Kitabı oku: «Elfenzeit 4: Eislava», sayfa 5
»Vielleicht«, sagte sie, und ihre Augen beinhalteten ein Versprechen, das David alles andere beiseiteschieben ließ.
Mats kam mit ihren beiden Getränken zurück zum Kamin und reichte Rian ein Glas mit einer Mischung tropischer Säfte. Sich selbst hatte er Lättöl mitgebracht, alkoholarmes Bier zu erträglichen Preisen.
»Calle sagt, dein Bruder wäre mit dieser Malerin weggegangen«, berichtete er.
»Der Frau, mit der er sich vorhin unterhalten hat?«
Mats nickte und ließ sich in seinem Sessel nieder. Nachdenklich strich er über die Pfeifentasche. »Sie wohnt erst seit kurzem hier, in Svantholm, dem alten Herrenhaus in den Hügeln. Es hat jahrelang leergestanden. Die Vorbesitzer sind vor fünfzehn Jahren oder so bei einem schrecklichen Unglück umgekommen, die ganze Familie, von der Großmutter bis zu den drei Kindern hinunter. Jemand war von außen eingebrochen, hatte sie alle erschlagen und schrecklich verstümmelt. Seither lag eine Art Schatten über dem Haus. Niemand wollte es. Plötzlich kamen Handwerker und haben es renoviert. Dann ist sie dort eingezogen. Birte Granlund.«
Er trank einen Schluck und schaute in das Glas. »Man sieht sie kaum«, fuhr er fort. »Dass sie heute Abend hier war, hat mich gewundert.« Er schüttelte den Kopf und lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Ich kann es nicht erklären. Etwas an ihr gefällt mir nicht.«
Rian versuchte, sich das Bild der Frau in Erinnerung zu rufen, doch es wollte ihr nicht recht gelingen. Vermutlich hatte sie sie zu kurz gesehen.
»Sie ist sehr schön«, sagte sie, denn daran erinnerte sie sich noch. »Es ist nicht ungewöhnlich, wenn David auf so etwas anspricht. Er mag schöne Frauen.«
»Schön?« Mats war überrascht. »Sie ist nicht schön … eine graue Maus, würde ich sagen.«
Rian runzelte die Stirn. »Aber …« Ihr fiel ein, dass sie sich gewundert hatte, warum kein Mann außer David der Malerin solche Beachtung schenkte. Hatte sie nur auf die Zwillinge so schön gewirkt? Waren sie einem Zauber erlegen? Aber Rian hatte nicht einmal ein einziges Wort mit der Frau gewechselt. Oder lag die Erklärung in ihrer Verbindung zu David? Hatte sie gesehen, was er gesehen hatte?
»Du hast recht, Mats«, sagte Rian alarmiert und stellte ihr Glas ab. »Etwas stinkt gewaltig an diesem Fisch. Kannst du mich nach Svantholm bringen?«
Mats nickte, stellte keine weiteren Fragen und stand auf. »Ich glaube, ich nehme vorsichtshalber gleich die Axt mit. Es könnte sein, dass es Zeit wird, unhöflich zu werden.«
David sah auf das leere Whiskyglas in seiner Hand. Irgendwie begannen die Ereignisse für ihn zu verschwimmen, obwohl der Alkohol keine so starken Auswirkungen auf ihn haben sollte. Er konnte sich nicht erinnern, wann Birte die leise Musik angeschaltet hatte, die im Hintergrund lief, oder wann und wie das Licht heruntergedimmt worden war.
Von dem Glas sah er hinunter auf die Frau, deren Kopf in seinem Schoß lag. Mit ihren goldfarbenen Augen erwiderte sie lächelnd seinen Blick. Ihr Haar war offen, floss über seine Beine und umrahmte ihr Gesicht wie eine Aureole. Hell schimmerte ihre Haut dort, wo die oberen beiden Knöpfe ihrer gelben Seidenbluse offenstanden und einen Einblick in ihr Dekolleté gewährten, der seine Gedanken sofort wieder auf anderes lenkte.
David ließ einen Finger an ihrer Wange entlang abwärts zu ihrer Kinnlinie streichen. Sie drehte den Kopf, um spielerisch danach zu beißen und dann kurz seine Fingerspitze mit ihrer Zunge zu umspielen. Die Berührung schickte einen kleinen Schock durch Davids Körper. Mit einem Kuss entließ sie seinen Finger wieder, und er ließ ihn weiterwandern, über ihren Hals abwärts und ihr Brustbein entlang, dabei eine feuchte Linie auf ihrer Haut ziehend. Schließlich stieß er an den ersten geschlossenen Knopf und machte sich daran, das Hindernis zu beseitigen. Sacht schob David seine Hand unter die Bluse und ließ sie wieder hochgleiten, schob dabei ihren BH hoch, bis er Birtes feste Brust umfassen konnte. Sie sah ihn unverwandt an und öffnete leicht die Lippen. Einen Moment kam in David ein Gefühl der Falschheit hoch, doch der zarte Duft ihrer Haut ließ ihn das mit einem gedanklichen Achselzucken abtun.
Er beugte sich hinunter, um sie zu küssen. Birte hob ihm ihr Gesicht entgegen. Als ihre Lippen sich berührten legte sie ihre Hand in seinen Nacken, ließ ihren Kopf wieder in seinen Schoß zurücksinken und zog ihn mit sich. Leicht bohrten ihre Fingernägel sich dabei in seine Haut und verursachten eine Gänsehaut. Er verstärkte den Griff um ihre Brust für einen Moment, dann löste er die Hand und ließ nur die Finger über die weiche Haut und die aufgestellte Brustwarze spielen. Sie atmete scharf ein und ließ ihre Zungenspitze über seine Lippen gleiten, ehe zu seiner vorstieß und sie mit kurzen Berührungen zu locken begann. Als er reagierte, legte sie ihre freie Hand an seine Wange und schob ihn spielerisch gerade so weit weg, dass ihre Lippen sich nicht mehr berührten. Er sah ihre vor Erregung geröteten Wangen und das begehrliche Leuchten in ihren Augen, hörte ihren schnellen Atem und spürte dessen Wärme auf seinem Gesicht. Gerade wollte er sein Gesicht wieder zu ihrem senken, als etwas seine Aufmerksamkeit erregte. Er drehte den Kopf.
»Da ist etwas draußen auf der Terrasse«, sagte er leise.
Birte gab einen Laut des Unmuts von sich. »Das sind nur irgendwelche Tiere«, sagte sie. »Sie kommen manchmal bis hierher, weil das Haus so lange leer gestanden hat. Sie werden auch wieder gehen. Kümmer dich nicht weiter drum.«
Nachdrücklich zog sie seinen Kopf wieder zu sich hinunter und holte ihn zurück in den Sog ihres leidenschaftlichen Kusses. Ein Schwindelgefühl erfasste ihn, während seine Erregung stieg. Er ließ seine Hand von ihrer Brust aus wieder abwärts wandern, ertastete die weiche Haut ihrer Bauchdecke und folgte dann weiter der Reihe ihrer Blusenknöpfe. Sie stöhnte leise, erwartungsvoll, und wölbte sich seiner Hand entgegen.
Als der letzte Knopf aufsprang und der kühle Stoff zur Seite glitt, um ihre weiche Haut preiszugeben, sah er aus dem Augenwinkel erneut eine Bewegung, die irgendwo in seinem Inneren eine Warnglocke ertönen ließ. Das, was sich dort bewegte, war kein normales Tier. Es war zu schwerfällig und zu groß dafür, die Bewegungen zu ungleichmäßig. Erneut löste er sich aus dem Kuss und wollte den Kopf heben, doch Birtes Hand krallte sich in seinen Nacken.
»Hör nicht auf«, flüsterte sie. »Bitte … hör nicht auf.«
David zögerte, dann spürte er einen kalten Luftzug. Er griff nach Birtes Hand in seinem Nacken, zog sie zur Seite und hob den Kopf.
Etwas schob die Terrassentür auf. Birte hatte die Raumbeleuchtung so stark gedimmt, dass die Scheiben kaum spiegelten und David durch sie hindurch eine menschliche Gestalt erkennen konnte, die sich seltsam verkrümmt hielt und mit beiden Händen am Rahmen der Tür zog. Sie schien bemüht, keinen Lärm zu machen, und bewegte die Tür daher nur langsam.
»Da will jemand rein«, zischte David.
»Egal«, murmelte Birte. »Es wird nur Martha sein oder der Gärtner, sie werden gleich wieder verschwinden. Küss mich, David, und vergiss das da draußen … Komm, küss mich …«
Sie legte ihre Finger an seine Lippen und strich sacht darüber. Ein süßlicher Duft stieg in Davids Nase, und erneut wurde ihm schwindlig. Vor seinen Augen schienen die Geschehnisse sich zu beschleunigen, oder seine Wahrnehmung verlangsamte sich. Immer weiter öffnete sich die Tür. Mühsam drehte er den Kopf zur Seite, weg von Birtes Fingern. Inzwischen war die Glastür schon halb aufgeschoben, dass ein Mensch hindurch schlüpfen konnte. David schob Birte zur Seite und sprang auf.
»Wer ist da?«, rief er. Unwillkürlich tastete er nach der Stelle an seinem Gürtel, an der normalerweise sein Dolch hing. Doch der war jetzt im Mantel, und der Mantel hing im Flur.
Erneut schwappte Schwindelgefühl in einer Welle über ihn hinweg. Er sah, dass Birte sich aufsetzte und ihr Haar ordnete. Mit gerunzelter Stirn sah sie von der Terrassentür zu David und stand dann auf. Sie machte keinerlei Anstalten, ihre Bluse wieder zu schließen, und der Anblick ihrer sich unter dem hochgeschobenen BH in perfekten Rundungen wölbenden Brüste verwirrte seine Gedanken. Das Bild einer anderen Frau tauchte in seinem Geist auf, einer Frau mit kastanienbraunen Haaren und einem selbstbewussten Blick in bernsteinfarbenen Augen, einer Frau, mit der ihn etwas verband. Erneut fühlte sich falsch an, was hier geschah, und es war nicht nur die Gestalt an der Tür.
»Es ist alles in Ordnung«, schnurrte Birte und schmiegte sich an ihn. »Das ist gar niemand, nur ein dummer Junge, der gleich wieder verschwindet. Nur wir zwei sind wichtig, nichts und niemand sonst. Komm, küss mich …«
Sie hob ihr Gesicht, und David sah auf sie hinunter, und erneut füllten ihre goldenen Augen und der süße Duft ihres Parfüms all sein Denken aus.
Rian starrte mit gerunzelter Stirn auf die Hausfront, die sie mit ihrem kühlen Klassizismus abzuweisen schien.
»Es ist nirgends Licht zu sehen«, stellte sie fest.
Mats schaltete die Taschenlampe an, ging zum Kofferraum, öffnete ihn und holte eine Holzfälleraxt heraus. Um Lärm zu vermeiden schloss er den Deckel langsam, ehe er die Axt schulterte und ebenfalls zum Haus sah. Mats war das letzte Stück nur noch mit Standlicht gefahren, und sie hatten ein neben der Auffahrt angehalten.
»Ihr Auto steht vor der Tür«, stellte der Schwede fest und deutete auf die dunkle Mittelklasse-Limousine. »Sie müssen hier sein. Wir sollten um das Haus herumgehen und schauen, ob wir vom Garten aus etwas sehen. Zu unserem Glück gibt es keine Zäune und keine Überwachung. Marta fand das immer seltsam, noch einer der Gründe, die mich misstrauisch machten.« Er nickte Rian zu. »Gehen wir.«
Ohne auf Antwort von Rian zu warten ging Mats mit langen Schritten los, auf die linke Hausecke zu. Rian folgte ihm eilig. Der alte Schwede erwies sich nicht nur als unternehmungslustig, sondern auch als erstaunlich rüstig. Sie musste ihre langen Beine weit ausgreifen lassen, um mit ihm Schritt zu halten. Dabei dehnte sie zugleich all ihre Sinne aus und versuchte, zu erfassen, was genau sie an diesem Ort so abstieß. Vielleicht war es ein Schatten der Tragödie, die sich hier abgespielt hatte, der die Energien des Ortes verdunkelte. Sie hatte das Gefühl, dass noch ewas dabei war, das gepflegt und erhalten wurde. Und die Empfindungen, die sie über ihr Band von David empfing, wurden zunehmend verwirrender.
»Vorsicht«, flüsterte Rian, als sie die Hausecke erreichten. »Hier lauert Gefahr. Schalte die Taschenlampe aus, ich führe dich.«
Mats knipste die Lampe aus. Während für ihn nun alles stockfinster erscheinen musste, genügte Rian das wenige Sternenlicht zwischen den Wolken, um alles klar zu erkennen. Der Schwede legte seine Hand auf ihre Schulter und sie schritten vorsichtig voran, auf die nächste Hausecke zu.
»Wwer isssn da?«, erklang in diesem Moment eine gedämpfte Männerstimme aus dem Haus. Rian erstarrte. Erst mit Verzögerung erkannte sie, dass es die Stimme ihres Bruders war.
Er kann unmöglich in so kurzer Zeit so viel Alkohol getrunken haben, dass er dermaßen lallt, dachte sie. Als wäre er halb betäubt!
»Mats …« Selbst im Flüstern konnte sie die Sorge nicht aus ihrer Stimme halten.
»Ich habe es gehört«, antwortete er leise. »War das David?«
Rian nickte. In diesem Moment war ein dumpfer Knall zu hören, als würde ein Möbelstück umfallen, und ein hoher, erboster Aufschrei folgte. Ohne zu zögern oder an Mats zu denken rannte Rian los, um die Hausecke herum und dort weiter auf einen schwachen Lichtschein zu, mit den Händen ohne bewusste Anstrengung ein Zaubernetz aus einigen ihrer eigenen Haare webend. Nur am Rand registrierte sie den schwankenden Lichtkegel, der zeigte, dass Mats die Taschenlampe angeschaltet hatte und ihr folgte.
»David!«, rief sie laut. »David, wo bist du?«
Das Licht, das sie bemerkt hatte, kam durch einige Fenster und eine breite Glasfront und erleuchtete die weiße Pflasterung einer Terrasse, die davor lag. Eine menschengroße Gestalt schob sich gerade durch die halb geöffnete Tür unbeholfen ins Haus. Rian sah David neben einem umgestürzten Sessel stehen, leicht taumelnd und eine Hand am Kopf, als habe er eine Wunde erlitten. Eine Frau mit offener Bluse kroch auf der anderen Seite des liegenden Möbelstückes weg, als sei sie darüber gestürzt und vom Aufprall noch zu benommen, um aufzustehen.
Als Rian die Glastür erreichte, schlurfte das Wesen auf David zu. Die Elfe schleuderte mit einem Schrei ihr Geflecht. Die leuchtenden Linien dehnten sich im Flug rasend schnell aus und umwickelten das Wesen, schmiegten sich an seine Haut und begannen dann, zu schrumpfen. Einen Moment taumelte die Gestalt, in ihren Bewegungen behindert, doch dann riss sie die Arme hoch, und das Netz flammte hell auf. Schreckensstarr beobachtete Rian, wie ihr Zauber zerfetzt wurde und in kleinen sprühenden Funken verging.
Der Unhold hat eine starke magische Aura, schoss es ihr durch den Kopf. Einen mit solchen Energien kann man nicht so einfach einfangen.
Zumindest aber hatte Rian offensichtlich seine Aufmerksamkeit von David abgelenkt und auf sich gezogen, denn er wandte sich langsam um. Rote Augen glühten der Elfe aus einem Gesicht entgegen, das nur entfernt als menschlich zu erkennen war. Löcher klafften in den Wangen, und die Stirn war eingedrückt, als wäre etwas Schweres dagegen geschlagen worden. Die Haut war grau und matt, über jedem Knochen papiern gespannt, alle Muskeln weggeschrumpft. Weiße Haarbüschel standen vom Kopf wirr in alle Richtungen ab, und fadenscheinige Reste von dem, was einmal seine Kleidung gewesen sein mochte, hingen an den Gliedern. Um den Hals trug der Untote ein silbern glänzendes Amulett mit eingravierten Zeichen.
»Der Draugr!«, rief Mats, nahm die Axt von der Schulter und packte sie mit beiden Händen.
6.
Gefährliche Neugier
Sie mag mich … sie genießt meine Nähe …
Wie ein endloser Kreisgesang hallte es in Ainfars Kopf. Was so viele Elfen am Hof sich ersehnten, er hatte es erreicht, wenn auch auf anderem Wege als er früher gehofft hatte, wenn er ihr für kurze Momente nahe war. Sie, die hohe Herrscherin des Schattenlandes, deren Anblick jeden alles vergessen ließ außer dem Wunsch, ihr zu dienen und ihr Wohlwollen zu erlangen … sie liebte ihn.
Nicht auf die Art, wie sie einen Mann lieben würde, aber es war besser als alles, was Ainfar sich als Mann jemals hätte wünschen dürfen.
Er räkelte sich in ihrer schlanken Hand, während sie sich mit ihrem Tischnachbarn unterhielt. Es schien, als sei sie ähnlich süchtig nach dem Wohlgefühl seines dichten seidigen Fells geworden wie er nach ihrer Berührung. Ein Kribbeln erfüllte ihn, als ihr Finger über seinen Rücken hinunter strich, und er schnurrte wohlig.
Bandorchu lachte.
»Fühlst du dich wohl, mein kleiner Liebling, ja? Dein ganzer Körper bebt …« Man hörte ihr an, dass es ihr gefiel, und so verstärkte Ainfar das Geräusch noch etwas. Zugleich sah er mit seinen schwarzen Knopfaugen zu ihr hoch und wackelte ein wenig mit der Stupsnase. Erneut lachte sie auf.
»Er ist wirklich allerliebst. Man könnte fast meinen, er wüsste genau, was mir gefällt, und würde alles tun, um mich zu erfreuen.«
Wie wahr das doch ist, dachte er. Was tu ich nicht alles für einen Blick deiner strahlenden Augen, meine Herrscherin, für dein helles Lachen, deine zärtliche Berührung … würde ich nur einmal, nur ein einziges Mal diese Berührungen auch erwidern dürfen, dich mit meinen Händen liebkosen wie du es bei mir tust, dich die Lust erleben lassen, die du in mir erregst, ohne dass ich es jemals ausleben darf … Ah. Ich würde mein Leben dafür geben. – Und das würde es mich vermutlich auch kosten.
Mit einem inneren Seufzen ließ er seinen Kopf wieder auf die Hand der Königin sinken, schloss die Augen und gab sich der Glückseligkeit des Augenblicks hin.
Neben dem Stimmengemurmel hörte er ein Flüstern über sich. Vermutlich erhielt Bandorchu eine Mitteilung, die nicht jeder hören sollte. Ainfar spitzte die Ohren, rührte sich jedoch nicht.
Im nächsten Moment spürte er, wie Bandorchu erstarrte. Ihre Finger verharrten in seinem Fell, und sie krümmten sich leicht unter einer plötzlichen Anspannung. Schmerzhaft gruben die Kanten ihrer scharfen Nägel sich in seine Haut, und er konnte ein schmerzliches Fiepen nicht unterdrücken. Er öffnete die Augen und starrte zu ihr hoch. Die Schlangenköpfige, die Ainfar schon damals im Garten gesehen hatte – vor Tagen, vor Leben, vor Äonen des Genusses … was ist inzwischen außerhalb dieser Mauern geschehen? –, zog sich zurück. Bandorchus Gesicht war reglos, wie ein Kristall, erstarrt in ihrer absoluten und reinen Schönheit. Lediglich ihre Augen durchbrachen das Bild der Eisstatue, denn sie funkelten und glitzerten in dunklem Feuer.
»Er ist zurück«, flüsterte sie, und gierige Erregung durchpulste jedes ihrer Worte. »Endlich!«
Ainfar bewegte sich ein wenig, versuchte, sich aus ihrem schmerzhaften Griff zu lösen. Sie schien es zu bemerken und sah zu ihm hinunter. Schlagartig verschwand die Starre wieder, und ihre Züge wurden weich. Zugleich entspannte sich ihre Hand, und der stechende Schmerz in seiner Seite schwand. Vorsichtig hob sie die Hand, in der er ruhte, bis auf die Höhe ihres Gesichtes. Ainfar fand sich Auge in Auge mit der Herrscherin, und unter der Intensität ihres Blicks erlebte er ein Wechselbad der Gefühle, durchlebte panische Angst und endlose Sehnsucht zugleich.
»Entschuldige, kleiner Ariàn«, sagte sie mit süßer Unschuld in der Stimme, die so gar nicht zu dem grünen Feuer ihrer Augen passen wollte. »Du musst verstehen, ich bin so aufgeregt … ich bekomme etwas, worauf ich schon lange gewartet habe. Aber was rede ich, du bist nur ein dummes Tier …«
Ich verstehe es, Herrin!, wollte er hinausbrüllen. Ich verstehe es! Würde ich nur einen Hauch von Euch erhalten, einen Kuss, einen Augenblick allein mit Euch, in meiner wahren Gestalt … die Vorfreude würde mich nicht anders sein lassen als Euch jetzt …
Doch seinem Mund entwich nur ein weiteres leises Fiepen, und er rieb stattdessen seine Nase an ihrer Hand.
»Aber vielleicht verstehst du mich doch«, sagte sie nachdenklich. »Vielleicht geht mehr in deinem kleinen Köpfchen vor, als ich annehme. Manchmal wüsste ich gern, woran du so denkst, mein kleiner Ariàn, mein Silberling …«
Eisiger Schreck durchfuhr den Tiermann. Auf einmal wurde ihm wieder bewusst, in welcher Lage er sich befand.
Was, wenn sie in meine Gedanken eindringt? Wenn sie erkennt, was ich wirklich bin?
Der Blick ihrer hellen Augen schien ihn bis auf den Grund seiner Seele zu durchdringen. Doch dann lächelte sie.
»Aber egal ob du mich verstehst oder nicht – es ändert nichts daran, dass ich mich für eine Weile von dir trennen muss. Melemida! Nimm unseren kleinen Liebling und pass auf ihn auf.«
Bandorchu erhob sich, und die Dryade trat zu ihr. Im nächsten Moment fühlte Ainfar sich hochgehoben und landete auf den knorrigen Zweigen. Bandorchus Fingerspitzen strichen noch einmal sanft über sein Rückenfell, dann wandte sie sich zum gehen.
»Bis später, Ariàn. Benimm dich anständig.«
Ainfar hockte auf den Armen eines Kristallleuchters, der von innen heraus strahlte und Bandorchus Empfangszimmer durch aufgespannte Prismenfeenflügel hindurch in vielfarbiges, zittriges Schimmern tauchte. Sein Bauch fühlte sich an, als läge ein kalter Eisbrocken darin.
Er ist bei ihr. Sie hat sich geschmückt, hat sich bereit gemacht, um ihn zu empfangen, allein.
Witternd sog er mit seiner kleinen Nase die Luft ein, als könne er die eisige Aura riechen, die der Getreue verbreitete. Dessen Rückkehr war es gewesen, die Bandorchu gemeldet worden war, und die ihn, Ainfar, aus ihrer Nähe verbannte.
In ihren eigenen Räumen empfängt sie ihn. Und sie wird ihm das schenken, wonach sich jeder Elf in diesem Schloss verzehrt. Vielleicht schon jetzt …
Er starrte zu der Tür, die in ihre Gemächer führte. Doch er sah nicht die zu kunstvollen Ornamenten verschmolzenen weißen Knochenbögen, aus denen sie bestand. Was er sah, spielte sich nur vor seinem inneren Auge ab.
Er sah die Königin in ihrem hauchdünnen weißen Gewand, das an den passenden Stellen dem Blick für atemberaubende Momente Durchgang gewährte, um Ahnungen zu erzeugen, nur um ihn im nächsten Augenblick schillernd zurückzuweisen. Er sah sie sich bewegen, sich langsam so setzen, dass kurzzeitig der Stoff an der Seite aufsprang und ihre makellose schneeweiße Haut sehen ließ, die über das Leder des Sitzes glitt, ehe Bandorchu in aufreizender Art die Beine überschlug. Er sah ihren Augenaufschlag, der das klare Grün offenbarte, das wie kaltes Feuer war. Wie sie mit den Händen den Stoff ihres Gewandes glatt strich und damit die Ahnungen ihres Körpers zu Gewissheiten werden ließ, wie sie sich vorbeugte, den Mund leicht geöffnet, die gewölbten Lippen ein stummes Versprechen … all die kleinen Gesten, die er schon so oft an ihr gesehen hatte, wenn sie sie einsetzte, um sich ihre Untertanen willfähriger zu machen.
Doch hier würde es nicht nur bei Gesten bleiben. Er hatte sie gehört, mehr als einmal, wenn er da war. Ihr Stöhnen, ihr lustvolles Keuchen. Er hatte sich vorgestellt, wie diese eiskalten Finger über ihren warmen Körper glitten, ihre Brüste umstrichen und die Brustwarzen sich aufrichten ließen, wie ihre Härchen sich aufstellten wo immer er sie berührte, und ihr Körper sich wand … wie seine Hände tiefer glitten, er ihre Lippen mit seinen verschloss, sein Blick sich mit ihrem verschränkte, während er sie an sich riss und sie seine Erregung spüren ließ …
Ainfar ächzte innerlich vor Eifersucht.
Warum gerade er? Was gibt ihm solche Macht über sie? Was hat er, das ihr Begehren weckt? Erregt sie das Bewusstsein seiner Macht? Benutzt sie die Vereinigung mit ihm, um ihn zu kontrollieren? Beherrscht er sie, oder sie ihn?
Es war ein verwirrendes Spiel zwischen diesen beiden mächtigen Wesen.
Und beide stellen sie Rätsel dar, jeder auf seine Art. Bandorchu – sie wirkt inzwischen, als wäre dies ihr wahres Zuhause. Und der Getreue, aus dem Nichts gekommen, vom Kau mitgebracht aus der Welt der Sterblichen, als dieser das erste Mal ein von Bandorchu geschaffenes Tor durchschritt … Wer ist er? Was ist er?
Es war eine Frage, die sich hinter vorgehaltener Hand jeder in der Zitadelle stellte.
Obwohl er sich in der Art seiner Bewegungen den Elfen angepasst hatte, konnte jeder spüren, dass der Getreue keiner von ihnen war. Es war nicht nur Kälte, die er ausstrahlte – es war die Kälte seiner Aura, mit einer Intensität, die jeden schaudern ließ, der für diese Dinge empfindlich war. Tief in die Dunkelheit seines schwarzen Kapuzenumhangs gehüllt verstärkte er diesen Eindruck und hütete seine Geheimnisse. Selbst die Blicke der Flügelsphinxen hatten den Stoff nicht durchdringen und seine wahre Gestalt ergründen können.
Das Leder ihrer Flügel zierte nun die Türen seiner Gemächer und ihre Augenbälle beleuchteten sie, während sie selbst klagend und blind über die Ebene streiften.
Manchmal konnte man Augen dort erahnen, wo unter der Kapuze das Gesicht des Getreuen sein sollte. Doch der Tiermann hatte den Eindruck, dass es eher sein Blick war, den man spürte. Und seine heisere Stimme, die Ainfar seit der Begegnung im Gang stets zusammenzucken ließ, wann immer sie erklang, bot ebenso wenig Hinweis auf seine Herkunft.
Er war ein Rätsel.
Und was, wenn ich das Rätsel löse?
Ein wagemutiger Gedanke kam ihm. Vielleicht konnte er sich besser vor dem Getreuen schützen, wenn er wusste, was er war. Und vielleicht würde es ihm sogar die Möglichkeit geben, Macht über ihn zu gewinnen. Zumindest musste es ein wertvolles Wissen sein, wenn er es so sehr hütete.
Ainfars Blick wanderte über die Ornamente der Wände hinauf, dorthin, wo durch schmale, unter den Musterungen kaum erkennbare Schlitze Luft von außen eindrang, ohne dem Licht Eintritt zu gewähren. Schlitze, durch die kaum etwas hindurch kam, außer dem Staub der Ebene … und vielleicht ein kleines Silberhörnchen.
Ainfar verfluchte seine Neugier. Dennoch kehrte er nicht um.
Der Schlitz, durch den er sich gedrückt hatte, hatte ihn in einen unregelmäßig geformten Gang geführt, der sich durch die Mauer der Zitadelle wand. Es war ein vertrautes Gefühl gewesen, dort hindurch zu huschen – fast als wäre es ein Silberhörnchen-Bau. Doch der Gang hatte ihn nicht dorthin geführt, wohin er wollte. Stattdessen fand er sich plötzlich in grellem Licht wieder, und im nächsten Moment jagte ein dunkler Schatten über ihn hinweg.
Das Außen!
Kurz hatte er sich zurück in den Schacht geduckt, hatte die Pfoten über die Augen gelegt, um nicht sehen zu müssen, was dort draußen war. Doch dann hatte die Neugier gesiegt.
Gut, dieser Schacht endet an der Außenmauer, dachte er. Dann muss von hier ein anderer Schacht in ihr Zimmer führen. Und dort, wenn Bandorchu und der Getreue ihr Vorgeplänkel beendet haben, wird er seine schützende Hülle ablegen, und dann …
Zu Ainfars Glück war auch die Außenwand der Zitadelle voller verschnörkelter Verzierungen, die einerseits einen Sinn für Ästhetik, andererseits einen Ausdruck von Grausamkeit und Hass offenbarten. Jedes Detail, das man betrachtete, schien andere Bilder von Schmerz und Wahnsinn zu zeigen, und so zog es Ainfar vor, einfach nur darüber hinweg zu huschen auf der Suche nach einem neuen Einstieg, durch den er den wehenden Schatten entkommen konnte. Er fand ihn in einem Ornament, das aussah wie das unter Qualen schreiende Gesicht einer wunderschönen Elfe. Durch den Mund konnte er erneut ins Mauerwerk der Zitadelle schlüpfen.
Am Ende des Gangs fand er sich in Melemidas Raum wieder. Enttäuscht hastete er zurück. Auch der nächste und der übernächste Gang erwiesen sich als falsche Wege, keiner von ihnen führte ans Ziel. Zudem befürchtete er, dass er den ursprünglichen Weg nicht mehr wiederfinden würde, denn die Oberfläche der Zitadelle war für ein Wesen seiner Größe ein unüberschaubares Labyrinth. Würde jemand misstrauisch werden, wenn er nicht mehr an seinem Platz in Bandorchus Vorraum war? Würde man irgendetwas vermuten, wenn er plötzlich an einem völlig anderen Ort auftauchte? Die Möglichkeiten, die ihm die neu gefundenen Verbindungswege boten, würde er nur ungern verlieren. Vielleicht würde er auf diesem Weg hinter einige der Geheimnisse Bandorchus kommen … und das war doch sein Ziel, oder?
Im Moment allerdings trieb ihn nur seine Neugier bezüglich des Getreuen.
Er tauchte in den Schatten des nächsten Luftschlauchs, schob sich durch die engen Windungen, die das Eindringen von Licht und Staub verhindern sollten. Als er sich mit einer Drehung aus der engsten Stelle befreite, hörte er leise Stimmen. Sein Herz jubelte, doch im nächsten Moment verspürte er Enttäuschung, als er Bandorchus Worte hörte.
»Wann wirst du wiederkommen?«
Er hörte ein Rascheln von Stoff.
»Bald.« War das die Stimme des Getreuen? Wenn er sie auch nur gedämpft hörte, kam es ihm doch so vor, als läge nicht die übliche Heiserkeit darin.
Ainfar huschte weiter den Gang entlang, bis er Schlitze erreichte, die denen ähnelten, durch die er im Vorzimmer hinaus geschlüpft war. Vorsichtig lugte er in das Zimmer und schnaufte dann enttäuscht. Zwischen ihm und dem Bett, bei dem die beiden sich ihren Stimmen nach befanden, stand ein Sichtschirm mit floralen Ornamenten, die sich stetig umgruppierten, ohne jedoch mehr als Schemen dahinter erahnen zu lassen. Ainfar drückte den Kopf durch die Schlitze und sah sich um. Ein Absatz verlief ein wenig unterhalb von ihm. Er schob sich in den Raum und ließ sich hinunterfallen. Auf dem Weg erzeugten seine Krallen ein Kratzen auf dem Stein, das in seinen Ohren wie Donner dröhnte. Bei der Landung raste sein Herz vor Aufregung, und er kauerte sich zunächst nur auf dem Absatz zusammen.
»Ich werde den nächsten Knoten aufsuchen«, fuhr die Stimme gerade fort. »Ich weiß noch nicht, wie viel Zeit es kosten wird, und ich muss sicher sein, dass es der Richtige ist. Wir können uns in diesem Spiel keine Fehler erlauben.«
»Und du wirst keine machen.« Ihre Stimme klang zugleich lasziv und unterschwellig bedrohlich.
Sie hatten ihn nicht bemerkt.
Bisher.
Er zog die Krallen ein, so gut es ging und folgte tief geduckt dem Absatz.
Nur ein kleines Stückchen, dann kann ich um den Schirm herum sehen. Nur ein kleines Stückchen …
»Ich werde keine machen.« Es war kein reines Versprechen des Getreuen, sondern drückte selbstsichere Gewissheit aus. »Wir werden unser Ziel erreichen. Du wirst die Welt der Sterblichen betreten, und ich werde sie dir zu Füßen legen.«
Ainfar erstarrte, wo er war.
Die Welt der Sterblichen betreten?
Er bemerkte erst, dass er weit genug dem Absatz gefolgt war, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Hinter dem Sichtschutz stand Bandorchus Himmelbett aus weißer Seide und matt schimmerndem Kristall. Sie lag auf der Seite, das Seidenlaken um ihren Körper und ein Bein geschlungen, während das andere leicht angezogen darüber lag. Sie beobachtete die dunkle Gestalt, die sich vor ihrem Bett hinunterbeugte, mit dem Rücken zu Ainfar.
Der Getreue!
Ainfar musste um Augenblicke zu spät gekommen sein. Der Getreue hatte bereits seine Kutte übergeworfen – Wenn er sie überhaupt abgelegt hat! –, und ehe er einen Blick auf mehr als zerzaustes schwarzes Haar und die Ahnung blasser Haut erhaschen konnte, griff dieser mit seinen behandschuhten Händen nach hinten und schlug die Kapuze hoch.
Bandorchu machte indessen eine nachlässige Geste, die nicht zu dem harten Blick ihrer Augen passen wollte.
»Sterbliche. Sieh zu, dass wir nicht selbst wie sie enden. Das Tor ist wichtig – aber es ist mindestens ebenso wichtig, den Verfall aufzuhalten, und in dieser Hinsicht hast du bisher keine großen Erfolge aufzuweisen.« Sie setzte sich auf und hob die Arme, um ihre Haare nach hinten zu streifen. Das Laken glitt an ihrem Körper hinab, und der Anblick ihrer makellos milchweißen Haut, der weichen Rundungen ihrer Brüste und der wie kleine rosa Knospen darauf sitzenden Brustwarzen lies Ainfars Atem stocken. Seine Gedanken verwirrten sich, und er konnte kaum noch wahrnehmen, was weiter gesprochen wurde.