Kitabı oku: «Definitheit im Deutschen und im Chinesischen», sayfa 4

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2.4.2.2 Definitheit als Familiarität/Identifizierbarkeit

Die Familiaritätstheorie der Definitheit geht auf Christopherson (1939) zurück. Nach ihm signalisiert der definite Artikel, dass dem Hörer der intendierte Referent der NP bekannt ist (1939:28), dagegen ist der indefinite Artikel neutral in Bezug auf Familiarität. Unter Familiarität versteht er:

The article the brings it about that to the potential meaning (the idea) of the word is attached a certain association with previously acquired knowledge, by which it can be inferred that only one definite individual is meant. (1939:72).

Mit „previously acquired knowledge“ ist gemeint, dass der Referent im Vortext schon erwähnt oder situationell direkt gegeben ist. Der Hörer kann auch indirekt mit dem Referenten der definiten NP vertraut sein: „It may be something else that one is familiar with, but between this ‘something’ and the thing denoted there must then be an unambiguous relation.“ (1939:73). Das betrifft nämlich den assoziativ-anaphorischen Gebrauch: Wenn man über ein bestimmtes Buch redet, kann man sagen: The author is unknown. Hier wird der definite Artikel verwendet, obwohl der Hörer nur mit dem Buch, nicht aber mit dessen Autor vertraut ist. Aber es ist allgemein bekannt, dass jedes Buch einen Autor hat. Die Beziehung zwischen Buch und Autor ist so eindeutig, dass die Referentenbestimmung gesichert wird. Christophersen (1939:73) weist darauf hin, dass die Vertrautheit mit dem relevanten Objekt nicht sehr hoch sein muss. Es würde ausreichen, wenn der Hörer weiß, dass ein bestimmtes Objekt gemeint ist.

Das Problem der Familiaritätstheorie besteht darin, dass sie nur für einen Teilbereich definiter NPn adäquat ist, und zwar gilt sie nur für den anaphorischen und den situationellen Gebrauch des definiten Artikels. Sie eignet sich jedoch nicht für die NPn, die bereits bei ihrer Ersterwähnung definit sind. Aus diesem Grund behaupten einige Sprachwissenschaftler (Searle 1969, Halliday & Hasan 1976:71, Du Bois 1980:208, Bisle-Müller 1991:26–34, Gundel et al. 1993, Lambrecht 1994:77–92, Lyons 1999:5–7), dass Definitheit nicht auf Familiarität zurückführt, sondern auf den allgemeineren Begriff der Identifizierbarkeit:

The idea is that the use of the definite article directs the hearer to the referent of the noun phrase by signalling that he is in a position to identify it. This view of definiteness does not altogether reject familiarity. Rather, familiarity, where it is present, is what enables the hearer to identify the referent. (Lyons 1999:6)

Der Hörer muss mit den Referenten nicht vertraut sein, sondern kann aufgrund von Angaben aus dem sprachlichen oder dem außersprachlichen Kontext die Identität des Referenten herausfinden. Der Ansatz der Identifizierbarkeit scheint eine stärkere Erklärungsfähigkeit zu besitzen.

Lyons (1999) fasst die wichtigsten Definitheitstheorien zusammen und gibt einen Rückblick auf ihre Entstehung und Entwicklung. Dabei stellt er fest, dass Identifizierbarkeit und Inklusivität die zwei wichtigsten Konzepte der Definitheitsforschung darstellen: Fast alle Ansätze gehen von einem der beiden Konzepte aus und entwickeln daraus neue Perspektiven. Aber nach ihm kann keine der beiden theoretischen Positionen allein eine adäquate Erklärung für die Verwendungen des definiten Artikels liefern. Es gibt Fälle, die nur mit einer der beiden zu erklären sind. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass es keinen Beleg dafür gibt, dass Identifizierbarkeit und Inklusivität zwei unterschiedliche Eigenschaften sind. Es gibt nämlich keine Sprache, in der Identifizierbarkeit und Inklusivität durch unterschiedliche lexikalische Mittel kodiert sind. Deswegen ist er dafür, dass Definitheit eine einheitliche Kategorie darstellt. Aber bevor ich auf seine endgültige Lösung komme, möchte ich zuerst die Fälle besprechen, die nach Lyons nicht mit Identifizierbarkeit erklärt werden können.

Lyons (1999:9f) verweist auf drei Verwendungsweisen des definiten Artikels, die nicht auf Identifizierbarkeit zurückführen, nämlich nicht-spezifische definite NPn (86a und b), definite NPn, die Adjektive im Superlativ enthalten, Ordinalzahlen oder semantisch vereindeutigende Adjektiven (87a-c) sowie assoziativ-anaphorisch gebrauchte NPn (88) (Fettdruck im Original):


Die Referenten der definiten NPn in 86a und b können zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt erst festgelegt werden, sie sind deswegen zur Äußerungszeit weder für den Hörer noch für den Sprecher identifizierbar. Aber sie sind unikal, und zwar wird ein einzelner Gewinner oder ein einzelner männlicher Begleiter impliziert. Deswegen ist hier die Inklusivität zutreffend. Das deskriptive Material der NPn in 87 impliziert, dass der Referent unikal ist, deswegen kann hier nur der Artikel verwendet werden, der Unikalität kodiert. Auch die Verwendung des definiten Artikels in 88 lässt sich nicht mit Identifizierbarkeit erklären – „But is it accurate to say that the hearer identifies the referent in any real sense? He still does not know who she is or anything about her.“ (1999:7)

Die Lösung für das Dilemma zwischen Identifizierbarkeit und Inklusivität sieht Lyons darin, Definitheit als eine grammatische Kategorie wie Genus, Tempus, Modus usw. zu betrachten (1999:275). Dabei macht er auf die Unterscheidung zwischen grammatischen Kategorien und ihren semantischen Interpretationen aufmerksam, und zwar sind die ersteren die grammatische Repräsentation der letzteren, aber die beiden stehen nicht in einem Eins-zu-eins-Verhältnis zueinander. Eine grammatische Kategorie kann nämlich mehrere semantische Konzepte repräsentieren, wobei eins davon die prototypische Bedeutung darstellt. Dieses Phänomen ist nicht nur bei Definitheit, sondern auch bei anderen grammatischen Kategorien wie Tempus zu beobachten.

Während gedankliche Konzepte invariant und universal sind, müssen grammatische Kategorien nicht in allen Sprachen gleichmäßig vorhanden sein. Zum Beispiel verfügt das Chinesische über keine morphologische Kasusmarkierung, demgegenüber besitzt Deutsch vielgliedrige Kasussysteme. Lyons nimmt an, dass Definitheit als grammatische Kategorie nur in Sprachen realisiert ist, die overte Definitheitsmarkierungen (z.B. definiten Artikel, Affixe, Klitike usw.) haben.1 Genau aus der Betrachtung der Sprachen ohne overte Definitheitsmarkierung lässt sich festlegen, dass Identifizierbarkeit die prototypische Bedeutung von Definitheit darstellt:

It appears that in these languages with no definiteness marking it is, as an element of discourse organisation, to do with whether or not a referent is familiar or already established in the discourse – thus identifiability rather than inclusiveness. (1999:278)

Obwohl Definitheit prototypisch Identifizierbarkeit ausdrückt, gibt es Verwendungen ohne Bezug zur Identifizierbarkeit. Das könnte nach Lyons darin liegen, dass die diachrone Grammatikalisierung ein graduelles Prozess ist: Während Identifizierbarkeit zur Definitheit grammatikalisiert, entwickeln sich neue, heute übliche Verwendungsweisen.

Der Begriff Identifizierbarkeit ist schwer zu definieren. Es lässt sich fragen, wie viel Kenntnisse man braucht, um ein Ding zu identifizieren? Zu dieser Frage hat Lyons keine klare Antwort gegeben, sondern nur grob gesagt, dass man den Referenten einer NP identifizieren kann, wenn man weiß, wer er ist, oder etwas über ihn weiß (1999:7). Ein weiterer Versuch einer Definition erfolgt von Du Bois (1980:89): „A reference is counted as identifiable if it identifies an object close enough to satisfy the curiosity of the hearer.“ Lambrecht (1994:84) macht darauf aufmerksam, dass Definitheit eine diskrete (grammatische) Kategorie ist, während Identifizierbarkeit eine nicht-diskrete (kognitive) ist. Das heißt, dass NPn entweder definit oder indefinit sein müssen, demgegenüber ist Identifizierbarkeit ein graduelles Phänomen – Referenten können mehr oder weniger identifizierbar sein. Wo die Grenze zwischen definit und indefinit liegt, ist schwer zu bestimmen. Zudem kann es je nach Sprachen unterschiedlich sein. Dadurch wird erklärt, warum ein und derselbe Referent in einer Sprache als definit, in anderen Sprachen dagegen als indefinit markiert wird (s. Abschnitt 3.1).

2.5 Fazit

In diesem Kapitel wurden die in der Literatur bisher erörterten Ansätze diskutiert und es wurde versucht, die Beziehung zwischen den vier verwandten Begriffen darzulegen. Die folgende Grafik vermittelt einen Überblick:

Abbildung 1:

Beziehungen zwischen den Begriffen Referentialität, Generizität und Spezifizität

Referenz

Unter Referenz verstehe ich in Anlehnung an Lehmann (2015) die Operation, die eine Entität im Redeuniversum durch einen Ausdruck in einem Text evoziert. Ein sprachlicher Ausdruck referiert nicht auf einen Gegenstand in der physikalischen Welt (Denotat), sondern auf mentale Objekte im Redeuniversum (Referent). Ob Referenten realexistente Objekte (Denotat) repräsentieren, ist für die Struktur und Bedeutung sprachlicher Äußerungen und Systeme irrelevant.

NPn, die keinen Diskursreferenten etablieren, werden als nicht-referentiell bezeichnet. Dazu gehören vor allem prädikative NPn ohne definite Determinative sowie inkorporierte NPn. Nicht-referentielle NPn haben gemeinsam, dass sie nicht anaphorisch zugänglich sind. Referentielle NPn können sich entweder auf Arten oder auf partikuläre Objekte beziehen.1

Generizität

Ich schließe mich Krifka et al. (1995) an und betrachte lediglich die NPn, die auf Arten oder Unterarten referieren, als generische NPn. NPn mit indefinitem Artikel in charakterisierenden Sätzen werden dagegen als nicht-spezifisch bezeichnet, weil sie auf ein prototypisches Exemplar einer Art referieren. Anhand der Kriterien, die von Krifka et al. (1995) aufgestellt und in Abschnitt 2.3.1.1 vorgestellt wurden, kann nur ermittelt werden, welche Formen von NPn zur generischen Referenz verwendet werden kann. Ob eine NP tatsächlich generisch zu interpretieren ist, muss aus dem Kontext erschlossen werden. Auf die Lesart können viele Faktoren Einfluss nehmen, wie z.B. Prädikation, Tempus, Modus usw.

Spezifizität

Spezifizität ist eine Eigenschaft der partikulären NPn. Der Kontrast spezifisch/nicht-spezifisch ist vor allem bei indefiniten NPn zu beobachten, aber auch bei definiten NPn. Es wurden zwei Grundtypen von Spezifizität vorgestellt, nämlich die skopale und die epistemische Spezifizität. Bei skopaler Spezifizität geht es darum, dass NPn gegenüber einem Operator weiten oder engen Skopus annehmen können. Bei epistemischer Spezifizität kommt es darauf an, ob der Sprecher einen bestimmten Referenten im Sinn hat. Das Konzept, das den beiden Subtypen von Spezifizität zugrunde liegt, ist die referentielle Stabilität, und zwar ist die Referenz einer nicht-spezifischen NP abhängig von der sprachlichen Umgebung, die einer spezifischen NP hingegen nicht. Es gibt vor allem zwei Kriterien, die spezifische NPn von nicht-spezifischen unterscheiden: Erstens, die spezifische Lesart kann durch Ausdrücke wie ein bestimmter näher spezifiziert werden, die nicht-spezifische dagegen durch irgendein oder ein beliebiger. Zweitens können nicht-spezifische NPn nicht mit einem anaphorischen Pronomen wieder aufgenommen werden, außer wenn das Pronomen in einem modalen Kontext steht.

Definitheit

Bei der Definition von Definitheit folge ich Lyons (1999), und zwar aus folgenden Überlegungen: Erstens scheint es unmöglich zu sein, alle Gebrauchsweisen des definiten Artikels auf ein einziges Konzept zurückzuführen. Das findet bei Lyons eine naheliegende Erklärung. Zweitens unterscheidet er zwischen grammatischen Kategorien und pragmatischen Konzepten, die durch grammatische Kategorien sprachlich realisiert werden. Damit wird die Frage beantwortet, ob Definitheit in Sprachen ohne Artikel vorhanden ist. Drittens unterscheidet sich die Inklusivitätstheorie von Hawkins nach meiner Ansicht nicht wesentlich von der Identifizierbarkeitstheorie. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass der Hörer nach Hawkins statt des intendierten Referenten ein „shared set“ identifizieren soll, innerhalb dessen der Referent existiert und zugleich der einzige ist, der unter die Beschreibung der NP fällt.2 Ein „shared set“ ist nichts anderes als das von Sprecher und Hörer geteilte Wissen, das nach Hawkins vor allem aus vier Quellen stammt. Bisle-Müller (1991:29) weist mit Recht darauf hin, „dass Hawkins den Schauplatz der Auseinandersetzung nur verschoben hat“.

Nach Lyons (1999) ist Definitheit eine grammatische Kategorie. Sie repräsentiert mehrere semantische Konzepte, wobei Identifizierbarkeit die prototypische Bedeutung darstellt. Definitheit als grammatische Kategorie ist nur in Sprachen realisiert, die overte Definitheitsmarkierungen haben. Außerdem kann die Grenze zwischen definit und indefinit je nach Sprachen unterschiedlich sein, weil Identifizierbarkeit ein graduelles Phänomen ist.

Obwohl in dieser Arbeit zwischen Definitheit als grammatische Kategorie und Identifizierbarkeit als semantisches Konzept unterschieden wird, verwende ich die beiden Begriffe im Folgenden als Synonyme. Wenn eine Unterscheidung erforderlich ist, mache ich darauf explizit aufmerksam.

3 Definitheit im Deutschen

In diesem Kapitel kommen unterschiedliche Formen von definiten und indefiniten NPn im Deutschen in den Blick. Wie in Abschnitt 2.4 erwähnt, stellen NPn mit definitem oder indefinitem Artikel in Artikelsprachen die prototypischen Beispiele für definite und indefinite NPn dar. Es ist aber gängiger, Pronomen, Eigennamen, NPn mit Demonstrativa, Possessiva sowie mit manchen Quantoren (alle, jeder) auch als definite NPn zu bezeichnen, während artikellose NPn (Plural- oder Massennomen) sowie manche quantifizierten NPn (manche, einige usw.) als indefinit angesehen werden. Sie teilen mit NPn mit definitem/indefinitem Artikel die Eigenschaft, dass ihre Referenten nach Annahme des Sprechers für den Hörer identifizierbar/nicht-identifizierbar sind.1

Personalpronomen und Eigennamen sind in der traditionellen Grammatik als inhärent definit aufgefasst, und zwar tragen sie eine Art Identifizierungsmerkmal in sich. Dagegen wird Definitheit bei NPn mit nominalem Kern im Deutschen immer durch lexikalische Mittel markiert, nämlich durch definite Determinative, die in vier Unterklassen eingeteilt werden können (Prince 1992:299, Zifonun et al. 1997:33, Birner & Ward 1998:114):

 Definiter Artikel: der/das/die

 Demonstrativdeterminative: dies-, jen-, und betontes dér; derjenige, derselbe

 Possessivdeterminative: mein-, dein-, sein-, unser-, euer-, ihr-

 Allquantifizierende Determinative: all, jeder usw.

Im Gegensatz dazu wird Indefinitheit einer NP im Deutschen nicht durch die Präsenz von bestimmten Determinativen hervorgerufen. NPn, die nicht als definit markiert werden, sind per Default indefinit. Dies gilt z.B. für Massennomen und zählbare Nomen im Plural. Daraus ist zu schließen, dass der indefinite Artikel die Eigenschaft „Indefinitheit“ nur indirekt signalisiert (Lyons 1999:33–41, Blühdorn 2008:308).

3.1 Definiter Artikel

Für den definiten Artikel liegt schon eine systematische Klassifikation der Gebrauchskontexte vor, die von Hawkins (1978) zuerst für das Englische entwickelt wurde. Das Konzept wurde von Vater (1984:34–38) aufs Deutsche übertragen und ist bis heute von zentraler Bedeutung. Im Gebrauch des definiten Artikels weisen verschiedene Sprachen viele Gemeinsamkeiten auf, allerdings sind auch Unterschiede erkennbar. Diese Unterschiede zeigen sich vor allem in Ausdrücken, die bereits mehr oder minder fest lexikalisiert sind:


Die NP Tango in 89 referiert nicht auf ein bestimmtes Individuum, sondern bildet zusammen mit dem Verb ein komplexes Prädikat. Wie in Abschnitt 2.1.1 erwähnt, erfüllen Artikel bei nicht-referentiellen NPn keine semantisch-pragmatische Funktion. Ein weiterer Unterschied betrifft geographische Namen (Länder, Straßen usw.) und zeitliche Begriffe (Wochentage, Monatsname und Jahreszeit):


Ein dritter Unterschied ist darin zu sehen, dass Abstrakta im Deutschen wahlweise mit dem definiten Artikel verbunden werden, während sie im Englischen ohne Artikel auftreten:


Die Unterschiede bei der Verwendung des definiten Artikels könnten darin begründet sein, dass Identifizierbarkeit ein graduelles Phänomen ist. Die Grenze zwischen definit und indefinit ist relativ willkürlich und schwankt von Sprache zu Sprache.

3.2 Demonstrativdeterminativ

Das Demonstrativdeterminativ wird als eine von mehreren Möglichkeiten zur Herstellung von Definitheit behandelt. Es teilt mit dem definiten Artikel die Eigenschaft, dass es die Identifizierbarkeit des intendierten Referenten für den Hörer signalisiert. Identifizierbarkeit ist jedoch nur ein Teil der Bedeutung des Demonstrativums.

Im Deutschen werden gewöhnlich dies-, jen- und betontes der als Demonstrativa betrachtet. Der Status von betontem der ist umstritten: Einerseits ist der funktionale Unterschied zwischen der und dieser ungeklärt, andererseits zweifeln manche Sprachwissenschaftler daran, ob Betonung bei der Unterscheidung zwischen Demonstrativum und definitem Artikel eine Rolle spielt und ob es ein eigenes Demonstrativum der gibt, das sich vom definiten Artikel unterscheidet (Bisle-Müller 1991:62–66., Himmelmann 1997: 50–55).1 Das distale jen- wird im heutigen Deutsch sehr selten gebraucht. Es wird überwiegend in der Schriftsprache benutzt, auch dort findet es nur eine sehr begrenzte Verwendung. Am häufigsten kommt jen- vor etablierenden Relativsätzen vor, außerdem kann es in direktem Kontrast zu dies- stehen, wenn auf zwei nacheinander genannte Gegenstände oder Personen Bezug genommen werden soll (Himmelmann 1997:49f.). Dies- wird im Deutschen als Prototyp von Demonstrativa angesehen. Es wird sowohl in der Umgangssprache als auch in schriftlichen Produktionen fast nur adnominal verwendet, pronominal kommt es nur im gehobenen Stil vor (Himmelmann 1996:206). In der vorliegenden Arbeit konzentriere ich mich nur auf das adnominale dies-, das die wesentlich häufigere Verweisform im Deutschen darstellt (Ahrenholz 2007:25).

3.2.1 Gebrauchskontexte von Demonstrativa

In Himmelmann 1996 wird die Verwendung von (hauptsächlich) adnominalem dies- in gesprochenen narrativen Texten aus fünf Sprachen (Englisch, Ik, Nunggubuzu, Tagalog und Indonesisch) untersucht. Er stellt die Hypothese auf, dass Demonstrativa in allen Sprachen mindestens vier Gebrauchsweisen erlauben, nämlich situativen, diskursdeiktischen, anaphorischen sowie anamnestischen Gebrauch.1 Ahrenholz (2007:179) schließt sich dieser Unterteilung für seine Untersuchung von Demonstrativa im gesprochenen Deutsch explizit an. Je nach Wissensbeständen, auf die Bezug genommen wird, unterscheidet er zwischen Verwendungen mit Bezugnahmen auf den situativen Kontext, mit Bezugnahmen auf den sprachlichen Kontext und mit Bezugnahmen auf spezifisches gemeinsames Wissen von Sprecher und Hörer. Dabei entsprechen die erste und die letzte Verwendung jeweils dem situativen und dem anamnestischen Gebrauch bei Himmelmann, die zweite dem anaphorischen und dem diskursdeiktischen Gebrauch. Im Unterschied zu Himmelmann untergliedert Ahrenholz die Verwendung mit Bezugnahmen auf den sprachlichen Kontext in drei Gebrauchsweisen, nämlich anaphorischem, anadeiktischem und diskursdeiktischem Gebrauch.

Im Folgenden werden die Ausführungen von Himmelmann (1996, 1997) vorgestellt und um die Angaben bei Ahrenholz (2007) ergänzt. Es ist anzumerken, dass diese Gebrauchsweisen nicht immer eindeutig voneinander abgegrenzt werden können, dazwischen gibt es fließende Übergänge und Überlappungen. (Wenn nicht anders vermerkt, stammen alle Beispiele in 3.2.1 aus Himmelmann 1997, Fettdruck und Unterstreichung im Original.)

Der situative Gebrauch ist vor allem durch zwei Merkmale charakterisiert: Zum einen ist im situativen Gebrauch ein deiktisches Zentrum (die Origo) erkennbar, das in der Regel vom Sprecher eingenommen wird. Zum anderen dient situativer Gebrauch normalerweise dazu, einen Referenten ins Redeuniversum einzuführen. Bei dem situativen Gebrauch im engeren Sinne wird auf „einen in der aktuellen Äußerungssituation konkret anwesenden, physisch wahrnehmbaren Referenten“ verwiesen (Himmelmann 1997:82f.). Außerdem fasst Himmelmann Textdeixis im Sinne von Ehlich (1979) und Deixis am Phantasma im Sinne von Bühler (1934:121ff) auch als situativ auf.2 Zu Textdeixis gehören Verweis auf Textsegmente (92b) sowie der Selbstverweis (92c). Temporaldeiktische Verwendungen, die sich auf einen den Sprechmoment umschließenden Zeitraum beziehen (92d), werden auch dem situativen Gebrauch zugeordnet.


Als Diskursdeixis bezeichnet Himmelmann (1997:83f.) den Verweis auf Propositionen oder Sachverhalte. Ein zentrales Kennzeichen dieser Gebrauchsweise ist, dass das Diskurssegment, auf das verwiesen wird, beliebig groß ist. Mit Demonstrativa kann auf einen Ausdruck, eine Prädikation, beliebig viele Prädikationen oder einen ganzen Text verwiesen werden. Wichtig ist, dass der Verweis unmittelbar im Anschluss an das Diskurssegment erfolgen muss. Ein Verweis auf ein weiter entferntes Segment ist nur mit Zusatz weiterer Attribute möglich, wie z.B. davor erwähnt, vorhin usw. Somit sind alle dazwischenliegenden Segmente in den Verweis eingeschlossen. Auch die Zeitangaben, die sich auf ein zuvor erwähntes Geschehen beziehen, werden von Himmelmann in diese Kategorie eingeordnet.


Außerdem weist er darauf hin, dass eine Abgrenzung zwischen Diskursdeixis und Textdeixis nicht immer so einfach ist. Der Unterschied zwischen den beiden besteht darin, dass der eigentliche Referent bei der Diskursdeixis nicht das Textsegment, sondern ein Sachverhalt oder eine Proposition ist. Das Textsegment ist nur das Demonstratum.

Die anaphorische Gebrauchsweise wird in Himmelmann 1996 als Referenzverfolgung (engl. tracking use) bezeichnet:

[…] tracking use, which involves reference to entities (usually major participants) already established in the universe of discourse during the preceding interaction and serves to help the hearer in keeping track of what is happening to whom. (1996:240)

Der anaphorische Gebrauch ist in mündlichen narrativen Texten eher selten und wird von Himmelmann deswegen nur am Rande erforscht.

Unter den Verwendungen, die von Himmelmann als anaphorischer Gebrauch bezeichnet werden, unterscheidet Ahrenholz (2007:73) weiter zwischen anaphorischer und anadeiktischer Gebrauchsweise. Als anaphorisch bezeichnet Ahrenholz nur solche Verwendungen, in denen Bezug auf Referenten genommen wird, die in der letzten Äußerungseinheit etabliert sind. Kennzeichnend für den anaphorischen Gebrauch ist bei Ahrenholz (2007:186) vor allem die Kontinuität der Referenz, da Referenzerhalt vorliegt; außerdem orientiert dies- den Hörer auf ein bestimmtes Objekt, das von ähnlichen, für den Kontext in Frage kommenden Objekten abgegrenzt wird. Dagegen wird der sprachbezogene Verweis auf Referenten, die in einiger Distanz im vorgängigen Diskurs etabliert sind, unter dem Label anadeiktisch zusammengefasst. Hier erfolgt eine Wiederaufnahme oder Bündelung referentieller Bezüge, die der Neufokussierung und Orientierung des Hörers dient. Auch hier erfüllt dies- die Funktion, das fragliche Objekt gegen andere, vergleichbare Objekte abzugrenzen (Ausführliches s. 2007:40f.). Es ist erwähnenswert, dass die anaphorische Verwendungsweise (im Sinne von Himmelmann) in den Daten von Ahrenholz (2007:355f) umfassend belegt wird. Besonders der anadeiktische Gebrauch scheint sehr wichtig zu sein, und zwar wird dies-+N häufig in argumentativen Diskurs verwendet, um weiter zurückliegende Aussagen wieder zu reaktivieren.

Nach Himmelmann stellt der anamnestische Gebrauch von dies- eine besonders typische und häufige Verwendung in der gesprochenen Sprache dar. In dieser Verwendungsweise wird der intendierte Referent wie im situativen Gebrauch zum ersten Mal erwähnt, ist aber im Unterschied dazu nicht in der unmittelbaren Äußerungssituation wahrnehmbar. Hier signalisiert dies-, dass spezifisches, eventuell nur von den an der konkreten Kommunikationshandlung Teilnehmenden geteiltes Wissen für die Referentenidentifikation notwendig ist:

[…] S nimmt an, dass der Referent aufgrund zurückliegender kommunikativer Interaktionen oder eines gemeinsamen Erfahrungshorizonts im von S und H geteilten Redeuniversum ‘vorhanden’ ist. (1997:81)

Das Wissen steht zwar in Verbindung zur Kommunikationssituation, ist aber nicht wie das generelle Weltwissen oder das aktuelle Diskurswissen direkt zugreifbar, sondern muss „als eine Art Kontext zweiten Grades erst aktiviert werden“ (Ahrenholz 2007:197).

Es ist ein zentrales Merkmal des anamnestischen Gebrauchs, dass auf Seiten des Sprechers eine Unsicherheit bestehen kann. Einerseits ist der Sprecher nicht sicher, ob der Hörer wirklich in der Lage ist, das spezifische Wissen zu aktivieren und den Referenten zu identifizieren. Sprachlich schlägt sich diese Unsicherheit dann in Verzögerungsphänomenen (Pausen, Längungen, Wiederholungen usw.), Abbrüchen sowie Rückversicherungspartikeln (ne?, nicht wahr?) nieder. Andererseits kann sich der Sprecher auch unsicher sein, ob die gegebene Kennzeichnung hinreichend oder angemessen ist. Deswegen folgt der NP mit Demonstrativa häufig eine weitere Erläuterung des Gemeinten durch identifizierende oder aktivierende Modifikatoren (Himmelmann 1997:72–82).


In 94a folgt auf der NP diesem Jungen unmittelbar eine lange Pause, und zwar wartet die Erzählerin zwei Sekunden auf eine Rückbestätigung der Hörerin. In 94b dienen Relativsätze dazu, dem Hörer beim Identifizieren bzw. Aktivieren des intendierten Referenten zu helfen.

Nach der empirischen Untersuchung von Ahrenholz zählt der anamnestische Gebrauch jedoch nicht zu den häufigsten Verwendungsformen von dies-. Außerdem sind Markierungen von Unsicherheit bezüglich der Referenz beim anamnestischen Gebrauch meist nicht zu finden.

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