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3. Ausgewählte Länder und Regionen
A. Norddeutscher Aufbruch (Herzogtum Sachsen)

Kurz vor seinem Tod bestimmt der erste deutsche König Konrad I., der politisch auf ganzer Linie gescheitert ist, seinen erbittertsten Gegner, Herzog Heinrich von Sachsen, zu seinem Nachfolger – ein bewundernswerter Akt menschlicher Größe und politischer Weitsicht, denn Heinrich ist nicht nur der mächtigste aller Stammesherzöge, sondern auch ein außerordentlich fähiger Herrscher (919–936). Mit seiner Wahl verlagert sich der Schwerpunkt der deutschen Geschichte nach Norddeutschland; zugleich beginnt ein jahrzehntelang anhaltender Aufstieg des Reiches, dessen staatlicher Zusammenhalt soeben noch am seidenen Faden gehangen hat.

Der neue König, von gewinnendem Auftreten, tritt sein Amt zu einem Zeitpunkt an, als das Reich – bedrängt von dem westfränkischen Teilreich, den Slawen und vor allem den Ungarn, zugleich innerlich zerstritten – praktisch nicht mehr handlungsfähig ist. Angesichts dieser Situation betreibt Heinrich von Anfang an eine Politik des Augenmaßes, verbunden mit Zielstrebigkeit und Beharrlichkeit. So begnügt er sich zunächst mit einer nominellen Anerkennung durch die Bayern und die Schwaben, ohne allerdings noch vorhandene Reichsrechte in Süddeutschland aufzugeben. 925 gewinnt er in einem günstigen Augenblick die an Westfranken verlorengegangenen Rheinlande zurück. 928/29 erobert er die politischen Zentren der Elb-Oder-Slawen, Brandenburg und Meißen. 933 schlägt er die den Zeitgenossen unüberwindbar scheinenden Ungarn bei Riade an der Unstrut und verschafft damit dem Königtum auch in Süddeutschland Respekt und Anerkennung.

Sein Sohn Otto der Große (936–973) kann seine Politik daher von viel sichererer Basis aus betreiben. Er erobert das gesamte Elb-Oder-Gebiet, vereinigt Deutschland und Italien, beseitigt durch seinen Sieg auf dem Lechfeld (955), an dem alle deutschen Stämme beteiligt sind, endgültig die Ungarngefahr, schafft ein funktionsfähiges Regierungssystem, betreibt Missionspolitik in großem Stil und wird schließlich – in der Nachfolge Karls des Großen und der antiken Cäsaren – zum römischen Kaiser gekrönt (962).

Ganz Norddeutschland hat diese politischen Erfolge der heimischen Dynastie, errungen zum guten Teil mit Kräften des Herzogtums Sachsen, als Aufstieg in schwindelnde Höhen erlebt. Nur gut hundert Jahre zuvor war man in einem der längsten und brutalsten Kriege der europäischen Geschichte von Karl dem Großen niedergeworfen und gewaltsam christianisiert worden. Jetzt treten die Besiegten von damals das Erbe des Siegers an und führen einen der Nachfolgestaaten des karolingischen Großreichs zu neuer Blüte.

Die damals besonders im Norden des Reiches herrschende Aufbruchstimmung geht vor allem aus den Schriften Widukinds von Corvey, Roswithas von Gandersheim und Thietmars von Merseburg hervor. In Roswithas Lebensbeschreibung der Königin Mathilde feiert diese ihren Gemahl Heinrich als Errichter eines Reiches des Friedens und der Freiheit. Die Sachsen genössen „gar hohe Ehren – sie, denen niemals zuvor eine so außerordentliche Vorrangstellung beschieden war. O Deutschland!“, fährt die Autorin fort, „Du einst unter das Joch anderer Völker gebeugt, jetzt aber in kaiserlichem Schmuck, liebe den König … und halte beharrlich fest an dem Wunsch, daß Dir nie ein Regent aus jenem Geschlecht fehlen möge!“

Das Wort „kaiserlich“ trifft in der Sache nicht zu, da Heinrich I. niemals Kaiser war; es kennzeichnet aber die subjektive Einschätzung seiner Herrschaft durch die Zeitgenossen. In vergleichbarer Weise läßt Widukind von Corvey, dem die tatsächlichen Zusammenhänge zweifellos bekannt sind, die deutschen Truppen nach der Ungarnschlacht auf dem Lechfeld König Otto zum „Kaiser“ ausrufen, obgleich er diese Würde erst sieben Jahre später in Rom erhält.

Heinrich fühlt sich noch weitgehend als sächsischer Herzog, während Otto, um sich für seine überregionalen Aufgaben zu entlasten, mit der Inthronisierung Hermann Billungs eine neue Herzogsdynastie begründet. Über die Gemahlin und über eine Tochter Lothars von Supplinburg (König von 1125 bis 1138) verbindet sich die neue Dynastie schließlich mit den Welfen, so daß diese die beiden mächtigsten deutschen Stammesherzogtümer, Bayern und Sachsen, unter ihrer Herrschaft vereinigen und damit erstmals eine starke politische Verklammerung zwischen Nord- und Süddeutschland herbeiführen.


Standbild Herzog Heinrichs des Löwen vor seiner Burg Dankwarderode in Braunschweig

Nachdem Norddeutschland vom ausgehenden 10. bis zur Mitte des 12. Jahrhundert eine eher krisenhafte Entwicklung nimmt (erneuter Vorstoß der Slawen bis zur Elbe, Gegensatz zur salischen Dynastie, staufisch-welfischer Bürgerkrieg), gewinnt es unter dem Welfenherzog Heinrich dem Löwen (1142–1180) wieder nationale und europäische Bedeutung. 1156 erhält Heinrich das im Bürgerkrieg zum größten Teil verlorengegangene Herzogtum Bayern zurückerstattet und wird damit der mit Abstand mächtigste Fürst des Reiches. Dank seiner – zunächst von seinem kaiserlichen Vetter Barbarossa tolerierten – rigorosen Machtpolitik steigt er in der Folgezeit zu einer königsgleichen Stellung auf, die schließlich das Machtgefüge des Reiches zu sprengen droht, so daß sein Sturz im Jahre 1180 aus der Sicht Barbarossas unvermeidlich wird.

Heinrich der Löwe hat den Schwerpunkt seiner Herrschaft stets in Norddeutschland gesehen. Bayern ist für ihn zwar erheblich wichtiger als die ausgedehnten welfischen Besitzungen in Schwaben und Italien, aber letztlich doch ein Nebenland. Das liegt unter anderem daran, daß sich damals gerade im Norden für einen machtbewußten Herrscher beträchtliche politische Chancen eröffnen. Von der soeben in Gang kommenden Ostsiedlung begünstigt und zunächst vom Kaiser unterstützt, betreibt Heinrich eine außerordentlich erfolgreiche Expansionspolitik im Ostseeküstenbereich, von der Kieler Förde bis zum Stettiner Haff. Zugleich stellt er überall im sächsischen Stammesgebiet die herzogliche Macht wieder her, vielfach in skrupellos unbekümmertem Zugriff. Er erwirkt von seinem Vetter das Recht der Bistumseinsetzung, das eigentlich zu den königlichen Befugnissen gehört, und macht davon sowohl im Alt- als auch im Neusiedelland ausgiebigen Gebrauch. Schließlich ist er als Gründer zahlreicher Städte hervorgetreten, von denen manche, allen voran Lübeck und München, eine glänzende Entwicklung genommen haben.

Heinrich der Löwe ist nicht nur in der deutschen, sondern auch in der europäischen Politik hervorgetreten, vor allem als wichtigster Mitstreiter Barbarossas bei dessen Italienfeldzügen. Wiederholt spielt das bayrisch-norddeutsche Lehnsaufgebot des führenden deutschen Fürsten eine entscheidende Rolle bei den Fahrten „über Berg“, so im Jahre 1155, als welfische Truppen die Kaiserkrönung Barbarossas militärisch gegen die Römer absichern. Heinrichs eigene politische Verbindungen reichen von England, dessen König sein Schwiegervater ist, bis Palästina, von Italien, wo die Welfen auf Grund ihrer engen verwandtschaftlichen Bindungen zum Haus d’Este über erheblichen Territorialbesitz verfügen, bis Skandinavien. Auf der Insel Gotland gibt es damals einen „Vogt“ Heinrichs des Löwen, über dessen Funktion wir nichts Näheres wissen. Allein die Tatsache zeigt jedoch, daß der Herzog lange vor der Gründung der Hanse die Möglichkeit erkannt hat, die der Ostseeraum in Verbindung mit der Ostsiedlung bietet. Ein weiterer Beweis ist die massive Förderung, die Lübeck durch Heinrich den Löwen erfährt. Eine Stadt, die eigentlich bereits im Jahre 1143 von einem Lehnsmann des Herzogs, Graf Adolf II. von Holstein, angelegt worden war, jetzt jedoch von Heinrich beansprucht und im Jahre 1158 nach einem Großbrand neu gegründet wird.

Die Wegnahme Lübecks kennzeichnet den politischen Stil des Welfen: Wo elementare Interessen auf dem Spiel stehen, wie hier die wirtschaftlichen Zukunftschancen im Ostseeraum, greift er rücksichtslos zu. Er hat auf diese Weise in der norddeutschen Tiefebene einen „Einheitsstaat“ geschaffen, der in mancherlei Hinsicht das spätere Preußen vorwegnimmt.

Dazwischen liegen sechs Jahrhunderte, in denen der Norden Deutschlands nur eine begrenzte Bedeutung für das überregionale Geschehen hat. Das Ziel der Ottonen, Norddeutschland zum Kerngebiet des Reiches zu machen, ist nicht erreicht worden. Das genaue Gegenteil ist eingetreten: Im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit ist das nördliche Deutschland eine reichsferne Region, territorialpolitisch überdies seit dem Sturz Heinrichs des Löwen heillos zersplittert. Die Fürsten und die Freien Reichsstädte sind sich hier weitgehend selbst überlassen, Reichsorgane und Reichsinstitutionen mit überregionalen Befugnissen fehlen gänzlich, Reichsversammlungen und Reichstage finden woanders statt. Während beispielsweise in Regensburg oder in Nürnberg ein Reichstag nach dem anderen tagt, ist Lübeck, eine der bedeutendsten Reichsstädte und lange Zeit die zweitgrößte Stadt Deutschlands, nur von zwei Kaisern besucht worden, von Barbarossa und von Karl IV. Erst mit dem Aufstieg Preußens zur deutschen Führungsmacht, dem Ausscheiden Österreichs aus dem deutschen Staatenverband und der Gründung des preußisch dominierten Deutschen Reiches im Jahre 1871 verlagert sich der Schwerpunkt der deutschen Geschichte wieder eindeutig nach Norddeutschland.

B. Kirche des Nordens (Erzbistum Hamburg-Bremen)

Im Jahre 831 gründet Ludwig der Fromme, der Sohn Karls des Großen, das Bistum Hamburg, das bereits drei Jahre später zum Erzbistum erhoben wird. Damit ist der jungen Kirche an der nördlichen Peripherie des Reiches ihr Ziel gesetzt: die Gründung weiterer Bistümer im Zuge der Christianisierung Skandinaviens und der slawischen Ostseevölker, deren Siedlungsgebiet sich damals bis zur Linie Kieler Förde – Sachsenwald erstreckt, also fast bis an die Tore Hamburgs heranreicht. Ob allerdings dieses Ziel realisierbar ist, muß in der damaligen Gesamtsituation zunächst als recht fraglich erscheinen.

Das neue Erzbistum ist sehr klein. Es umfaßt lediglich einen Teil des norddeutschen Küstengebiets, darunter das noch weitgehend heidnische Nordelbingen (Holsten-, Dithmarschen- und Stormarngau) im Gebiet zwischen Nordsee, Elbe und Eider. Die nahegelegene Lüneburger Heide gehört bereits zum Bistum Verden und damit zum Erzbistum Mainz, das Emsland zum Münsteraner Sprengel des Kölner Erzstifts.

Der Versuch der Hamburger Erzbischöfe, innerhalb dieses eng bemessenen Bezirks ein größeres weltliches Herrschaftsgebiet zu schaffen, scheitert am Widerstand der Dithmarscher, die ihre germanische Gauverfassung erfolgreich verteidigen, und an den Bremer Bürgern, die ebenfalls ihre politische Unabhängigkeit zu wahren wissen. Nach weiteren Rückschlägen im Binnenland behaupten die Erzbischöfe lediglich das Gebiet zwischen unterer Weser und unterer Elbe als eigenes Territorium.

Das Erzbistum weist darüber hinaus strukturelle Schwächen auf, die wesentlich durch seine geographische Lage bedingt sind. Die Reichsgewalt ist hier im äußersten Norden kaum präsent, die kirchliche Organisation für die gottesdienstliche Versorgung der Bevölkerung unzureichend. Beides gilt vor allem für die küstennahen Gebiete und besonders für Nordelbingen, wo die politische Gewalt bis in das 12. Jahrhundert hinein praktisch bei den autochthonen Gauverbänden liegt. Das Netz der Pfarrkirchen ist hier so weitläufig, daß von einer vollen Christianisierung vor der frühen Stauferzeit keine Rede sein kann.

Auf Grund seiner peripheren Lage und der Schwäche der Reichsgewalt wird das Erzstift im 9., im ausgehenden 10. und im 11. Jahrhundert wiederholt von Normannen und Slawen angegriffen, die jeweils die von ihnen erreichten Kirchen zerstören. Schon um die Mitte des 9. Jahrhunderts muß man den Sitz des Erzstifts von Hamburg, das ebenfalls mehrfach zerstört wird, nach Bremen zurücknehmen.

Der Ratzeburger Dom – eine der schönsten Kirchen im Erzstift Hamburg

Wenn die Hamburger Kirche trotz dieser mehr als ungünstigen Voraussetzungen bei der Heidenmission europäische Bedeutung gewinnen sollte, so verdankt sie dies vor allem dem nie erlahmenden Eifer ihrer Erzbischöfe und der Tatsache, daß sich damals die noch heute bestehenden skandinavischen Nationalstaaten konstituieren, deren Königen das Christentum als geistige Klammer für ihre Staatswesen geeignet erscheint. Der als „Apostel des Nordens“ gefeierte erste Hamburger Erzbischof Ansgar hatte schon 826 als Corveyer Mönch im Auftrag Kaiser Ludwigs des Frommen den dänischen König Harald, der das Christentum angenommen hatte, in dessen Land begleitet, um dort die Mission in Gang zu bringen. Er scheitert jedoch ebenso wie bei verschiedenen Missionsreisen, die er während seines Pontifikats unternimmt. Noch behauptet sich sowohl in Skandinavien als auch im Slawenland das Heidentum.

Erst mit dem Erstarken der Reichsgewalt im 10. Jahrhundert setzt eine günstigere Entwicklung für das Erzstift ein. Otto der Große gründet im Jahre 947 die Bistümer Schleswig, Ripen und Aarhus und unterstellt sie dem Erzbistum Hamburg-Bremen, dessen kirchliches Hoheitsgebiet sich damit nach Norden ausweitet. Bemerkenswert erscheint dabei, daß alle drei Bischofssitze außerhalb des deutschen Herrschaftsgebietes liegen. Ein weiteres damals gegründetes, ebenfalls Hamburg-Bremen unterstelltes Bistum, Oldenburg in Holstein, fällt 983 dem großen Slawenaufstand zum Opfer.

Der Durchbruch wird dann unter Erzbischof Adalbert erzielt, der das Pontifikat von 1043 bis 1072 bekleidet und zu den mächtigsten Männern des Reiches zählt, insbesondere zur Zeit seiner Vormundschaft über den jungen König Heinrich IV. Aus einem angesehenen Grafengeschlecht stammend, tatkräftig und politisch begabt, nimmt er die Nordeuropamission erneut in Angriff und erzielt dabei beachtliche Erfolge, über die wir durch die „Hamburger Kirchengeschichte“ seines Zeitgenossen Adam von Bremen gut unterrichtet sind.

1053 erhält er vom Papst als „Legat des Nordens“ die kirchliche Oberherrschaft über ganz Nordeuropa einschließlich der Färöer- und Orkneyinseln und Island sowie über das von hier aus entdeckte Grönland. Zwar scheitert sein Plan, ein „Patriarchat des Nordens“ zu errichten, am Widerspruch des Papstes, doch beeinträchtigt dies die Mission nicht.

Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit dem dänischen König Sven Estridson (1047–1074), der seine Herrschaft bewußt auf die Kirche stützt und persönlich mit Adalbert befreundet ist. Das Königreich Dänemark erhält damals eine flächendeckende kirchliche Organisation: Die bereits von Otto dem Großen gegründeten Bistümer werden reorganisiert, in Odense, Roskilde, Vestervig und in dem damals zu Dänemark gehörenden Lund neue Bistumssitze errichtet. Alle diese Bistümer unterstehen dem Erzbistum Hamburg-Bremen.

Auch in Norwegen sind der Aufstieg des Königtums und die Bildung des Gesamtstaats eng mit der Christianisierung verbunden. König Olaf der Heilige schwingt sich 1015 zum Alleinherrscher auf, löst das Land aus der Abhängigkeit von Dänemark und christianisiert es. Der Ausbau der kirchlichen Organisation im Zeitalter König Olaf Kyrres (1067–1093) geht dann ebenfalls vom Erzstift Hamburg-Bremen aus, dem nicht nur das führende Bistum Trondheim, sondern auch alle kleineren Bistümer Norwegens unterstellt sind.

Zweihundert Jahre nach den ersten Missionsbemühungen Ansgars ist der größte Teil der Bevölkerung Schwedens immer noch heidnisch. In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts setzt jedoch auch hier die Christianisierung ein, zunächst im Landesteil Götaland, wo König Stenkil (1060–1066) in enger Zusammenarbeit mit dem Erzbistum Hamburg-Bremen das erste schwedische Bistum Skara errichtet – wieder gehen der Aufstieg der Monarchie, der politische Konzentrationsprozeß und die Mission durch die deutsche Reichskirche Hand in Hand. Das gleiche gilt auch für Svealand, das sich seit Ende des 11. Jahrhunderts zum eigentlichen Kerngebiet Schwedens entwickelt. Der Dom von Uppsala, damals anstelle eines uralten heidnischen Heiligtums errichtet, wird schon sehr bald das kirchliche Zentrum des ganzen Landes, wobei das zugehörige Bistum zunächst ebenfalls dem Hamburg-Bremer Erzstift unterstellt bleibt.

Fast ein Jahrhundert später greift die Hamburger Kirche auch auf die östliche Ostseeküste aus. 1180 beginnt der Augustiner-Chorherr Meinard aus Segeberg mit der Mission der Liven, einem kleinen, später in den Letten aufgegangenen Volk an der unteren Düna. Sechs Jahre später wird er zum Bischof von Riga gewählt, das zum kirchlichen Zentrum der gesamten Region wird: bereits um 1200, während des Pontifikats von Erzbischof Albert, werden die Grundlagen der kirchlichen Organisation im Gebiet des heutigen Estland und Lettland geschaffen.

Im 12. Jahrhundert löst sich freilich Skandinavien, im 13. auch das Baltikum von der deutschen Reichskirche. 1104 wird in Lund ein eigenes Erzbistum für Dänemark gegründet, ein halbes Jahrhundert später die neuen Erzbistümer Trondheim (1152) und Uppsala (1164) für Norwegen und Schweden. Damit verfügen – wie Polen und Ungarn bereits seit der Jahrtausendwende – alle drei nordischen Königreiche über eigene Landeskirchen mit direkter Verbindung zum Heiligen Stuhl. Zwar wird die Hamburg-Bremer Kirchenprovinz nach dem Einsetzen der Ostsiedlung durch die neugegründeten Bistümer Lübeck, Ratzeburg und Schwerin noch einmal etwas vergrößert, die große Zeit der Hamburger Kirche ist jedoch mit dem Verlust ihrer nordeuropäischen Gebiete vorbei. Sie sieht sich, nachdem 1255 auch Riga zu einem eigenständigen Erzbistum erhoben wird, fast wieder auf ihre Ausgangslage im 9. Jahrhundert zurückgeworfen.

Die Erfolge der erzbischöflichen Mission vom 10. bis zum 12. Jahrhundert sind gleichwohl bemerkenswert, vor allem in Anbetracht der riesigen Entfernungen und der damaligen Kommunikationsmöglichkeiten. Es stellt sich allerdings die Frage, wie nachhaltig die Christianisierung in Skandinavien und im nördlichen Norddeutschland eigentlich gewirkt hat. Zwar bekennt man sich in der Folgezeit auch im Norden zum Christentum, und die Kirche spielt im Leben der Menschen eine wichtige Rolle. Von einer so weitgehenden christlichen Durchdringung wie in vielen anderen Teilen Europas kann jedoch keine Rede sein. Die Mission setzt erst spät ein, wenige Jahrhunderte vor der Reformation, die den gesamten Bereich des Erzstifts Hamburg erfasst. Vor allem aber bleibt die kirchliche Infrastruktur, verglichen mit Süddeutschland und Südeuropa, sehr dürftig. Die wenigen Klöster des Mittelalters werden im 16. Jahrhundert aufgehoben, und das Netz der Pfarrkirchen ist bis heute sehr weitmaschig: Während am Rhein, am Main und an der Donau jedes Dorf seine Kirche hat, umfassen die Kirchspiele Frieslands, Holsteins, Mecklenburg und Pommerns oft ein Dutzend oder mehr Ortschaften. Der späten Christianisierung entspricht die frühe Abwendung vom christlichen Glauben, die sich hier seit dem 19. Jahrhundert schneller und umfassender vollzogen hat als anderswo.

C. „Straße der Romanik“

Der Harz-Mittelelbe-Raum weist im hohen Mittelalter eine kulturelle Dichte auf wie wenige andere Regionen Europas; in ottonisch-salischer Zeit ist sie eine, wenn nicht die Kernlandschaft des Reiches. Hier liegen die Eigengüter des sächsischen Herzogshauses, hier bildet sich im Zuge des Aufstiegs der Dynastie ein immer enger werdendes Netz von Burgen und Pfalzen, Domen und Klöstern, von hier gehen entscheidende Impulse für die Reichspolitik aus, vor allem im Zeitalter Heinrichs I. (919–936) und gegen Ende des 10. Jahrhunderts, als das Reich wegen der Unmündigkeit Ottos III. (1002–1024) von den Kaiserwitwen Adelheid und Theophanu gelenkt wird, ferner unter Otto dem Großen (936–973) und auch noch in salischer Zeit. Die steinernen Zeugen dieser reichsgeschichtlichen Tradition erschließt heute die „Straße der Romanik“, eine vom Land Sachsen-Anhalt eingerichtete Touristenroute; hinzukommen die Baudenkmäler im niedersächsischen und thüringischen Teil des Harzes, allen voran die in Goslar und Nordhausen.

Zentrum der Region ist, in unmittelbarer Nähe der slawischen Siedlungsgrenze an einem seit jeher wichtigen Elbübergang gelegen, bis zum heutigen Tag Magdeburg. Der Ort erfreut sich der besonderen Gunst Ottos des Großen, der hier im Jahre 968 das dritte große Missionserzbistum des Reiches (nach Salzburg und Hamburg) errichtet, das nicht nur auf die Christianisierung der Elb-Oder-Slawen, sondern auch auf die der Polen und Russen abzielt. Das Gebiet westlich der mittleren Elbe wird damit zum Ausgangsraum der hochmittelalterlichen Missions-, Marken- und Siedlungspolitik. Symbol dieser Konzeption ist bis heute der Magdeburger Dom, aber auch viele andere Sakralbauten im Alt- und Neusiedelland, etwa die nahezu unverändert gebliebene Gernroder Stiftskirche, in der die sterblichen Überreste des Markgrafen Gero ruhen, des ersten bedeutenden Verfechters ottonischer Ostpolitik.

Stifterfiguren im Naumburger Dom. Markgraf Ekkehard II. von Meißen, rechts: seine Gemahlin Uta

Die reichs- und kirchenpolitische Entwicklung des Harz-Mittelelbe-Gebiets hat dazu geführt, daß die Bautätigkeit in dieser Region während des gesamten Hochmittelalters nicht abgerissen ist. Das Netz der noch aus dem 9. Jahrhundert stammenden Burgen (Querfurt, Allstedt, Magdeburg, Seeburg, Quedlinburg) wird unter Herzog und König Heinrich systematisch ausgebaut, als Wellenbrecher gegen die Ungarn einerseits, zu Regierungs-, Verwaltungs- und Repräsentationszwecken andererseits. Vielfach stellen diese Burgen, so etwa die Harzburg, die Kristallisationskerne für städtische Siedlungen dar. Besonders eindrucksvoll wirkt heute noch der Quedlinburger Burgberg, wo Heinrich eine der wichtigsten Königspfalzen des Reiches errichtet, in der er sich gerne und häufig aufhält. Unmittelbar nach seinem Tod gründet die Königswitwe Mathilde hier das Frauenstift Servatius, das sie in der Folgezeit als Äbtissin leitet; jeden Tag verweilt sie am Sarkophag ihres Gemahls, der in der Stiftskirche seine letzte Ruhe gefunden hat.

Im Zeitalter der Salier (1024–1125), die als Könige und Kaiser zu ihren fränkischen Besitzungen auch das norddeutsche Königsgut erhalten, verlagert sich das Schwergewicht der politischen Aktivität von Quedlinburg nach Goslar, das zum wichtigsten Stützpunkt der Reichsgewalt im Norden wird. Der weitere Ausbau der Harzregion zu einer geschlossenen Reichslandschaft, vor allem von Konrad II. (1024–1039), Heinrich III. (1039–1056) und Heinrich IV. (1066–1106) mit Nachdruck betrieben, stößt jedoch auf zunehmenden Widerstand des einheimischen Adels, zumal die Reichsburgen sehr häufig mit süddeutschen Rittern besetzt waren.

Nach dem Niedergang der Königsmacht, die sich bereits in staufischer Zeit im Norden nicht mehr so stark geltend macht, errichten im Harz und im benachbarten Unstrut- und Saalegebiet zahlreiche regionale Machthaber Burgen, die sich zu Herrschafts- und Verwaltungszentren entwickeln und die mitunter auch kulturgeschichtliche Bedeutung erlangen. So hat auf Burg Falkenstein Eike von Repgow verkehrt, der Verfasser des Sachsenspiegels, auf Neuenburg der Dichter Heinrich von Veldeke.

In Quedlinburg und in dem bereits 852 gegründeten Stift Gandersheim haben fast ein Jahrtausend lang unverheiratete Damen des niedersächsischen Adels gelebt und gewirkt. Die Äbtissinnen bleiben bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts reichsunmittelbare geistliche Fürstinnen, doch haben beide Abteien keine territorialpolitische Bedeutung erlangt. Die Stiftskirche Quedlinburg stellt in ihrer heutigen Form ein Juwel hochromanischer Baukunst dar; sie enthält reichen Bauschmuck, eine Hallenkrypta aus der Zeit um 1100 und eine wertvolle Schatzkammer. Oberitalienischer Einfluß auf die Architektur ist unverkennbar, ebenso wie bei der im nördlichen Harzvorland gelegenen Kirche von Königslutter. Die kaiserliche Italienpolitik hat, wie nicht nur diese beiden Beispiele zeigen, unter anderem auch kunstgeschichtliche Folgen gehabt, die bis Norddeutschland reichen.

Zum Erzbistum Magdeburg gehören die Bistümer Brandenburg, Havelberg, Merseburg, Meißen und Zeitz-Naumburg. Infolgedessen entstehen im gesamten Bereich der mittleren Elbe repräsentative Dombauten. Dies geschieht, auch in Magdeburg, bereits in ottonischer Zeit, doch sind die Vorgängerbauten der heutigen Dome nur bruchstückhaft erhalten.

Die ältere Geschichte des Erzbistums Magdeburg läßt sich nicht anders als im europäischen Zusammenhang darstellen. Anlaß der Gründung ist die Verbreitung des Christentums in Osteuropa; dabei wirken Kräfte nicht nur aus dem Reich, sondern auch aus Westeuropa mit. Der erste Erzbischof Adalbert, ein Mönch von St. Maximin in Trier, gilt nach seiner Ernennung als „Bischof der Russen“, verfügt aber auch über enge Verbindungen nach Frankreich. St. Maximin ist das Mutterinstitut des Magdeburger Benediktinerklosters St. Mauritius, aus dessen Besitz die Grundausstattung des neuen Erzbistums stammt, und die Trierer Mönche unterhalten lebhafte Beziehungen zur Rhôneregion, wo der Kult des heiligen Mauritius besonders gepflegt wird.

Durch den Slawenaufstand des Jahres 983, den zunehmenden Einfluß der von Byzanz ausgehenden orthodoxen Mission in Rußland und schließlich durch den Verlust des ursprünglich zu Magdeburg gehörenden Bistums Posen und die Gründung eines eigenen polnischen Erzbistums im Jahre 1000 verliert das Elbestift seine von Otto dem Großen festgelegte Bestimmung und einen Großteil seiner Bedeutung. Mit dem Beginn der Ostsiedlung im 12. Jahrhundert erlebt es jedoch noch einmal einen beachtlichen Aufschwung als Ausgangspunkt für die Siedlungsbewegung und für zahlreiche Kirchen- und Klostergründungen. Auch der heutige Magdeburger Dom ist damals entstanden, und zwar unter Erzbischof Adalbert II. (1205–1232), der in Paris studiert hat, ein Kenner der frühen französischen Gotik ist und den neuen Baustil nun erstmals in den Bereich der mittleren Elbe überträgt.

Der Prämonstratenserorden, 1120 von Norbert von Xanten gegründet, nimmt seinen Ausgang vom Kloster „Unserer Lieben Frauen“ in Magdeburg. Er sieht seine Aufgabe vor allem in der Slawenmission und verbreitet sich im gesamten östlichen Mitteleuropa. Seine Kirchen haben etwas Burgenartiges: strenge Baugliederung, hoch aufragendes Westwerk, flankierende Türme. Die Klosterkirche von Jerichow und der Havelberger Dom lassen noch heute etwas von der Gesinnung erahnen, die hinter einer solchen Architektur steht.

Die Kulturleistung Ostsachsens und der Harzlandschaft beschränkt sich aber nicht nur auf Religion, Kunst und Architektur. Bedeutsam sind auch die Literatur und die Geschichtsschreibung, in der ein starkes regionales Identitätsbewußtsein zum Ausdruck kommt. Widukind von Corvey und Thietmar von Merseburg, die Chronisten der ottonischen Zeit, schreiben voller Stolz über die politischen Erfolge Sachsens und seiner Dynastie und fühlen sich in diesem Sinne ganz als Norddeutsche, auch wenn ihre Geschichtsschreibung sich auf das gesamte Reich bezieht. Das gleiche gilt für die Nonne und Dichterin Roswitha von Gandersheim. Sie fühlt sich, wie ihr Gedicht „De gestis imperatoris Ottonis I.“ zeigt, ganz ihrer Heimat und deren großem Sohn verbunden. Sie behandelt aber auch, und zwar auf hohem Niveau, in ihren geistlichen Stücken und in sechs Dramen zahlreiche Gegenstände, die sie als Kennerin der europäischen Geschichte und Literatur ausweisen. Roswitha schreibt in lateinischer Sprache und gilt als herausragende literarische Vertreterin der „ottonischen Renaissance“.

Auch nach dem Ende der ottonischen und der salischen Epoche bleibt der Harz-Elbe-Raum eine wichtige Kulturregion. Bemerkenswert ist hier vor allem der Sachsenspiel Eikes von Repgow, der zum ersten Mal das niederdeutsche Gewohnheitsrecht systematisch darstellt. Von überregionaler Bedeutung ist ferner das Magdeburger Stadtrecht, das die bürgerlich-freiheitliche Stadtverfassung Magdeburgs ebenso widerspiegelt wie das Lübische Recht diejenige Lübecks. Während letztes jedoch auf den Küstenraum der Ostsee beschränkt bleibt, breiten sich das Magdeburger Recht und seine ostpreußische Variante, die „Kulmer Handfeste“, bis über die Weichsel nach Osten hin aus. Das Magdeburger Recht ist damit ein bedeutendes Phänomen der europäischen Stadtkultur.

All dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die wirklich große Zeit der Region mit dem Ende der ottonischen Dynastie vorbei ist. Nie wieder sind Orte wie Quedlinburg und Magdeburg die Zentren deutscher und europäischer Politik gewesen, nie wieder werden Rang und Rolle des Magdeburger Erzstifts von den Menschen so hoch eingeschätzt wie in der Zeit Ottos des Großen und des ersten „Bischofs der Russen“. Zwar behält die Stadt Magdeburg als wichtigster Elbübergang für den Handelsverkehr in West-Ost-Richtung große Bedeutung, doch auch damit ist es nach der nahezu totalen Zerstörung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg vorbei. Erst seit dem 18. Jahrhundert gewinnt Magdeburg wieder eine gewisse Bedeutung: als wichtigste Festung im Westen des Königreichs Preußen, als Verwaltungs- und Industriestadt. Heute ist Magdeburg Hauptstadt des wieder errichteten Landes Sachsen-Anhalt, doch ist das alte Stadtbild durch die Zerstörungen des Dreißigjähren Krieges und des Zweiten Weltkrieges unwiderruflich zerstört.