Kitabı oku: «Das Haus in den Dünen», sayfa 2

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»Das hat Schneider auch schon gemacht«, wandte Monika ein.

»Aber nur hier in Wilhelmshaven«, widersprach Trevisan. »Es gibt noch mehr Wehren. Vor allem die Freiwilligen. Wir suchen einen Mann, zwischen achtzehn und vierzig Jahren alt, der zurzeit keinen Job hat und möglicherweise einen dunklen Kleinwagen fährt.«

»Und wo soll ich anfangen?«

»Die Stadtverwaltungen haben doch Listen. Du wirst eben die Computer befragen müssen. Ich helfe euch, sobald wir definitiv wissen, wer der Tote ist und wie er starb.«

*

Und er ließ seinen Sohn durchs Feuer gehen und achtete auf Vogelschreie und Zeichen und hielt Geisterbeschwörer und Zeichendeuter; so tat er viel von dem, was dem Herrn missfiel, um ihn zu erzürnen …

Als er in Richtung des Bontekais schlenderte, dachte er daran, wie die Männer in orangeroten Overalls die Leiche aus dem brennenden Gebäude getragen hatten. Ihn beschlich ein eigenartiges Gefühl, ein flaues und gleichzeitig befriedigtes, ein abstoßendes und zugleich prickelndes, ein erschreckendes und am Ende doch berauschendes Gefühl. Es war lange her, dass er zum letzten Mal dieses unheimliche Kribbeln in der Magengegend empfunden hatte – Jahrzehnte schon. Die reinigende Kraft des Feuers, so wie es geschrieben stand, im großen Buch der Vermächtnisse, von dem ihm Josef so viel erzählt hatte.

Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz und wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod, und ihr Eifer ist fest wie die Hölle. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn …

2

Trevisan nahm den Weg über die Ebertstraße zum Rechtsmedizinischen Institut. Kleinschmidt war schon bei der Arbeit, hatte Fingerabdrücke von der rechten Hand der Leiche abgenommen, sie digitalisiert und das automatische Vergleichsprogramm am Computer gestartet. Spätestens bis zum nächsten Morgen würde das Ergebnis vorliegen. Vorausgesetzt, es lagen identische Prints des Toten im Zentralcomputer des BKA vor. Doktor Mühlbauer, der Chefpathologe, hatte die Obduktion für den Mittag angesetzt. Obwohl ihm bereits der Magen knurrte, ließ Trevisan das Mittagessen ausfallen. Eine Leichenöffnung führte bei ihm immer noch zu einem lästigen Magendruck. Es gab Dinge, an die würde er sich nie gewöhnen.

Das rote Backsteingebäude lag im gleißend hellen Sonnenschein eines herrlichen Sommertages. Ein nahezu wolkenloser Himmel und Temperaturen um die dreißig Grad brachten selbst Trevisan, der gerade aus seinem Urlaub im heißen Griechenland zurückgekehrt war, ins Schwitzen. Nach einem stürmischen und verregneten Frühling war der Sommer nun doch noch ins Wangerland eingekehrt. Trevisan ließ seine dunkle Stoffjacke im Wagen zurück und ging den von Büschen und Sträuchern gesäumten Fußweg entlang.

»Ach, wenn das nicht unser Stammgast der letzten Monate ist«, begrüßte ihn Doktor Mühlbauer, der neben dem Eingang auf einem Gartenstuhl Platz genommen hatte und sein Gesicht der Sonne zuwandte. »Setzen Sie sich ein paar Minuten zu mir und erfreuen Sie sich am Sonnenschein. Ich habe noch zehn Minuten Mittagspause. Vielleicht bekomme ich etwas Farbe, bevor ich mich wieder in meinen dunklen Keller begebe. Waren Sie nicht in Urlaub?«

»In Griechenland, drei Wochen. War eine tolle Zeit. Und vor allem gab es keine Leichen.«

»Ah, Griechenland. Athen, Akropolis, die Ägäis, Kreta, auf den Spuren der Antike«, stöhnte Doktor Mühlbauer. »Da war ich vor zwei Jahren. In diesem Jahr will meine Familie nach Polen.«

»Polen?«, erwiderte Trevisan erstaunt. »Warum Polen?«

»Die Wurzeln der Familie meiner Frau liegen in Masuren. Vor ein paar Monaten lief darüber ein Filmbericht im Fernsehen, jetzt hat sich meine Frau in den Kopf gesetzt, auf den Spuren ihrer Vorfahren zu wandeln. Ausgerechnet jetzt, wo ich den Segelschein gemacht habe.«

Trevisan lächelte. »Und Sie können ihr das nicht ausreden?«

Doktor Mühlbauer erhob sich. »Frauen …!«, bemerkte er abfällig.

Trevisan fröstelte. Der lange, gekachelte Flur, der zu den Obduktionsräumen führte, war ausgefüllt von grellem Neonlicht. Er bemerkte eine Veränderung: Zwei überdimensionale Bilder zierten jetzt die Wand. Abstrakte Kunst in blau-rotem Farbengewirr.

»Hat mir meine Tochter geschenkt«, erklärte der Chefpathologe. »Sie studiert Kunst. Sie meinte, ich solle mir die Schinken in mein Büro hängen. Aber ich denke, hier unten sind sie besser aufgehoben. Und die Toten stören sich nicht daran.«

»Und was sagt Ihre Tochter dazu?«

Mühlbauer zog grinsend den Schlüssel aus seiner Hosentasche. »Gott behüte, wenn sie es erfährt. Aber da kann ich ganz beruhigt sein. Das hier wäre der letzte Ort, an dem sie auftauchen würde. Sie kann nämlich kein Blut sehen.«

Als Trevisan den dunklen Sezierraum betrat, spürte er wieder das beklemmende Gefühl in seiner Magengegend, das ihn von jeher in diesen Räumen begleitete. Vielleicht war es wie das Lampenfieber, vor dem auch erfahrene Schauspieler nach der hundertsten Aufführung nicht gefeit waren. Richtig mulmig wurde es Trevisan erst, als Doktor Mühlbauer in voller Montur im Sezierraum auftauchte und das weiße Laken zurückschlug, unter dem der Tote auf dem Seziertisch lag.

»Viel ist nicht mehr übrig.« Der Doktor betrachtete die Leiche. »Kopf, Oberkörper und die linke Körperhälfte sind verkohlt. Er war offenbar starker Hitze ausgesetzt. Die rechte Körperhälfte ab dem Musculus rectus abdominis ist bis zur Fußspitze angeschwärzt, aber weitestgehend erhalten. Und, für die Polizei sehr hilfreich, auch der rechte Arm weist nur leichte Verbrennungen auf. Wenn Sie mich fragen, dann ist er unter einen brennenden Balken geraten und wurde eingeklemmt.«

»Wir müssen wissen, wodurch er starb«, erklärte Trevisan. »Vielleicht wurde der Brand zur Verschleierung der wahren Todesursache gelegt.«

»Dann wollen wir einmal in die Materie vordringen.« Der Chef­pathologe griff zur Säge.

»Es macht Ihnen wohl nichts aus, wenn ich mich da drüben auf einen Stuhl setze.«

Doktor Mühlbauer schüttelte den Kopf. »Wo die Toiletten sind, brauche ich ja nicht zu sagen.«

Die Autopsie dauerte über eine Stunde. Trevisan vermied allzu tiefe Atemzüge, der Geruch wurde beinahe unerträglich. Als Doktor Mühlbauer die Handschuhe abstreifte, erhob sich Trevisan und eilte zur Tür. »Ich warte draußen.«

»Ja, ja, gehen Sie nur. Ich komme gleich nach. Genießen wir noch etwas die Sonne und befreien wir uns von dem Geruch.«

Als Trevisan durch die gläserne Schwingtür hinaus ins Tageslicht trat, atmete er erst einmal tief durch. Er setzte sich auf einen der Gartenstühle neben dem Treppenaufgang und wartete. Es dauerte nicht lange, bis sich Doktor Mühlbauer mit einem Seufzer auf dem freien Stuhl niederließ.

»Zu neunundneunzig Prozent ein Opfer der Flammen und des Rauches«, sagte er. »Rauchgasvergiftung, Ohnmacht, Verbrennungen, das war der Gang der Dinge. Zwar müssen wir noch auf das toxikologische Gutachten warten, aber es würde mich wundern, wenn sich da eine andere Diagnose einstellt. Nein, Trevisan, Sie können davon ausgehen, dass der Tote ein klassisches Brandopfer ist.«

»Eigentlich habe ich das nicht anders erwartet«, murmelte Trevisan.

»Tut mir leid, dass ich keinen anderen Befund liefern kann«, entschuldigte sich Doktor Mühlbauer. »Ein Projektil oder so etwas hätte vielleicht ein wertvoller Hinweis sein können. In diesem Fall: Fehlanzeige.«

Trevisan seufzte. Es gab neben all den Zufällen und den möglichen Zeugenbeobachtungen im Prinzip zwei Schlüssel zur Lösung eines Falles. Der eine führte über das Opfer selbst, seine Persönlichkeit, seine Geschichte und seine Beziehungen. Der zweite Schlüssel führte über die Tat. Über die Art und Weise der Begehung, über die Vorgehensweise des Täters und über Spuren, die der Täter hinterlassen hatte. Im Fall Basch­witz gab es keine verwertbaren Spuren. Trevisan wusste, dass viel Arbeit vor ihm und seinem Team lag.

*

Monika Sander war der Verzweiflung nahe. Sie saß zusammen mit Anne Jensen im Verwaltungsbüro der Stadtverwaltung.

»Wir haben die Freiwilligen Wehren aus den einzelnen Stadtteilen«, sagte der Sachbearbeiter, »dann kommen da noch die Ha­fen­feuerwehr und einige Werksfeuerwehren hinzu. Wei­ter­hin müssen wir unterscheiden zwischen Mitgliedern und aktiven Wehrmännern. Und vergessen Sie nicht, in den umliegenden Gemeinden sind ebenfalls Frauen und Männer in freiwilligen Verbänden organisiert. Natürlich können wir Ihnen die Listen für Wilhelmshaven besorgen, aber das wird eine Weile dauern. Um die Betriebsfeuerwehren und die Hafenwehr, die Bundeswehreinheiten, die sich mit Brandbekämpfung beschäftigen, und die Freiwilligen Feuerwehren der Um­land­gemeinden müssen Sie sich selbst kümmern, da kann ich leider nicht behilflich sein.«

»Was glauben Sie, wie viele Personen kommen da zusammen?«, fragte Monika.

Der Sachbearbeiter wiegte zögernd den Kopf. »Grob 350 Mann bei den Aktiven, und etwa tausend sonstige Mitglieder. Musikkapellen, Fördervereine, und so weiter. Aus dem Umland, damit meine ich den engen Kreis, kommen wohl noch einmal 250 Mann hinzu. Wenn Sie alle überprüfen müssen, dann haben Sie eine Menge Arbeit vor sich.«

Monika Sander zog ihre Stirn kraus. Mit dieser ungeheuren Zahl hatte sie nicht gerechnet. »Bis wann können Sie mir eine Liste für Wilhelmshaven zusenden?«

Der Sachbearbeiter schaute auf den Kalender, der neben ihm an der Wand hing. »Vor drei, vier Wochen war schon einmal ein Kollege von Ihnen hier. Es müsste noch eine Auflistung im Computer gespeichert sein. Ihr Kollege fragte aber nur nach der Kernstadt. Für eine Gesamtzusammenstellung brauche ich mindestens eine Woche. Wobei ich einen offiziellen Antrag benötige. Ich bin mir nämlich nicht ganz sicher, ob ich die Daten so einfach weitergeben darf.«

»Und wenn es um Totschlag oder Mord geht?«, erwiderte Monika Sander.

»Sie meinen wegen des Toten heute Morgen am Südwestkai?«

Monika Sander nickte.

»Unter uns gesagt, hat dieser Brandstifter bislang nützliche Arbeit geleistet«, flüsterte der Sachbearbeiter. »Verstehen Sie mich nicht falsch, nicht, dass ich die Sache gutheiße – und seit es einen Toten gab, sieht es sowieso ganz anders aus. Aber aus städteplanerischer Sicht war er mitunter ganz hilfreich. Die meisten Gebäude, an denen er sich vergriff, waren von maroder Bausubstanz und hätten früher oder später abgerissen werden müssen. Sie glauben gar nicht, auf welchen Widerstand wir stoßen, wenn wir mit Firmen in Kontakt treten und die Sanierung eines Gebäudes fordern. Plötzlich wird aus einer Ruine wieder ein wertvolles Lagergebäude.«

»Das heißt aber nicht, dass wir auch noch eine Liste der Bediensteten des Rathauses brauchen …?«, unkte Monika.

Abwehrend hob der Verwaltungsbeamte die Hände. »Selbstverständlich nicht. Ich werde Ihnen die Liste baldmöglichst übersenden.«

Monika erhob sich lächelnd und reichte dem Mann die Hand. »Ich verlasse mich auf Sie.«

Sie ging mit Anne zu ihrem Dienstwagen zurück und stieg ein. »Das heißt«, sagte sie, während sie den Gurt anlegte, »dass wir uns noch um die Umlandgemeinden und die Firmen kümmern müssen, die Betriebsfeuerwehren unterhalten. Bei all der Arbeit, die vor uns liegt, hoffe ich nur, dass wir auf dem richtigen Weg sind.«

»Das klingt allerdings nicht nach einer schnellen Lösung«, antwortete Anne.

»Nein, ganz bestimmt nicht. Und wenn wir die Listen haben, müssen wir sie erst auswerten. Viele der aktiven Feuerwehrmänner sind zwischen achtzehn und vierzig Jahre alt. Ich frage mich, ob unser Netz nicht zu grob ist.«

»Also, irgendwie klingt das alles nicht sehr erfolgversprechend«, bemerkte Anne.

»Hast du eine andere Idee?«

*

»Jens Baschwitz, geboren am 2. März 1971 in Cuxhaven, geschieden und seit knapp fünf Jahren wohnsitzlos. Er hat noch Familienangehörige in Emden. Seine Exfrau und zwei Söhne.« Dietmar blätterte die Computerausdrucke durch. »Diebstähle, Beleidigungen, Schlägereien und sogar ein Raub unter Tippelbrüdern.«

»Ein Raubüberfall?«, fragte Till Schreier.

»Er hat gemeinsam mit einem Komplizen vor acht Wochen einen Zechbruder um seine Tageseinnahmen aus der Fußgängerzone erleichtert. Angeblich hatte der Beraubte Schulden bei ihm und der Fall war nicht so ganz eindeutig, weil alle Beteiligten alkoholisiert waren. Deswegen wurde das Verfahren eingestellt. Gesessen hat er auch schon. Von April 1996 bis Juli 1997 verbüßte er eine Freiheitsstrafe wegen wiederholter Körperverletzung. Ein ganz übler Bruder offenbar.«

»Kann das vielleicht ein Motiv sein?«

Dietmar warf die Aufzeichnungen auf den Schreibtisch. »Glaube ich nicht. Ich bin sicher, er ist nur zufällig zum Opfer geworden. Wahrscheinlich war er besoffen und hat gar nicht bemerkt, wie die Bude langsam über ihm abfackelte.«

»Wer war damals der Beraubte, beziehungsweise der Komplize von Baschwitz?«

Dietmar durchsuchte die Papiere auf dem Schreibtisch. »Der Komplize heißt … Moment … hier hab ich’s … Schmitt, ganz einfach Schmitt, Vorname Uwe. Auch so ein Penner, genauso wie der Überfallene. Das Opfer war ein DDRler, Karl Ammann ist sein Name, auch ohne festen Wohnsitz.«

»Die DDR gibt es nicht mehr«, erwiderte Till. »Dann machen wir uns mal auf den Weg.«

»Wohin willst du?«, fragte Dietmar überrascht.

»In die Stadt, in die Fußgängerzone. Heute ist ein schöner Tag, da werden wir schon ein paar von ihnen in den Straßen finden.«

»Du willst wirklich nach den Tippelbrüdern suchen?«

Till verzog genervt das Gesicht. »Natürlich. Wir sollen alle Möglichkeiten ausloten, bevor wir uns allzu schnell auf eine Version stürzen.«

»Aber bei den Pennern …!« Dietmar schüttelte den Kopf. »Da kriegen wir doch nie was raus.«

Till zuckte die Schultern. »Sagen wir mal so: Es kommt im­mer darauf an, wie man fragt.«

*

Hans Kropp schlug die Plane zurück und befestigte den Lederriemen in der Schlaufe der Bordwand. Zufrieden streifte er die Arbeitshandschuhe ab und warf sie in die Fahrgastzelle seines LKW. Es war kurz vor siebzehn Uhr. Die Hitze des Tages trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Dreißig Grad zeigte das Thermometer an der Frachthalle und es war nahezu windstill.

Er kontrollierte noch einmal die Ladepapiere. Dann schwang er sich in seinen Laster und rangierte ihn geschickt in den Schatten des Verwaltungsgebäudes. Für heute hatte er genug. Seine Kehle war ausgetrocknet und sein rotes Muskel­shirt vollgesogen wie ein Schwamm.

Als er hinüber zur Werkstatt schlenderte, befiel ihn ein eigenartiges Gefühl. So, als würden sich die Blicke lauernder Augen in seinen Rücken bohren. Er wandte sich um und schaute über den Betriebshof, doch keine Menschenseele war zu sehen. Wie eine Glocke lag die flirrende Hitze über dem Asphalt und brachte jede Bewegung im Industriegebiet zum Erliegen.

Zögerlich ging er weiter. Bevor er die Werkstatt betrat, blickte er sich noch einmal um, doch niemand war zu sehen.

»Hallo, Hans«, begrüßte ihn der Mechaniker, der in der Werkstatthalle an einem offenen Getriebe arbeitete. »Deine Kiste schon beladen?«

Hans Kropp nickte und ging hinüber zum Waschbecken. »Alles klar.«

»Wenn du von deiner Tour wieder zurück bist, dann ist dein Laster dran. Die Inspektion ist fällig.«

»Das wird eine Weile dauern«, erwiderte Kropp. »Bis Donnerstag in einer Woche werde ich schon brauchen. Der Weg nach Barcelona ist lang.«

Der Mechaniker folgte ihm und wischte seine öligen Finger an einem noch öligeren Lappen ab. »Gehst du ins Stadion?«

»Wenn Barca spielt, dann bin ich dabei, das ist doch klar.«

Neidisch lächelte der Mechaniker. »Das nächste Mal will ich auch mit«, sagte er. »Trinken wir noch ein Bier?«

Kropp schaute auf die Uhr mit dem Pepsi-Cola-Schriftzug, die über dem Waschbecken hing. »Eins geht immer. Ich fahr erst morgen früh.«

Es wurden drei Flaschen, bevor Hans Kropp kurz nach neunzehn Uhr nach Heppens aufbrach. Bevor er in den Wagen stieg, schaute er sich noch einmal um. Das sonderbare Gefühl, das ihn vor einer Stunde draußen im Betriebshof überfallen hatte, war zurückgekehrt.

3

Als Trevisan nach Dienstschluss nach Hause zurückkehrte, ließ er sich erschöpft in den Liegestuhl auf der neu gefliesten Terrasse sinken. Die Temperatur lag noch immer weit über zwanzig Grad, und der Himmel war wolkenlos.

»Was hat er denn, mein kleiner Kommissar?«, begrüßte ihn Angela, die noch ein paar Tage Resturlaub bei ihm verbrachte. »Stress im Büro?«

»Ich dachte, ich hätte es hinter mir«, erwiderte Trevisan. »Aber kaum ist der eine Spinner unter der Erde, taucht schon der Nächste auf.«

Angela lächelte. »Die Welt ist voller Spinner, das solltest du doch am besten wissen.«

Trevisan knöpfte das Hemd auf. »Vielleicht hast du recht, vielleicht ist das Ende der Welt bald in Sicht und alles ist nur noch eine Frage der Zeit. Wie sagte der Fernsehpfarrer unlängst in einem Interview: ›Eine Gesellschaft, die ihre Grundwerte verliert, wird früher oder später untergehen.‹«

»Na, jetzt hörst du dich aber an wie zu den Zeugen Jehovas konvertiert. Die sagen auch jedes Jahr den Weltuntergang voraus.«

»Nein, ich bin nur ein kleiner Kriminalbeamter, der als Erster hautnah den Verfall der Gesellschaft zu spüren bekommt«, erwiderte Trevisan. »Schau dich doch um – immer mehr Verrückte laufen herum. Manchmal denke ich, man kann diese Welt nur noch ertragen, wenn man irgendwo eine Macke hat. Politiker, die sich selbst bedienen und im Gegenzug das Hohelied der Moralapostel singen. Manager, die sich die Taschen füllen und im gleichen Atemzug Betriebe an die Wand fahren. Immer mehr Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, die ihren Frust im Alkohol ertränken. Man muss schon ein bisschen schizophren sein, um das alles noch zu kapieren.«

Angela setzte sich neben ihn und legte ihm zärtlich die Hand auf die Brust. »Und du hast dich jetzt wohl zum Kreuzritter ernannt und bist angetreten, das letzte Stück Paradies auf Erden zu retten?«

»Nein, ich bin angetreten, um einen irren Pyromanen zu finden, der Häuser ansteckt, in denen sich Menschen zum Schlafen niedergelegt haben.«

»Mord?« Ihre Finger fuhren über seine Brusthaare.

»Mord, Totschlag, Zufall, nenne es, wie du willst«, entgegnete Trevisan. »Auf alle Fälle ist der Kerl bibelfest. Zumindest hinterlässt er Zitate aus dem Buch der Bücher.«

»Der Papst kann es nicht sein«, unkte Angela. »Der ist vor ein paar Stunden in Südamerika gelandet.«

»Und wie ist es mit dir?« Trevisan schlang seine Arme um ihre Schultern und zog sie zu sich heran.

»Vielleicht solltet ihr damit warten, bis es dunkel ist.«

Trevisan ließ seine Arme sinken und wandte den Kopf. Paula stand auf der Terrasse und schleckte an einem Eis.

»Ich glaube, Paula hat recht«, sagte er. »Heute Nacht ist noch genug Zeit, um die Welt zu retten. Jetzt habe ich erst einmal Hunger.«

Angela sprang auf. »Verdammt! Jetzt ist die Pizza bestimmt schon schwarz.«

»Und im Anfang war das Feuer«, zitierte Trevisan.

»Das ist, soviel ich weiß, aber nicht aus der Bibel«, rief ihm Angela zu, als sie durch die Terrassentür im Haus verschwand.

»Nein, aber aus einem verdammt guten Film.«

*

»Die Penner wissen zumindest nichts von einem Streit«, sagte Till Schreier. »Aber der Tod von Baschwitz erschüttert sie nur wenig. Ich glaube nicht, dass er viele Freunde hatte. Nach allem, was wir erfahren haben, muss er ein ganz unangenehmer Zeitgenosse gewesen sein.«

»Und diese beiden Wohnsitzlosen?«, fragte Trevisan. »Der Beraubte und der Mittäter?«

»Wie vom Erdboden verschwunden. Die Fahndung läuft.«

»Die sollen sich nach der Geschichte aus Wilhelmshaven verzogen haben«, erläuterte Dietmar, während er seine Hände knetete, damit die Feuchtigkeitscreme einziehen konnte. »Sie sind schon seit Wochen nicht mehr hier gesehen worden.«

»Fakt ist, dass die hiesigen Penner Baschwitz gemieden haben wie die Pest«, ergänzte Till. »Sie machten wegen seiner plötzlichen Gewaltausbrüche einen großen Bogen um ihn.«

»Und ich dachte, man ist schon ganz unten, wenn man seine Arbeit und seine Bleibe verloren hat, aber offenbar kann man immer noch tiefer sinken«, murmelte Trevisan. »Eure Erkenntnisse unterstützen nur die Theorie, dass es mögli­cher­weise doch eine gezielte Tat im Milieu gewesen sein könnte. Wir müssen diese beiden Pennerkollegen, diesen Schmitt und diesen Ammann, ausfindig machen. Ich denke, wir schreiben sie umgehend zur Aufenthaltsermittlung aus.«

Till Schreier erhob sich. »Dann mache ich mich mal an die Arbeit.«

»Und wie läuft es bei euch?«, fragte Trevisan Monika Sander.

»Das wird eine langwierige Sache. Wir sind Schneiders Liste noch einmal durchgegangen. Zusätzlich waren wir inzwi­schen bei zwei Firmen, die eine Betriebsfeuerwehr unterhalten. Wir haben bereits über zwanzig Verdächtige, die ins Muster passen würden.«

»Denkt bitte daran, dass der Kerl zurzeit kein Feuerwehrmann mehr sein muss. Es wäre möglich, dass er rausgeworfen wurde oder aus irgendeinem Frust heraus von selbst gegangen ist.«

»Das haben wir bereits in Erwägung gezogen«, antwortete Monika. »Ich habe um neun einen Termin mit dem Kommandanten der Betriebsfeuerwehr vom Ölhafen. Du könntest mich begleiten, während Anne am Computer das Umfeld unserer Verdächtigen abcheckt.«

»Jetzt, nachdem feststeht, dass der Tote zweifelsfrei dieser Baschwitz ist, habe ich Zeit. Komm bei mir vorbei, wenn du losfährst. Es kann nur sein, dass du ein paar Minuten warten musst, Beck will mit mir reden.«

»Den treibt schon wieder die Angst vor schlechter Publicity an«, witzelte Dietmar Petermann.

»Kann man es ihm verübeln, so kurz nach den Serienmorden im Frühjahr?«, entgegnete Trevisan. »Er steht schließlich in der Verantwortung.«

»Dann könnte er sich doch auch ein paar Namen von unserer Liste vornehmen und überprüfen.«

»Lass mal«, sagte Trevisan mit einem Lächeln. »Ich möchte mich auf das Ergebnis der Überprüfungen schon verlassen können.«

*

»Ah, Trevisan.« Kriminaldirektor Beck erhob sich hinter seinem Schreibtisch. »Gut, dass Sie gekommen sind. Wie kommen Sie voran?«

Beck trug trotz der Hitze im Büro einen grauen Anzug und hatte die Fenster geschlossen. Die Luft schmeckte abgestanden und Trevisan betrat nur unwillig das Zimmer unter dem Dach.

»Wir stecken mitten in den Ermittlungen«, antwortete er und schlenderte zum Stuhl vor Becks Schreibtisch.

»Brauchen Sie noch Leute?«

»Könnte nicht schaden. Alex Uhlenbruch und Tina Harloff sind noch bis Ende der Woche im Urlaub und es stehen eine Menge Überprüfungen an.«

Trevisan spürte, dass die unausgesprochene Befürchtung in der Luft lag, Wilhelmshaven könne erneut von einem Serientäter heimgesucht werden, so wie im Frühsommer des Jahres. Er hatte noch immer die Schlagzeilen vor Augen, die von einer überforderten und unfähigen Polizei berichteten, die der Lage nicht Herr werden konnte.

Auf Becks Stirn zeichnete sich ein dünner Schweißfilm ab. »Wir können uns einen zweiten Amoklauf in unserer Gegend nicht leisten«, sprach er Trevisans Gedanken aus. »Jetzt, wo sich die Touristen in unserem schönen Landstrich aufhalten, müssen wir umsichtig und schnell handeln. Ich habe Schneider und das 3. Fachkommissariat informiert. Er wird euch unterstützen. Die Streifen sind informiert und fahren Sonderschichten in den entlegenen Gebieten. Sie wissen, wie schnell wir wieder eine negative Presse bekommen, wenn es uns nicht gelingt, den Mann zu fassen, bevor er noch weiteres Unheil anrichtet.«

Trevisan schmunzelte. »Schneider hat den Fall schon seit sechs Wochen auf dem Tisch, aber bislang ergab sich noch kein Ansatzpunkt. Wir können auch nicht hexen.«

»Bislang hatte der Brandstifter aber auch nur marode Buden angezündet«, entgegnete Beck. »Jetzt ist ein Mensch zu Schaden gekommen, das ist etwas anderes. Wir müssen den Kontrolldruck und gleichzeitig die Ermittlungsaktivitäten ver­stär­ken, dann werden sich schon Ansatzpunkte ergeben.«

»In der Theorie hört sich alles ganz einfach an«, widersprach Trevisan. »Doch in der Realität hat die Sache einen Haken: Unsere Kunden halten sich nicht an unsere schönen Polizeistrategien, die unsere Cheftheoretiker in ihren feinen Büros entwerfen.«

Beck winkte ab. »Mensch, Trevisan, das weiß ich doch selbst. Ich bin auch nicht von gestern, aber unsere Direktorin lebt nun einmal in ihrer theoretischen Zahlenwelt. Also, machen wir ein paar Aktionen und hoffen darauf, dass uns der Zufall hilft.«

»Ich will damit ja auch nicht sagen, dass Sonderstreifen Blöd­sinn sind. Natürlich erhöhen wir durch mehr Leute auf der Straße die Möglichkeit, dass er uns in die Arme läuft. Ich will bloß nicht, dass der Eindruck entsteht, es wäre ein Kinderspiel. Wir werden Zeit, wir werden Geduld und wir werden ein dickes Fell brauchen, bis wir ihn haben.«

Beck nickte. »Ich weiß, aber ich bezweifele, dass uns genügend Zeit bleibt. Nach diesem verflixten Frühjahr liegen die Nerven einiger Verantwortlicher noch immer blank.«

*

Es war kurz vor Mittag und das Thermometer war auf 28 Grad Celsius geklettert. In den Schwimmbädern am Fliegerdeich lagen die gecremten Körper der Badegäste dicht an dicht.

Trevisan und Monika Sander fuhren über den Friesendamm hinaus zum Heppenser Groden. Der Ölhafen lag direkt an der Küste und die riesigen, weißen Tanks glänzten im Sonnenlicht. Trevisan hatte die Fensterscheibe ein Stück heruntergekurbelt und streckte seine Hand in den Fahrtwind.

»Dein Urlaub muss schön gewesen sein«, sagte Monika und bog in die kleine Straße zum Ölhafen ein. »Man konnte es an deiner Karte merken.«

»Ich wünschte, er hätte nie geendet.« Trevisan seufzte. »Angela übernimmt möglicherweise die Chefredaktion eines neuen Magazins.«

Monika bremste den Wagen vor dem großen Werkstor ab. »Ein neues Magazin?«

»Reisen, Essen, Glamour und Lifestyle«, antwortete Trevisan. »Alles für die Frau aus der gehobenen Schicht. Ein Exklusivmagazin für Neureiche.«

»Und das geht?«

»Die Marketingabteilung des Verlages meint, das ist genau die Marktlücke, die sie bedienen sollten. Ein potentieller Kundenkreis mit viel Geld und viel Freizeit.«

Monika schüttelte den Kopf. »Da gehöre ich nicht dazu. Außer meiner Fernsehzeitung lese ich keine Illustrierten. Ein gutes Buch, das ist schon eher etwas für mich.«

»Krimis?«

»Gott behüte. Davon habe ich genug im Büro.«

Ein Wachmann öffnete das Tor und kam auf sie zu. Tankwagen donnerten auf einer eigens eingerichteten Fahrspur vorbei. Monika Sander öffnete die Seitenscheibe und zeigte ihre Kripomarke. »Wir haben einen Termin bei Herrn Borowski.«

Der Wachmann nickte und erklärte ihr den Weg.

Der Kommandant der Betriebsfeuerwehr war fast zwei Meter groß und hätte einen fabelhaften Ringer abgegeben. Trevisan schätzte ihn auf Anfang fünfzig. Er saß in einem klimatisierten Büro mit Blick auf die riesige Abfüllanlage und trug wider Erwarten keine Uniform, sondern eine kurze Hose und ein grünes T-Shirt mit der Aufschrift Wilhelmshaven, die Perle am Jadebusen.

»Insgesamt sind wir dreißig Mann stark«, erklärte Borowski. »Aber jeder hier hat einen normalen Job. Egal ob Mechaniker, Chemiker, Kontrolleur oder ob man an einem der Befüller arbeitet – wenn es brennt, dann ziehen unsere Leute ihre Montur über und begeben sich unverzüglich an den Einsatzort.«

»Das heißt, es gibt eigentlich keine ausschließlichen Feuerwehrmänner hier in dieser Firma«, folgerte Monika Sander.

»Nicht das, was Sie landläufig unter einer Feuerwehr verstehen«, erklärte der Kommandant. »Im Brandfall ist der Unterschied zu den Freiwilligen Wehren nicht groß. Außer, dass wir ausgesprochene Spezialisten in unseren Reihen haben, wenn es um Ölunfälle oder Gefahrgutunfälle geht. Unsere Ausbildung ist intensiver als bei den Freiwilligen Wehren. Bei uns hat jedes Mitglied einen Atemschutzlehrgang oder ist mit den modernen Brandbekämpfungsmethoden vertraut. Meine Männer fahren den Tanklöschzug oder auch den Leiterwagen. Wir unterstützen oft die örtlichen Wehren bei Großlagen und werden auch in Alarmierungsfällen von der Feuerwehrleitstelle angefordert.«

Monika Sander schaute Trevisan fragend an. »Das heißt aber, jeder Feuerwehrmann hat in der Firma einen festen Job.«

Borowski nickte, und Trevisan fragte: »Haben Sie in den letzten Monaten einen Mann entlassen?«

»Aha, daher weht der Wind«, schmunzelte der Kommandant. »Sie suchen diesen Brandstifter und meinen, es ist ein Feuerwehrmann. Glaubt ihr noch immer an dieses alte Klischee?«

»Immerhin werden über fünfzig Prozent aller Brandstiftungen von …«

»… Feuerwehrmännern begangen, die enttäuscht wurden, weil sie nicht befördert werden oder einfach nur geil auf Feuer sind und gerne mit Blaulicht und Horn durch die Straßen pfeifen«, vervollständigte Borowski Monikas begonnenen Satz. »Bei uns liegen Sie falsch. Für meine Männer lege ich die Hände ins Feuer und Entlassungen gab es schon seit Jahren keine. Wir könnten sogar noch ein paar Leute brauchen, aber vielen ist die Bezahlung zu schlecht, die Arbeit zu schwer und das Stundensoll zu hoch.«

»Wie sind denn die Arbeitszeiten?«

»Wir stehen hier jeden Tag unter Strom«, erklärte der Kommandant und nahm den Schichtplan der vergangenen Tage von der Pinnwand. »Wir fangen mit der ersten Schicht ab fünf Uhr an. Die Männer arbeiten bis drei, die zweite Schicht übernimmt dann bis zweiundzwanzig Uhr. Auch am Wochenende haben wir Sonderschichten laufen, da kommen die Dampfer rein und löschen ihre Ladung. In den letzten Wochen mussten wir wegen des hohen Aufkommens sogar weitere Sonderschichten fahren. Da wird bei uns jeder Mann gebraucht. Da bleibt keine Zeit für Sperenzchen, das können Sie mir glauben.«

Nachdem Trevisan einen Blick auf den Schichtplan der letzten Wochen geworfen hatte, erhob er sich und reichte Borowski die Hand. »Vielen Dank, Sie haben uns sehr geholfen.«

»Und was ist mit der Liste?«, fragte Monika Sander, als sie wieder im Wagen saßen.

Trevisan winkte ab und legte den Gurt an. »Denk an die Zeiten der Brandstiftungen. Die Schichtzeiten decken sich nicht mit unserem Zeitschema. Die Jungs vom Hafen können wir bedenkenlos streichen. Wer steht noch auf deiner Liste?«

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Yaş sınırı:
18+
Litres'teki yayın tarihi:
25 mayıs 2021
Hacim:
392 s. 5 illüstrasyon
ISBN:
9783839265048
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