Kitabı oku: «Wirtschaftsphilosophie», sayfa 2

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1.2 Wirtschaft philosophisch lenken? Der praktische Aspekt

1.2.1 Wirtschaftsphilosophie ist von ihren Anfängen, die wir gerade berührt haben, bis zu ihrer Etablierung als »anerkannter« Teildisziplin der Philosophie im 20. Jahrhundert nicht zuletzt immer auch Wirtschaftsethik gewesen. Das verwundert nicht, meint »Wirtschaft« doch immer ein System menschlicher Zwecksetzungen, unmittelbarer Tätigkeit und überlegter Handlungen, das eo ipso normative Fragestellungen provoziert, mindestens aber die Abklärung des Verhältnisses zu den übrigen menschlichen Handlungssphären verlangt. Naheliegenderweise entstehen hier freilich Rückfragen: müssen sich die Philosophen denn in alles und jedes mischen – und das gar mit dem Anspruch des überlegenen Wissens? Ist es nicht illusorisch, eine historisch mit gutem Grund erfolgte Ausdifferenzierung der Gesellschaft in verschiedene Systeme, darunter in das der Wirtschaft, durch eine philosophische »Synthese« quasi rückgängig machen zu wollen? Und führt dergleichen, wie Poppers bekannte Kritik an Platon gezeigt hat, nicht notwendig in den Totalitarismus – wie es denn kein Zufall ist, daß gerade dann, wenn – von Platon über Fichte bis Marx – Philosophen sich des Themas »Wirtschaft« angenommen haben, die großen totalitären Versuchungen entstanden sind?

1.2.2 Wirtschaftsphilosophie tut sicher gut daran, Bedenken dieser Art durchaus ernst zu nehmen, auch wenn sie sogleich darauf hinweisen wird, daß sie in aller Regel eben keinerlei »imperialen«, sondern zunächst einmal Verstehensansprüche gegenüber der Welt des Wirtschaftens und der korrelativen Theoriebildung erhebt. Das gilt auch in praktischer Hinsicht, in der es philosophisch darum geht, die Motivationen wirtschaftlichen Handelns ebenso zu verstehen wie die maßgeblichen Zielbestimmungen, die konkrete Verfaßtheit der ökonomisch-praktischen Rationalität ebenso wie deren geschichtliche, kulturelle und transkulturelle Dimensionen. Der Tätigkeitsbereich »Wirtschaft« stellt sich dabei übrigens als eine Handlungssphäre von durchaus besonderem philosophischen Interesse dar: geht es hier doch um eine komplexe »Kulturtätigkeit«, eine Tätigkeit also, in der der Mensch sich generell von der Natur, diese für seine Zwecke nutzend, abstößt, um zur Konstitution von Lebenswelten zu gelangen, die sich in relativer Stabilität – als »zweite Natur« – selbst zu erhalten und der Boden der Realisierung auch von höheren Freiheitszwecken (wir denken etwa an Recht, Kunst und Wissenschaft) zu sein vermögen. Philosophisch interessant ist dabei zum Beispiel das Phänomen, das sich zeigt, wenn wir die Frage nach dem wirtschaftlichen Akteur stellen: denn dieser ist nur partiell ein einzelnes Subjekt, nicht einfach ein »atomes« Individuum, sondern immer schon das in Relationen auf andere Individuen und Institutionen verstrickte Individuum. Wirtschaft ist niemals nur subjektive, sondern immer auch kollektive, ja, besser noch: immer auch »objektive«, von keinem »Ich« organisierte Unternehmung, weshalb denn auch gerade an das Wirtschaftssystem die Fragen nach »Entfremdung« und der »Verdinglichung« des Menschen gerichtet werden können. Für die philosophische Ethik heißt dies etwa, daß man mit einem rein tugend- oder auch pflichtethischen Ansatz, mit einem Appell nur an die Sittlichkeit und Moralität des einzelnen, die eigentlich brennenden Probleme der Wirtschaftsethik kaum wird lösen können. Das komplexe Verhältnis von Markt und Moral insgesamt oder etwa das Problem der Setzung des »richtigen« ordnungspolitischen Rahmens sind schlicht auf der individualethischen Ebene nicht zu lösen, und die Fragen, die uns etwa die Globalisierung stellt, sind durch den Verweis auf Kants kategorischen Imperativ nicht nur nicht schon beantwortet, sie sind so noch gar nicht ernst genommen. Das heißt freilich nicht, daß Ethik im Falle der Wirtschaft überhaupt ihre Ansprüche an den Kalkül abzutreten hätte, wie es der Utilitarismus will. So sehr das utilitäre Denken im Rahmen des Wirtschaftssystems auch am Platze ist, wird ein Standpunkt, der die Frage nach den letzten regulierenden Zielen des Wirtschaftens durch eine Theorie der ökonomischen Mittel ersetzt, immer darauf hinauslaufen, daß »Marktförmigkeit« als oberster Wert erscheint und deshalb der Markt auch nicht mehr dem Menschen, sondern dieser, auch als Kalkulierender, nur noch dem Markt als absoluter »Vermittlung« dient. Dagegen wird die primäre Aufgabe der Wirtschaftsethik immer die sein, das Bewußtsein dafür zu schärfen, daß das ökonomische System, so sehr es in seiner Existenz einem objektiven Bedürfnis entspricht, nicht schon das »absolute« System des menschlichen Handelns auf Welt, auch nicht das eine System der menschlichen Bedürfnisse ist. Dieses System findet seine Grenze nicht zuletzt an der (rationalen) Idee des Rechts wie überhaupt an allen Sphären »transökonomischen« Handelns, die auf der individuellen, der sozialen und zuletzt auf der Ebene von Kunst, Religion und Wissenschaft elementare Weisen der Selbstvergewisserung wenn auch nicht des »homo oeconomicus«, so doch des »vernunftbegabten Lebewesens« als eines Wesens sind, dem es auch mit seinem Wirtschaften um eine möglichst unverkürzt lebbare und gelebte Vernunft geht.

1.2.3 Die Wirtschaftsethik kann sich, wie wir im einzelnen sehen werden, der zuletzt skizzierten Aufgabe von verschiedenen Ansätzen her und auch in Beziehung auf verschiedene Anwendungsfelder stellen. Manche Autoren unterscheiden dabei eine Mikro-, Meso- und Makroebene, denen dann etwa die Bereiche der individuellen ökonomischen Entscheidung, der Unternehmensethik und kollektiven Verantwortlichkeit sowie zuletzt die Stellung der Wirtschaft zu Staat und Gesellschaft zu korrelieren sind8. Unbeschadet der Tatsache, daß eine solche Differenzierung pragmatisch sinnvoll sein kann, wollen wir hier die Wirtschaft gleichwohl primär als ein einziges, wenn auch in sich nach verschiedenen Seiten hin differenziertes System betrachten. Wir werden dazu einen kulturphilosophischen Ansatz wählen, der in der Wirtschaftsphilosophie spätestens seit Hegel gut verankert ist und der vor allem den Vorteil hat, theoretische und praktische Perspektive nicht auseinander fallen zu lassen. Für die Wirtschaftsethik gerade in ihrer Umsetzung ist immer dann viel gewonnen, wenn die ethischen Fragen nicht als Fremdkörper an die Probleme herangebracht werden, wie auch dann viel gewonnen ist, wenn die ethische Perspektive nicht nur bei den Defekten und Mißständen greift, sondern sich mühelos schon auf den Handlungshorizont des »normalen« Ganges der Dinge beziehen läßt. Kurz: Wirtschaftsethik hat dann die beste Chance auf Gehör, wenn sie Wirtschaft als Lebenswelt und Kultursystem ansprechen und bei deren innerer Motivation anschließen kann. Es soll sich zeigen, daß dies nicht nur möglich, sondern philosophisch auch die anspruchsvollste Weise ist, sich den Fragen der praktisch werdenden Wirtschaftsphilosophie nicht zu entziehen.

1.3 Zum Verfahren des vorliegenden Buches

Eine Erläuterung noch zur Darstellungsweise, die in diesem Buch gewählt wurde! Der vorgegebene Umfang stellte den Verfasser vor die Alternative, entweder zu etwa gleichen Teilen die »theoretische« Wirtschaftsphilosophie und dann, in einem praktischen Teil, die Wirtschaftsethik abzuhandeln, oder aber in einer zunächst historischen Herangehensweise beide Aspekte im Medium der Nachzeichnung des Weges zu entwickeln, den das Denken von Wirtschaft (inner- und außerhalb der Philosophie) genommen hat. Die Entscheidung fiel für die zweite Option, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil in einer Zeit ohnehin florierender wirtschaftsethischer Ansätze so die umfassendere, nämlich kulturphilosophische Herangehensweise an das Problem der Wirtschaft deutlicher profiliert werden kann. »Kulturphilosophisch« mag dabei jene Herangehensweise heißen, die das Wirtschaften des Menschen zunächst als immer schon vorfindbare lebensweltliche Realität versteht (und nicht nur als ein System von menschlichen Handlungen, insofern sie einer normativen Regulierung unterliegen). Als in diesem Sinne dynamisch-objektive Realität verstanden, ist das Ökonomische ganz prinzipiell als menschliche Lebensäußerung aufzufassen, in der es diesem Leben – einen Anklang an Heidegger zu riskieren – immer schon um es selbst geht und die zugleich der theoretischen Einsicht in sie schon vorausliegt. Wenn Ökonomie »materialistisch« ist, hat dies mit nichts anderem als dieser strukturellen Vorgängigkeit des ökonomischen Lebensaktes vor der theoretischen Lebenserhellung zu tun – oder, anders gewendet: es hat damit zu tun, daß Ökonomie zum System des objektiven Geistes und so auch zu den Formen (notwendiger) Selbstverobjektivierung des Menschen gehört. Der primär wirtschaftsethische Blick auf das Ökonomische verstellt sich dagegen nur allzu leicht den Zugang zur wesentlichen Objektivität des Wirtschaftens und des Wirtschaftsprozesses. Er suggeriert so möglicherweise auch Verantwortlichkeiten, die kein Subjekt ausfüllen kann, die aber besonders dann zu allzu bequemen persönlichen Schuldzuweisungen einladen, wenn ein sachgemäßes Verständnis eines komplexen Zusammenhangs intellektuell hohe Hürden nehmen zu müssen meinen würde. Damit ist selbstverständlich keiner pauschalen »Entverantwortlichung« wirtschaftender Subjekte das Wort geredet – daß es hier zu evidentermaßen moralischem Versagen kommt, wird durch die Zeitungen täglich dokumentiert und sollte in Zeiten zugunsten »technischen« Wissens planmäßig abgebauter Persönlichkeitsbildung auch niemanden überraschen. Die Einseitigkeit des wirtschaftsethischen Standpunktes in der Wirtschaftsphilosophie wird jedoch spätestens damit klar, daß selbst dann, wenn alle Wirtschaftssubjekte jederzeit moralisch »einwandfrei« handeln würden (was sie jedoch der Logik des Wirtschaftens nach noch nicht einmal müssen), damit keineswegs schon gesagt wäre, daß das Wirtschaften nicht in einer Dialektik stünde, die immer auch subjektive Unzuträglichkeiten, ja historische Zäsuren produziert. Kurz: »Wirtschaft« ist durch »Ethik« nicht einfach »in den Griff« zu bekommen, um so mehr aber ihrer Logik als Lebensfunktion nach ernst zu nehmen. Denn im Verfolg seiner Zwecke geht das objektive Leben am Ende doch auf das gleiche Telos des »Guten«, das auch die Ethik leitet, ohne daß darum beide Perspektiven schon deckungsgleich wären. Im Rahmen dieses einführenden Buches beschränken wir uns entsprechend auf einige Schlaglichter zur Wirtschaftsethik; deren systematische Entfaltung mag an anderem Ort folgen.

Ein Mißverständnis wäre es übrigens, die historischen Ein- und Ausführungen des Hauptteils dieses Buches nur in »antiquarischem« Sinne zu nehmen. Die Philosophie hat, wie in anderen Disziplinen, so auch in der Wirtschaftsphilosophie zu ihrer eigenen Vergangenheit ein anderes Verhältnis, als dies in Einzelwissenschaften der Fall ist, bei denen der aktuelle Forschungsstand auch das Verfallsdatum des Denkens von gestern ist. Die Philosophie entdeckt nicht zufällig in ihrer Vergangenheit immer wieder ihre Fragen von heute, wobei sie die historische Differenz sogar als Chance begreifen kann, das besondere Profil des »Heute« konkreter in den Blick zu nehmen. Gleichzeitig erlaubt der historische Blick die Evolution einer Problemstellung und mit ihr die Entfaltung der Kategorienpalette kennen zu lernen, die uns jeweils zur Problemerfassung zur Verfügung steht. Zur Mündigkeit im Kategoriengebrauch gehört die Einsicht in die Genese unserer Denkbestimmungen untrennbar hinzu.

Die historische Entfaltung der Thematik hat gleichzeitig die Aufgabe, den Leser mit jenen Daten auch aus außerphilosophischen Bereichen zu versorgen, die nötig sind, um in systematischer Hinsicht ein informiertes Urteil zu fällen. Gelingt es, diese Urteilsbildung in theoretischer wie praktischer Hinsicht zu fördern, so kann sich daran zeigen, daß Wirtschaftsphilosophie gerade heute nicht einfach ein akademisches Glasperlenspiel ist. Sie kann zu kritischer Distanz und verantwortlicher Stellungnahme auch da anleiten, wo vom »Zeitgeist« schon vieles vorentschieden zu sein scheint. Wie überall, emanzipiert auch hier die Philosophie, wenn sie ihr Ziel erreicht, das Denken zu sich selbst. Darin aber liegt – heute wie immer – ihr eigentlich freiheitlicher Sinn.

2 Geschichtliche Ressourcen wirtschaftsphilosophischen Denkens:
Entwicklung von Standpunkten und Kategorien im Kontext historischer Umbrüche
2.1 Antike Positionen

In der Geschichte der Philosophie – davon war in der Einleitung schon die Rede – ist durchaus mehr zum Thema »Wirtschaft« beigetragen worden, als man zunächst zu glauben geneigt sein mag. Insbesondere, wenn man »Wirtschaftsphilosophie« nicht einfach als Wissenschaftstheorie einer ansonsten bereits etablierten Ökonomie versteht (und es gibt gute Gründe, eine solche Verkürzung von vornherein zu vermeiden), wird man philosophiehistorisch rasch auch an Orten fündig, die auf den ersten Blick vielleicht sogar überraschen. Wenn es so zwar sicher zutrifft, daß eine eigentlich wissenschaftlich betriebene Nationalökonomie erst eine Frucht der neuzeitlichen Ausdifferenzierung des Systems der Wissenschaften ist, heißt dies keineswegs, daß es nicht auch schon in der Antike oder im Mittelalter philosophisches Nachdenken über das Ökonomische gegeben hätte, das zur Kenntnis zu nehmen noch immer lohnend sein kann. Der einfache Grund für die bleibende Gültigkeit bestimmter Grundüberlegungen zum Ökonomischen besteht dabei darin, daß das Ökonomische selbst in bestimmter Hinsicht eine bleibende Größe des menschlichen Weltverhältnisses bzw. der Kulturtätigkeit des Menschen ist. Wir stehen, wenn man so will, beim Wirtschaften vor einem Grundphänomen menschlichen Welt- und Selbstverhältnisses, das in mancher Hinsicht dieses Verhältnis zu allen (geschichtlicher) Zeiten betrifft. Man muß dabei nicht so weit gehen, dieses Grundphänomen gar »ontologisch« zu deuten, wie es gelegentlich geschehen ist9. Aber daß der Horizont des Wirtschaftens unmittelbar etwas mit unserer Beziehung auf uns, die Welt und andere, auch mit unserem konkreten Selbstbild zu tun hat, wird bereits klar, wenn wir bedenken, daß alles Wirtschaften immer etwas mit der Selbsterhaltung des Menschen (als Individuum wie besonders als Gattungswesen) im Rückgriff auf Naturressourcen, also auf eine als dem Menschen zu Gebote stehend angesehene Natur zu tun hat10. So übergreift die Bedeutung des Wirtschaftens auch die Zeiten, weil es in ihm um die Verfolgung eines (ebenso individuellen wie kollektiven) Ziels geht, das zu den sicher ethisch höchstrangigen zählt: die Verfolgung des Zieles eben der Selbsterhaltung, wenn nicht der Selbststeigerung des Menschen. Und beides betrifft nicht etwa nur diesen und jenen einzelnen, sondern auch die Gemeinschaften bis hinauf zum Staat. Man kann die Wirtschaftsphilosophie insofern generell der Sozialphilosophie zuordnen und dabei zugleich darauf hinweisen, daß es im Sinne der Frage nach der Legitimität und der Priorität der Ziele, die die Wirtschaft realisiert, immer auch um ethische (normative) Fragen geht. Eben darum aber besitzen immer auch Sozialphilosophen und Ethiker wie etwa Platon und Aristoteles ihre Stimme in wirtschaftsphilosophischen Fragen – wie wir sehen werden, eine durchaus gewichtige!

2.1.1 Platon

Platon (428/7–349/8 v. Chr.), der »Meisterschüler« des Sokrates11, ist nicht ohne Grund immer wieder als die wohl wichtigste Gestalt der Philosophiegeschichte insgesamt angesehen worden. In der Tat kann es immer wieder verblüffen, wenn man sieht, wie hier ein einzelner mehr oder weniger aus dem Nichts den Grundriß der gesamten abendländischen Philosophie entworfen hat – und dies auch noch in einer Gestalt, die in jeder, auch in sprachlicher Hinsicht nur als schlechthin genial gelten kann. Man kann bis heute sagen, daß, wer sich nicht mindestens einmal an Platon abgearbeitet oder, besser noch, von ihm zum Philosophieren hat begeistern lassen, von der Philosophie in ihrem eigentlichen Sinne wenig Ahnung haben wird. Auch wir beginnen mit Platon, der sich auch zu den uns beschäftigenden Fragen geäußert hat.

Freilich ist Platon, was seine »Ökonomie« betrifft, weithin eher berüchtigt als berühmt. Man erinnert sich vor allem, daß in seinen beiden Hauptwerken zur politischen Philosophie, dem »Staat« (Politeia) und den »Gesetzen« (Nomoi), einem Ideal der Gütergemeinschaft gehuldigt wird, das den gebürtigen attischen Aristokraten in der Perspektive der Neuzeit manchmal geradezu als den Ahnherrn des »Kommunismus«, wenn nicht gar als den des »Totalitarismus« erscheinen ließ12. Um die Empfehlung eines Gemeinschaftseigentums bei Platon zu verstehen, hilft es zugleich nur wenig, darauf zu verweisen, daß Platons Schule, die »Akademie«, ihren Statuten nach als eine Art religiöser Gemeinschaft organisiert war und in mancher Hinsicht auch sonst das Modell der pythagoreischen »Bünde« reproduzierte – also jener ordensähnlichen Gemeinschaften, die auf den Vorsokratiker Pythagoras (ca. 570/560-480 v. Chr.), den Entdecker der prinzipiellen Bedeutung der Quantität und der Maße in der Natur, zurückgingen und die Platon aus der »Magna Graecia«, also aus Süditalien / Sizilien persönlich kannte. Diese Bünde verfolgten in der Tat ein philosophisch fundiertes religiös-asketisches Ideal, bei dem es zuletzt immer um das umfassende Heil, die swthría der Einzelseele und der Gemeinschaft ging, und es mag sein, daß in bestimmtem Umfang in diesem Zusammenhang auch »kommunistische« Ideale bereits im Schwange waren. Allerdings war Platons Anspruch als Wissenschaftler und Philosoph in keinem Fall der, nur das spezielle Lebensziel einer weltanschaulichen Sondergruppe zu fixieren. Es ging ihm vielmehr darum, aus prinzipiell jedem Denkenden zugänglichen Vernunftgründen heraus das schlechthin Gute, die gültige Ordnung der Güter und so auch eine Staatsverfassung zu entwickeln, die deshalb die beste sein würde, weil sie in der Idee des Guten schlechthin verankert sein sollte. In der Tat empfiehlt es sich, Platon auch in Beziehung auf seine Thesen ökonomischen bzw. wirtschaftsphilosophischen Inhalts nicht etwa als naiven und schwärmenden Sonderling zu lesen. Platon ist vielmehr ein in allem Skizzenhaften seiner Äußerungen doch erstaunlicher Klarblick zu bescheinigen, was an sich schon damit belegt ist, daß wir mit ihm überhaupt den ersten Denker antreffen, der einen systematischen Zugang zu den Phänomenen des Wirtschaftens sucht und dabei auch einen Vergleich von Ökonomien bzw. ökonomischen Grundordnungen für möglich hält. Da Platon dabei vor eindeutigen Werturteilen nicht zurückschreckt, kann man ihn ferner auch als den ersten konsequenten Vertreter einer »Politischen Ökonomie« ansehen – als den ersten Theoretiker, dem zu Bewußtsein kommt, daß die immanenten Zielsetzungen des ökonomischen Systems, sich selbst überlassen, mit den Zielsetzungen einer im umfassenden Sinne praktischen Vernunft kollidieren können, wenn nicht müssen, und es deshalb geboten ist, sich über die Prioritäten klar zu werden, nach denen in einem wohlgeordneten Staat politische und ökonomische Ziele aufeinander abzustimmen sind. Da Politik im platonischen Sinne dabei erkenntnis- und nicht nur erfahrungsgeleitet sein muß, bedeutet dies, daß es in der politischen Philosophie auch immer darum geht, die sachgemäßen Grenzen des Ökonomischen und seines »Eigenbereichs« zu definieren bzw. politische Regulative für ein Wirtschaften zu schaffen, die dafür Sorge tragen, daß alles Wirtschaften stets auf das Gemeinwohl verpflichtet ist. Genau um diese Verpflichtung aber geht es Platon in seinen beiden wichtigsten Dialogen zur Staatsphilosophie, die wir uns hier in Kürze ansehen.

2.1.1.1 Die Exposition des Problems des Ökonomischen in Platons Politeia

Platons Schaffen wird für gewöhnlich in drei Phasen eingeteilt. Das Hauptwerk der mittleren Zeit und zugleich Platons insgesamt wohl meist gelesenstes Buch ist der Staat, die Politeia13. Anders, als der Titel es zunächst nahelegen könnte, geht es in diesem Buch nicht einfach um Fragen der politischen Philosophie; vielmehr erscheinen die politisch-staatsphilosophischen Fragen als Teil eines umfassenden Spektrums von Fragestellungen, die genauso die Themenbereiche der Ontologie und Erkenntnislehre, der Psychologie und der Ethik abdecken – wobei auch dies, die keineswegs trennscharfe Unterscheidung philosophischer Teildisziplinen, für das platonische Philosophieren charakteristisch ist14.

Das Hauptthema des Buches ist die Frage nach der Gerechtigkeit (dikaiosúnh), bei der es sich jedoch, wie sich bald zeigt, nicht einfach um einen irgendwie leicht zu handhabenden Maßstab für die politische Praxis, sondern um ein auf den letzten Grund alles unseres Wissens und Handelns führendes Prinzip handelt – Platon spricht von der a¬nupóqetov a¬rcä, also einem Prinzip, das keine weiteren Prinzipien zur Voraussetzung hat. Dieses Prinzip betrifft im näheren Zusammenhang der Politeia dann ebenso die Psychologie und deren Frage nach der wohleingerichteten Seele wie die politische Philosophie und deren Thema, den wohleingerichteten Staat; das eine ist im Grunde nur je mit dem anderen zu haben, der gerechte Staat nur zusammen mit gerechten Menschen, wie es den umfassend gerechten Menschen nur im Kontext des gerechten Staats gibt15. Diese Letztbegründung alles Wissens und Handelns wird dabei in der i¬déa toû a¬gaqoû, der Idee des Guten gefunden, die nach Platon den letzten, den Kosmos wie das Leben und Streben der Menschen zusammenbindenden Zweck bezeichnet, allerdings nur vom »Dialektiker« bzw. Philosophen wirklich erkannt werden kann, während alle anderen – also die Mehrheit der Bürger und auch die gewöhnlichen Politiker – über das Gute nur Meinungen (dóxai) besitzen. Da auch das Wirtschaften, wie wir bereits gesagt haben, immer ein Zweckesetzen (nicht nur ein Mittelgebrauch) ist, entscheidet die philosophische Einsicht in den letzten Zweck bzw. die Ordnung der Zwecke dann auch nicht nur über das gerechte, sondern ebenso über das »wahre« und gemessen am Gemeinwohl legitime Wirtschaften im Unterschied zu einem den Staatszweck oder die gute Ordnung verfehlenden. Wir werden uns für unsere Zwecke hier vor allem auf das zweite bis fünfte Buch der Politeia beschränken, in denen es zum einen um Platons Grundbegriff auch der Staatswirtschaft, zum anderen um das Verhältnis der »Wächter« des Staates zu Besitz und Eigentum (auch persönlichem) geht – in diesem Kontext hat man ja allgemein Platons »Kommunismus« gefunden.

Sokrates, der Hauptunterredner in Platons Politeia, kommt im zweiten Buch des Gesamtwerks auf den Staat zu sprechen, weil dieser das Modell abgeben soll, an dem wir, was Gerechtigkeit ist, im Großen ablesen können, um es dann auch auf die menschliche Seele zu übertragen16. Diese Übertragung ist möglich, da es, wie schon erwähnt, bei Platon einen engen Konnex zwischen äußerer und innerer Ordnung, zwischen seelischer und politischer Verfassung gibt, so daß alles, was auf politischer Ebene geschieht, bestimmten Seelenzuständen entspricht und umgekehrt nicht einfach jede beliebige Seelenverfassung auch dazu angetan ist, ein auf das Gute hin ausgerichtetes Gemeinwesen zu befördern. Platon hat in einer idealtypischen Verfallsgeschichte der Staaten, die er im achten und neunten Buch der Politeia gibt, unter anderem aufgezeigt, daß mit der Plutokratie bzw. plutokratisch begründeten Oligarchie nicht nur das an sich Gute (und mithin das Gemeinwohl) schon aus dem Blick getreten ist und sich deshalb auch die Seelen »vereinzeln«, das heißt nur noch um ihre jeweils eigenen, kleinen materiellen Zwecke kreisen, sondern daß mit dieser Vereinzelung auch schon das Prinzip der Tyrannis im Spiel ist, das eben in der sich zusehends absolut setzenden Einzelheit besteht17. Doch zurück zum zweiten Buch: Sokrates rekonstruiert hier zunächst »nach dem Begriff« oder in Gedanken die Entstehungsgeschichte des Staates. Der Staat hat unser Bedürfnis (h™ h™metéra creía) zur allgemeinen Grundlage, und »das erste und größte aller Bedürfnisse ist die Herbeischaffung der Nahrung, um existieren und leben zu können«18. Darauf folgen das Bedürfnis der Wohnung, der Kleidung und dergleichen, also all dessen, was man auch heute als »Grundbedürfnisse« ansehen würde, deren dauerhafte Befriedigung im übrigen ohne eine kollektive Organisationsform kaum gedacht werden kann. Sokrates entwirft so zunächst einen Staat, der zum einen durch Arbeitsteilung geprägt, also funktional differenziert ist – denn es soll, weil nicht jeder mehrere Künste gleich gut ausüben kann, nicht der Bauer auch Baumeister und Schmied, der Hirte nicht Schumacher sein usf., sondern jeder soll in seiner Aufgabe auch den Nutzen der Allgemeinheit besorgen19. Dieser Staat betreibt dann ferner auch den Außenhandel und stellt für die notwendigen Tauschgeschäfte zwischen den Produzenten und Händlern »Markt und Münze« bereit20. Allerdings beschränkt er sich auch dabei ursprünglich noch immer darauf, eben die Grundbedürfnisse seiner Bürger zu befriedigen – für Willkürbedürfnisse, gar für den Luxus ist hier kein Platz. Freilich erinnern die Zuhörer Sokrates sogleich daran, daß die Menschen vom Staat und den Versorgungsinstrumenten, die er besitzt, doch wohl mehr verlangen als nur die bloße Existenzsicherung. Sie wollen, wie es im Bild heißt, nicht »ohne Zukost« bewirtet sein, ohne Oliven, Käse und Nachtisch, und auch an Polster ist zu denken – denn der Mensch will nicht nur überleben, was auch die Schweine wollen, er will gut, das heißt auf ein Ziel hin, das über das bloße Sein hinausliegt – er will in einem »üppigen Staat« (truføsa póliv) leben21. Sokrates akzeptiert den Hinweis, und in der Tat zielt ja auch seine bzw. die platonische Philosophie aus prinzipientheoretischen Gründen nicht einfach auf das Sein, sondern auf das Gute, so daß die Frage nach »Guten« bzw. »Besseren« gar nicht abgewiesen werden kann. Aber Sokrates macht auf die Ambivalenz aufmerksam, die jetzt unweigerlich entsteht: mit der – an sich gerechtfertigten – Frage nach dem »guten Leben« geraten wir in eine Dynamik hinein, mit der es nicht nur zu einer weiteren Ausdifferenzierung der Bedürfnisse und der ihnen entsprechenden Dienstleistungen, sondern zusammen mit der Expansion des Bedürfnisses auch zu einer Expansion der Staatstätigkeit und zuletzt des Staates selbst, damit aber zu der Gefahr von kriegerischen Verwicklungen und des Selbstverlustes des Staates in diesen wie in der Expansion schon als solcher kommt. So paradox es erscheint: es ist die Suche nach dem guten Leben, in deren Gefolge die großen historischen Übel entstehen, wie es entsprechend das Gute ist, nach dem alle streben, das im Streit der Meinungen zunächst nicht klar erkannt wird und so indirekt zu den mannigfaltigsten Verwicklungen führt. Historisch wohl als erster hat Platon hier festgehalten, daß in jedem Wirtschaften, das auf mehr als auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse gerichtet ist, zum einen immer überhaupt eine Zielverfolgung (eine Vorstellung vom »guten Leben«) liegt, die dazu zwingt, sich auch über die anderen Ziele klar zu werden, die Menschen als einzelne wie in staatlicher Gemeinschaft verfolgen; daß darin zum anderen aber in jedem Fall auch eine expansive Dynamik liegt, die grundsätzlich für den Staat selbst, seine innere wie äußere Identität, zum Problem werden kann. Modern gesprochen: in der Dynamik einer nicht in den Grenzen der elementaren Lebensnotwendigkeiten gehaltenen Bedürfnisbefriedigung liegt die Tendenz auf ein im Prinzip »unendliches Wachstum«, eine Potenzierung sowohl der Bedürfnisse selbst wie des sie befriedigenden Apparates in infinitum, die mit der je gegebenen Endlichkeit des Staates, seiner Ressourcen und Kapazitäten, in jedem Fall kollidiert. Für Platon wie für die Griechen überhaupt erscheint dabei das Unendliche, das »Apeiron« der genannten Dynamik von vornherein als ein chaotisierendes Moment, das alle logische Ordnung und so auch die Möglichkeit, Politik rational zu organisieren, grundsätzlich unterläuft. »Rational organisiert« ist eine Politik dann, wenn sie von den Erkennenden, das heißt vor allem: von den um die Zwecke und die Zweckhierarchien Wissenden, gemacht wird. Es ist, wie wir noch näher sehen werden, für Platon klar, daß ein solcher Erkennender niemand sein kann, der selbst von Bedürfnissen getrieben ist und sich allenfalls auf die »Kunst« ihrer Befriedigung versteht. Der Erkennende ist vielmehr der möglichst bedürfnisfreie Mensch, so wie nur der ein unparteiischer Richter bei konkurrierenden Ansprüchen sein kann, der nicht selbst auf der einen oder anderen Seiten zu profitieren hofft. Es ist höchst beeindruckend, in Platons Text zu verfolgen, wie sich dieser Zusammenhang zwischen expansiver Ökonomik, damit verbundener Gefährdung des Staates in seiner bestimmten Identität und dem Insistieren auf der Notwendigkeit, daß der Staat von den Erkennenden, nicht von den Nicht-Erkennenden geleitet wird, in den konkreten Vorschlägen Platons zur Ausgestaltung (eben auch) der ökonomischen Verfassung entfaltet. Das erste Erfordernis, das die aufgezeigte expansive Dynamik hervorruft, ist ein Stand von Wächtern (fúlakev), die für das Selbstseinkönnen des Staates, seine praktische Identität, physisch wie auch mental Sorge tragen. Die Wächter repräsentieren dabei eine eigene »Kunst«22 und können entsprechend nicht durch ein Volksheer ersetzt werden. Im Wächterstand beginnt der Staat, wenn man so will, auf sich selbst zu reflektieren, er kommt in ihm (anders als in den eigentlich wirtschaftenden Ständen) zu Selbstbewußtsein – zuletzt auch ganz explizit, weil aus ihm die Philosophen rekrutiert werden, die man weder bei Bauern noch bei Händlern wird antreffen können. Alles weitere, was Sokrates in den nächsten Büchern entfaltet, ist ein großes Erziehungs-Programm für die Wächter, in das gerade auch die Philosophie zu integrieren ist. Wir konzentrieren uns hier auf die Punkte, die das Verhältnis der Wächter zu materiellem Besitz wie zum ökonomischen Bereich insgesamt betreffen!

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