Kitabı oku: «Die Stimme als Zeitzeugin – Werberhetorik im Hörfunk», sayfa 4

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2.3.2 Die Sprechstimme als Werbemittel

Der SprechstimmeSprechstimme im Hörfunk kommt eine besondere Bedeutung zu, bedenkt man, dass der Transport des Inhalts ausschließlich über den auditiven Kommunikationskanal erfolgt und nicht, wie z.B. beim Fernsehen, auch über den visuellen Kanal. Sie erscheint also isoliert vom Körper und allen damit verbundenen nonverbalen Phänomenen; das sonst Visuelle, Bildliche wird in der Hörfunksprache durch andere Mittel, in erster Linie durch prosodische ersetzt. Was also das Sprechen im Hörfunk auszeichnet und zugleich voraussetzt, ist das „Kriterium der unmittelbaren HörverständlichkeitVerständlichkeitHör-“ (Dorn, 2004, S. 153); man kann nicht zweimal hören oder bei Nichtverstehen bzw. Zweifeln nachfragen. Außerdem hat das Gesprochene (das zumeist eine schriftliche Vorlage hat und somit zwar ein medial mündlicherMündlichkeitmediale, aber konzeptionell schriftlicherSchriftlichkeit, konzeptionelle Text ist1) i.d.R. den Anspruch, wie spontanes Sprechen zu wirken; das muss von den Sprechern mit einer entsprechenden „AnsprechhaltungAnsprechhaltung“ erfüllt werden, indem den Zuhörern das Gefühl vermittelt wird, als direkte Gesprächspartner zu fungieren.2

Die erwähnte Ansprechhaltung ist eng mit dem gesprächslinguistischen Terminus „Adressierungsform“ verbunden. Janja Polajnar Lenarčič (2012) beschreibt anhand von TV-Werbespots das Zusammenspiel unterschiedlicher Kommunikationskreise in der Mehrfachadressierung.

Mehrfachadressierung kann zum einen vorliegen, wenn spotimmanent zwischen den Akteuren (und ggf. dem Off-Sprecher) ein Stellvertretungsgespräch vorgespielt wird, das sich aber natürlich nicht nur an die explizit angesprochenen Akteure oder den Off-Sprecher (Scheinadressaten), sondern auch an die Rezipienten im primären Kommunikationskreis richtet (inszenierte Mehrfachadressierung). Zum anderen kann Mehrfachadressierung auch meinen, dass mit einem Werbespot (durch ein Stellvertretungsgespräch oder explizit) versucht wird, quantitativ mehrere und qualitativ unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen […]. (Polajnar Lenarčič, 2012, S. 146)

Je nach Adressierungsform wird sich die Ansprechhaltung in der Stimme und SprechweiseStimmeund Sprechweise entsprechend anders gestalten: In der expliziten Adressierung werden eher standardsprachliche Lautung und schriftsprachliche Formen verwendet, im Stellvertretungsgespräch (dem Gespräche der spotimmanenten Szenen) tendenziell eher eine gemäßigte Lautung und umgangssprachliche Ausdrucksweise.

Zudem ist zu bedenken, dass die eigene Stimme Teil des eigenen Selbst ist und man sich selbst nur hören kann, indem man spricht; dann aber hört man sich ohne Distanz zu sich selbst, in einem Sprechereignis, das erst mit einem Gesprächspartner zum Gespräch wird. Eine Aufnahme der eigenen Stimme entzieht sich der Situation und reflektiert wiederum nur Teile der komplexen Kommunikationssituation.

Fremd bleibt mir […], wie ein Anderer mich hört. Über Stimme lässt sich nur reden und reflektieren, wenn sie nicht isoliert betrachtet wird und das Hören eingebunden wird. […] Hören ereignet sich als Antwort auf einen Anspruch, der vom Anderen ausgeht, das auch das eigene Andere sein kann. (Westphal, 2017, S. 152)

Die spezielle Kommunikationssituation im Hörfunk kann weiter wie folgt beschrieben werden: Es handelt sich um eine Einweg-KommunikationEinweg-Kommunikation ohne direktes Feedback und der anscheinende MonologMonolog ist eigentlich ein impliziter DialogDialog mit bestimmten RollenerwartungenRollenerwartungen; die Sprechsituation vor dem Mikrofon wird durch das Tonstudio bestimmt, wobei entweder live gesendet oder (im Fall von HF-Werbung) ein schriftlich fixierter Text gelesen, aufgezeichnet und anschließend gesendet wird.

In der wissenschaftlichen Diskussion im Rahmen der MedienrhetorikMedien-rhetorik bekommt der Genre-SprechstilGenre-Sprechstil im Radio laut Ines Bose (2016, S. 166) einen eigenen Namen: „Für die sprechwissenschaftlichen Forschungen von ‚Radio-ÄsthetikÄsthetikRadio und Radio-Identität‘Radio-Identität wird ein empirisch nutzbarer Begriff von ‚Radiostimme‘Radio-stimme verwendet“; im Zusammenhang hiermit gibt es zahlreiche Formatvorschriften, Styleguides und heute nicht zuletzt auch technische Programme, um Stimmen an die von ihnen erwarteten Profile für die jeweiligen Sender und Sendungen anzupassen.

Typisch für das Kommunikationsprofil einer Gesprächssituation im WerbefunkWerbefunk ist, dass drei Ebenen aufeinandertreffen: die Auftraggeber, die Werbeproduzenten bzw. Werbetechniker und die Sprecher. Die Zuhörer haben nur eine vage Vorstellung von ihrem Kommunikationspartner, da dieser verborgen bleibt, wobei ihnen die Intention der Situation aber klar ist: Im Genre Werbung überwiegt das Kommunikationsziel der PersuasionPersuasion, wenn auch in fast jeder Werbesendung informative und unterhaltende Momente vorkommen.

Was Bose (2016, S. 166) über die Stimme von Moderatoren sagt, kann man mit Sicherheit auch auf die ProduktwerbungProduktwerbung übertragen: „Aus Sicht der Sender soll ein Moderator für eine Welle stehen und mit Sprach- und Sprechstil den Nerv eines angezielten Publikums treffen können.“ Eine Stimme steht für das Produkt, das sie bewirbt und muss für die potenziellen Verbraucher attraktiv sein, damit sie die WerbenachrichtWerbenachricht übermitteln kann. Hierbei kommen zahlreiche Kriterien zum Tragen; sie rufen

bei Radiohörern einen Gesamteindruck über die SprecherpersönlichkeitSprecherpersönlichkeit hervor, aufgrund dessen sie sehr schnell z.B. auf Herkunft, Alter und Aussehen des Sprechers oder auf seine aktuelle Stimmung schließen, und zwar vor einem situativen, historischen und kulturellen Horizont von Traditionen, Praktiken, Medien, Kultur- und Kunstformen. (Bose, 2016, S. 165)

Physiologisch trägt die Stimme die genannten Informationen mit sich und wird daher auch als „akustischer Personalausweis“ bezeichnet (Schrödl, 2009, S. 170); sie gibt in der Regel Auskunft über das Geschlecht, über das Lebensalter, über die Gemütsverfassung und emotionale Stimmung. Auch ästhetische Qualitäten, die mit Sympathie oder Antipathie einhergehen, werden über die Stimme transportiert und hängen von den Faktoren Stimmlage, Resonanz, Timbre etc. ab. Weiter verraten Sprechweise und Sprechstil die regionale Herkunft und enthüllen soziologische und psychologische Informationen.

Aufgrund der speziellen Kommunikationssituation im Hörfunk werden seit Beginn des Mediums Kriterien aufgestellt, wie Hörfunksprecher sich am Mikrofon zu verhalten haben, um sinnvermittelnd zu sprechen und mit Verständlichkeit und Attraktivität eine HörerwirkungHörerwirkung zu erzielen. So muss eine RadiostimmeRadio-stimme in einem Werbespot in der Lage sein, in den Hörern Assoziationen hervorzurufen und Wünsche zu wecken, sie einzuladen, sich mit ihr und der sie verkörpernden Person zu identifizieren. Schon in den 1930er Jahren soll es Anweisungen für das Sprechen am Mikrofon gegeben haben (das sogenannte „MikrophonierenMikrophonieren“). Auch die ersten Ausgaben des AussprachewörterbuchsAussprachewörterbuch von Theodor Siebs, das sich bekanntlich an der Bühnensprache orientierte, erschienen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.3

Aus- und Weiterbildungsangebote für das Sprechen im Hörfunk beinhalten heute neben Richtlinien zum „Schreiben fürs Hören“ (Geißner & Wachtel, 2003; Wachtel, 2013) spezifische Trainings für sinnvermittelndes VorlesenVorlesen, sinnvermittelndes, freies Formulieren etc. Dabei kommt sprecherzieherischen MaßnahmenMaßnahme, sprecherzieherische in Bezug auf StimmbildungStimmbildung und Aussprache besondere Bedeutung zu: Atemtechnik, Stimmsitz (Bruststimme, Indifferenzlage), Artikulationsschärfe, Melodieführung und Pausensetzung etc. Was das Sprechen am Mikrofon besonders herausfordert, ist das Einnehmen der bereits erwähnten AnsprechhaltungAnsprechhaltung; die virtuellen Gesprächspartner vor dem inneren Auge behaltend, versucht man den Eindruck zu vermitteln, in einen Dialog einzutreten.4 Fehlen diese Ansprechhaltung und die damit verbundenen Verständlichkeitskriterien, haben Sprecherin und Sprecher keinen Erfolg und verlieren ihr Publikum, das sich durch einfaches Betätigen des Abschaltknopfes oder durch Umschalten auf einen anderen Sender verabschiedet.

Der Sprechstil im Hörfunk soll für die Hörer attraktiv und verständlich sein, außerdem alltagsnah. Das gilt auch für die Hörfunkwerbung, die außerdem überzeugen will (vgl. Gutenberg, 2005). So hängt die RhetorizitätRhetorizität der Stimme von einer Reihe an Faktoren ab. Phonetische Parameter im Hinblick auf Verständlichkeit und ÜberzeugungskraftVerständlichkeit sind neben der ArtikulationsschärfeArtikulationsschärfe eine Reihe prosodischerProsodie Phänomene (Sprechgeschwindigkeit, Sprechstimmlage bzw. Grundfrequenz, Lautstärke, Stimmfülle, Klangfarbe, Akzentuierung, Rhythmik und Pausierung).

Was speziell die Persuasionswirkung der Sprechstimme betrifft, so findet man, basierend auf Forschungen der letzten Jahrzehnte, eine Reihe an zum Teil widersprüchlichen Aussagen, beispielsweise in Bezug auf die Sprechgeschwindigkeit.5 Über das Zusammenwirken von PersuasionPersuasion und ProsodieProsodie hat Beate Redecker für den deutschsprachigen Raum einen wichtigen Forschungsbeitrag geleistet und diverse sprecherische Ausdrucksformen diskutiert. In ihrer Untersuchung zur Perzeption prosodischer Stimuli in der Werbung hat sie u.a. die ideale Sprechweise bei Männerstimmen in Bezug auf die Persuasion beschrieben und kommt zu der Erkenntnis, dass diese „[… ] sich durch eine ruhige Sprechweise, durch eine tiefe und sonore Bassstimme, durch eine hohe Stimmhaftigkeit ohne Hauch und Knarren und durch dezente Melodiebewegungen auszeichnet […]” (Redecker, 2008, S. 157). Die Ergebnisse der Untersuchung bei Hörfunk-Werbespots (Kap. 5) können die von ihr genannten stimmlich-sprecherischen Eigenschaften in diesem Punkt bestätigen.

2.3.3 Formate der Radiowerbung des 20. Jahrhunderts

Wie haben sich Werbeprofile (Sendeform und -dauer) im 20. Jahrhundert verändert? Während Werbung in den 1920er und zu Beginn der 1930er Jahre in erster Linie in Form von kurzen Sendungen (Werbevorträgen oder -konzerten) übertragen worden war, kam es 1935 zur gänzlichen Einstellung der Rundfunkwerbung. Diese wurde in Westdeutschland erst 1948 wieder aufgenommen, und zwar zu festen Zeitfenstern und in eigenen WerbesendungenWerbesendungen, die sich allerdings geringer Beliebtheit erfreuten: „Die Hörer aber blieben reserviert: 1951 schalteten 10 Prozent den WerbefunkWerbefunk ab, 1953 schon 20 Prozent“ (Krug, 2010, S. 92). Die Form der kompakten Werbesendungen blieb bis in die 1960er Jahre erhalten, bis sie von der sogenannten Streuwerbung abgelöst wurde, die kurze Werbespots über den Tag verteilte und damit mehr Hörer erreichte.

Ab den 1970er Jahren schließlich wurden die neuen ServiceSenderPop- und PopsenderSenderService- mehr oder weniger durch Werbung finanziert.1 Diese regionalen Servicewellen gaben dem Hörfunk ein neues Profil, die Werbespots gliederten sich besser in die Sendungen ein, bekamen ein „Alltags-Profil“ und einen umgangssprachlichen Ton. Vor allem in den Privatsendern der 1980er Jahre wurde das zum Erkennungszeichen. Werbung will jetzt die Hörer abholen, will sie direkt ansprechen; das geht am besten, wenn sie sich nahtlos ins Programm einfügt und wenn die Sprache des Publikums verwendet wird.

WerbesendungenWerbesendungen im Hörfunk sind bis auf wenige Ausnahmen bis heute Teil des nichtregionalen Programmbereichs, werden i.d.R. überregional produzieren und vermarktet. Wenn auch die übliche Dauer der klassischen HörfunkspotsHörfunkspot von 20 bis 30 Sekunden beibehalten wurde, findet man jetzt innovativere Spot-Profile. Krug (2010) skizziert die aktuelle Werbelandschaft im Hörfunk wie folgt:

Die normale Werbeform ist der 20- bis 30-sekündige, alleinstehende „klassische Spot“. Daneben ist der „Tandemspot“ aus zwei – durch eine andere Werbung unterbrochenen – Spots populär. Der erste ist der „Hauptspot“, der durch einen „Reminder“ ergänzt wird. Dazu gibt es zweiteilige „Contentspots“; hier wird ein redaktioneller Teil von zwei Werbebotschaften umrahmt. Populär wird in der Werbung zunehmend der „MediamixMediamix“: WerbekampagneWerbekampagnen werden hier auf verschiedene Medien wie Zeitung, Radio, Fernsehen oder Internet verteilt […] Der Radioanteil am Werbekuchen liegt bei unter zehn Prozent. (Krug, 2010, S. 94)

2.4 Persuasionsstrategien in der Hörfunkwerbung

Bei jedem zu bewerbendem Produkt wird die Frage aufgeworfen, wie die Kunden angesprochen werden sollen, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, um sie zu überzeugen, um sie zu binden. Dieser persuasive Akt legt die Frage nach rhetorischen Kategorien nahe, die auf eine lange Tradition zurückblicken. Spang (1987, S. 63) definiert Werbung vom informationswissenschaftlichen Standpunkt als „eine persuasive Information, die zum Erwerb einer Ware oder einer Dienstleistung verleiten soll“ und grenzt die informative Persuasion in der Werbung von der PropagandaPropaganda ab.

Die eingesetzen persuasiven Strategien im Fall von akustischer Werbung (Hörfunkwerbung) bieten ein breites Spektrum an Analysekriterien an, so auch Argumentationsstrukturen und -figuren, die Themenwahl (lexikalische Besonderheiten, außersprachliche Merkmale und Musikeinsatz) und stimmlich-sprecherische (paraverbale) Mittel. In ihrer Summe machen diverse Elemente das AlleinstellungsmerkmalAlleinstellungsmerkmal aus und kommunizieren damit den jeweiligen USPUSP (unique selling proposition).

Man könnte die Werbespots im Hörfunk ebenso in einem semantischen Ansatz nach BühlersBühler drei Funktionen der Sprache untersuchen: der AusdrucksfunktionAusdrucksfunktion (Sprecher: Was wird über die Stimme und Sprechweise ausgesagt?), der Darstellungsfunktion (Thema: Wie wird das Produkt präsentiert?) und der Appellfunktion (Radiohörer, Konsument: Welche Emotionen und USP werden angesprochen?) (Spang, 1987, S. 64–68; Sowinski, 1998, S. 23–29).

Es ist die Form der Darstellung, die uns hier fragen lässt: Mit welchen Themen, Topoi, Personen (z.B. TestimonialsTestimonials) werden die Verbraucher in den unterschiedlichen Dekaden angesprochen, um auf das Produkt aufmerksam zu werden? Welchen Stellenwert haben harte Informationen (z.B. die chemische Zusammensetzung eines Waschmittels) im Gegensatz zu suggestiven ZusatznutzenZusatznutzen (z.B. das Glück der Hausfrau, wenn ihr Mann sie lobt; ein typisches Bild aus den 1950er Jahren)? Mit welchen Szenen, Situationen und Emotionen wird an geheime Wünsche appelliert und der Kauf des Produkts ausgelöst? Ohne tiefer in die WerbepsychologieWerbepsychologie einzusteigen, werden diese Fragen im vierten Abschnitt in Bezug auf das hier im Mittelpunkt stehende Thema nach der Stimme als Zeitzeugin noch weiterverfolgt: Welche Themen und Wünsche sind für die untersuchten Jahrzehnte kennzeichnend? Welche gesellschaftlichen Normen liegen ihnen zugrunde? Wird das durch die StimmeStimme und SprechweiseSprechweise reflektiert? Wenn ja, wie?

2.4.1 Exkurs: Von der antiken Rhetorik zur Werberhetorik

Die Lehrmeister der antiken RhetorikRhetorikantike haben bis heute an Aktualität nichts eingebüßt und man kann gerade im Zusammenhang mit der WerberhetorikRhetorikWerbe- interessante Parallelen aufzeigen.1 Von den drei Grundfunktionen bzw. Zielen der Rede, docereDocere (informieren, belehren), movereMovere (überzeugen, bewegen) und delectareDelectare (unterhalten, erfreuen), ist in den meisten Hörfunk-Werbespots ein Mix zu finden, dessen Schwerpunkt auf movere liegt.

Im Folgenden sollen die Aufgaben des Redners in Bezug auf die 5 Produktionsstadien der klassischen Rede mit denen von Hörfunk-Werbespots verglichen werden. Die eigentliche Struktur von Werbespots wird aus dem Blickwinkel antiker DispositionsschemataDispositionsschema (nach Aristoteles in 4 Schritten) beleuchtet.

Werberhetorik bedeutet also für uns Rhetorik der Werbe sprache [sic!] als persuasive Sprachmanipulation. Der Werbetexter wird hierzu den konventionellen Schritten der inventio, der dispositio und der elocutio folgen, wenngleich er sie anders benennt. Sogar die ist in der Tatsache der […] Fixierung der Druckvorlage der Anzeige oder in den Filmkonserven der Spots wiederzuerkennen; die actio oder pronuntiatio ist unschwer mit dem Ausdrucken oder der Sendung der Anzeige zu identifizieren; schließlich ist Werbung […] ein sermo absentis ad absentem, der von jeher eines Kommunikationsträgers bedurfte. (Spang, 1987, S. 71)

Nach den Redelehren von AristotelesAristoteles und CiceroCicero geht es dem Redner bei der inventioInventio also zunächst um das Auffinden des Stoffes, der Argumente und Beweise; bei der Werbung heute ist das die Aufgabe der Marktforscher. In der dispositio erfolgt die wirkungsvolle Anordnung und Gliederung des Stoffes, wie er sodann vorgetragen wird, nämlich in den Schritten exordiumExordium (Redeanfang), narratioNarratio (Erzählung bzw. Darlegung des Sachverhalts), argumentatioArgumentatio (Beweisführung), peroratioPeroratio (Redeschluss) – siehe Tab. 1. Steht die Gliederung, so folgt die elocutioElocutio, die sprachliche und stilistische Ausarbeitung (Meyer-Kalkus, 2008, S. 681; Schüler, 2012, S. 200).

Selbst das antike Konzept des attentum parareAttentum parare (Aufmerksamkeitsweckung) und der captatio benevolentiaeCaptatio benevolentiae (dem Erhaschen des Wohlwollens) kann auf die Werbung allgemein und die Hörfunkwerbung im Speziellen übertragen werden, wenn es bei letzterer nämlich um das Auffinden eines „ear catcherEar catcher“ geht, der die Aufmerksamkeit und das Interesse erwecken muss.

Die 4 klassischen RedeschritteRedeschritte nach dem Ordnungssystems ordo naturalis2 überträgt Schüler (2012, S. 201–204) auf Werbeanzeigen; in der tabellarischen Darstellung wird dies auf Hörfunk-Werbespots ausgeweitet.


Struktur nach antiker Rhetorik (ordo naturalis): Anzeigenwerbung Hörfunkwerbung
Redebeginn, Anfang (exordium) Headline Aufhänger/Situation/Jingle (Vorspann)
Erzählung, Darlegung des Sachverhalts (narratio) Bild/Produktreferenz Geschichte/Szene/Ansprache der Zielgruppe
Glaubhaftmachung (argumentatio) Text/Werbeaussage Erläuterung/Sprecher führt aus/Dialog Frage-Antwort (Produkteigenschaften)
Redeschluss (peroratio) Slogan Slogan/Wiederholung, Bezug auf Einstieg/Jingle

Tab. 1:

Antikes Dispositionsschema nach Cicero im Kontext von Anzeigen- und Hörfunkwerbung

Wenn die Struktur von HörfunkspotHörfunkspots auch sehr unterschiedlich sein kann, was das Verhältnis von Struktur und Inhalt betrifft, so sei in der dritten Spalte ein typischer Aufbau skizziert, der den genannten Schritten folgt. Dabei gibt es gewöhnlich einen Vorspann und eine szenische Handlung, um den räumlichen und zeitlichen Kontext abzustecken und um einen dramaturgischen Effekt zu erzielen. Das Ende des Werbespots, der sogenannte Abbinder (englisch claim) ist üblicherweise der SloganSlogan und dient der Zusammenfassung und Aufforderung zum Kauf. Gliederungsschemata, wie die bekannte AIDA-FormelAIDA-Formel3 (attentioninterestdesireaction) und viele andere, auf deren Ausführung hier nicht eingegangen werden kann, sind ebenfalls in dem zitierten antiken DispositionsschemaDispositionsschema wiederzuerkennen: Die Aufmerksamkeit wird geweckt, das Produkt beschrieben, der Wunsch zum Kauf geweckt und seine Erhältlichkeit oft in einem szenisch-dialogischen Passus erläutert, dem ein Off-Sprecher mit relevanten Botschaften den Auslöser zum Kauf gibt. Der Slogan beendet den Werbespot.4

Die PersuasionsstrategienPersuasionsstrategien in der Werbung und die Konzeption der ArgumentationArgumentation können vielfältig sein und beispielsweise einem Schema folgen, z.B. Problem – Lösung, Frage – Antwort, Wunsch – Erfüllung. Was die ArgumentationsstrukturArgumentationsstruktur, also die Reihenfolge der einzelnen Argumentationsschritte betrifft, so greifen Werbetreibende auf gängige Gliederungen zurück, wie Beweisführung und Zustimmung, Widerlegung und Widerspruch, Wertung und Kompromiss. Dabei sind je nach Argumentationsklasse eine, zwei oder mehrere Positionen (Argumente oder Denkschritte) involviert.5

Nachdem persuasive Strukturen und argumentative Gliederungen angeschnitten wurden, soll nun kurz auf inhaltlich-thematische Fragen der ArgumentationArgumentation und kommunikationspsychologische Erkenntnisse von Persuasion und Meinungswechsel eingegangen werden.

Um wieder auf die antike Rhetorik zurückzugreifen, seien die drei „Säulen“ der Persuasion nach Aristoteles genannt, die wir auch in jüngeren Abhandlungen über Argumentationsfiguren und -muster wiederfinden: ethosEthos (die Überzeugung, die von der Person ausgeht, ihrer Glaubwürdigkeit und ihrem Charakter), logosLogos (die Überzeugung durch rationale Argumentation), pathosPathos (der Appell durch EmotionEmotionen).

In den Jahren nach dem Zweiten WeltkriegWeltkrieg, Zweiter wurden vor allem in den USA zahlreiche Experimente und Forschungsprogramme durchgeführt, bei denen es um Glaubwürdigkeit, Meinungs- und Einstellungswechsel ging. Das Yale Program of Research on Communication and Attitude Change und die Versuche des Psychologen Carl HovlandHovland werden bis heute viel zitiert und haben die Werbebranche beispielsweise im Hinblick auf folgende Themen stark beeinflusst: Einstellungsänderung und Vertrauenswürdigkeit von Quellen (high credibility source vs. low credibility source), LangzeitwirkungLangzeitwirkung von Meinungsänderung, Assimilationseffekt und Distanz (Position), MeinungsbildungMeinungsbildung und Position bzw. Kenntnisstand des Publikums, Meinungsänderung und die Rangfolge von Argumenten (primacy effect und recency effect), Mittel der Glaubwürdigkeitsstärkung (Zitate, Augenzeugenberichte …), Beeinflussbarkeit und Persönlichkeitsmerkmale, Meinungswechsel und Gruppenzugehörigkeit, counternorm communication und Gruppennormen …

Die so gewonnenen Erkenntnisse schlagen sich in unterschiedlichen ArgumentationsfigurenArgumentationsfiguren nieder, bei welchen man generell, und damit auch in der Hörfunkwerbung, zwischen kognitiven und affektiven Überzeugungsmitteln unterscheiden muss; in der Werbung fällt die Relation i.d.R. zugunsten der affektiven Mittel aus.

Die Haupttypen der Argumentation in der Werbung, zurückgehend auf eine Studie über die deutsche Anzeigen-Werbung und ihre spezifischen Wirkungsgrade von Otto Walter HaseloffHaseloff (1966), können in fünf Gruppen unterteilt werden: faktische (oder rationaleArgumentationrationale) Argumentation, Plausibilitäts-ArgumentationArgumentationPlausibilitäts-, emotionale ArgumentationArgumentationemotionale, moralische ArgumentationArgumentationmoralische und taktische ArgumentationArgumentationtaktische.6 Die an das aristotelische logosLogos anknüpfende faktische Argumentation führt Zahlen, Fakten, Gesetze, statistische Beweistests, Zeugenaussagen etc. an, um die Qualität des angepriesenen Produkts zu bezeugen. Auch der Rückgriff und das Argumentieren mit plausiblen Behauptungen und Selbstverständlichem kann dieser Gruppe (logos) zugerechnet werden, wenn die Meinung der Mehrheit, allgemeine Erfahrungen usw. die Konsumenten bei der Kaufentscheidung unterstützen. Der emotionale Appell des pathosPathos spiegelt sich in der emotionalen Argumentation wider und arbeitet mit Gefühlen wie Freude und Angst7, Schuld und dem Erzeugen von Stimmungen. Der dritten aristotelischen Säule, dem ethosEthos, ist die moralische Argumentation zuzuweisen, wenn beispielsweise höhere Werte, bekannte Persönlichkeiten oder auch die Prämisse der moralisch-ethischen Angemessenheit von Entscheidungen oder Behauptungen hervorgehoben werden. Schließlich werden ArgumentationstechnikenArgumentationstechnik wie Vorwegnahme von Gegenargumenten, Scheinzustimmungen, Bedrohung und persönlicher Angriff etc. der Gruppe der taktischen Argumentationsfiguren zugerechnet (vgl. Dillard & Miraldi, 2008).

Die im Anhang abgedruckten Transkriptionen sämtlicher hier verwendeter Hörfunk-Werbespots mögen dazu einladen, die hier beschriebenen Persuasionsstrategien und Überzeugungsmittel nachzuvollziehen.