein Gedicht von Scheich Adi selbst in folgenden Worten:
Ich bin Adi von Shams (Damaskus), der Sohn des Musafir.
Im Geheimnis meiner Weisheit findet sich kein Gott außer mir …
Heil mir, durch dessen Willen alle Dinge sind.
Und das Universum wird durch einige meiner Gaben erleuchtet.47

Abb. 4.5. Melek Taus als Pfau (© Stuart Littlejohn)
Für die Jesiden und Ismailiten ist das höchste linkshändige Ziel – unsterbliche, unabhängige Existenz des Selbst in einem quasigöttlichen Zustand –, ähnlich vielen anderen offenkundig linkshändigen Traditionen, allein auf den höchsten Initiationsstufen oder auf der Höhe geistiger Führerschaft offenbar. Wahrscheinlich aus diesem Grund erscheint es so, dass die gegenwärtigen und früheren Führer dieser Sekten „verehrt“ werden. Tatsächlich werden sie als spirituelle Pioniere angesehen, die den Pfad vor den anderen, die ihn zu betreten wünschen, bereits gegangen sind und daher als Vorbilder gelten. Bemerkenswerterweise ist einer der Schreine oder heutigen Bildnisse des Engel Pfau (sanjak) in der Region der Jesiden angeblich Mansur al-Hallaj geweiht, dem persischen Sufi, der erwiesenermaßen den linkshändigen Pfad praktizierte und im Jahre 922 hingerichtet wurde.48
Es scheint, dass es sich bei der jesidischen Tradition um eine Mischung aus indigenen kurdischen Glaubensvorstellungen (vielleicht solchen von nichtzoroastrischen iranischen Sekten), iranischem Dualismus, sufistischen Lehren von Scheich Adi, Al-Hallaj‘s Deutungen des Iblis und womöglich auch aus nestorianischem Christentum handelt.49 Womöglich besteht diese Synthese nur an der Oberfläche, und die ihr zugrundeliegenden Werte und Strukturen des jesidischen Glaubens beruhen auf alten kurdischen Wurzeln. Dies wird sogar in einem anderen heiligen Buch der Jesiden, dem Kitab al-Jilwa (IV), angedeutet: „Die Schriften der Fremden lasse ich (Melek Taus) insoweit gelten, als sie mit meinen Vorschriften übereinstimmen und nicht gegen sie verstoßen.“50
Es ist merkwürdig, dass beinahe alle Spuren des linkshändigen Pfades in der Welt des Islam letztlich vom iranischen Kulturkreis ausgehen, ob es sich um die ketzerischen Sufis, die Ismailiten oder auch um die kurdischen Jesiden handelt. Ich würde vermuten, dass die Ideen des linkshändigen Pfades ursprünglich in der gesamten vorislamischen Welt (wenn auch immer umstritten) verbreitet waren und dass das Streben des menschlichen Geistes nach einem unabhängigen, unsterblichen und erleuchteten Zustand nicht gänzlich ausgerottet werden konnte – auch nicht durch die radikal rechtshändige Tradition des Weges der „Unterwerfung“.
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