Kitabı oku: «Ego - oder das Unglück, ein Mann auf dem Mars zu sein», sayfa 3

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Die Selbstkastration des Major Trippschitz

Im Zustand der Ermattung, die sich wie in jedem kräftezehrenden Beruf in dem eines Qotenmannes gleich nach der Erfüllung der Pflicht einstellt, also geradezu vorhersehbar ist, lässt der Mensch sich gerne gehen. Das Gewissen ist, wie wir sahen, ohnehin ausgeschaltet, aber auch das kritische Über-Ich ist in diesem Fall mattgesetzt, weil zwischen Ego und Ella ein Gefühl aufgekeimt ist, dass die Ermattung zu einer seligen macht. Ego ließ sich also sehr gerne gehen - und diesem Umstand verdanken wir es, dass wir jetzt von der schrecklichen Geschichte Major Trippschitzs erfahren, die auf Geheiß der Holden in den Annalen der Stadt bis heute verschwiegen wird.

Major Trippschitz, ein Gebürtiger aus Gaia, der mit der letzten Rakete und einer Mannschaft von zwanzig anderen Männern im Jahr 13 p. M. ( = 2058 n. Chr.) auf unserem Planeten gelandet war, Major Trippschitz hatte es gewagt. Er wollte einfach so sein wie die anderen, wie all die Frauen, die ihn nach seiner Ankunft auf Marsopolis zwar höflich empfingen, ihn aber gleich zu Beginn wissen ließen, dass er hier nichts zu sagen und eigentlich auch nichts zu suchen habe, weil er nur ein erbärmlicher Macho sei, einer von den vorzeitlichen Patriarchen, die das Menschengeschlecht mit allen Übeln heimgesucht und verdorben hätten.

Der Major, trotz seines militärischen Rangs ein durchaus sensibler Mensch, verfiel daraufhin in eine Schwermut, die mit der Zeit in rasende Verzweiflung überging. In diesem Zustand begann er, sich mit den verschiedensten Instrumenten wie Scheren, Zangen, Nadeln etc. zu ritzen und zu kneifen, bis er in einem Moment dunkler Entschlossenheit, einen Zwirnsfaden um die Hoden legte, wobei er mit einem entschiedenen Ruck die Blutzufuhr schließlich ganz drosselte und sich auf der Stelle in einen Eunuchen verwandelte. Offenbar neigte er schon zuvor zur Gewalttätigkeit, denn ein roter Schmiss, der ihm über die rechte Wange lief, verunstaltete sein Gesicht. Wiederum führte er sich, wenn auch das letzte Mal und glücklicherweise nur gegen sich selbst, als brutaler Macho auf.

Das sollte allerdings der letzte Akt männlicher Gewalttätigkeit sein. Als die Tat ruchbar wurde, war ein allgemeiner Aufruhr die Folge. Die Frauen zerfielen in zwei verfeindete Lager, die einander nicht nur mit allen Argumenten scharfsinniger Logik bekämpften, sondern sehr bald handgreiflich wurden: Sie waren nämlich drauf und dran, mit fanatischer Wut übereinander herzufallen. Das Lager derer, die sich selbst als Heldenverehrer sahen, erhob den Major zu einem Vorbild für alle Männer. Hatte er nicht aus eigener geistiger Kraft seine naturgegebene Minderwertigkeit erfasst und den Versuch unternommen, mit seiner Tat die Erbsünde abzutragen, indem er seiner Männlichkeit aus freien Stücken entsagte? Im Lager der Heldenverehrer waren die Frauen geneigt, Major Trippschitz einen besonderen Rang zu verleihen, nämlich den einer Ehrenfrau.

Was mich betrifft, unterbrach Ego seinen Bericht, so war ich im ersten Augenblick von Major Trippschitzs kühner Tat so begeistert, dass ich mir ebenfalls einen Zwirnsfaden verschaffte und diesen auf mein Nachtkästchen legte. Andererseits ließen mir die Zweifel von Anfang an keine Ruhe. War es denn mit den Eiern wirklich getan? Viel beschämender für den Mann ist doch das Ding, ich meine dieser Schlauch zwischen den Beinen. Die Eier lassen immerhin eine gewisse Symmetrie erkennen, wie sie in der Kunst durchaus beliebt ist, außerdem ist ihnen ein gewisser ausladender Schwung nicht abzusprechen. Das eigentliche Übel ist doch diese Raupe, dieser klägliche Regenwurm in all seiner Missgestalt! Ob ein überlegter Gebrauch des Zwirnfadens, fragte ich mich, nicht auch in diesem Fall Abhilfe schaffen könne?

Nun, um ehrlich zu sein, währten meine Überlegungen nicht sonderlich lange; ich sah mich schon bald genötigt, derartige Hoffnungen für alle Zeit aufzugeben. Die “Holden” vom Fünften und Höchsten Reif, also die gnädige Regierung unserer Holden, hatte sich den Fall Trippschitz nämlich in geheimer Beratung vorgenommen. Kein Wunder, der Aufruhr unter den Frauen hatte die Selbstkastration des Majors über Nacht zu einer Staatsaffäre gemacht. Den Heldenverehrern stand ein durch und durch unnachsichtiges Lager gegenüber: alle jene Frauen – sie nannten sich selbst die “Unerbittlichen” – die absolut nicht mit sich reden ließen. Der Mann, so schrien sie es den Heldenverehrerinnen entgegen, sei grundsätzlich verdorben, ein missratenes Schöpfungsprodukt. Wie soll ein Zwirnsfaden da Abhilfe schaffen?

Wir wissen, dass auch die Holden des Fünften Reifs sich furchtbar gestritten haben; auch sie waren in die beiden Lager zerfallen. Die zweite und dritte Holde wollten dem Trippschitz eine Statue errichten. Der Major wäre dann in Gestalt einer Frau - oder sagen wir besser: fast in der Gestalt einer Frau - verewigt worden. Doch die Erste Holde schüttelte missbilligend ihren Kopf, hob ihre Hand und verkündete das abschließende Urteil. Das sorgte sogleich für allgemeine Überraschung, ja rief anfänglich sogar Bestürzung hervor. Selbst die Unerbittlichen hatten nicht mit solcher Härte gerechnet. Die Erste Holde sprach eine sofortige Verbannung des Majors zu den Köchen in die Unterwelt aus.

Auf die anfängliche Bestürzung folgte nach und nach die Erleichterung. Am Ende fand die Begründung der Ersten Holden sogar die Billigung beider Lager. Die Kastration, so die Erste, sei an sich zu begrüßen. Zweifellos würde sie einen Mann im Hinblick auf seine äußere Gestalt – wenn auch nicht im Hinblick auf seine mindere Intelligenz und Mängel – dem Vorbild der Frauen annähern. Doch dass ein Mann sich selbst zu dieser Tat ermächtigt, ohne zuvor die Holden um eine Vollmacht ersucht zu haben, sei ein unverzeihlicher Akt der Selbst-Herr-lichkeit und stehe somit ganz in der Tradition jenes unseligen Machotums, dem die Frauen mit der Gründung einer jungfräulichen Zivilisation auf dem Mars ein für alle Mal ein Ende bereitet hätten.

Dieser von der Ersten Holden ergangene Urteilsspruch war natürlich auch als Warnung an die wenigen übrigen noch in der Oberwelt geduldeten Quotenmänner gedacht: Zweifellos erklärt sich so seine absichtliche Härte. Mitsamt der ganzen von Gaia mitgebrachten Mannschaft aus zwanzig Leuten wurde Trippschitz für immer in die Schächte der Unterwelt verbannt.

Ich aber, fuhr Ego mit seiner Erzählung fort, habe den Zwirnsfaden umgehend beiseitegelegt, genauer gesagt, habe ich ihn vorsichtshalber verschluckt, um alle verdächtigen Spuren zu tilgen. Trippschitz hatte ein Verbrechen begangen, nach dem Schiedsspruch der Holden war damit aller Zweifel beseitigt.

Gemeinschaftsgut Liebe

Es war spät, sehr spät, als Ego seine Gefährtin endlich verließ – sie ließ ihn kaum ziehen. Die Vorsicht allerdings gebot seinen Aufbruch, denn hätte er bis zum Morgen gewartet, wären die Gänge vor den Waben voller Frauen gewesen, die ihren Geschäften nachgehen, und jede hätte sofort gesehen, welchen Gast sich Ella bis in den Morgen gehalten hatte. Wenn sie schließlich einwilligte, ihn ziehen zu lassen, so mochte dabei auch die Eifersucht im Spiel sein, denn sie wusste ja, eine andere Frau könnte ihm sofort auf die Schulter tupfen, wenn sie ihm draußen begegnete. Um diese Zeit aber gab es keine Frau, es herrschte Ruhe in Marsopolis.

Es fiel beiden schwer, sich voneinander zu trennen, erst als Ego schließlich allein im Halbdunkel der verlassenen Gänge war, die alle konzentrisch auf den Mittelpunkt zustrebten, wurde ihm bewusst, wie sehr er gegen sein Ethos verstoßen hatte. Die großen Philosophen sagen uns doch, flüsterte ihm eine mahnende Stimme zu, dass wir unseren Beruf aus dem Gefühl der Pflicht und nichts als der Pflicht ausüben sollen. Wer dabei Vergnügen verspürt, der liefere sich dem Egoismus aus. Ego war ernstlich verwirrt über das Geschehen dieser Nacht, denn er musste sich eingestehen, dass es ihm Spaß gemacht hatte – das erste Mal in seiner Laufbahn. Damit würde er vor den Augen der großen Philosophen bestimmt keine Gnade finden. In diese wenig tröstlichen Gedanken versunken, strebte er auf den “Nabel” zu – so nennen sie auf Marsopolis den Mittelpunkt ihrer Stadt, der im Erdgeschoss von einer Treppe gebildet wird, die alle nur scheu umrunden, weil sie in die Unterwelt führt, dorthin, wo die Köche wohnen. Über dem Portal der Treppe befindet sich eine Inschrift, die für jeden eine Mahnung ist, sich niemals etwas zuschulden kommen zu lassen, womit er den Holden einen Anlass gäbe, ihn so wie einst Major Trippschitz in diese Hölle der ewigen Finsternis zu verdammen.

Lasciate ogni speranza, voi ch”entrate!

(Nach diesem Tor hört alle Hoffnung auf!)

Steht dort zu lesen. Ego schaute gar nicht mehr hin; diesen Spruch kennt ja ohnehin jeder und jede. Die Drohung über dem Eingang zur Unterwelt erfüllt aber ihren Zweck: Sie sorgt dafür, dass sich auf Marsopolis ganz von selbst die richtige Gesinnung einstellte. Für einen Quotenmann ist es schlicht überlebenswichtig, die richtige Gesinnung zu haben!

Nachdem Ego zum ersten Mal in einem Jahrzehnt pflichtgetreuer Berufserfüllung Vergnügen im Dienst empfunden hatte, war er sich allerdings seiner richtigen Gesinnung nicht länger gewiss. So ist es zu erklären, dass er, obwohl von Müdigkeit gedrückt, sich dennoch vor den kleinen Tisch in seiner Wabe hinsetzte und zu schreiben begann. Er war ja, wir sagten es schon, ein gebildeter Mensch. Unter den Quotenmännern war die Schreibtätigkeit eine gängige Praxis. Da man als geborener Außenseiter unter besonderer Beobachtung stand, tat man gut daran, regelmäßig Zeugnis von der Makellosigkeit der eigenen Gesinnung abzulegen. Gerade jetzt, wo Ego Grund hatte, daran zu zweifeln, war es zweifach geboten, sie unter Beweis zu stellen. Er setzte sich daher so vor das Gewissen hin, (welches in seinem Fall eine doppelt große Kamera war, die er niemals zu verhängen wagte) und legte das von ihm beschriebene Blatt so sorgsam in die Blickrichtung des Geräts, dass jede Zeile von oben gut lesbar war.

Dann begann er:

Es ist ein heiliges Gesetz der Marsgemeinschaft, niemandem einen Vorrang vor anderen zu gewähren. Dieses Gesetz unterscheidet uns von der alten Gaia-Welt, wo sie Ungleichheit und Ungerechtigkeit praktizierten. Wir wissen, dass jeder Mensch gleich ist: Mit Ausnahme der von Natur aus minderwertigen Männchen betritt jedes Kind die Welt mit gleichen Rechten und Pflichten. Daher verdient jeder den gleichen Anteil an Aufmerksamkeit und Liebe, denn nichts kränkt den Menschen so sehr wie deren ungleiche Verteilung. Unsere Pilgermütter, die ersten, die auf dem roten Planeten als Siedler eintrafen, waren von dieser Einsicht so innig durchdrungen, dass sie das Grundgesetz aufstellten, wonach nicht nur Essen und Trinken, nicht nur alle materiellen Objekte, geschwisterlich zwischen ihnen geteilt werden sollen - solche Gemeinschaft haben sie zu Recht als gewöhnlich abgetan, denn sie sei schon unter den Tieren üblich – sondern vor allem und ganz besonders, das kostbarste Gut überhaupt: die Liebe.

In der neuen vollkommenen Welt, auf dem Mars, vollziehen wir auch den letzten entscheidenden Schritt: Wir verpflichten uns, die Liebe zu allen uns umgebenden Menschen auf das Strengste zu teilen, damit niemand davon zu viel oder zu wenig bekommt.

Ego wusste, dass er bis zu diesem Punkt nur Selbstverständlich­keiten vorbrachte, doch wurde es gern gesehen, wenn diese immer erneut bekräftigt wurden. Die Kunst besteht darin, das Gewohnte in immer neue Gewänder zu kleiden, so dass es immer wieder Aufsehen erregt. In dieser Kunst hatte sich Ego von früh auf geübt. Man sah es den Sätzen an, die er nun schrieb. Er wusste, dass er damit Gnade und sogar Gefallen vor den Augen der Holden findet.

Liebe ist ein öffentliches Gut wie Essen und Trinken. Liebe darf niemals Privateigentum sein. Ein Quotenmann kennt nur eine einzige Pflicht: Er muss jederzeit für jede da sein, weil jede ihm gegenüber das gleiche Recht besitzt. So sagt es das Grundgesetz.

In dieser Art schrieb Ego noch zwei weitere Seiten voll, aber wir müssen ihm dabei nicht auf die Finger schauen, zumal wir ja schon begriffen haben, dass er diese Zeilen nur aus Angst vor der Inschrift über dem Eingang zur Unterwelt schrieb. Er wusste ja, dass er in dieser Nacht gegen das Grundgesetz und die Verfassung verstoßen hatte. Ella hätte ihn am liebsten zu ihrem Privateigentum gemacht, und er selbst hatte unglaubliches Vergnügen dabei empfunden - und noch dazu in der Patriarchenstellung, die ihn in den Augen jeder ehrbaren Frau zu einem Schurken machte!

Die Sünde, so sehen wir, gibt keinem Menschen Ruhe, da kann er noch so schöne Aufsätze schreiben, um sich äußerlich reinzuwaschen. Der Leser hat außerdem Grund, Ego, den Quotenmann, aufgrund dieser nächtlichen Schreibübung für einen scheinheiligen Moralapostel zu halten.

Nun, dieses Urteil scheint mir denn doch etwas zu streng zu sein. Angesichts der Umstände sollten wir Milde walten lassen. Es ist nun einmal ein Faktum, dass selbst die Frauen der fortschrittlichsten aller bisherigen Zivilisationen den Ziel- und Endpunkt der humanen Entwicklung noch nicht erreichten. Wenn Ella bei dem Gedanken, ihren nächtlichen Gespielen mit anderen Frauen zu teilen, großen Widerwillen empfand, also in den uralten Irrtum des Privateigentums fiel, dann nicht aus innerer Böswilligkeit, sondern einfach, weil es ihr noch an letzter Vollkommenheit fehlte. Und wenn andererseits Ego, statt den Beischlaf rein pflichtgemäß zu vollziehen, dabei zum ersten Mal ungeahntes Vergnügen empfand, dann gewiss nicht aus plötzlich aufschießender Verderbtheit, sondern weil er, als er damals von den Genies mit männlichen Genen in einer Petrischale angesetzt worden war, eben doch nicht ganz perfekt programmiert worden war.

Gewiss haben beide, Ego wie Ella, gegen die Verfassung der Stadt verstoßen. Da gibt es nichts zu beschönigen. Aber sie taten es, weil die Menschen selbst hier auf dem Mars noch nicht am Ende ihrer Entwicklung angelangt sind. Das Ideal des vollkommenen Teilens und der perfekten Pflichterfüllung steht immer noch unerreicht vor den Menschen. So ist es eben leider nach wie vor unerlässlich, das Gewissen hin und wieder schamhaft mit einem Stück Tuch zu verhängen. Es sollte möglichst dunkel sein!

Ein betäubendes Getränk, die Genies und das Reich der Frauen

Der Jahrestag der glorreichen Revolution fällt jeweils auf den Ersten Mai des soundsovielten Jahres nach MM (Beginn des Matriarchats auf dem Mars oder 2045 n. Chr.). Fünf Jahre zuvor hatte sich Marsopolis von Gaia unabhängig erklärt (5 v. MM). Aus der Gaia-Kolonie war ein unabhängiger Staat geworden, der aber weiterhin unter der Herrschaft der Männer stand. Diesem Zustand setzte erst die “Revolution der Holden” ein Ende; erst sie löste uns endgültig von einer Vergangenheit aus Aberglaube und Unterdrückung. Dieser größte Tag in der Geschichte des Mars wurde Jahr um Jahr vor dem “Felsen des kosmischen Lichts” gefeiert.

Ich nehme an, dass dieses grandiose Naturspektakel noch nicht in sämtlichen Winkeln des Alls bekannt ist. Selbst der gebildete Leser auf einer unserer vielen bewohnten Planetenkugeln jenseits unseres Sonnensystems kann daher nicht unbedingt wissen, was ihn an diesem Felsen erwartet. Von den sieben Weltwundern auf Gaia hat er sicher gehört. Als dessen größtes gelten verschiedene Steinhaufen in Ägypten, die sie Pyramiden nennen, weil sie wie zugespitzte Zahnstocher meilenweit in den Himmel ragen. Ein anderes Weltwunder war die Arche Noah: ein bescheidener Holzkahn, dessen Passagiere aber nicht einmal Menschen, sondern fast ausschließlich Tiere waren. Auf dem roten Planeten gibt es zwar nur ein einziges Wunder, aber das ist, wie ich meine, allen Wundern sämtlicher übrigen Himmelskörper haushoch überlegen. Es sind die grünen Niagarafälle, oder, wie sie bei uns offiziell genannt werden, die “Quellen des Himmlischen Lichts”.

Etwa eine Stunde vor Anbruch der Dunkelheit machte sich Ella mit ihrem Gefährten Ego auf den Weg. Dieser saß neben ihr auf dem Beifahrersitz. Wie alle an diesem Tag festlich bewegten Menschen dachte er voller Bewunderung an die Großartigkeit des epochalen Ereignisses im Jahre Null der Revolution, mit der die eigentliche Geschichte des roten Planeten überhaupt erst begann. Damals hatte es einen Umsturz gegeben, welcher die alte Ordnung von einem Tag auf den anderen vom Mann auf die Frau, von Böse auf Gut, von Ver-kommen auf Voll-kommen umgepolt hatte, denn, wie ich schon sagte, herrschten die ersten fünf Jahre der Unabhängigkeit zunächst noch die Männer auf dem Mars.

Ego war zu dieser Zeit noch nicht geboren, deren Wildheit und rohes Wesen hat er deshalb nicht am eigenen Leib erlitten, aber aus vielen eifrig studierten Quellen wusste er, dass die furchtbaren Zustände auf Gaia unverändert nach Marsopolis transplantiert worden waren. Die Stadt auf dem Mars war ein Patriarchat, eine Diktatur bärtiger, muskelprotzender, schlürfender, saufender, hurender und meistens grölender Männer. Vom Ersten bis Fünften Reif, also überall in der Stadt, diente die Frau dem Mann nicht nur als Arbeitstier, sondern natürlich auch als stets verfügbares Lustobjekt, so wie es auf Gaia schon immer gewesen war, nämlich schon seit der Zeit, als der Mensch sich aus dem Affen entwickelte.

So wäre es wohl auch geblieben, hätten die Frauen nicht großartige Verbündete an ihrer Seite gehabt. Glücklicherweise gibt es nämlich zwei Arten von Männern. Da ist einmal der “homo communis”, oder wie frau ihn hier verachtungsvoll nennt, der Koch: ein grobschlächtiges, brutales, bisweilen sehr schlaues, aber stets rücksichtslos auf den eigenen Vorteil bedachtes Wesen. Dieser Mann war der eigentliche Feind und Schrecken der Frauen. Doch neben ihm - und von homo communis zutiefst verachtet - existiert noch eine eigene höchst merkwürdige Variante des männlichen Geschlechts, nämlich die so genannten Genies, die, wie ihr Name besagt, über außerordentliche Fähigkeiten geistiger Art verfügen, den Frauen aber durchaus nicht gefährlich werden, weil sie physisch zerbrechlich und in der Regel derart behindert sind, dass sie ohne Hilfe nicht überleben können.

Die Genies verdanken ihre Existenz bekanntlich dem Watson-Effekt – einer merkwürdigen genetischen Verirrung, über die später noch zu reden sein wird. An dieser Stelle sei nur hervorgehoben, dass die zerbrechlichen, aber meist mit außerordentlichen Fähigkeiten begabten Autisten in der Geschichte unserer Stadt eine hervorragende Rolle spielten. Im alles entscheidenden Moment der Revolution haben sie sich nämlich gegen ihre Geschlechtsgenossen auf die Seite der Frauen gestellt. Deswegen bekleiden sie in Marsopolis auch einen ganz besonderen Rang.

Die Revolution aber hat sich auf folgende Weise ereignet: Auf einem der vielen unter dem Patriarchat üblichen barbarischen Feste, bei dem die Männer die Frauen zusammen trieben, um ihre Begierden in wüsten Ausschweifungen zu stillen, wurden sie von den Genies überlistet. Genauer gesagt, haben diese die Bierkrüge mit einem von ihnen ersonnenen Zusatz vergiftet und auf diese Weise “die Köche” betäubt, woraufhin diese in einen Zustand der Wehrlosigkeit fielen. Diesen einzigartigen Moment nützten die Frauen, um die Barbaren in die Unterwelt zu verschleppen, die schon zuvor als Gefängnis diente. So war der Herrschaft der Männer von einem Moment auf den anderen das lang herbeigesehnte Ende gesetzt!

Seit diesem Tage nannte man die Genies auch die Gründerväter, denn mit diesem denkwürdigen Tag beginnt die Geschichte der Frau auf dem Mars und das Geschick des Menschen nahm eine andere Wendung. Die wenigen Männer, die jetzt noch geduldet wurden, waren nicht länger gebürtig, sie krochen nicht einfach mehr ungeplant aus dem Bauch von Frauen, die sich bei der Geburt in Schmerzen winden mussten, sondern wurden nach wissenschaftlichen Grundsätzen von den Genies entworfen und in eigenen Laboratorien (oben im Vierten Reif) hergestellt. Der Leser weiß bereits, dass Ego eines dieser nach streng wissenschaftlichen Maßstäben entworfenen Männchen war.

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