Kitabı oku: «Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht», sayfa 3

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Im November 2005 legte die europäische Kommission dann eine erste Mitteilung zum Thema Mehrsprachigkeit in Europa unter dem Titel „Eine neue Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit“ (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2005) vor.

Die beiden großen europäischen Institutionen – der Europarat und die Europäische Union – haben sich in der Sprachenpolitik die Mehrsprachigkeit zum Ziel gesetzt und verschiedene Projekte zu deren pädagogischer Förderung initiiert. Die allgemeinen Zielsetzungen des Europarates bestehen in ihren Grundsätzen seit dem Europäischen Kulturabkommen; Die Europäische Union orientiert sich daran ebenfalls maßgeblich. Der Europarat hat es sich zur Aufgabe gemacht, Völkerverständigung, Demokratie und soziale Zusammengehörigkeit in Europa sowie die sprachliche Vielfalt und das Sprachenlernen im Bereich der Bildung zu fördern.

Das Ziel der Mehrsprachigkeit und einer mehrsprachigen Erziehung – so der Council of Europe 2007 in der englischen Fassung seiner sprachenpolitischen Erklärung – meint nicht das gleichzeitige Unterrichten einer Reihe von Sprachen, das Unterrichten durch den Vergleich verschiedener Sprachen oder noch das Unterrichten so vieler Sprachen wie möglich. Vielmehr geht es hier darum, eine mehrsprachige Kompetenz und eine interkulturelle Bildung zu entwickeln, im Sinne des friedlichen Zusammenlebens und einer sozialen Kohäsion:

“The aim of plurilingualism and plurilingual education is not simultaneously teaching a range of languages, teaching through comparing different languages or teaching as many languages as possible. Rather, the goal is to develop plurilingual competence and intercultural education, as a way of living together.” (Council of Europe 2007: 18)

Denn in einer Epoche der immer größer werdenden Mobilität, der Globalisierung und des Zusammenwachsens Europas haben sich die Anforderungen an die heutige Lernwelt grundlegend verändert (vgl. z.B. Meißner & Reinfried 1998). In einem multilingualen Europa und einer globalisierten Welt erfährt die Kenntnis fremder Sprachen eine zunehmend stärkere Aufmerksamkeit. Die Beherrschung oder zumindest das Verständnis der Sprachen der (europäischen) Nachbarn soll zur Ausbildung einer europäischen Identität und zur Friedenssicherung beitragen (vgl. Ahrens 2004: 14). Dabei werden die rund 220 geschätzten Sprachen in der europäischen Gemeinschaft nicht als Hindernis, sondern als Reichtum, als kulturelles Erbe angesehen, welches es zu schützen gilt (vgl. dazu Wiater 2006: 57 und Europäische Union 2007: 11).

In jedem Fall wird aber die individuelle Mehrsprachigkeit der europäischen Mitglieder von der europäischen Kommission als zu erreichendes Erziehungsziel erklärt, dessen Konkretisierung im Jahr 1995 im Weißbuch festgehalten wurde (vgl. Europäische Kommission 1995: 62). Der Europarat legt jedem europäischen Bürger nahe, das ganze Leben lang Sprachen aktiv zu lernen und zu sprechen und somit beständig die „europäische Idee“ der kulturellen Vielfalt zu leben. Zu diesem Zweck sei es notwendig, dass den Sprechern Mittel und Werkzeuge zur Einschätzung des eigenen Sprachvermögens und der kommunikativen Kompetenzen an die Hand zu geben; wichtige Errungenschaften des Europarats sind das europäische Sprachenportfolio oder noch der „Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen“.

Resümierend ist festzuhalten, dass die Sprachenpolitik des Europarats folgende Zielsetzungen für jeden einzelnen europäischen Bürger vorantreiben will:

 LE PLURILINGUISME: tous les citoyens européens ont le droit d’acquérir un niveau de compétence communicative dans plusieurs langues, et ce, tout au long de leur vie, en fonction de leurs besoins

 LA DIVERSITE LINGUISTIQUE: L’Europe est un continent multilingue et toutes ses langues ont la même valeur en tant que moyens de communication et d’expression d’une identité. Les Conventions du Conseil de l’Europe garantissent le droit d’utiliser et d’apprendre des langues

 LA COMPREHENSION MUTUELLE: La communication interculturelle et l’acceptation des différences culturelles reposent fortement sur la possibilité d’apprendre d’autres langues

 LA CITOYENNETE DEMOCRATIQUE: la participation aux processus démocratique et social dans des sociétés multilingues est facilitée par la compétence plurilingue de chaque citoyen

 LA COHESION SOCIALE: l’égalité des chances en matière de développement personnel, d’éducation, d’emploi, de mobilité, d’accès à l’information et d’enrichissement culturel dépend de la possibilité d’apprendre des langues tout au long de la vie. (Conseil de l’Europe 2014: ohne Seitenangaben; Hervorhebungen im Text)

Die Sprachenpolitik in Europa fußt noch immer auf der ursprünglichen Grundüberzeugung des Europarats, der es sich seit seinem Bestehen zur Aufgabe gesetzt hat, den Erwerb eines hohen kommunikativen Kompetenzniveaus aller europäischen Bürgerinnen und Bürger voranzutreiben. Diese Initiative basiert zudem auf der verstärkten Mobilität und Zusammenarbeit auf europäischer und internationaler Ebene. Die Grundidee hat dabei bis heute ihre Aktualität in Zeiten der Globalisierung nicht verloren. Um am politischen, sozialen und wirtschaftlichen Leben teilzunehmen, sei das Beherrschen mehrerer Sprachen besonders im vielsprachigen Europa fast unvermeidbar geworden. Die Vielfalt der Sprachen wird als etwas Positives und Schützenswertes betrachtet. Für den Europarat ist Mehrsprachigkeit Garant für eine starke Demokratie und gesellschaftliche Einheit. Zudem ist Mehrsprachigkeit auch Voraussetzung für den interkulturellen Austausch im 21. Jahrhundert, der nicht zuletzt helfen soll, alte Grenzen, dank einer Sprachenvielfalt, zu überwinden (vgl. dazu Conseil de l’Europe 2014). Deshalb wird angestrebt, die europäischen Bürgerinnen und Bürger lebenslang, je nach Kommunikations- und Interaktionsbedarf, zum Zwecke einer größeren Mobilität und eines besseren gegenseitigen Verstehens und Zusammenarbeitens die notwendigen Voraussetzungen zur Kommunikation in jeder anderen Gemeinschaftssprache im Sinne einer funktionalen Mehrsprachigkeit entwickeln können, die sich in dem Aufbau folgender Kompetenzen niederschlägt:

1 Die europäischen Bürgerinnen und Bürger sollen zum Ersten kommunikative, darunter linguistische Kompetenzen2 für den persönlichen, publiken, schulischen und ebenfalls den professionellen Bereich erwerben; zum Zweck der Kommunikation sollen sie darüber hinaus pragmatische Kompetenzen erlangen, die eine angemessene Kenntnis und Bewältigung der sozialen Dimensionen des (verständlichen) Sprachgebrauchs umfasst;

2 Zum anderen sollen sie allgemeine Kompetenzen wie allgemeines Weltwissen und soziokulturelles Wissen, Fertigkeiten zur Vermittlung zwischen verschiedenen Kulturen, Lernfähigkeiten und Persönlichkeitskompetenz besitzen. (vgl. dazu Wiater 2006: 57)

Sowohl im sozialen als auch im bildungspolitischen Diskurs wird deutlich hervorgehoben, dass eine migrationsbedingte Mehrsprachigkeit eine wertvolle Ressource für das schulische Lernen, für Sprachbewusstheit, für die persönliche Entwicklung und interkulturelles Lernen darstelle und in diesem Sinn zu begreifen sei (vgl. z.B. Fürstenau 2011: 25).

Jedoch entsprechen die Migrantensprachen meistens nicht dem offiziellen, schulischen Sprachenkanon, werden gesellschaftlich nicht besonders wertgeschätzt und folglich in der Schule auch nicht eingebunden (vgl. Fürstenau et al. 2017: 49). Und Adelheid Hu (2010) konstatiert:

„Während für die Schüler/innen Mehrsprachigkeit und sprachlich-kulturelle Identität zentrale Kategorien darstellten, spielten diese für die Fremdsprachenlehrer/innen kaum eine Rolle.“ (Hu 2010: 67)

Brigitte Jostes weist zu Recht kritisch darauf hin, dass die sprachenpolitischen Vorgaben der verschiedenen europäischen Institutionen, die sie mit dem Globalziel „effektive Kommunikation“ (Jostes 2005: 28) bezeichnet, bei der entscheidenden Frage nach den Kriterien im Repertoire der sprachlichen Fähigkeiten unentschieden bleiben und die Globalziele auf personale Kompetenzen abzielen, bzw. den kommunikativen Verwertungsaspekt zu sehr in den Mittelpunkt stellen.

„Mit „effektiver Kommunikation“ als einzigem Ziel jeglichen Sprachenlernens – und so hat es den Anschein, Begründung des menschlichen Sprachbesitzes schlechthin – kommt erstens bei dieser „Komplementarität, Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aller Sprachen“ eine „affektive, identifikatorische, sozialisierende und enkulturierende Rolle einer oder mehrerer Muttersprachen“ überhaupt nicht in den Blick. Aus dem Blick gerät zweitens der andere Sprachgebrauch, der nicht auf „effektive Kommunikation“ abzielt und den Humboldt als den „rednerischen“ bezeichnet. Erst dieser Sprachgebrauch, in dem die Sprache „als Sprache“ erscheint, liefert doch dem Leitbild der Mehrsprachigkeit seinen zugrundeliegenden Begründungszusammenhang.“ (Jostes 2005: 28f.; Hervorhebungen im Text)

Diese Kritik verweist auf die Bemerkungen von Jürgen Trabant, der anmahnt:

„Ich meine damit, […] daß man fremde Sprachen nicht nur zum effektiven Kommunizieren lernt – das machen wir ja schon mit dem Englischen –, sondern daß man sich eine andere europäische Sprache wirklich als einen Kulturgegenstand zu eigen macht, daß man eine fremde Sprache als einen Bildungsgegenstand erwirbt.“ (Trabant 2005: 103)

Trabant ist weiterhin als kritische Stimme zu lesen, wenn er 2001 am Beispiel der Wissenschaftssprachen und der Wissensgesellschaft das Funktionieren und die Umsetzbarkeit der genannten europäischen Ziele vor dem Hintergrund ökonomischer Zwänge in Zweifel zog und erklärte:

„Daher sollten gerade wir Geistes- oder Kulturwissenschaftler bei der Redeweise von der Wissensgesellschaft genau hinhören. Wir können ja nicht umhin zu bemerken, wie unser Wissen, das Wissen von nahen und fernen Kulturen, Kunstwerken, Texten, vergangenen Zeiten und von Sprachen, zunehmend und rasant gesellschaftlich entwertet wird. Die Funktion des von uns produzierten Wissens ist ins Gerede gekommen. Sie wird deswegen diskutiert, weil die schönen Zeiten vorbei sind, in denen die Produktion des Wissens überhaupt – egal wovon – als kostbar angesehen wurde und von der Gesellschaft auch bezahlt wurde. Nun aber drängen die ökonomischen Zwänge – es sind eher vermeintliche Zwänge, shareholder-Zwänge eben – uns die Diskussion um die Legitimation unseres Wissens auf. Wir müssen uns vor dem Tribunal der zukünftigen Wissensgesellschaft verantworten: Nicht jedes Wissen ist da mehr willkommen und folglich finanzierbar, sondern offensichtlich nur noch solches, das der unmittelbaren Reproduktion des geld-generierenden Wissens dient. Warum sollte da z.B. – um ein Beispiel fernerliegenden Sprachwissens zu geben – einer Lateinisch oder Nahuatl studieren? Wie schnell sind dann auch das Erlernen des Französischen und das Studium der französischen Literatur und Sprache kaum mehr zu rechtfertigen.“ (Trabant 2001: 59)

Mit diesem kurzen historischen Abriss lässt sich bereits zeigen, dass eine Erziehung zur Mehrsprachigkeit in Europa – politisch und sprachenpolitisch gesehen – am Ende des 20. Jahrhunderts an zentraler Bedeutung gewonnen hat und politisch gewollt ist, dass aber die Umsetzung dieser politischen Vorgaben keineswegs einfach zu realisieren ist und mit gesellschaftlichen Widerständen zu kämpfen hat.

2.2 Zweisprachigkeit – Mehrsprachigkeit: Annäherung an eine Begrifflichkeit

Als eine Folge zunehmender gesellschaftlicher Globalisierungsprozesse haben Zwei- und Mehrsprachigkeit in den letzten Jahrzehnten den genannten Bedeutungszuwachs erfahren. Durch die Integrationsprozesse in der Europäischen Union werden mehrsprachige Kompetenzen auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger der europäischen Länder erforderlich, wenn sie, im weitesten Wortsinn, geschäftlich miteinander in Beziehungen treten. Selbst wenn die Rolle des Englischen als Lingua franca für die Verständigung zwischen den Menschen nicht in Frage zu stellen ist, zielen die Vorstellung einer europäischen Mehrsprachigkeit mit ihrem zusätzlichen kommunikativen Wert weit darüber hinaus. Auch die Förderung von Regional- und Minderheitensprachen rückte in den letzten Jahren verstärkt in den Blickpunkt der Europäischen Union. Mit Sprach-Schutz-Programmen wird versucht, bisher an den Randgedrängte, unterdrückte oder im Niedergang befindliche Sprachen zu revitalisieren.

Zur Diskussion um die Rolle des Englischen kritisiert der Romanist und Sprachwissenschaftler Jürgen Trabant dies als eine Scheindiskussion:

„Die Frage tut so, als ob sie noch offen wäre. Die Frage ist natürlich längst beantwortet. Welche Sprache für Europa? Natürlich Englisch, globales Englisch, die Sprache der Welt oder, wie ich es nenne, Globalesisch. Globalesisch ist trotz aller französischen Eindämmungsversuche die Sprache der EU, zunehmend auch in den Korridoren und Büros in Brüssel und Straßburg.“ (Trabant 2005: 91)

Er charakterisiert ein so verstandenes, effektives Geschäftsenglisch als „Sprachenkiller“, weil es als internationale Kommunikationssprache die anderen Sprachen in ihrem Inneren bedrohe (vgl. Trabant 2005: 93). Auch könnten Menschen keine engere geistige und emotionale Bindung und Beziehung zu einer reinen Verkehrssprache aufbauen. Dieser Vorstellung stellt er das Modell der drei Sprachen gegenüber, unter denen er die Muttersprache für die jeweils eigene Identität, die praktische, internationale Kommunikationssprache und schließlich die weitere Sprache zum Verstehen des europäischen Anderen subsumiert.

Entgegen ersten Vorstellungen einer Lingua franca hat die Europäische Union sich auch zum Ziel gesetzt, die Mehrsprachigkeit ihrer Bürgerinnen und Bürger zu fördern (Muttersprache + 2) und möglichst früh mit einer gezielten Fremdsprachenförderung zu beginnen (vgl. Hufeisen 1998), denn das Phänomen europäischer Mehrsprachigkeit wird längst als der Regel- bzw. Normalfall im 21. Jahrhundert angesehen, während Zweisprachigkeit eher als Sonderfall der Mehrsprachigkeit verstanden wird (vgl. Trim; North & Coste 2001: 17 und Lutjeharms 2009: 19).

Um die Möglichkeiten zur Erfüllung dieses Ziels zu untersuchen, gilt es im Folgenden zunächst zu klären, was unter jenen Begriffen der Zwei- und Mehrsprachigkeit zu verstehen ist, und in welchen Formen sie sich hier äußern.

Es mag auf den ersten Blick einfach erscheinen: Mehrsprachigkeit heißt, mehrere Sprachen zu beherrschen. Doch schon eine solche – sehr einfach formulierte – Erklärung ist problematisch und keinesfalls so klar, wie sie auf den ersten Blick scheint. Denn Mehrsprachigkeit, so machen etliche Forscher deutlich, ist beileibe kein klares Konzept und es gibt zahlreiche, unterschiedliche Kategorisierungen dieses Konzept (vgl. u.a. Bertrand & Christ, 1990; Meißner, 1993; de Cillia 2010; Bär, 2004; Boeckmann et alii 2012: 79).

So weist exemplarisch eine Reihe von Forscherinnen und Forschern (z.B. Beacco & Byram 2007: 17; Riehl 2009; Hu 2011; Boeckmann et alii 2012) auf die im „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen“ (Europarat 2001) vorgenommene Unterscheidung von Plurilingualismus (individuelle, persönliche Mehrsprachigkeit) und Mehrsprachigkeit / Vielsprachigkeit (gesellschaftliche Mehrsprachigkeit) hin. Diese begriffliche Unterscheidung wird allerdings in den meisten Beiträgen nicht übernommen1; vielmehr geht es hauptsächlich um die persönliche Mehrsprachigkeit, die immer in gesellschaftlich mehrsprachigen Kontexten entwickelt bzw. gefördert werden soll. Doch auch die persönliche Mehrsprachigkeit lässt sich nicht ohne Weiteres konzeptuell erfassen. So widmet sich die Forschung einerseits der so genannten "lebensweltlichen Mehrsprachigkeit" und Fragen zur damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Multikulturalität bzw. zur Mehrsprachigkeit in Migrationsgesellschaften (Hu 2003; Krumm 1994; Gogolin 2001; Fürstenau 2011; Lengyel 2017). Weitere Forscherinnen und Forscher (z.B. Hu 2004; Mordellet-Roggenbuck 2009; Jakisch 2014, 2015; Heydt & Schädlich 2015) beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit dem schulischen bzw. institutionellen Fremdsprachenlernen, das zur individuellen Mehrsprachigkeit führen soll.

2.2.1 Zweisprachigkeit

In der umfangreichen Literatur zu dem komplexen Thema der Zweisprachigkeit bzw. des Bilingualismus findet sich eine große Vielfalt von Definitionen und Herangehensweisen der einzelnen Autorinnen und Autoren sowie verschiedenste Untersuchungen zu einzelnen Aspekten des Zweitspracherwerbs (vgl. Forschungsstand z.B. in: Apeltauer 2001, Ahrenholz 2008; Ahrenholz & Oomen-Welke 2014; Grießhaber 2016). Der Terminus Zweisprachigkeit, der gleichzeitig mit Bilingualismus oder auch Bilinguismus (vgl. Müller; Kupisch; Schmitz & Cantone 2011: 15) sinnverwandt benutzt wird, beschreibt sowohl das Individuum, das Sprecher von mindestens zwei Sprachen ist, die es als Kleinkind im natürlichen Kontext als Muttersprachen simultan erworben hat, als auch die Institutionen und Gesellschaften, in denen dieses Individuum lebt (vgl. Coste; Moore & Zarate 2009: 16). Eine bilinguale Situation tritt dann auf, wenn ein Land, ein Staat oder auch eine Gegend zweisprachig ist, und wenn Angehörige zweier unterschiedlicher Ethnien in engem Kontakt zusammenleben und untereinander kommunizieren (vgl. Zydatiß 2010: 339).

Je nach Wissenschaftsdisziplin wie beispielhaft in der Erziehungswissenschaft, der Psychologie, der Soziologie, der Sprachwissenschaft sowie auch der Zweitsprachenerwerbsforschung wird Zweisprachigkeit als Forschungsfeld unter verschiedenen Aspekten analysiert. Es existiert dementsprechend eine Kumulierung von Definitionsansätzen, die nicht einheitlich erfasst werden können (vgl. dazu Hu 2011: 214). Bilingualismus wird beispielsweise in der Zweitsprachenerwerbsforschung als Form von Mehrsprachigkeit betrachtet (Ebd.).

Wirft man aber einen Blick in die Literatur der Psycholinguistik und der Zweitsprachenerwerbsforschung der vergangenen Dekaden, so werden Menschen als bilingual bezeichnet, wenn sie auch nur mindestens eine der vier Fertigkeiten Hörverstehen, Sprechen, Lesen und Schreiben in einer anderen Sprache als ihrer Muttersprache besitzen, so wie es Macnamara 1967 verdeutlicht:

“[…] I will use the term bilingual of persons who possess at least one of the language skills even to a minimal degree in their second language.” (Macnamara 1967: 59f.)

Eine entgegengesetzte Position vertritt Bloomfield (1976, 1984), der für das Vorliegen von Bilingualismus höhere Kompetenzen voraussetzt, und ihn demzufolge als quasi muttersprachliche Beherrschung von zwei Sprachen charakterisiert: "[…] the native-like control of two languages" (Bloomfield 1984: 56). Seiner Auffassung nach gehört ein annähernd muttersprachlicher Perfektionsgrad dazu, um als zweisprachig betrachtet zu werden.

Was Edwards (1994) angeht, so ist dieser einer ähnlichen Auffassung bezüglich des Bilingualismus wie Macnamara und unterstreicht, dass „Everyone [sic] als bilingual“ bezeichnet wird (Edwards 1994: 55). Für Edwards genügen bereits geringe Kenntnisse in einer Fremdsprache, um als zweisprachig zu gelten und zwar unabhängig davon, ob diese Kenntnisse ausschließlich in einem bestimmten Bereich, wie dem Mündlichen, ausgebildet sind (vgl. auch Aronin & Singleton 2012: 1f.).

Diese dichotomen Sichtweisen verdeutlichen, wie umstritten die Abgrenzungsproblematik betreffs des Bilingualismus ist (vgl. Wode 1985: 36) und wie weit diese Aussagen ebenfalls auf den Plurilingualismus übertragbar sind (vgl. Christ 2004: 31). Bloomfields Position wurde in den darauffolgenden Jahren als überholt angesehen, so Wode (1995); vielmehr öffnen sich Publikationen in der Tertiärsprachenforschung und der Fremdsprachendidaktik den eher weiter gefassten Begriffen von Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit (vgl. Wode 1995: 36; Hu 2011: 11).

Gegenwärtige Begriffsbestimmungen für die individuelle Zweisprachigkeit – per exemplum Coste, Moore und Zarate (2009) – beschreiben damit Einzelpersonen, die eine Sprachbeherrschung in zwei linguistischen Codes aufweisen, welche im Idealfall auf annähernd gleichem Niveau sind.

Eine aktuelle Definition von Zweisprachigkeit erfordert jedoch mehr Flexibilität und muss verschiedene Aspekte berücksichtigen. Der ideale Muttersprachler (Trim; North & Coste 2001: 17) als maximale Anforderung betreffend der Sprachkompetenz gilt nicht mehr als das Maß der Dinge, so wie im Verständnis von Bloomfield (vgl. Definition von Bloomfield1 [1933] 1984: 55f.).

Fäckes Definition (2010) erscheint einleuchtender und trifft die Unterscheidung zwischen individueller und gesellschaftlicher Zweisprachigkeit. Erstere wird noch einmal in simultane oder primäre Zweisprachigkeit und sukzessive oder sekundäre Zweisprachigkeit unterteilt (Fäcke 2010: 86f.). Im simultanen Fall werden zwei oder mehrere Sprachen parallel und zum gleichen Zeitpunkt erworben. Beim sukzessiven Phänomen ist eine ferner erworbene Zweisprachigkeit gemeint.

Des Weiteren wird zwischen additivem und subtraktivem Bilingualismus differenziert:

„Additiver Bilingualismus bezieht sich auf eine gleichgewichtige und positive Berücksichtigung beider Sprachen und Kulturen für die Entwicklung eines bilingualen Kindes. Subtraktiver Bilingualismus geht vom gegenteiligen Fall aus, in dem eine der beiden Sprachen bzw. Kulturen als minderwertig gegenüber der anderen Sprachen bzw. Kultur erachtet wird und in der Folge nicht gefördert wird.“ (Fäcke 2010: 87)

Bei symmetrischem oder ausgewogenem Bilingualismus verfügt der Sprecher über ein identisches Sprachniveau, das heißt einen annähernd gleichgewichtigen Sprachstand in zwei Sprachen (vgl. u.a. Appeltauer 1997; Müller; Kupisch; Schmitz & Cantone 2006; Allemann-Ghionda 2007: 28). Bei asymmetrischem Bilingualismus liegt in einer Sprache ein höheres, dominanteres Niveau vor als in der anderen (Müller et al. 2006: 48ff.; Fäcke 2010: 87). Der Dominanzgrad der Sprache ist demzufolge vom Gebrauch im jeweiligen Kontext abhängig; er kann sich durch geografische oder soziale Veränderungen anpassen. Doppelte Halbsprachigkeit oder Semilingualismus als weitere Unterform der Zweisprachigkeit liegt vor, wenn keine der zwei Sprachen in verschiedenen Lebensbereichen angemessen und kompetent verwendet, bzw. auf nur sehr geringem Niveau beherrscht wird. Defizite quantitativer und qualitativer Art in beiden Sprachen, die sowohl die pragmatische als auch die affektive und psycholinguistische Ebene betreffen, sind in der Realisierung der Kommunikation vorzufinden. In diesem Fall können nur rudimentäre Kommunikationsabläufe stattfinden, die zum Zwecke der Alltagsbewältigung dienen. Der Begriff der doppelten Halbsprachigkeit2 (double semilingualism) ist heute allerdings insofern strittig (vgl. Butzkamm 1993: 55, 2002; Riehl 2009: 74), als dass er suggeriert, das Individuum verfüge lediglich über unzureichende Kenntnisse in beiden Sprachen und habe damit eine Art Handicap aufzuweisen. Man spricht deshalb heute vom "doppelten" Erstspracherwerb.

Zur Beschreibung und Erklärung der verschiedenen Formen der Zweisprachigkeit hat vor allem Jim Cummins (1979) gearbeitet. Er entwickelte die Interdependenz- oder auch Schwellenniveauhypothese, bestehend aus zwei Teilen.

BICS steht für „Basic Interpersonal Communicative Skills“ und fasst die mündlichen Grundfertigkeiten und das sprachliche Leistungsvermögen eines Sprechers zusammen, die in der Alltagskommunikation interpersonal benötigt werden. Jedoch sind diese Kompetenzen für den schulischen Unterricht unzureichend; vielmehr werden einfache Satzkonstruktionen bzw. unvollständige Sätze verwendet.

CALP steht für „Cognitive Academic Language Proficiency“ und beschreibt hingegen vor allem die Fähigkeit, schriftliche, kognitiv eher anspruchsvollere Fertigkeiten zu verstehen und zu verarbeiten. Während BICS sich in jeder Sprache tendenziell entwickeln kann, setzt CALP eine entfaltete Erstsprache für die zu erbringenden sprachlichen Leistungen in der Zweitsprache voraus. Somit ist im Bereich der BICS nach Cummins eine ausreichende Sprachkompetenz relativ schnell erreichbar, wohingegen für das Erlangen der CALP fünf bis sieben Jahre Lernzeit für altersentsprechende Schulkenntnisniveaus angesetzt werden müssten (vgl. Cummins 1979, 1984 und 2000; Apeltauer 2004; Fäcke 2010: 87f.). Diese exponierte Unterteilung hilft vor allem bei der Analyse von Sprachfertigkeiten von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund. Durch Submersion liegen bei ihnen häufig nur niedrige, grundlegende konversationelle Sprachfertigkeiten vor.

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