Kitabı oku: «Rebeccas Schüler», sayfa 4

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Ly­dia schau­te Re­bec­ca un­gläu­big an, zog die Stirn in Fal­ten. »Meinst du im Ernst, Tom geht fremd und setzt sich ne­ben sei­nen Sei­ten­sprung? Ein Mann wür­de das doch un­ter al­len Um­stän­den ver­hin­dern und es so aus­se­hen las­sen, als lie­ße sie ihn ab­so­lut kalt.« Ly­dia hielt kurz inne, über­leg­te, ob es nicht doch so sein konn­te, wie Re­bec­ca sag­te.

Schein­bar un­be­ein­druckt von den Wor­ten gab Ly­dia noch mehr De­tails preis: »Wenn es nur die Ge­sprä­che ge­we­sen wä­ren. Am spä­ten Abend wur­de auch ge­tanzt. Die Weih­nachts­fei­er fand in ei­nem grö­ße­ren Saal ei­ner Gast­stät­te statt. An­statt mich zum Tan­zen auf­zu­for­dern, hat er mit De­ni­se ge­tanzt. Die­ses … Flitt­chen … hat sich an ihn her­an­ge­macht! Wie nah sie ihm war und wie sie mit­ein­an­der ge­lacht ha­ben. Erst spä­ter hat er mit mir ge­tanzt, aber weit we­ni­ger zärt­lich und in­nig als mit De­ni­se.«

»Das muss doch aber noch lan­ge nicht hei­ßen, dass die bei­den mit­ein­an­der schla­fen.«

Ly­dia lief eine di­cke Trä­ne die Wan­ge hin­ab, was Re­bec­ca tie­fes Mit­ge­fühl emp­fin­den ließ. »Was soll ich bloß tun, Bec­cy? Ich sehe furcht­bar aus! So un­för­mig. Mei­ne Haa­re sind fet­tig, die Haut ist un­rein.« Ly­dia rieb sich die Stirn, als säße dort ein Teu­fel, den sie ab­schüt­teln woll­te.

»Aber was das Schlimms­te ist: Ich kann nicht mehr mit Tom schla­fen, weil ich mich so un­wohl bei dem Ge­dan­ken füh­le, dass er mich wi­der­lich und ab­sto­ßend fin­det.«

Ly­dia schüt­tel­te re­si­gniert den Kopf, be­vor sie einen letz­ten, be­deu­tungs­schwan­ge­ren Satz aus­sprach: »Ich wünsch­te, ich könn­te mit ihm über al­les re­den.« Re­bec­ca horch­te auf. Bis­her dach­te sie, Tom und Ly­dia wür­den eine durch und durch har­mo­ni­sche Be­zie­hung füh­ren, könn­ten über ihre Ge­füh­le spre­chen und nur sie und Paul wä­ren eine Aus­nah­me.

Ly­dia hielt kurz inne, be­vor sie zer­knirscht und mit ver­heul­tem Ge­sicht sag­te: »Nach der Weih­nachts­fei­er habe ich Tom ge­fragt, ob er sich zu De­ni­se hin­ge­zo­gen fühlt. Er ist dem Ge­spräch aus dem Weg ge­gan­gen. Er hat noch nicht ein­mal ver­sucht zu de­men­tie­ren, ver­stehst du? Die Fra­ge, ob er mit ihr eine Af­fä­re hät­te, hat er nicht ver­neint!«

»Und du schließt dar­aus, dass er die Be­zie­hung zu ihr ver­heim­licht? Viel­leicht kann er es nur nicht ver­ste­hen, dass du ihm so et­was un­ter­stellst. Denn …« Re­bec­ca mach­te eine klei­ne Kunst­pau­se, at­me­te noch ein­mal tief durch, um ih­rer Freun­din Mut zu­zu­spre­chen: »Wie er mit Lea um­geht, das macht doch kein Mann, der sei­ner Fa­mi­lie un­treu wird.«

Ly­dia schau­te Re­bec­ca mit ih­ren gro­ßen, hoch­ro­ten Au­gen an. Dann sag­te sie mit fes­ter Stim­me: »Das ist dei­ne Mei­nung. Ich traue Tom ein Dop­pel­le­ben zu. So spät, wie er manch­mal nach Hau­se kommt, be­fürch­te ich, dass er sich den Sex, den ich ihm schon seit fast ei­nem Drei­vier­tel­jahr ent­zie­he, wo­an­ders sucht.« Sich die­se Tat­sa­che ein­zu­ge­ste­hen, muss­te Ly­dia nicht leicht ge­fal­len sein. Sie be­trach­te­te ihre schla­fen­de Toch­ter. Ohne den Kopf zu he­ben, sag­te sie: »Wenn Tom mich wirk­lich be­trügt, dann wer­de ich …«

Ly­dia kämpf­te wie­der mit den Trä­nen. »Zum Woh­le un­se­rer Toch­ter wür­de ich ihn nicht ver­las­sen. Ich lie­be Tom. Lea braucht einen Va­ter.«

Re­bec­ca rück­te nä­her an ihre Freun­din her­an und pro­tes­tier­te ener­gisch: »Ly­dia, nein! Das kannst du dir nicht ernst­haft auf­er­le­gen wol­len! Dei­ne Toch­ter braucht einen Va­ter, der ehr­lich mit dir ist und kei­nen, der ein Dop­pel­le­ben führt. Du kannst doch nicht den Rest dei­ner Tage un­g­lü­ck­lich sein wol­len!«

Ge­quält press­te sie her­vor: »Und was wird aus dem Le­ben, das wir uns auf­ge­baut ha­ben? Was wird aus dem Haus? Wir be­zah­len es bei­de ab, und das noch auf vie­le Jah­re.« Ge­nau wie sie und Paul!

Re­bec­ca hat­te ge­hofft, Ly­dia von ih­ren ei­ge­nen chao­ti­schen Ge­füh­len er­zäh­len zu kön­nen. Aber das brach­te sie nicht übers Herz. Ihre na­i­ven Emo­ti­o­nen ka­men ihr un­be­deu­tend und ge­ra­de­zu lä­cher­lich vor ge­gen­über der sich an­bah­nen­den Ehe­kri­se ih­rer Freun­de.

»Ly­dia?« Tom stand un­ten im Haus­flur und rief nach sei­ner Frau. Sei­ne Stim­me kam Re­bec­ca mit ei­nem Schlag viel käl­ter vor. Sie be­schloss, Paul dis­kret zu be­fra­gen und ihre Freun­din nicht wei­ter zu be­las­ten. »Ly­dia? Wo seid ihr denn?«, er­tön­te es er­neut. »Ich dach­te, wir woll­ten noch einen Wein zu­sam­men trin­ken?«

»Gleich!«, rief Ly­dia zu­rück.

Sie wisch­te sich mit dem wei­ten Pull­over­är­mel die Trä­nen aus dem Ge­sicht. »Ich sehe ver­heult aus, rich­tig?« Re­bec­ca nick­te. »Geh run­ter und sage Tom, dass die Klei­ne nicht ein­schla­fen will. Ich kom­me nach, so­bald ich mich be­ru­higt habe.« Re­bec­ca nahm Ly­dia fest in den Arm und drück­te sie an ihre Brust, be­vor sie nach un­ten ging.

Tom stand noch im­mer am Trep­pen­auf­gang. »Wo ist Ly­dia?«, frag­te er bei­nah her­risch, als Re­bec­ca das Haus­flur er­reich­te.

»Die Klei­ne schläft nicht ein. Ly­dia muss noch ein Schlaf­lied sin­gen.«

Er setz­te ein skep­ti­sches Ge­sicht auf. »Ko­misch, war­um hat Lea nicht ge­weint? Wenn sie nicht ein­schla­fen kann, weint sie in der Re­gel.« Er er­war­te­te eine Ant­wort.

»Sie … war be­reits ein­ge­schla­fen … und nun ist sie auf­ge­wacht … als du ge­ru­fen hast.«

Ver­wun­dert zog Tom den Kopf nach hin­ten und sag­te lang­sam: »Ver­ste­he.« Dann be­glei­te­te er Re­bec­ca ins Wohn­zim­mer, wo Paul läs­sig auf der grau­en Couch saß.

In­zwi­schen wa­ren die Män­ner zum Wein über­ge­gan­gen. Tom setz­te sich le­ger ne­ben sei­nen Freund, wäh­rend Re­bec­ca et­was ab­seits von Paul Platz nahm. Sie be­ob­ach­te­te die bei­den beim Re­den, wäh­rend sie selbst an ei­nem Glas Weiß­wein nipp­te.

Tom und Paul wa­ren bei­de An­fang Vier­zig. Ly­di­as Mann war et­was schlan­ker als ihr Freund, da­für hat­te Paul mehr Haa­re auf dem Kopf. Bei Tom konn­te sie ers­te grau­me­lier­te Sträh­nen er­ken­nen. Zu­sam­men mit sei­nem Drei­ta­ge­bart ging er als ganz an­sehn­li­cher Mann durch, der si­cher­lich gut bei jün­ge­ren Da­men an­kam. Im An­zug, den er für ge­wöhn­lich auf Ar­beit tra­gen muss­te, mach­te er be­stimmt kei­ne schlech­te Fi­gur.

Wel­che Lieb­schaf­ten er aber vor Ly­dia hat­te, wuss­te Re­bec­ca nicht. Ob er ei­ner Af­fä­re mit sei­ner Se­kre­tä­rin of­fen ge­gen­über­ste­hen wür­de?

»Ach so, Paul. Und dann hat De­ni­se noch ge­sagt, dass sie uns gern mal be­su­chen wür­de. Sie möch­te un­be­dingt mei­ne Toch­ter ken­nen­ler­nen. Sie liebt Kin­der.« Paul nick­te.

Mit welch ei­ner Lei­den­schaft Tom von sei­ner Se­kre­tä­rin sprach! In An­we­sen­heit sei­ner Ehe­frau hät­te er ga­ran­tiert nicht so in­brüns­tig von ihr ge­schwärmt.

Nach ei­ner Vier­tel­stun­de er­schien Ly­dia. Sie setz­te sich wort­los ne­ben Re­bec­ca und schau­te nach un­ten auf den Tep­pich. Nach we­ni­gen Mi­nu­ten sag­te sie: »Ich gehe das Ge­schirr auf­räu­men«, und ver­schwand in der Kü­che.

»Geht es dei­ner Frau nicht gut?«, frag­te Paul, der ja nicht ah­nen konn­te, was für ein Dra­ma sich im obe­ren Stock­werk ab­ge­spielt hat­te.

»Ach was. Ist halt al­les stres­sig mit der Klei­nen.« Re­bec­ca aber dach­te sich ih­ren Teil.

Es war weit nach 21 Uhr, als Re­bec­ca und Paul das Haus von Tom und Ly­dia ver­lie­ßen. Paul war an­ge­trun­ken, wes­halb Re­bec­ca fuhr. Sie be­schäf­tig­te noch im­mer, was ihr ihre Freun­din an­ver­traut hat­te. »Sag mal, was hat dir Tom ei­gent­lich über De­ni­se er­zählt?«

Nach­dem Paul Al­ko­hol ge­trun­ken hat­te, war er deut­lich ge­sprä­chi­ger als sonst. »Nichts wei­ter. Nur, dass sie ir­gend­wann vor­bei­kom­men will, um sei­ne Toch­ter zu se­hen.«

»Ja, das weiß ich, da war ich da­bei«, sag­te Re­bec­ca ge­reizt. »Aber ihr habt doch schon vor­her über sie ge­spro­chen, als Ly­dia und ich oben wa­ren.« Paul über­leg­te kurz.

»Nicht viel. Sie ist sei­ne neue Se­kre­tä­rin. Er hat ein we­nig über ihr Pri­vat­le­ben er­zählt. Wie­so fragst du?«

»Du hast sie doch be­stimmt schon ge­se­hen, oder? Sieht sie gut aus?«

Wie­der zö­ger­te Paul kurz. »Schlecht sieht sie nicht aus. Um die Zwan­zig, ziem­lich durch­trai­niert und mit lan­gen blon­den Haa­ren.«

Re­bec­ca hör­te den an­er­ken­nen­den Un­ter­ton in der Stim­me ih­res Freun­des mit­schwin­gen. »Meinst du, Tom steht auf sie?« Paul gab kei­ne Ant­wort.

Da es zu fins­ter war, konn­te Re­bec­ca auch kei­ne Re­ak­ti­on in sei­nem Ge­sicht er­ken­nen. Die Pau­se dau­er­te ihr zu lan­ge. »Hat dir Tom ir­gend­was ge­sagt? Fin­det er sie gut, wie ver­steht er sich mit ihr?« Wie­der blieb Paul ihr die Ant­wort schul­dig.

Re­bec­ca at­me­te schwer aus.

»Wor­auf willst du denn hin­aus, Bec­cy?«, platz­te es aus ihm her­aus.

Sie lach­te auf. Als ob er das nicht wüss­te! »Traust du Tom zu, dass er Ly­dia be­trügt?«

»Tom soll fremd­ge­hen? Das glau­be ich nicht«, sag­te Paul schnell. Re­bec­ca hör­te trotz­dem einen selt­sa­men Un­ter­ton in sei­ner Stim­me. »Ich mei­ne … Tom ist ein Mann … Er hat mir er­zählt, dass er De­ni­se … Aber er wür­de Ly­dia doch nicht … Nein, ich mei­ne …«

Of­fen­bar wuss­te Paul mehr, als er Re­bec­ca ge­gen­über ein­ge­ste­hen woll­te. Er be­en­de­te das The­ma, in­dem er ein­fach die an­ge­fan­ge­nen Satz­bro­cken nicht mehr fort­s­etz­te. Er schwieg, bis sie zu Hau­se an­ka­men.


Ka­pi­tel 4

Der ein­zi­ge Licht­blick für Re­bec­ca, nach die­sem von schlechtem Sex und Ehe­kri­sen über­schat­te­ten Wo­chen­en­de, be­stand dar­in, Lou wie­der­zu­se­hen.

Es war ein kal­ter Diens­tag­mor­gen mit Mi­nus drei Grad Cel­si­us. Re­bec­ca be­eil­te sich schnell ins Schul­ge­bäu­de zu kom­men. Die Ab­sät­ze ih­rer Stie­fel knall­ten mit schnel­len Schlä­gen über das har­te Kopf­stein­pflas­ter.

Im Foy­er an­ge­kom­men, trau­te sie ih­ren Au­gen nicht: Elou­an saß auf ei­ner der kar­gen Bän­ke. Er trug le­dig­lich einen Pull­over, was be­deu­te­te, dass er da seit ge­rau­mer Zeit saß, wenn er bei die­sen wid­ri­gen Tem­pe­ra­tu­ren sei­ne Ja­cke be­reits los­ge­wor­den war.

Als er Re­bec­ca am Ein­gang ent­deck­te, er­hob er sich und lä­chel­te freund­lich. »Gu­ten Mor­gen, Frau Pe­ters.« Sie schenk­te ihm ein zar­tes Lä­cheln, be­vor sie nah an ihm vor­bei­husch­te und ihr sein ver­trau­ter Duft in die Nase stieg. »Sie sind sehr zei­tig da.«

Re­bec­ca dreh­te sich zu ih­rem Schü­ler um, am Trep­pen­ge­län­der zur ers­ten Eta­ge war­tend. »Das Glei­che könn­te ich dich fra­gen. Was tust du so früh hier?«

Lou lä­chel­te er­neut, schau­te sie mit leicht schrä­gem Kopf an und sag­te: »Ich habe eine ei­ge­ne Woh­nung in der Neu­stadt. Konn­te nicht mehr schla­fen. Hat­te Sehn­sucht nach …« Wie­der grins­te er. Wäh­rend Lou sie ver­schmitzt von der Sei­te mus­ter­te, frag­te sich Re­bec­ca, ob er scham­los mit ihr flir­ten woll­te.

»Hat­te Sehn­sucht nach der Schu­le, nach all den wun­der­ba­ren Men­schen hier …« Re­bec­ca kniff die Au­gen zu­sam­men und zog die Stirn in Fal­ten. War­um sag­te er so selt­sa­me Din­ge? Und wes­halb be­trat er weit vor al­len an­de­ren Schü­lern das Ge­bäu­de?

»Lou, was ist los mit dir?« Er ant­wor­te­te nicht, son­dern dreh­te sich wort­los weg und lief zu sei­ner Bank zu­rück.

Baff von dem merk­wür­di­gen Ver­hal­ten ging Re­bec­ca die Trep­pe zum ers­ten Stock Rich­tung Leh­rer­zim­mer hin­auf, wo­bei sie per­ma­nent an ih­ren Schü­ler dach­te.

Als sie Elou­an zur Deutsch­stun­de wie­der­sah, stand er nach wie vor ne­ben sich, denn er mel­de­te sich über die Ma­ßen, re­de­te aber von Din­gen, die nichts mit dem Un­ter­richts­the­ma oder dem Lern­stoff zu tun hat­ten. Mehr­fach dreh­ten sich die Mit­schü­ler um, schüt­tel­ten mit dem Kopf oder ver­dreh­ten die Au­gen, als er zum Spre­chen an­setz­te.

Lou mach­te un­ge­hin­dert mit sei­ner Mär­chen­stun­de wei­ter: »Wuss­ten Sie«, be­gann er, wäh­rend Re­bec­ca den Mit­schü­lern das Ar­gu­men­ta­ti­ons­sche­ma von Sacht­ex­ten be­greif­lich mach­te, »dass die meis­ten Men­schen sich nie trau­en wür­den, das zu tun, was ich ma­che?«

Sie schau­te auf, be­trach­te­te Lou streng und sag­te un­ter den Au­gen sei­ner Mit­schü­ler scha­rf: »Was um Him­mels wil­len meinst du und was hat das mit un­se­rem The­ma zu tun?«

»Frau Pe­ters, die meis­ten Men­schen zie­hen sich nach ei­ner Nie­der­la­ge in ihr Loch zu­rück. Sie ma­chen sich Vor­wür­fe, dass ihr Le­ben ver­korkst ist. Aber ich weiß es bes­ser. Ich war schon ganz un­ten«, da­bei stand er auf und hock­te sich hin, »und nun ste­he ich ganz oben.« Elou­an mach­te einen eu­pho­ri­schen Sprung in die Luft.

Die Mün­der der Mit­schü­ler stan­den of­fen, man­che lach­ten. Ein fie­ser Kom­men­tar fiel.

Re­bec­ca wuss­te nicht, was sie ant­wor­ten, ge­schwei­ge denn, wie sie re­a­gie­ren und auf den Un­ter­richts­in­halt um­len­ken soll­te.

Sie be­schloss, bei Ge­le­gen­heit in sei­ner Schü­lerak­te zu blät­tern, um mehr über sei­ne Krank­heit zu er­fah­ren. Es war das ers­te Mal, dass sie ih­ren Schü­ler in ei­ner der­ar­ti­gen Ver­fas­sung er­leb­te. Als ob er nicht er selbst wäre.

Nach neun­zig Mi­nu­ten er­tön­te das Klin­gel­zei­chen, das die gro­ße Pau­se ein­läu­te­te. »Lou, war­te mal kurz«, sag­te Re­bec­ca, als die Mit­schü­ler des Zwan­zig­jäh­ri­gen ge­ra­de das Zim­mer ver­lie­ßen. Ali­cia warf einen sor­gen­vol­len Blick zu Elou­an, der be­reits sei­ne Ta­sche ge­schul­tert hat­te und am Lehrer­tisch stand.

In sei­nen blau­en Au­gen wa­ren Schuld­ge­füh­le er­kenn­bar: »Frau Pe­ters, ich weiß, was Sie mir sa­gen möch­ten«, kam er Re­bec­ca zu­vor.

»So?«, frag­te sie und stemm­te die Faust in die Tail­le.

»Ich habe mich falsch ver­hal­ten. Habe Din­ge ge­sagt, die mei­nen Mit­schü­lern und Ih­nen selt­sam vor­ge­kom­men sind.« Zu­min­dest war er in der Lage, sich ehr­lich ein­zu­schät­zen.

»Ja, du hast dich heu­te sehr merk­wür­dig ver­hal­ten. Das ken­ne ich so nicht von dir. Ich mei­ne …« Sie ge­ri­et ins Sto­cken, da sie nicht wuss­te, wie of­fen sie mit ihm spre­chen durf­te. »Du bist ein net­ter, lie­bens­wür­di­ger jun­ger Mann. Du ar­bei­test schön mit, gibst klu­ge Ant­wor­ten. Man kann gu­ten Un­ter­richt mit dir ma­chen. Heu­te aber nicht.«

Elou­an sah be­schämt auf sei­ne Schu­he und wipp­te mit den Fuß­soh­len auf und ab. »Ich …« Sei­ne Lip­pen form­ten Wort­bro­cken, wäh­rend er den Kopf ge­senkt hielt. »Ich weiß nicht …« Auch die­sen Satz brach er ab. Plötz­lich, aus hei­te­rem Him­mel, schluchz­te Lou und di­cke Trä­nen lie­fen ihm die Wan­ge hin­un­ter.

Er wirk­te so zer­brech­lich. Re­bec­ca konn­te nicht er­ken­nen, wel­chen Feh­ler sie ge­macht hat­te oder was Elou­an ernst­lich be­drück­te. »Lou?« Sie trat nah an ihn her­an und leg­te ihre Hand auf sei­nen lin­ken Ober­arm, der durch einen schwa­r­zen Pull­over ver­deckt wur­de. Sanft strei­chel­te sie auf und ab, trös­tend, aber mit dem Ge­fühl, ihn um­ar­men zu müs­sen. Als ob er ihre Ge­dan­ken er­ra­ten hät­te, ließ er sich nach vorn in ihre Arme glei­ten.

Er wein­te, schluchz­te hef­tig, wäh­rend er sei­ne Hän­de fest um ih­ren schlan­ken Kör­per leg­te. Elou­an konn­te nichts mehr sa­gen, wur­de von sei­nen Ge­füh­len über­mannt.

Re­bec­ca ge­noss die Nähe, strei­chel­te für­sorg­lich über den Rü­cken des Zwan­zig­jäh­ri­gen, der nun mit den Hän­den an ih­ren Schul­ter­blät­tern ent­lang­fuhr und dann sanft zu ih­rer Tail­le und Hüf­te nach un­ten wan­der­te.

Ali­cia, die als Letz­te aus dem Raum ge­gan­gen war, hat­te die Tür hin­ter sich zu­ge­wor­fen. Kein Leh­rer, der zu­fäl­lig auf dem Gang vor­bei­kam, konn­te er­ah­nen, was sich im Deut­sch­raum ab­spiel­te.

Die Zeit schien ste­hen­ge­blie­ben zu sein, die Welt stand still. Noch im­mer ruh­te Lou in Re­bec­cas Ar­men. Ihre Hän­de glit­ten zart über sei­nen Rü­cken und Lou be­rühr­te sanft ihre schlan­ke Sil­hou­et­te. Sei­ne Be­rüh­run­gen wa­ren das Lab­sal, das sie ge­braucht hat­te. Sie ge­noss jede Se­kun­de, in der er ihr nahe war und sie ihn be­rüh­ren durf­te. Erst, als er an ih­rem Po an­kam, hör­te er, schein­bar er­schro­cken über die In­ti­mi­tät, die er ihr ge­schenkt hat­te, auf und blick­te Re­bec­ca, die ihn am liebs­ten nicht mehr los­ge­las­sen hät­te, in ihre brau­nen Au­gen.

»Frau Pe­ters«, schluchz­te er. »Ich schä­me mich so.« Sie schüt­tel­te mit­leid­voll den Kopf. »Doch. Ich schä­me mich. Die an­de­ren müs­sen mich für einen ab­so­lu­ten Trot­tel hal­ten!«

»Quatsch, du hat­test einen schlech­ten Tag«, be­ru­hig­te Re­bec­ca.

Nach ei­ner klei­nen Pau­se sag­te Lou lei­se: »Darf ich Sie um et­was bit­ten?« Sie nick­te. »Bit­te er­zäh­len Sie nie­man­dem da­von, dass ich heu­te mei­ne Me­di­ka­men­te nicht ein­ge­nom­men habe. Wür­den Sie das für mich tun? Er­zäh­len Sie bit­te mei­ner Tu­to­rin nichts da­von und auch mei­nen El­tern nicht, ja?« Wel­che Me­di­ka­men­te? Wie­der konn­te Re­bec­ca nur ni­cken, ohne den tie­fe­ren Sinn hin­ter sei­nen Wor­ten zu be­grei­fen.

»War­um hast du die Ta­blet­ten weg­ge­las­sen? Darfst du das?«

Er schüt­tel­te ener­gisch den Kopf. »Nein! Wenn ich sie ver­ges­se, dann er­le­be ich ein Ge­fühl­s­cha­os nach dem an­de­ren. Aber heu­te … Ir­gend­ei­ne in­ne­re Stim­me hat mir ge­sagt, dass ich sie weg­las­sen soll und da habe ich …«

»Ist gut«, fiel sie ihm ins Wort. »Ich ver­spre­che dir, mit nie­man­dem dar­über zu re­den.«

Ihre Wor­te muss­ten eine Er­leich­te­rung für ihn ge­we­sen sein, denn wie­der um­arm­te er Re­bec­ca, dies­mal we­ni­ger zärt­lich; viel­mehr er­füllt von dem Ge­dan­ken, dass da je­mand war, der ihm zu­hör­te und der ihn ver­stand.

Als er sie losließ, sag­te er: »Wenn raus­kommt, dass ich die Ta­blet­ten nicht neh­me, muss ich wie­der bei mei­nen El­tern ein­zie­hen und das möch­te ich auf gar kei­nen Fall, ver­ste­hen Sie?« Ihr knap­pes Lä­cheln reich­te ihm. »Ich dan­ke Ih­nen Frau Pe­ters. Sie sind ein gu­ter Mensch.«

Ob­wohl es Re­bec­ca nicht durf­te, sag­te sie aus dem Bauch her­aus: »Geh nach Hau­se, egal wel­che Stun­den du heu­te noch hast.«

»Dan­ke«, ant­wor­te­te er lei­se, be­vor er mit Trä­nen im Ge­sicht das Klas­sen­zim­mer ver­ließ. Vor dem Raus­ge­hen lä­chel­te er sie noch ein­mal sanft an.

Re­bec­ca frag­te sich, wie sie die chao­ti­schen Ge­füh­le in ih­rem In­ne­ren ver­a­r­bei­ten soll­te – zu­mal nach dem Ge­spräch mit Lou heu­te. Mit Paul konn­te sie nicht spre­chen, da er je­dem ernst­haf­ten Di­a­log aus dem Weg ging – so­gar, wenn es ihre Be­zie­hung be­traf. Ly­dia mit ih­ren Sor­gen be­hel­li­gen? Das woll­te sie nicht. Schließ­lich hat­te ihre Freun­din ge­nug mit ih­rer Ehe zu tun. Re­bec­ca muss­te ein bes­se­rer Weg ein­fal­len, mit ih­ren Pro­ble­men, die sie be­ruf­lich und pri­vat be­las­te­ten, um­zu­ge­hen.

Zu Hau­se an­ge­kom­men, sin­nie­rend in ih­rem Ar­beits­zim­mer sit­zend, hol­te sie ein ver­gilb­tes Pa­pier aus dem Roll­con­tai­ner ih­res Schreib­tischs her­aus und schrieb:

Diens­tag, den 8. März

Lie­ber Paul,

fragst du dich nicht, wel­chen Sinn un­se­re Be­zie­hung noch hat? Bist du wirk­lich so naiv zu glau­ben, dass wir eine Zu­kunft ha­ben? Ich habe dich ge­liebt. Aber das ist schon lan­ge her. Die Lie­be er­kal­te­te, als du im­mer schweig­sa­mer wur­dest. Als du dich nur noch um das Haus ge­küm­mert und mich ver­nach­läs­sigt hast. Ich war und bin dir nicht mehr wich­tig. Un­se­re Be­zie­hung ist eine Fa­r­ce. Ein Zu­sam­men­le­ben zwei­er Men­schen, die sich nichts mehr zu sa­gen ha­ben.

Wir strei­ten uns we­nig und ich schla­fe mit dir, ob­wohl es mir von Mal zu Mal we­ni­ger Lust be­rei­tet. Ja, ich wün­sche mir eine Fa­mi­lie, ein Haus, Lie­be. Aber ob ich je­mals das in dir sehe, was ich mir er­träu­me, weiß ich nicht. Ich bin mir nicht mehr si­cher, ob es rich­tig ist, das fort­zu­füh­ren, was wir be­gon­nen ha­ben.

Ich weiß nicht, ob ich noch mit dir zu­sam­men sein möch­te, wo ich dich doch im Geis­te be­reits be­trü­ge: wie­der und wie­der, und zwar mit ei­nem mei­ner Schü­ler. Er heißt Elou­an, ist zwan­zig Jah­re alt und geht in die elf­te Klas­se. Ich spü­re Lust, wenn ich an ihn den­ke. Ich füh­le, dass sich da mehr ent­wi­ckeln könn­te. Die Be­zie­hung ist ver­bo­ten, ich darf mich ihm nicht nä­hern und doch ist da et­was zwi­schen uns, das ich nicht er­klä­ren kann.

Ich wün­sche mir Si­cher­heit. Die kannst du mir ge­ben. Was könn­te mir ein so jun­ger Mann schon bie­ten? Ich wün­sche mir vor al­lem Lie­be, Paul. Ver­stehst du? Aber Lie­be ist ein Wort, das dir fremd in den Oh­ren klingt. Du bist dir wich­tig, dann kommt lan­ge nichts und ir­gend­wann kom­me ich.

Ich wünsch­te, ich könn­te of­fen und ehr­lich mei­ne Mei­nung äu­ßern; wünsch­te, ich könn­te dir ins Ge­sicht sa­gen, wie sehr ich mich von dir ver­nach­läs­sigt füh­le, wie un­auf­merk­sam und kalt du bist. Bit­te, Paul, wenn du mich nicht ver­lie­ren willst, dann zei­ge mir, dass ich dir et­was wert bin!

Dei­ne Re­bec­ca

PS: Tom hat eine Af­fä­re mit sei­ner Se­kre­tä­rin De­ni­se. Wo­her ich das weiß? Weib­li­che In­tu­i­ti­on.

Die Wor­te spru­del­ten in Win­desei­le aus Re­bec­ca her­aus. Aber so, wie sie den Brief zu Ende ge­schrie­ben hat­te, be­reu­te sie ihn schon.

Gleich­zei­tig er­leich­ter­te es sie, Paul ihre Ge­füh­le ge­stan­den zu ha­ben, so ver­wir­rend, un­zu­sam­men­hän­gend, wi­der­sprüch­lich sie wa­ren. Und den­noch: Nie wür­de sie den Mut auf­brin­gen, den Brief in die­ser Form zu über­rei­chen.

Sie be­schloss, das Do­ku­ment in das obe­re Schub­fach ih­res Roll­con­tai­ners, der sich un­ter dem Schreib­tisch be­fand, ein­zu­schlie­ßen. Re­bec­ca kram­te nach ei­nem al­ten Brief­um­schlag und steck­te das Pa­pier­stück dort hin­ein. Da­nach schob sie das Schub­fach des Roll­con­tai­ners zu und schloss ihn ab. Ge­füh­le, ein­ge­schlos­sen in einen Roll­con­tai­ner.

Wo­hin mit dem Schlüs­sel? Auf dem Fens­ter­brett stand eine klei­ne Email­le­do­se, auf der zwei in­ein­an­der ver­schlun­ge­ne Her­zen ab­ge­bil­det wa­ren. Paul hat­te sie ihr zum ers­ten Jah­res­tag ge­schenkt. Es er­schien Re­bec­ca pas­send, den Schlüs­sel dort hin­ein­zu­wer­fen. Sie wuss­te, dass er nie auf die Idee kom­men wür­de, in die­se kit­schi­ge Dose zu schau­en.

Re­bec­ca sehn­te das Wie­der­se­hen mit Lou am Don­ners­tag ent­ge­gen. Die ers­ten drei Stun­den hat­te sie mit dem Kunst­un­ter­richt in den un­te­ren Klas­sen­stu­fen ver­bracht.

Nun saß sie am Lehrer­tisch des Deut­sch­raums und sah zu, wie ein Ju­gend­li­cher nach dem an­de­ren in den Kurs­raum ge­schlurft kam. Nur Lou war nicht dar­un­ter. Re­bec­cas Blick ging Rich­tung Tür, in der Hoff­nung, dass Elou­an doch noch auf­tauch­te – er er­schien aber nicht mehr.

In ei­ner ru­hi­gen Mi­nu­te im Un­ter­richt such­te Re­bec­ca das Ge­spräch mit Ali­cia: »Weißt du, was mit Lou ist?«, frag­te sie, am Tisch der Schü­le­rin ste­hend.

»Er war ges­tern auch nicht in der Schu­le. Wir ha­ben nach­mit­tags te­le­fo­niert, da ich ihm die Haus­auf­ga­ben vor­bei­brin­ge. Da mein­te er bloß, dass er sich nicht wohl fühlt.«

Re­bec­ca ver­mu­te­te, dass sei­ne Mit­schü­le­rin nicht ahn­te, wor­an er wirk­lich litt. Si­cher­lich stan­den sein Feh­len und sein Ver­hal­ten am Diens­tag in ei­nem Zu­sam­men­hang. Trau­te er sich nicht mehr, sei­nen Mit­schü­lern ge­gen­über­zu­tre­ten? Schäm­te er sich noch im­mer? Re­bec­ca hät­te am liebs­ten selbst bei ihm an­ge­ru­fen, al­ler­dings woll­te sie sich un­gern in Din­ge ein­mi­schen, die sie nichts an­gin­gen.

Glü­ck­li­cher­wei­se traf sie Hei­di in der nächs­ten Pau­se im Leh­rer­zim­mer. Als Re­bec­ca ihr von Lous Feh­len be­rich­te­te, schau­te die Tu­to­rin ver­wirrt drein. Sie wuss­te nicht, dass ihr Kurs­schü­ler seit ges­tern fehl­te. »Okay, ich rufe mal bei ihm an.« Kur­zer­hand nahm sie ihr Smart­pho­ne aus der Ta­sche und wähl­te eine dar­in ein­ge­spei­cher­te Num­mer.

Nach we­ni­gen Se­kun­den hör­te Re­bec­ca Lous ver­trau­te Stim­me am an­de­ren Ende der Lei­tung. »Elou­an? Hier ist Frau En­ger. Frau Pe­ters steht ne­ben mir. Sie sagt, du fehlst schon seit ges­tern. Geht es dir gut?« Eine kur­ze Pau­se ent­stand. Lou ant­wor­te­te et­was, das Re­bec­ca aber nicht ver­stand. Hei­di nick­te wäh­rend des Ge­sprächs ei­ni­ge Male, dann sag­te sie: »Ist gut. Ku­rier’ dich aus und wir se­hen uns dann nächs­ten Mon­tag wie­der, ja?«

Er­neut ver­strich eine kur­ze Pau­se. Dann leg­te die di­cke, äl­te­re Frau auf und wand­te sich wie­der Re­bec­ca zu. »Elou­an ist er­käl­tet. Mach dir kei­ne Sor­gen, er ist Mon­tag wie­der da.« Sei­ne Lüge zog bei Hei­di, denn sie dreh­te sich un­be­ein­druckt weg.

Wäh­rend Re­bec­ca noch über­leg­te, ob sie ihr die Wahr­heit sa­gen soll­te, ob­wohl sie Lou ver­spro­chen hat­te, es nicht zu tun, wur­de die Tu­to­rin von ei­nem ins Zim­mer tre­ten­den Kol­le­gen an­ge­spro­chen und ihre Auf­merk­sam­keit auf ein neu­es The­ma ge­lenkt.

An die­sem Tag war et­was an­ders. Re­bec­ca woll­te in der Schu­le blei­ben. Sie woll­te er­fah­ren, was mit Lou los war. Sie woll­te end­lich be­grei­fen, was ihn be­schäf­tig­te. Sie woll­te sei­ne Krank­heit durch­drin­gen. Kla­r­heit ha­ben.

Sei­ne Schü­lerak­te soll­te Ge­wiss­heit brin­gen.

Um ihre Neu­gier­de mög­lichst un­auf­fäl­lig zu be­frie­di­gen, ging Re­bec­ca un­ter dem Vor­wand ins Se­kre­ta­ri­at, sich über den Bad Boy ih­rer Klas­se in der Schü­lerak­te be­le­sen zu wol­len. Ein­zig die Se­kre­tä­rin war im Be­sitz des Schlüs­sels für das Ar­chiv, in dem die Ord­ner mit den Schü­lerak­ten la­ger­ten. Frau Schnei­der überg­ab ihr den Schlüs­sel. Auf­ge­regt streb­te sie auf den Raum zu, der sich un­weit vom Se­kre­ta­ri­at be­fand.

In den Schrän­ken stan­den jede Men­ge Ver­zeich­nis­se her­um. Vor­sich­tig zog Re­bec­ca den Ord­ner der Klas­sen­stu­fe 11 her­aus; gleich­zei­tig aber auch den für Klas­se 8, falls die Se­kre­tä­rin um die Ecke schau­te.

Re­bec­ca muss­te eine Wei­le su­chen, bis sie Lous Akte ge­fun­den hat­te. Ne­ben sei­nen No­ten, die er vor mehr als drei Jah­ren ge­sam­melt hat­te, fie­len ihr et­li­che psy­cho­lo­gi­sche Gut­ach­ten in die Hän­de. Sie über­flog die Schrei­ben, die in kom­pli­zier­tem Ärz­te-Deutsch Aus­kunft über sei­nen Ge­sund­heits­zu­stand ga­ben. Im­mer wie­der be­geg­ne­ten ihr Wör­ter wie »ma­nisch«, »de­pres­siv«, »schüch­tern« oder auch »von sich selbst über­zeugt«. Wi­der­sprü­che über Wi­der­sprü­che. Die Me­di­zi­ner, die sich mit Elou­an vor mehr als ei­nem Jahr in ei­ner Spe­zi­al­kli­nik für Kin­der- und Ju­gend­psy­cho­lo­gie aus­ein­an­der­ge­setzt hat­ten, schie­nen ihn gut un­ter die Lupe ge­nom­men zu ha­ben.

Of­fen­bar han­del­te es sich bei Lou tat­säch­lich um einen geis­tig ge­stör­ten Ju­gend­li­chen. Re­bec­ca über­flog ein Pro­to­koll, das die Schul­lei­tung nach ei­nem Ge­spräch mit ihm an­ge­legt hat­te: »re­gel­mä­ßig Ta­blet­ten ein­neh­men«, mur­mel­te sie vor sich hin. Sie soll­ten sei­ne Lau­nen und Stim­mun­gen im Gleich­ge­wicht hal­ten. Dies stell­te die Vor­aus­set­zung da­für dar, dass er al­lein woh­nen und die Schu­le ge­re­gelt be­su­chen konn­te.

Re­bec­ca muss­te schmun­zeln, als sie das Da­tum des Pro­to­kolls wie­der­er­kann­te: Es war je­ner Tag, an dem ihr Lou zum ers­ten Mal im Se­kre­ta­ri­at be­geg­net war. Ihr er­schloss sich nun so ei­ni­ges: War­um er so be­drückt wirk­te, als er aus dem Büro des Di­rek­tors kam, wie­so er ge­weint hat, als er in ih­ren Ar­men lag und wes­halb er nicht woll­te, dass je­mand über die feh­len­de Ta­blet­ten­ein­nah­me Be­scheid wuss­te. Dass er aus­ge­rech­net sie und nicht sei­ne Tu­to­rin in sein Ge­heim­nis ein­ge­weiht hat­te, ehr­te Re­bec­ca zu­tiefst.

Sie hat­te ge­se­hen, was sie se­hen woll­te und wuss­te jetzt, wor­an sie bei ih­rem neu­en Schü­ler war. Sie stell­te bei­de Ak­ten­ord­ner in den Schrank zu­rück, ver­schloss ihn sorg­fäl­tig und gab den Schlüs­sel im Se­kre­ta­ri­at zu­rück.

Er­schöpft schlurf­te sie zu ih­rem Auto. Es war ein lan­ger Tag. Auf dem Park­platz war au­ßer ih­rem Wa­gen noch das Auto ih­res Chefs zu se­hen. Ihr schnee­wei­ßer Audi be­setz­te eine der vie­len Park­lü­cken in­mit­ten gäh­nen­der Lee­re aus As­phalt.

Am Auto an­ge­kom­men, such­te sie nach dem Schlüs­sel. Ein Ge­räusch an der Bei­fahrer­tür. Er­schro­cken schau­te sie auf und sah nie­mand Ge­rin­ge­ren als Lou! Er muss­te die gan­ze Zeit über trotz der Käl­te an der Bei­fahrer­tür ge­hockt ha­ben. An­ders konn­te sie sich nicht er­klä­ren, dass er steif von dort auf­stand.

Re­bec­ca schloss auf, stell­te ihre Schul­ta­sche auf den Rück­sitz und stieg vorn ein. Ihr Schü­ler saß bib­bernd auf dem Bei­fah­rer­sitz. »Was machst du hier, Elou­an?«

»Ich kom­me Mon­tag wie­der in die Schu­le«, sag­te er knapp, ohne Emo­ti­on in der Stim­me.

»Wenn du bis da­hin nicht krank bist«, gab sie schmun­zelnd zu­rück, um ihm ein Grin­sen zu ent­lo­cken. Doch Lous Ge­sicht blieb ver­stei­nert. »Dei­ne Tu­to­rin sagt, du seist er­käl­tet.«

»Das ist ge­lo­gen«, gab er freud­los zur Ant­wort. Er rich­te­te sei­nen Blick stur auf den lee­ren Park­platz. Er schäm­te sich noch im­mer für das, was ge­sche­hen war. »Sie wis­sen es bes­ser. Ich be­dau­e­re, dass ich Ih­nen Diens­tag sol­chen Är­ger ver­ur­sacht habe und dass Sie mei­net­we­gen Ih­ren Un­ter­richt nicht or­dent­lich durch­zie­hen konn­ten. Ich weiß, dass Sie im­mer al­les per­fekt ma­chen wol­len.« Wie gut er sie schon kann­te.

»Ich schä­me mich so, Frau Pe­ters.« Er dreh­te sein Ge­sicht zu Re­bec­ca her­um, so­dass sei­ne blau­en Au­gen un­ge­bremst auf die ih­ri­gen tra­fen.

»Lau­erst du mir des­we­gen bei die­sen Tem­pe­ra­tu­ren an mei­nem Auto auf?«, frag­te sie.

»Die Käl­te in­ter­es­siert mich nicht. Ich woll­te mich bei Ih­nen ent­schul­di­gen.«

»Wie lan­ge war­test du schon auf mich?«

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9783752924428
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