Kitabı oku: «Tanz der Finanzen», sayfa 6
Erst jetzt merkte er, dass der Minister offenbar auf einen Kommentar von ihm wartete. Er hatte nur keine Ahnung, worauf.
»Ich denke, Ihre Idee hat viel Charme, meine Herren.«
Nun ergriff noch einmal Peter Nehmer das Wort, der spürte, dass jetzt der Plan aus den buchhalterischen Niederungen gehoben werden musste. Schließlich hatten sie es hier mit Politikern zu tun.
»Herr Minister, Herr Ministerpräsident, Herr Staatssekretär, dieser Fonds hat viel mehr als nur Charme. Mit diesem Fonds emanzipiert sich Deutschland ein Stück weit von den die Kapitalmärkte dominierenden Amerikanern. Damit emanzipiert sich auch Europa, insbesondere, wenn andere Länder auf diesem Kontinent dem Beispiel Deutschlands folgen würden, was sehr wahrscheinlich ist. Sie können mit diesem Fonds auch bei heimischen Unternehmen als Ankerinvestor auftreten, um feindliche Übernahmen aus dem Ausland zu verhindern. Sie bekommen ein Instrumentarium an die Hand, um bei Krisen gegensteuern zu können. Ja, Sie könnten sogar durch diesen Fonds auf Jahre hinaus eventuelle Rentenlücken im Haushalt schließen. Dieser Fonds eröffnet der deutschen Regierung ganz neue Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten.«
Wow, dachte Krämer, gut gebrüllt, Löwe. Sein Chef war jedenfalls schwer beeindruckt, so viel konnte er feststellen. Nicht umsonst hatte er sich eifrig Notizen gemacht. Auch der so schweigsame Ministerpräsident hatte auf einmal glänzende Augen, er malte sich wahrscheinlich schon all die neuen Perspektiven aus.
»Tja, das sind in der Tat faszinierende Aussichten«, der Minister war immer noch dabei, in die Realität zurückzufinden, »aber ich muss doch ein wenig Wasser in den Wein schütten. Wie bekommen wir das durch den Haushaltsausschuss? Dessen Vorsitzender zerschießt das doch sofort.«
»Nun, Herr Minister, ich denke, hier könnte ich durch ein persönliches Gespräch mit Herrn Müller helfen.«
Sein Chef sah ihn zwar erstaunt an, ließ das Ganze aber auf sich beruhen.
»Wie mir ein Blick auf meine Uhr verrät, meine Herren, rufen mich jetzt andere Pflichten. Bitte lassen Sie sich nicht stören und diskutieren Sie mit meinen Kollegen weiter. Ich möchte nur noch kurz mit meinem Staatssekretär einige Worte wechseln. Ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise. Bis bald.« Krämer folgte seinem Chef in dessen Büro. Ihm gefielen die Wertebank-Leute und ihr Vorschlag war, richtig umgesetzt, zukunftsweisend für Deutschland. Er war sich allerdings nicht sicher, ob der Minister seine Einschätzung teilte, der war bisher noch nie durch unternehmerisches Denken aufgefallen. Aber er war durchaus eitel und vielleicht war das der Hebel, ihn positiv zu stimmen.
»Was meinen Sie, Krämer?«
»Ich halte die Idee für ausgezeichnet und auch für durchführbar. Ob wir dadurch international an Einfluss gewinnen, wird sich zeigen. Auf alle Fälle würde das Finanzministerium innerhalb der Regierung noch wichtiger. Ich denke, die Zeiten, in denen der Außenminister stellvertretender Regierungschef wird, wären endgültig vorbei, ohne den Finanzminister geht dann künftig gar nichts.«
Das Nicken des Ministers wurde immer heftiger.
»Und bedenken Sie, wir könnten über den Fonds und dessen Beteiligungen an Unternehmen über die damit verbundenen Aufsichtsratsmandate dann aktive Industriepolitik machen, etwas, was Sie schon immer wollten. Und Ihre Popularität in der Bevölkerung würde deutlich steigen. Sie wären es, der zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes für den Bürger endlich Werte schafft. Sogar die Gewerkschaften dürften applaudieren.«
»Was würde ich nur ohne Sie machen, Krämer«, sein Chef klopfte ihm auf die Schulter. »Sie haben mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen. Also gut, signalisieren Sie der Wertebank mein Wohlwollen, allerdings müssten wir über das Volumen des Fonds noch einmal diskutieren. 500 Milliarden halte ich als Anfangskapital für deutlich zu hoch, mir würden da in einem ersten Schritt 100 Milliarden vorschweben. Und dann sehen wir erst einmal, wie die Dinge laufen. Ich werde die Idee morgen mit dem Kanzler besprechen.«
»Vergessen Sie Ihren Kollegen Wirtschaftsminister nicht, für dieses Vorhaben brauchen wir alle politische Unterstützung, die wir bekommen können.«
Der Finanzminister nickte nachdenklich.
»Ja, danke, wir sollten auch den Kanzleramtsminister nicht übergehen. Er hat das Ohr des Kanzlers.«
Als Krämer sich zum Gehen wandte, holte ihn die Stimme seines Chefs wieder ein: »Wie kommen Sie darauf, den Miesepeter Müller positiv stimmen zu können?«
»Herr Minister, es ist besser, wenn Sie das nicht wissen.«
SIGNALE
Die letzten zwei Stunden hatten ihn total geschafft. Es war ja immer schwierig, mit Fondsmanagern über ihr Portfolio zu diskutieren, aber heute war es besonders ermüdend gewesen. Die Geschichte war immer die gleiche. Da wurden über die Jahre verschiedene Aktienpositionen aufgebaut, von denen einige später überdurchschnittliche Kurssteigerungen aufwiesen und einige eben nicht.
Um letztere hatte sich die Diskussion der zurückliegenden zwei Stunden gedreht, mit einem besonderen Augenmerk auf Aktien, welche, verglichen mit dem Kaufzeitpunkt, sogar Kursverluste aufwiesen. Da Fondsmanager auch nur Menschen waren, starb auch bei ihnen die Hoffnung zuletzt. Darüber hinaus hatte jeder eine natürliche Scheu, Kursverluste zu realisieren und damit frühere Fehler einzugestehen. Dabei geht es bei derartigen Kursflops nur um die Frage, ob ich heute mit meinem Wissen die Aktien noch einmal kaufen würde. Wenn das nicht der Fall ist, bleibt nur der harte Schnitt, das bedeutet: Verkauf der Position. Die Kursverluste mussten dann halt mit Kursgewinnen anderer Aktien wieder ausgeglichen werden. Offenbar war das aber schwer zu verstehen.
Niels Werner hatte derartige Debatten in seinem Berufsleben schon unzählige Male führen müssen. Zum Schluss blieb meistens nur das »par ordre du mufti«, obwohl er das nicht gerne tat. Ihm war es lieber, wenn er überzeugen konnte, aber heute war ihm das nicht gelungen. Er machte sich darüber eine mentale Notiz, den Managern des Aktien-Europa-Fonds würde er künftig stärker auf die Finger sehen. Falls sie das Mandat der Bundesregierung bekommen würden, hieß es außerdem, neue Fondsmanager dafür zu finden, denn natürlich würde dieses von ihm im Stillen immer Bürgerfonds genannte Investmentvehikel sich mit seinem Geld schwerpunktmäßig in Europa tummeln.
Als er auf dem Weg zu seinem Büro den Handelsraum durchquerte, winkte ihn der Chefhändler der Wertebank zu sich heran.
»Hallo, Lars, was gibt es Neues auf dem Parkett?«
Lars Wolf wiegte seinen Kopf. »Darüber bin ich mir noch nicht im Klaren, Niels. Irgendetwas braut sich zusammen. Der Markt ist insgesamt freundlich, aber unsere Aktien sind durchgehend schwach.«
»Na ja, unsere Ad-hoc-Meldung hat ja nicht gerade für Begeisterung gesorgt. Zumal wir auch nichts Konkretes zu sagen hatten, lediglich dass nach unseren verbalen Informationen wir von einem Scheitern der internationalen Bankenallianz ausgehen müssen.«
»Schon klar, aber da stimmt trotzdem etwas nicht. Ich sehe ständig Verkäufe unserer Aktien aus Handelsplätzen, denen in der Vergangenheit keine oder kaum Käufe gegenübergestanden haben. Wenn ich wetten müsste, würde ich sagen, dass das Leerverkäufe sind.«
»Von welchen Handelsplätzen sprichst du?«
»Hauptsächlich New York und London, ein wenig auch aus Paris.«
Das konnte ja wohl nicht sein, Déjà-vu lässt grüßen. Waren etwa die alten Freunde von Gerd Brauner, Steve, Luke und Francois am Werk? Niels Werner blies die Backen auf und ließ die Luft zischend entweichen.
»Das könnte in der Tat etwas sein, Lars. Hast du Peter Nehmer schon informiert?«
»Weiß der Geier, wo der steckt. Ich habe noch nicht einmal die Pauli ans Telefon bekommen. Nur ihre hilflose Vertreterin, die Schwarzer.«
»Okay, halte mich auf dem Laufenden.«
»Moment mal, Niels, lass mich nicht dumm sterben, du vermutest doch etwas.«
»In der Tat, achte mal auf den New Yorker Pensionsfonds Relax, den Londoner Hedgefonds True Investor, bekannt unter dem Kürzel TRIN, und die Pariser Privatbank Claron. Das sind alte Freunde, die traditionell gemeinsame Sache machen.«
»Alte Freunde von wem?«
»Ich glaube, das wissen die selbst nicht so genau. Wie gesagt, behalte die im Auge und lass mich sofort wissen, wenn es etwas Neues gibt.«
Lars Wolf hob den Daumen und Niels Werner nahm den Weg zu seinem Büro wieder auf. Dort erwartete ihn seine Assistentin Karin Stigel.
»Ich habe Ihnen Ihren grünen Tee auf den Schreibtisch gestellt. Und Herr Bernhardt hat angerufen, Herr Kolinski ist etwas früher als vorgesehen gekommen, er bittet Sie, alsbald zu dem Gespräch dazuzukommen.«
»Also, wenn der Kolinski sich nicht an die Zeiten hält, muss er eben warten. Ich trinke jetzt erst einmal meinen Tee. Gibt es sonst noch irgendetwas?«
»Nur Herr Kloos war kurz hier. Ich hatte den Eindruck, dass er mir nur sagen wollte, wie froh er ist, Sie wieder bei uns zu haben. Er schien mir in der Vergangenheit reichlich überfordert.«
»Das ist ein anständiger Kerl, der genau weiß, was er kann und was nicht. Ich mag ihn sehr, es hat ein wenig gedauert, aber wir haben uns damals ganz gut zusammengerauft. Ich hoffe doch, Sie sind auch froh, mich wieder hier zu sehen.«
»Aber ja, Herr Werner, wie können Sie nur so etwas fragen.«
In diesem Moment unterbrach das Telefon im Vorzimmer das Geplänkel. Karin Stigel nahm den Hörer ab, sagte etwas und winkte ihm sofort heftig zu. Dann hielt sie mit der linken Hand die Hörmuschel zu und rief: »Frau Schwarzer, sie hat den Krämer vom Finanzministerium in der Muschel. Der will eigentlich den Nehmer sprechen, der ist aber nicht da, die Pauli auch nicht, und sie weiß nicht, was sie tun soll.«
»Sie soll ihn einfach durchstellen.«
Niels Werner trank noch einen Schluck Tee, räusperte sich und nahm den Hörer ab.
»Werner.«
»Dieter Krämer hier, guten Tag, Herr Werner. Ist Peter Nehmer nicht erreichbar?«
»So ist es, Herr Staatssekretär, eine Vorsorgeuntersuchung im Herzzentrum hat unseren Chef in Beschlag genommen. Kann ich Ihnen weiterhelfen?«
»Ich denke schon. Wir hatten ja ein Nachfolgemeeting beim letzten Mal bereits angedeutet. Dieses Meeting ist nun terminiert auf Freitag nächste Woche um 17 Uhr im Bundeskanzleramt. Die fehlende Absprache tut mir leid, aber ich hoffe, Sie können den Termin trotzdem möglich machen. Von unserer Seite werden teilnehmen mein Finanzminister, der Bundeskanzler, der Wirtschaftsminister und natürlich ich. Ich bin deswegen dabei, weil bei einem positiven Votum ich, zusammen mit Ihnen, mit der Implementierung des Staatsfonds befasst sein würde.«
»Wir werden selbstverständlich den Termin möglich machen, Herr Staatssekretär. Darf ich fragen, wie die Stimmung in Berlin ist?«
»Nun, zumindest bei uns, und insbesondere bei mir, haben Sie einen großen Eindruck hinterlassen. Nicht umsonst habe ich Ihnen schon nach dem letzten Treffen wohlwollende Zustimmung signalisiert. Ich denke, Sie haben gute Chancen, Ihr Projekt genehmigt zu bekommen, allerdings dürften 500 Milliarden gleich am Anfang ein wenig zu hoch gegriffen sein. Kleinere Tranchen sind da eher zielführend. Einen Hinweis hätte ich noch. Es wäre, glaube ich, für die gegenseitige Chemie besser, wenn Herr Pair nicht an dem Meeting teilnehmen würde. Insbesondere der Wirtschaftsminister könnte als Jurist daran Anstoß nehmen. Aber auch der Bundeskanzler sollte auf keinen Fall kompromittiert werden.«
»Wir respektieren Ihre Bedenken natürlich, aber ich möchte an dieser Stelle auf den untadeligen Lebenswandel, mit Ausnahme der Affekthandlung im Gerichtssaal, von Herrn Pair hinweisen.«
»Ich bin ja bei Ihnen, Herr Werner, aber die Dinge sind nun mal so, wie sie sind. Ich sehe Sie nächste Woche Freitag.« Niels Werner sah nach dem abrupten Ende des Gesprächs den Telefonhörer eine Weile nachdenklich an. Dem fragenden Blick der Stigel begegnete er mit einem resignierenden Öffnen der Arme.
»Wo zum Teufel steckt unser Chef, und wieso ist die Pauli nicht an ihrem Platz?«
Karin Stigels Gesicht war betont ausdruckslos. »Darauf kann ich mir auch keinen Reim machen.«
Werner sah sie nachdenklich an, ihr Gesicht war ihm irgendwie zu nichtssagend. Ihm fiel eine frühere Bemerkung von Peter Nehmer ein, der auf den intensiven Kontakt zwischen den jeweiligen Assistentinnen hingewiesen hatte. Er hatte sogar eine weitläufige Verwandtschaft der beiden erwähnt. Konnte es sein, dass die Stigel viel mehr wusste, es aber nicht preisgeben wollte?
»Na egal, wenn einer der beiden wieder auftaucht, informieren Sie sie über ein neues Meeting in Berlin, Freitag nächster Woche um 17 Uhr im Bundeskanzleramt. Details werde ich dann dem Nehmer persönlich mitteilen. Der Schwarzer brauchen Sie noch nichts zu sagen, ich weiß nicht, ob sie solche Sachen nicht ausplaudert.«
Karin Stigel wollte aus Solidarität mit ihrer Kollegin erst protestieren, überlegte es sich dann aber anders, zumal das Telefon schon wieder klingelte.
»Das war das Büro vom Bernhardt. Die Herren erwarten Sie dringend.«
Kein Wunder, er hatte mit dem Personalchef Jan Bernhardt die Details seines Bedarfs noch nicht besprochen.
»Okay, ich gehe gleich zu denen. In welchem Raum sind die?«
»Direkt beim Bernhardt im Büro.«
Niels Werner war doch sehr auf Kolinski gespannt. Er kannte den Personalberater ja nicht persönlich. Seine seinerzeitige Installation als trojanisches Pferd in der Wertebank durch den Berater war telefonisch erfolgt. Das galt auch für ihre Kommunikation untereinander. Er wusste, dass hinter Kolinski harte Zeiten lagen. Im zurückliegenden Jahr hatte er von der Wertebank, nachdem seine heimliche Verbindung mit Gerd Brauner publik geworden war, nicht einen einzigen Auftrag bekommen. Aber seine Personalberatungsfirma hatte in der Branche einen guten Ruf und Werner wusste selber nur zu gut, wie perfide der liebe Gerd vorgehen konnte. Es war Zeit für einen Neuanfang. Bei seinem Eintritt erhoben sich die beiden Herren, Bernhardt schien bei seinem Anblick sehr erleichtert, Kolinski leckte sich nervös die Lippen.
»Entschuldigen Sie mein spätes Auftauchen, ich hatte für unseren Chef noch etwas Eiliges zu erledigen. Herr Kolinski, ich freue mich, dass wir uns endlich einmal persönlich kennen lernen.«
»Ganz meinerseits, Herr Werner.«
Heinz Kolinski bot einen eher enttäuschenden Anblick. Mittelgroß, zur Fettleibigkeit neigend, hatte er etwas von einem Wiesel an sich.
»Waren Sie in der Lage, mit Herrn Bernhardt zu besprechen, warum wir Sie heute hierher gebeten haben?«
Hier schaltete sich Lars Bernhardt ein: »Ehrlich gesagt, konnte ich dazu noch nicht viel Erhellendes beitragen. Wir waren eher mit der Bewältigung der Vergangenheit beschäftigt.«
Niels Werner machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Vergangenheit ist, wie der Name schon sagt, vergangen. Ich hoffe, Ihre Firma ist noch so leistungsfähig wie früher?«
Heinz Kolinski konnte seinen Frust nicht so ganz verbergen.
»Sie wissen ja selbst, wie umkämpft der Markt in der Personalberatung ist. Da ist es besonders bitter, wenn der Hauptkunde seine Beziehung zu uns aufkündigt.«
»Wir haben sie nicht aufgekündigt, Sie haben nur keine neuen Aufträge bekommen.« Bernhardt war jetzt ganz im Fahrwasser des Personalchefs. »Das wäre auch gar nicht möglich gewesen. Durch die Änderung unseres Geschäftsmodells mussten wir Leute freistellen, an Neueinstellungen war da nicht zu denken. Das ist heute anders.«
Heinz Kolinskis Gesicht erhellte sich sichtbar.
»Heißt das, Sie brauchen Leute?«
»In der Tat, Herr Kolinski.« Niels Werner entnahm einer mitgebrachten Mappe ein Blatt Papier. »Ich habe es für Sie hier aufgeschrieben. Wir brauchen drei erstklassige Fondsmanager mit Expertise in europäischen Aktien und wir benötigen drei Spezialisten für Unternehmensanalysen.«
Als er das Papier entgegennahm und einen Blick darauf warf, glich Kolinskis Miene nunmehr einer aufgehenden Sonne.
»Darf ich fragen, wie dringlich die Angelegenheit ist? Und über welchen gehaltlichen Rahmen sprechen wir? Sie wissen, in dieser Branche ist es nicht leicht, Leute von Frankfurt nach München zu lotsen. Frankfurt ist halt der Nabel im Asset Management.«
»Der Einsatzort wird nicht in München sein, vermutlich eher in Frankfurt. Wir sind da noch unschlüssig, aber wir ziehen auch Berlin in Betracht.«
Kolinskis Kopf fuhr nach oben, seine Augen waren auf einmal hellwach. Da haben wir es, dachte Werner resigniert, es wäre besser gewesen, der Bernhardt hätte seinen Mund gehalten. Schnell versuchte er, die Möglichkeit Berlin als etwas Normales zu verkaufen.
»Nun, wir wollen unser Asset Management geographisch breiter streuen. Wie Sie wissen, haben wir ja bereits eine Gruppe in Frankfurt sitzen. In den Zeiten der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt ist das auch kein Problem mehr.«
»Selbstverständlich, selbstverständlich, Herr Werner.«
»Nachdem dies nun geklärt ist, brauchen Sie mich ja nicht mehr. Die weiteren, eher personaltechnischen Details wie Sozialleistungen unseres Hauses, können Sie ja noch mit Herrn Bernhardt diskutieren. Guten Tag, Herr Kolinski. Herr Bernhardt.«
Mit einer leichten Verbeugung gegenüber seinem Kollegen zog sich Niels Werner zurück. Diese Ratte von Kolinski, natürlich hatte der gleich etwas gewittert. Aber das ließ sich jetzt nicht mehr ändern.
BESTANDSAUFNAHME
Als Heinz Kolinski die Wertebank verließ, schwirrte ihm immer noch der Kopf. Nach einer monatelangen Durststrecke hatte er plötzlich einen Großauftrag an Land gezogen. Nein, falsch, der Auftrag hatte ihn an Land gezogen. Schließlich war der Anruf der Wertebank aus dem Nichts erfolgt, er jedenfalls hatte schon lange seine Akquisitionsbemühungen in deren Richtung eingestellt. Die ehemals gut funktionierende Geschäftsbeziehung mit den Münchnern hatte sich im Zuge der Brauner-Affäre mehr als nur abgekühlt. Das Verhältnis war schlicht eisig gewesen. Und nun das, gleich sechs hochbezahlte Spezialisten sollte er denen besorgen. Das konnte nur auf Initiative dieses Werner geschehen sein. Er schüttelte den Kopf. Egal wie, jedenfalls würden die Vermittlungshonorare seine kränkelnde Firma erst einmal wieder sanieren.
Am Hauptbahnhof angekommen, hastete er vom Taxi zum ICE-Bahnsteig. Der Zug nach Frankfurt hatte erfreulicher- weise mal wieder einige Minuten Verspätung. Er erreichte ihn daher problemlos und suchte sofort den spärlich besetzten Speisewagen auf. Die Bewirtung in der Wertebank war doch recht überschaubar gewesen. Zum Glück reagierte der Service sehr schnell und er bestellte sich einen Silvaner sowie die Nürnberger Rostbratwürste. Dann rekapitulierte er noch einmal seine Lage.
Noch gestern hatte seine Situation rabenschwarz ausgesehen. Nachdem seine Verbindung zu Brauner publik geworden war, hatte sich sein größter Kunde, die Wertebank, quasi abgemeldet. Aber auch andere Banken und Investmentinstitute zogen sich zurück. Als dann die Aufträge ausblieben, musste er praktisch seine halbe Belegschaft entlassen. Um seine Kosten weiter zu senken, vermietete er den größten Teil seiner Büroräume an einen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht. Der schusterte ihm auch ab und zu einen kleinen Beratungsauftrag zu, so dass er sich, wenn auch mit Mühe, über Wasser halten konnte.
Seine Frau reichte die Scheidung ein, er konnte ja ihren teuren Lebenswandel nicht länger finanzieren. Und als Tochter eines reichen Vaters war sie nicht bereit, seinetwegen Abstriche zu machen. Lieber suchte sie sich einen neuen Geldgeber. Das hatte zur Folge, dass er das komfortable Haus in Kronberg seiner Frau, die nichts dazu beigetragen hatte, überlassen musste. Dafür durfte er nun in einer kleinen Mietwohnung hausen. Der Sohnemann hatte sich auch nicht mehr sehen lassen, nachdem er seine monatlichen Schecks nicht mehr bekam. Soweit er wusste, hatte er daraufhin sein Studium geschmissen und arbeitete jetzt als Barmann auf Ibiza.
Heinz Kolinski seufzte leicht und trank einen Schluck von seinem Silvaner. Nicht dass er ihn vermissen würde, genauso wenig wie seine Frau. Die einzige Person, der er nachtrauerte, war seine frühere Geliebte in London. Maggy war im Zuge der Brauner-Affäre Knall auf Fall verschwunden, er wusste bis heute nicht warum und was aus ihr geworden war. Schade, die Zeiten mit ihr waren jedes Mal aufregend gewesen, sie hatte ihm nicht nur neue Horizonte in der Londoner Szene gezeigt, sondern auch sein Sexualleben auf ein ihm vorher völlig unbekanntes Niveau gehoben.
Aber er hatte von Brauners Selbstmord auch profitiert. Seine Schuldscheine, die ja zu einer stillen Beteiligung Brauners an seiner Firma geführt hatten, waren wundersamerweise verschwunden. Er hatte dafür keine Erklärung, es sei denn, Brauner hätte als eine seiner letzten Handlungen doch einmal etwas Anständiges gemacht und sie vernichtet. Auf jeden Fall gehörte, was von der Firma noch übrig war, ihm jetzt wieder ganz allein.
Der Zug hatte sich langsam in Bewegung gesetzt und rollte aus dem Münchner Hauptbahnhof. Nur 20 Minuten Verspätung, nicht schlecht, meine Herren, dachte er, als er sich über seine Rostbratwürste hermachte. Er merkte erst jetzt, wie hungrig er war.
Und dann gestern der Anruf vom Bernhardt, der erst einmal herumgeschleimt hatte, von wegen der in der Vergangenheit guten Zusammenarbeit und seiner anerkannten Expertise in der Personalberatung. Letztendlich kam er aber doch zur Sache. Die Wertebank hätte einen Personalbedarf und ob es ihm möglich wäre, nach München zu kommen. Als erfahrener Berater hatte er sofort eine gewisse Dringlichkeit gespürt und seinen Besuch für heute angeboten. Prompt hatte er den Termin bekommen und natürlich rechnete er lediglich mit einer einzigen Personalsuche. Dann kommt dieser Werner in den Raum und auf einmal ist von sechs Personen die Rede.
Der Hintergrund dieses Bedarfs war allerdings kaum begründet worden. Wieso sechs zusätzliche Leute, die Wertebank hatte doch in München genug Portfoliomanager. Er konnte sich das nur mit zusätzlichem Geschäft erklären. Auch waren keine Gehaltsgrenzen zur Sprache gekommen. Sie hatten lediglich genickt, als er die Notwendigkeit eines attraktiven Gehaltspaketes erwähnte.
Und dann die eventuelle Platzierung der Leute in Berlin. Da wollte doch kaum einer hin, Berlin war in Sachen Fondsmanagement ja Deutschsibirien. Wieso Berlin? Von wegen geographische Diversifikation der Asset Manager, damit brauchte ihm der Werner nicht zu kommen. Hier steckte offenbar etwas ganz anderes dahinter. Er hatte wieder, wie immer, wenn er einen Knaller witterte, dieses Kribbeln im Nacken.
Heinz Kolinski ließ den Tisch abräumen, bestellte sich noch einen Silvaner und öffnete seinen Laptop. In ihm war sein eigentliches Kapital verborgen, eine umfangreiche Datei, in welcher alle relevanten Personen in der Bankenbranche verzeichnet waren. Selbst in seinen schwärzesten Zeiten hatte er diese Datenbasis gepflegt. Sie beinhaltete nicht nur die Fachleute, welche potentiell wechselwillig waren, sondern auch die, welche den Arbeitgeber bereits gewechselt hatten. Letztere stellten häufig nach mehreren Monaten fest, dass sich ihre Erwartungen in der neuen Firma nicht vollends erfüllt hatten und orientierten sich neu im Markt. In der Regel ergaben sich in diesem Segment für einen Personalberater gute Chancen.
Die nächsten knapp zwei Stunden verbrachte er mit dem Studieren der Datei, allerdings ohne irgendwelche zündenden Ideen zu entwickeln. Lediglich in zwei Fällen könnten sich Personalperspektiven ergeben, jedoch sechs gute Leute am Markt zu finden, dürfte sehr schwierig werden. Aber mal sehen, bei der Fondsgesellschaft Privat Capital in Frankfurt hatte es einen Wechsel in der Unternehmensleitung gegeben. Das zog in der Regel immer Personalbewegungen nach sich. Er würde morgen mal diesbezüglich seine Fühler ausstrecken.
In Frankfurt angekommen, zog es ihn nicht in seine triste Wohnung. Schließlich war er wieder im Geschäft, und das musste gefeiert werden. Außerdem trafen sich in der Börsenklause viele Leute aus der Finanzindustrie. Bei diesen abendlichen Zusammentreffen wurde zwar jede Menge dummes Zeug geredet, aber manchmal entstanden auch großartige Ideen. Auf alle Fälle gab es dort jede Menge Informationen, und diese waren in der Finanzbranche Gold wert.
Entgegen den sonstigen Gegebenheiten war aber heute Abend das Publikum sehr überschaubar. Heinz Kolinski setzte sich an die Bar und bestellte beim Barkeeper einen Bourbon on the Rocks. Als er sein Glas hob, fiel eine schwere Hand auf seine Schulter und eine vertraute Stimme fragte: »Trinkst du immer allein?«
Natürlich musste sein nichtsnutziger Cousin auch hier sein, wo sonst. Als Börsenhändler gehörte diese Lokalität quasi zu seinem Arbeitsplatz.
»Hallo,Ludwig, welche Überraschung, dich hier zu sehen.«
Die feine Ironie ging aber völlig an Ludwig Schmidt vorbei, seine Sensoren waren auf andere Dinge ausgelegt.
»Hallo, Heinz, zurück zu meiner Frage …«
»Ja, schon gut, ich gebe einen aus. Was trinkst du?«
»Was du hast, sieht doch ganz gut aus«, und zum Barkeeper gewandt: »Das Gleiche für mich.«
Nach dem gegenseitigen Zuprosten und dem Austausch der letzten Neuigkeiten aus der Familie war es für Kolinski Zeit, das Thema auf andere Bereiche zu lenken. Schließlich brauchte er Informationen.
»Was gibt es Neues aus der Branche?«
»Nicht allzu viel. Die Elektronik macht uns das Leben weiter schwer …«
»Du meinst, die dadurch gegebene Transparenz macht es euch schwerer, ahnungslose Privatkunden über den Tisch zu ziehen.«
»Sei doch nicht immer so negativ. Wir sind durchaus auch zum Vorteil dieser Kunden tätig.«
»Erspar mir die Einzelheiten.«
»Okay, kommen wir mal zu dir. Ich habe dich ewig nicht in diesem Etablissement gesehen. Hast du etwas zu feiern?«
Heinz Kolinski wollte sich zwar zurückhalten, aber er musste die sensationellen Neuigkeiten mit jemandem teilen, und wenn es nur sein Cousin war.
»Ja, das kann man durchaus sagen. Ich bin wieder im Geschäft, ich habe jede Menge Suchaufträge.«
»Was du nicht sagst, das freut mich für dich, ehrlich.« Kolinski glaubte ihm kein Wort. »Wer ist denn so optimistisch, in diesen schwierigen Zeiten Personal einzustellen?«
»Die Wertebank.«
»Sag das noch einmal. Ich dachte, die nehmen von dir kein Stück Brot mehr. Woher kommt denn dieser Sinneswandel?«
Kolinski war nun doch leicht pikiert. »Vielleicht bin ich in meinem Job einfach gut. Ist dir schon jemals dieser Gedanke gekommen?«
»Ist ja gut, ist ja gut«, Ludwig Schmidt hob beschwichtigend die Hände. »Jetzt blas’ dich bloß nicht so auf. Andere in deinem Metier sind auch gut, warum also kommen die zu dir zurück?«
»Ach, das weiß ich auch nicht. Wichtig ist doch, dass sie es getan haben.«
Schmidt sah ihn nachdenklich an.
»Pass mal auf, mein lieber Cousin. Jetzt erzähle ich dir etwas. An der Börse gibt es bedeutende Spieler, die gerade Short-Positionen bei Wertebankaktien aufgebaut haben. Das bedeutet, die rechnen mit fallenden Kursen. Die sind ja auch schon gefallen, als diese Mitteilung der Wertebank über das vermutliche Scheitern der Bankenallianz herauskam. Allerdings nicht so richtig, von einem Kursrutsch kann noch keine Rede sein. Genau den brauchen die aber, damit sie aus ihrer Spekulation mit einem satten Gewinn herauskommen. Und nun erzählst du mir von geplanten Personalaufstockungen bei der Wertebank, was üblicherweise auf die Erwartung steigender Geschäftsvolumina schließen lässt. Wie, bitte schön, passt das zusammen? Was für neue Leute sucht denn die Bank?«
Heinz Kolinski spürte wieder dieses Kribbeln in seinem Nacken.
»Jeweils drei Topleute für das Fondsmanagement von europäischen Aktien sowie Unternehmensanalysten.«
»Donnerwetter, das ist mal eine Hausnummer, die werden nicht so ohne weiteres zu finden sein.«
»Da hast du Recht, aber ich habe da so ein paar Ideen. Das eigentlich Merkwürdige ist, dass diese neuen Leute eventuell in Berlin stationiert werden sollen. Kannst du dir darauf einen Reim machen?«
Ludwig Schmidt verdrehte innerlich die Augen. »Nee, überhaupt keinen, Berlin ist doch für diese Branche Niemandsland.«
»So ist es, ich habe aber das Gefühl, da ist irgendetwas am Kochen. Die Leute von der Wertebank sind alles andere als blöd. Vor einigen Wochen haben die ihren früheren Chefvolkswirt zum Leiter ihrer Berliner Filiale ernannt. Wenn die jetzt auch noch in Berlin Fondsmanagement-Kapazitäten aufbauen wollen, dann haben die dort etwas vor.«
Schmidt drehte sein inzwischen leeres Glas nachdenklich in den Händen und sah Kolinski sinnierend an.
»Diese Geschichte macht nur dann irgendeinen Sinn, wenn die Shortseller schiefliegen sollten. Wenn also die Wertebank demnächst mit guten Nachrichten rauskommt und unsere Leerverkäufer auf dem falschen Fuß erwischt werden. Dann müssen sie ihre Shorts ganz schnell zumachen, und dann, mein Lieber, schlägt unsere große Stunde.«
»Wie das, Ludwig?«
»Indem wir uns long positionieren, das heißt, wir kaufen Kaufoptionen. Steigen die Kurse, machen wir den Reibach.« Ludwig Schmidt tätschelte leicht die Wange von Heinz Kolinski. »Lass mich nur machen. Hast du trotz deiner langen Durststrecke noch etwas Kapital in der Hinterhand?«
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