Kitabı oku: «Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente», sayfa 24

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C. Wann ist eine Gefahr für die relevanten Schutzgüter zu bejahen?

Das deutsche Aufsichtsrecht dient der Bekämpfung von Gefahren für die relevanten Schutzgüter. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Gefahrentatbestands sind sowohl dem Finanzaufsichtsrecht auf internationaler bzw. europäischer Ebene, als auch dem deutschen Finanzaufsichtsrecht keine näheren Vorgaben zu entnehmen (Abschn. I). In Ermangelung solcher Vorgaben ist auf den Gefahrbegriff des allgemeinen Ordnungsrechts zurückzugreifen (Abschn. II).

I. Kein finanzaufsichtsrechtlicher Gefahrbegriff
1. Internationale Ebene (Völkerrecht)

Die G 20 sprechen zwar in ihren Gipfelerklärungen allgemein von auf den Finanzmärkten bestehenden und von den Marktteilnehmern unterschätzten Risiken (risks).669 Dabei handelt es sich jedoch um eine Beschreibung des Sachverhalts, der für die Gipfelteilnehmer zur Begründung ihrer Regulierungsinitiativen herangezogen wird, z.B. wenn von einem „rücksichts- und verantwortungslosen Eingehen von Risiken“ gesprochen wird.670 Dasselbe gilt für die Empfehlungen der die G 20-Beschlüsse konkretisierenden übernationalen Institutionen und Gremien.671 Die Gefahrentatbestände, an denen rechtliche Regelungen zur Bekämpfung der angesprochenen Risiken anknüpfen sollen, werden in den Gipfelerklärungen nicht im Einzelnen definiert.

2. Europäische Union

Im europäischen Aufsichtsrecht wirken sich das Fehlen eines primärrechtlichen Schutzgutes und die aus Gründen der Kompetenzverteilung begrenzten Durchsetzungsbefugnisse europäischer Exekutivorgane auch in Bezug auf die Definition relevanter Gefahrentatbestände aus. Anstelle eines allgemeinen und nach Bedarf weiter ausdifferenzierten Gefahrentatbestands wird der Regelungsgegenstand der europäischen Vorschriften in Bezug auf einzelne Regelungsfelder und häufig ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die abzuwendenden aufsichtsrechtlichen Gefahren definiert.

So wird beispielsweise zwar in den Erwägungsgründen der aktuellen Eigenkapitalvorschriften für Banken (CRR/CRD IV) darauf hingewiesen, dass „Transparenz, Rechenschaftspflicht und Regulierung durch eine quantitative und qualitative Verbesserung der Kapitalbasis [gestärkt]“ werden, das „Anwachsen der Verschuldung im Bankensektor“ eingedämmt, „Handelshemmnisse und Wettbewerbsverzerrungen“ beseitigt und „Makroaufsichts- und Systemrisiken“ abgewendet und eingedämmt werden sollten.672 Als Anwendungsbereich wird allerdings lediglich die Festlegung allgemeiner Aufsichtsanforderungen in Bezug auf Eigenmittel, die Begrenzung von Großkrediten, Liquiditätsanforderungen, Berichts- und Offenlegungspflichten bestimmt.673 Einzelne Gefahrentatbestände werden grundsätzlich nur für Situationen bestimmt, in denen die genannten Anforderungen unterschritten werden.674 Soweit eine Zuständigkeit von europäischen Institutionen besteht, die Einhaltung der Eigenmittel- und Liquiditätsvorgaben sicherzustellen, enthalten allerdings auch die Verordnungen 1024/2013 und 468/2014 gefahrbezogene Aufgaben- und Befugnistatbestände.675

Die Verordnung 600/2014 über Märkte für Finanzinstrumente (MiFIR) hat einheitliche Anforderungen in Bezug auf verschiedene Regelungsbereiche des Handels mit Finanzinstrumenten zum Gegenstand.676 Aus dem ersten Erwägungsgrund ergibt sich freilich, dass diese Anforderungen vor dem Hintergrund festgelegt wurden, dass Transparenzdefizite der Finanzmärkte „schädliche sozioökonomische Auswirkungen“ haben können. Diese schädlichen Auswirkungen werden in den weiteren Erwägungsgründen der Verordnung 600/2014 und der sie ergänzenden Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II) näher spezifiziert.677 Hinzu treten Einzelvorschriften in der Verordnung 600/2014 und den Verordnungen über die europäischen Aufsichtsbehörden, in denen den jeweils zuständigen Behörden für bestimmte Gefahrentatbestände konkrete Eingriffsbefugnisse gegenüber den Marktteilnehmern zugewiesen werden.678 Darüber hinaus gehende behördliche Zulassungs- bzw. Überwachungspflichten für die europäischen und nationalen Aufsichtsbehörden bestehen gegenüber Handelsplätzen.679

In der Verordnung 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (EMIR) sind als Gegenstand bestimmte Pflichten für die Marktteilnehmer festgelegt.680 Die Verordnung soll dadurch den Aufsichtsrahmen für den Finanzsektor stärken, um das „Risiko künftiger Finanzkrisen einzudämmen“.681 Die Verordnung enthält deshalb einzelne Befugnisregelungen, die mit dem „übergeordnete[n] Ziel, das Systemrisiko zu verringern“, begründet werden.682 Durch diese Befugnisse sollen die zuständigen Behörden in die Lage versetzt werden, die Einhaltung der in der Verordnung festgelegten Pflichten gegenüber den Marktteilnehmern durchzusetzen.683 Darüber hinaus gehende Zulassungs- und Überwachungspflichten bestehen gegenüber Zentralen Gegenparteien und Transaktionsregistern.684

Die so genannte Marktmissbrauchsverordnung (VO 596/2014) hat die Verhinderung von Insidergeschäften, der unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen und Marktmanipulationen (Marktmissbrauch) ausdrücklich zum Gegenstand.685 Diese Tatbestände werden in der Verordnung als (auch) behördliche Aufgabentatbestände näher definiert.686 Die so genannte Marktmissbrauchsrichtlinie (RL 2014/57/EU) sieht ergänzend vor, dass schwerwiegende und vorsätzliche Verstöße nach mitgliedstaatlichem Recht als Straftaten zu definieren sind.687 Darüber hinausgehend enthalten die europäischen Marktmissbrauchsvorschriften keine Gefahrentatbestände.

Die weiteren bereits angesprochenen europäischen Vorschriften über Leerverkäufe, Prospekte und Fonds gehen dagegen wie die übrigen in diesem Abschnitt diskutierten Verordnungen und Richtlinien grundsätzlich von Regelungsgegenständen aus, ohne diese als Gefahrentatbestände zu definieren.

In einer Gesamtschau ergibt sich, dass die europäischen Regelungen zwar gefahrbezogene Aufgaben- und Befugnistatbestände in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen definieren, aber selbst keinen einheitlichen Gefahrbegriff anstreben und insofern auch keine allgemeinen Vorgaben enthalten. Die wertende Beurteilung, die zur Ausfüllung der EU-Regelungen geboten ist, bleibt im Wesentlichen vielmehr den mitgliedstaatlichen Behörden überlassen und erfolgt eingebettet in die Regelungsstrukturen des nationalen Ordnungsrechts.

3. Deutsches Finanzaufsichtsrecht

Das deutsche Finanzaufsichtsrecht enthält an wenigen Stellen allgemeine Aufgaben- und Befugnisnormen. So kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) etwa nach § 6 Abs. 3 KWG im Rahmen der ihr zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben „Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, um Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen zu verhindern oder zu unterbinden oder um Missstände in einem Institut zu verhindern oder zu beseitigen, welche die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte gefährden können oder die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen“.688

Im Anwendungsbereich des Wertpapierhandelsgesetzes hat sie nach §§ 6, 14ff. WpHG (= §§ 4ff. WpHG a.F.) Missständen entgegenzuwirken, welche „die ordnungsgemäße Durchführung des Handels mit Finanzinstrumenten oder von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für den Finanzmarkt bewirken können“ (so generalklauselartig § 6 [= § 4 a.F.] Abs. 1 WpHG).689 Diese Aufgabe betrifft im Einzelnen:

 • „Missstände, die Nachteile für die Stabilität der Finanzmärkte bewirken oder das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte erschüttern können“ (§ 14 [= § 4a a.F.] Abs. 1 WpHG),

 • Fälle, in denen Tatsachen bestehen, welche die Annahme rechtfertigen, dass ein Finanzinstrument oder eine Vermögensanlage „erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz aufwirft oder eine Gefahr für das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität der Finanz- oder Warenmärkte oder in mindestens einem Mitgliedstaat für die Stabilität des gesamten Finanzsystems [der EU] oder eines Teils davon darstellt oder [dass] ein Derivat negative Auswirkungen auf den Preisbildungsmechanismus in den zugrunde liegenden Märkten hat (Art. 42 Abs. 2 VO 600/2014 i.V.m. § 15 Abs. 1 (= § 4b Abs. 2 Nr. 1 a.F.] WpHG) und

 • sonstige „Missstände“ im Rahmen der der BaFin „zugewiesenen Aufgaben“ (§ 6 [= § 4 a.F.] Abs. 1 WpHG).

Auch in diesem Zusammenhang wird aber gesetzlich nicht näher definiert, was unter Missständen, einer Gefahr für die aufsichtsrechtlichen Schutzgüter oder deren Beeinträchtigung zu verstehen ist. Die angeführten ausdrücklich definierten Gefahrentatbestände sind schließlich nicht unveränderlich, sondern wandeln sich mit der Zeit. Anhaltspunkte für Regelungsdefizite haben sich in der Finanzkrise ergeben, woraufhin auch der nationale Gesetzgeber die bis dahin bestehenden Regelungen umfassend überprüft und – auch unabhängig von Vorgaben des EU-Rechts – novelliert hat. Hinsichtlich der Frage, welche allgemeinen Gefahrprinzipien den einzelnen Aufgaben- und Befugnisnormen zugrunde liegen, bleibt nur ein Rückgriff ins allgemeine Ordnungsrecht.

II. Der Gefahrbegriff des deutschen allgemeinen Ordnungsrechts
1. Einführung

In Ermangelung höherrangiger Vorgaben oder spezieller Regelungen ist der Gefahrbegriff des allgemeinen Ordnungsrechts heranzuziehen. Danach liegt eine konkrete Gefahr bei Tatsachen vor, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit zu einem nicht unerheblichen Schaden führen.690 Eine gesteigerte Form ist die dringende Gefahr, bei der umstritten ist, ob der zu erwartende Schaden besonders groß oder sein Eintritt besonders wahrscheinlich sein muss. Zu unterscheiden ist eine abstrakte Gefahr – im Sinne einer generell vorhandenen Gefahr –, die vorliegt, wenn bei einer gedachten Mehrzahl konkret gefährlicher Sachverhalte mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit dem Eintritt eines Schadens zu rechnen ist. Als für Eingriffe nicht ausreichend wird eine latente Gefahr angesehen, die sich jederzeit realisieren kann.

In allen genannten Fällen setzt eine Gefahr für geschützte Rechtsgüter somit voraus, dass die Voraussetzungen einer konkreten Gefahr in mehr oder minder weitgehendem Umfang erfüllt sind, wobei die anderen zuvor genannten Gefahrentatbestände – auf dem Begriff der konkreten Gefahr aufbauend – besondere Anforderungen an den Schadensumfang oder -eintritt stellen.

Beim Einsatz von Finanzinstrumenten ist aber außerdem zu beachten, dass eine Gefahr nicht nur in Abhängigkeit von der Risikostruktur des betreffenden Instruments entstehen kann, sondern auch abhängig davon, von wem bzw. wie bzw. in welcher Marktsituation es eingesetzt wird. Eine Regulierung mit den Mitteln des Ordnungsrechts wird dabei um so notwendiger, je schwerwiegender eventuelle Schäden sind und je wahrscheinlicher ihr Eintritt ist. Die Regulierung muss dabei dem Umstand Rechnung tragen, dass die Finanzmärkte weltweit vernetzt sind und unmittelbar auf Veränderungen in den Marktbedingungen reagieren. Das bedeutet, dass aufsichtsrechtliche Gefahren über einzelne Rechtsordnungen hinweg und schnell entstehen können.

2. Drohen eines nicht unerheblichen Schadens

Erstes Element einer aufsichtsrechtlichen Gefahr ist, dass ein nicht unerheblicher Schaden droht. Hierbei ist zu beachten, dass ein Schaden in Anbetracht der vertraglichen Risikoverteilung von vornherein nur in dem Umfang drohen kann, in dem die vertragliche Risikoverteilung nicht abschließend ist. Denn eine Gefahr für aufsichtsrechtliche Schutzgüter liegt grundsätzlich nicht vor, wo die Risiken einer Finanztransaktion sich nicht – im zuvor beschriebenen Sinne – über die Transaktionspartner hinaus negativ auswirken können.691 Die Risikoverteilung muss freilich nicht nur in Hinblick auf die beiderseitige Erfüllung des Vertrags abschließend sein, sondern auch für den Fall, dass eine solche Erfüllung scheitert (z.B. bezüglich gesetzlicher/vertraglicher Schadenersatzansprüche).

Dazu, dass ein Schaden droht, kann es nach dem zuvor Ausgeführten (Kap. 2 und Kap. 3) vor allem in den folgenden zwei Szenarien kommen:

 • Risiken realisieren sich in einer Situation, in der Finanzmarktakteure durch ihre Interaktion in einer Weise verflochten sind, dass die Verflechtung im Extremfall als Element einer systemrelevanten Verflechtung anzusehen wäre (Too Connected To Fail – TCTF).

 • Risiken realisieren sich in einer Situation, in der Finanzinstrumente zu ähnlich gelagerten Anlagen genutzt worden sind, sodass die betroffenen Finanzmarktakteure im Extremfall in systemrelevanter Weise gleichartigen Risiken ausgesetzt wären (Too Many To Fail – TMTF).

Dabei ist zu betonen, dass Einzeltransaktionen nicht deshalb aufsichtsrechtlich irrelevant sind, weil die Verflechtung bzw. die gleichartigen Anlagen isoliert betrachtet nur ein geringes Risikopotenzial aufweisen. Denn auch in diesem Fall liegt bei Realisierung der Risiken ein Schaden vor. Dieser Schaden mag zwar bei einzelnen Transaktionen unerheblich sein, kann bei einer Vielzahl von Transaktionen jedoch für das Gesamtsystem erheblich sein.

Die Frage, wann ein etwaiger Schaden im Rahmen der mithin nötigen Gesamtschau „nicht unerheblich“ ist, lässt sich infolgedessen nur schwer abstrakt beantworten. Das Kriterium ist jedenfalls normativ zu verstehen und erfordert somit eine Bewertung im Rahmen der aufsichtsrechtliche Entscheidung zur Gefahrenabwehr. Ein nicht unerheblicher Schaden dürfte immer dort zu bejahen sein, wo eine Realisierung der mit der Transaktion verbundenen Risiken das Finanzsystem als solches gefährden können (systemisches Risiko). Allerdings muss die Transaktion nicht zwingend zu einer derartigen Systemgefährdung beitragen. Auch die Realisierung von Risiken unterhalb einer Systemgefährdung dürfte ausreichen, sofern die Schäden ihrer Art oder ihrem Umfang nach geeignet sind, das Vertrauen in die Stabilität des Finanzsystems zu vermindern. Eine eindeutige Grenze lässt sich zwar nicht abstrakt ziehen, dies ist für die Zwecke der vorliegenden Arbeit aber auch nicht erforderlich.

3. Hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts in absehbarer Zeit

Die weiteren Elemente einer aufsichtsrechtlichen Gefahr sind, dass der Eintritt eines relevanten Schadens in absehbarer Zeit hinreichend wahrscheinlich sein muss. Erneut handelt es sich um Tatbestandselemente, die eine normative Bewertung erfordern („hinreichend“, „absehbar“).

Die Einschätzung, ob ein solcher Schaden „hinreichend“ wahrscheinlich ist, ist anhand eines Maßstabs objektivierter Lebenserfahrung vorzunehmen. Sie muss alle relevanten Umstände einbeziehen, also insbesondere die Risikostruktur des betreffenden Finanzinstruments und die Art und die Umstände seines Einsatzes. Bei Anwendung des genannten Maßstabs ist zu fragen, zu welchem Grad der Schaden, der bei Realisierung der mit einer Finanztransaktion verbundenen Risiken eintreten könnte, tatsächlich zu erwarten wäre.692 Hinweise darauf, inwiefern dies der Fall ist, dürften sich insbesondere aus folgenden Gesichtspunkten ergeben können:693

 • Dem Grad der Informationsasymmetrien, die nach den Merkmalen des Finanzinstruments und der Art und den Umständen seines Einsatzes zwischen den Transaktionspartnern bestehen und zu einer Risikoabwälzung führen können.

 • Dem Grad der Hebeleffekte, die sich bei Nutzung des Finanzinstruments ergeben können und der Wahrscheinlichkeit, dass diese Hebeleffekte zu Nachteilen für an der Transaktion nicht beteiligte Dritte führen können.

Ob ein Schaden in „absehbarer“ Zeit eintritt, erfordert eine Einschätzung, wie sich die wirtschaftliche Situation der Transaktionspartner und das Marktumfeld im Laufe des Einsatzes des Finanzinstruments voraussichtlich entwickeln werden, bevor die Finanztransaktion vollständig abgewickelt ist. In diesem Rahmen dürften insbesondere unvorhergesehene Marktschwankungen relevant werden können, aber auch Entwicklungen außerhalb der Finanzmärkte als solchen (z.B. allgemeine Konjunkturschwankungen). Der Zeitraum, innerhalb dessen ein Schadenseintritt „absehbar“ ist, verengt sich dabei, je volatiler und schwerer zu überblicken die Markt- und Wirtschaftsentwicklung ist, also insbesondere in einer Krise.

Auch hinsichtlich der Einschätzung, ob ein etwaiger Schaden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit eintritt, dürfte sich keine eindeutige Grenze bestimmen lassen. Dies gilt um so mehr, wenn man bedenkt, dass sich unter Umständen die Auswirkungen der Risikostruktur eines Instruments und der Art bzw. Umstände seines Einsatzes kaum sachgerecht unterscheiden lassen (z.B. bei exotischen Optionen). Eine Grenzziehung ist hier aber erneut auch nicht erforderlich.

4. Ungehinderter Geschehensablauf

Mit der letzten (negativen) Voraussetzung, dass der abzusehende Geschehensablauf ungehindert sein muss, wird eine Erfolgsprognose verlangt. Hierbei bleiben mögliche alternative Geschehensabläufe, die sich bei Hinzudenken weiterer Einflussfaktoren ergeben könnten, unberücksichtigt.

5. Einschätzungs-/Beurteilungsspielraum (Gesetzgeber/Behörde)

Die Beurteilung, ob ein Gefahrentatbestand vorliegt, der aufsichtsrechtliche Maßnahmen rechtfertigen kann, erfordert nach den vorausgehenden Ausführungen normative Wertungen, in denen nicht zuletzt der Komplexität des Geschehens auf den Finanzmärkten Rechnung zu tragen ist.

Der Gesetzgeber verfügt insofern über eine Einschätzungsprärogative. Er hat die nötigen Wertungen im Gesetz vorweggenommen, etwa indem er den Eingriffszeitpunkt durch entsprechende Normvorgaben nach vorne verlegt hat. Beispielsweise genügt es nach den bestehenden Regelungen, dass Finanzmarktteilnehmer keine ausreichenden Kapitalpuffer aufweisen oder dass sie Derivatetransaktionen nicht über eine Zentrale Gegenpartei ausführen, um den Aufsichtsbehörden die Befugnis zu einem Tätigwerden zu eröffnen. In manchen Fällen räumt der Gesetzgeber aber auch den Aufsichtsbehörden einen Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsebene ein.694 Dies kann dann der Fall sein, wenn das Gesetz konkretisierungsbedürftige Begriffe verwendet. In einem solchen Fall können die zuständigen Behörden kraft einer besonderen Sachkunde das Gesetz in einer Weise, die dem gegebenen Sachverhalt in angemessener Weise Rechnung trägt, anwenden.695

Die Ausgestaltung und Durchsetzung der Regulierung erscheint im Einzelnen abhängig davon, welche rechtspolitischen Annahmen ihr zugrunde liegen. So dürfte sich eine potenzielle Gefahrenlage relativ weitgehend unter der Annahme bejahen lassen, dass die Marktteilnehmer Risiken nach Möglichkeit externalisieren und dass z.B. Moral-hazard-Probleme weit verbreitet sind. Dagegen erscheint regulatorische Zurückhaltung geboten, wenn man die Annahme zugrunde legt, dass die Marktteilnehmer zumindest im Regelfall nur für sie beherrschbare Risiken eingehen wollen und auch Risiken für dritte Marktteilnehmer im Normalfall zumindest nicht anstreben.

669 Z.B. G 20, Declaration at the Summit on financial markets and the world economy, 15. November 2008 (Fn. 593), Tz. 2, Action Plan S. 1ff.; G 20, Leaders, Statement vom 2. April 2009 (Fn. 602), Tz. 14; Leaders, Statement vom 24.–25. September 2009 (Fn. 605), Präambel, Tz. 17; Hauptteil Tz. 10. 670 So Leaders, Statement vom 24.–25. September 2009 (Fn. 605), Hauptteil Tz. 10; G 20 Seoul Summit Document vom 11.-12. November 2010 (Fn. 608), Tz. 27 („reckless and irresponsible risk taking“). 671 So z.B. IOSCO, Risk Identification and Assessment Methodologies for Securities Regulators, FR02/14 Juni 2014; Basel II (Fn. 26), Rz. 10. 672 Erwägungsgründe 1, 11, 15 der VO 575/2013. Makro- und Systemrisiken sollen dabei jedenfalls insoweit relevant sein, wie sich daraus „eine Gefahr für die nationale Finanzstabilität“ ergibt; vgl. Erwägungsgrund 20 der VO 575/2013. 673 Art. 1 Abs. 1 VO 575/2013. 674 Siehe z.B. Art. 17 VO 575/2013 („Risiken, die ihre Finanzlage gefährden“), Art. 320 lit. a und Art. 321 lit. c („Gefährdung durch operationelle Risiken“), Art. 322 Abs. 3 lit. c und Abs. 5 („Gefährdungen“); Art. 181 Abs. 1 lit. h („Möglichkeit unerwarteter Verluste“) und Erwägungsgrund 70 der VO 575/2013 („Gefahr für den Fortbestand des Instituts“). Siehe allerdings auch 458 Abs. 2 VO 575/2013, wo ein konkreter Gefahrentatbestand definiert wird („Erkennt die [...] Behörde Veränderungen der Intensität des Makroaufsichts- oder Systemrisikos mit möglicherweise schweren negativen Auswirkungen auf das Finanzsystem und die Realwirtschaft [...]“). 675 Siehe z.B. Art. 1, 4 Abs. 1, 2, 5 Abs. 1, 2 VO 1024/2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (SSM-Verordnung), ABl. L 287 vom 29. Oktober 2013, S. 63; zu ergänzenden Befugnissen z.B. zur Informationsbeschaffung siehe Art. 9ff. VO 1024/2013; zu Koordinierungsbefugnissen Art. 108 Verordnung 468/2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM-Rahmenverordnung), ABl. L 141 vom 14. Mai 2015, S. 1. 676 Art. 1 Abs. 1 VO 600/2014. 677 Siehe insb. Erwägungsgründe 3ff. (Beseitigung von Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen, Schließung von in der Finanzkrise zutage getretenen Schwachstellen und Lücken hinsichtlich der Transparenz der Märkte); ähnlich insoweit Erwägungsgrund 4 MiFID; ferner insb. Erwägungsgründe 18 (Gefährdung einer „effizienten Kursfestsetzung oder der Schaffung transparenter, gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Handelsformen“), 40 (Gefahr für das „Funktionieren der Märkte“), 46 („Gefahr für den Anlegerschutz, für das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität der Finanzmärkte oder der Warenmärkte oder für die Stabilität des gesamten Finanzsystems“) der VO 600/2014 und 5 der RL 2014/65/EU (Fehlen wirksamer institutsinterner Kontrollen und übermäßige und unvorsichtige Übernahme von Risiken sowie dadurch ausgelöste Systemprobleme). 678 Siehe z.B. Art. 35 Abs. 4 lit. b, Abs. 6 lit. c, 36 Abs. 4 lit. b, Abs. 6 lit. c, 40 Abs. 2, 41 Abs. 2 und 8, 42 Abs. 2, 4 und 7, 45 Abs. 2, 3, 10 VO 600/2014; Art. 9 VO 1095/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission (ESMA-Verordnung), ABl. L 331 vom 15. Dezember 2010, S. 84, und Art. 9 VO 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (EBA-Verordnung), ABl. L 331 vom 15. Dezember 2010, S. 12. 679 Art. 3ff., 31–33, 44ff. VO 600/2014. 680 Art. 1 Abs. 1 VO 648/2012. 681 Erwägungsgrund 1 der VO 648/2012 mit Bezugnahme auf das Fazit des Larosière-Berichts vom 25. Februar 2009 (Fn. 584). 682 Art. 5 Abs. 4 VO 648/2012. 683 Vgl. Art. 4 Abs. 4, Art. 5, 6, 7 Abs. 4–5, 8 Abs. 4–5, Art. 9 Abs. 3–6, Art. 10, 11 Abs. 6–15, Art. 12 VO 648/2012. 684 Art. 14ff., 55ff. VO 648/2012. Weitere Zulassungspflichten bestehen in Bezug auf Datenbereitstellungsdienste, und Veröffentlichungssysteme, siehe Art. 59ff., 64ff. RL 2014/65/EU. Organisatorische Anforderungen bzw. Genehmigungspflichten bestehen ferner für Anbieter konsolidierter Datenticker (CTP) und genehmigte Meldemechanismen (ARM); siehe Art. 65, 66 RL 2014/65/EU. 685 Art. 1 VO 596/2014. 686 Art. 7ff. VO 596/2014. 687 Art. 3 Abs. 1, 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 RL 2014/57/EU. 688 Dazu siehe Schäfer in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Fn. 107), § 6 KWG Rz. 7, 20. 689 Dazu Döhmel in: Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl. 2019, § 6 WpHG Rz. 1, 8, 14ff. 690 BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2004, 6 C 21/03, Rz. 22ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 29. Mai 2008, 11 LC 138/06, Rz. 44; VG Karlsruhe Urteil vom 28. Juni 2010, 3 K 1823/09, Rz. 24; VG Aachen, Urteil vom 24. Augist 2016, 6 K 79/16, Rz. 67 (ständige Rspr.; jeweils zit. nach Juris); siehe auch Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Abschn. D Rz. 39. 691 Vgl. § 1 Abs. 2 PolG NW, § 2 Abs. 2 PolG BW und die entsprechenden Vorschriften in den anderen Polizeigesetzen, wonach die Polizei grundsätzlich nicht zum Schutz privater Rechte tätig wird. Eine Ausnahme stellt es danach dar, wenn zivilrechtlicher Rechtsschutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist. Eine Ausnahme ist es, wenn zivilrechtlicher Rechtsschutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist. 692 Dazu vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017, 6 C 44/16, Rz. 23; BVerwG, Urteil vom 22. März 2012, 3 C 16/11, BVerwGE 142, 205, Rz. 25, 32 (jeweils zit. nach Juris), wonach, abgesehen von den verfügbaren Informationen, auf die Art und Schwere des zu erwartenden Schadens abzustellen ist. 693 Siehe oben Kap. 2.C.II und III (S. 22 und 27). 694 Dazu BVerwG, Urteil vom 22. März 1979, 7 C 33/78, Rz. 14 (versorgungs- und strukturpolitische Aspekte); Urteil vom 2. April 2008, 6 C 17/07, Rz. 14ff. (zu Marktdefinition und -analyse); Urteil vom 23. März 2011, 6 C 6/10, BVerwGE 139, 226, Rz. 27 (Abwägung gegenläufiger öffentlicher und privater Belange); siehe aber auch Hess. VGH, Urteil vom 29. November 2013, 6 A 1293/13, Rz. 45 (kein Beurteilungsspielraum bezüglich Gefährdung der Kontroll- und Aufsichtstätigkeit im Rahmen von Informationszugangsbegehren) (jeweils zit. nach Juris). 695 Vgl. Thiele (Fn. 570), S. 472ff. (speziell für die Finanzaufsicht).

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