Kitabı oku: «SELBST-geführte Psychotherapie», sayfa 2

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Psychotherapeutische Grundhaltung und Ideen

Humanistische Psychotherapien beinhalten Grundideen von Empathie, Authentizität und Stimmigkeit.

 Den Klient*innen wird ein Raum für Selbstwahrnehmung, Selbstexploration durch die Therapeut*innen gegeben, in achtsamer, nicht wertender, akzeptierender Atmosphäre.

 Es wird von der inneren Weisheit der Klientinnen und Klienten, von der Kreativität und der Eigenverantwortung eines jeden Menschen ausgegangen.

 Es wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch Ressourcen und Resilienzfaktoren hat und es eine Salutogenese gibt.

 Es wird von einer Körper-Seele-Geist-Einheit ausgegangen sowie von einer organismischen Selbstregulation.

 Von Martin Buber stammt die Grundidee der existenziellen authentischen Begegnung im Jetzt von zwei Menschen, der Ich-Du-Begegnung, eines dialogischen Prinzips, eines gleichberechtigten Kontaktes.

 Therapeut*in und Klient*in treten in einen dialogischen interpersonellen Kontakt.

 Die Klient*innen können auch mit sich in eine intrapersonelle Interaktion zwischen ihren Ich-Zuständen oder zwischen unterschiedlichen Persönlichkeitsanteilen treten.

 Es wird von einer Vielfältigkeit und Vielschichtigkeit der Persönlichkeit ausgegangen.

 Die Denkweise ist ganzheitlich und systemisch.

 Es besteht die Annahme der Sinnhaftigkeit von Symptomen und von Zusammenhängen mit der erlebten Geschichte.

Die Haltung der Therapeut*in den Klient*innen gegenüber

Die Haltung gegenüber den Klient*innen ist offen, neugierig, interessiert, achtsam, authentisch, empathisch, zuversichtlich, Vertrauen vermittelnd, verbunden, stimmig, gelassen und ruhig, nicht wertend und unparteiisch. Den Klient*innen wird mit Respekt und Wertschätzung begegnet. Die Therapeut*innen arbeiten auf Augenhöhe mit den Klienten. Sie sollten nicht besserwisserisch sein. Sie folgen den Klient*innen und eilen ihnen nicht voraus. Es besteht zwischen Arzt/Therapeut*in und Patient/Klient*in eine professionelle Beziehung, die gleichermaßen abstinent wie professionell empathisch und von Menschenliebe geprägt ist. Sie respektiert und akzeptiert stets die eigenen und die Grenzen des Gegenübers. Sie ist frei von jeglicher persönlicher Vorteilsnahme, emotionaler, körperlicher oder gar sexueller Grenzverletzung.

In einer nicht angestrengten Atmosphäre mit der nicht bewertenden und präsenten Gegenwart der Therapeut*innen erfahren die Klient*innen Raum für ihre Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion. Hier können sie ihre Problematik, ihre Konflikte, ihre Verletzungen, ihre sie traumatisierenden Erlebnisse bearbeiten. Sie lernen, sich und ihre Geschichte anzunehmen, zu akzeptieren, sie auch emotional und im Kontext ihrer Sozialisation zu verstehen und jetzt von früher zu unterscheiden. Blockierte und unterdrückte Gefühle können sie in sich erleben, erkennen und verstehen.

So können sie sich finden und zu dem Menschen entwickeln, der sie werden können, freier, natürlicher. Sie lernen wieder auf ihren Körper und auf sich selbst zu vertrauen.

Die Klient*innen machen korrigierende Erfahrungen in der Therapie durch die Person der Therapeut*innen. Die achtsame Schulung der Wahrnehmung für alles, was im Körper oder in der Umgebung vor sich geht, ist ein wesentlicher Baustein in den körperorientierten humanistischen Therapieverfahren. Achtsamkeit und Gewahrsein können geübt werden. Durch die neuronale Plastizität des Gehirns entstehen so neue neuronale Netzwerke, die Veränderungen nachhaltig machen können.

Die Haltung der Therapeut*innen sich selbst gegenüber

Die empathische, respektvolle, wertschätzende, jedoch nicht wertende Haltung gegenüber den Klient*innen gilt genauso auch für die Therapeut*innen sich selbst gegenüber.

Ihr mentaler und ihr physischer Resonanzboden ist ihnen vertraut. Sie sind selbsterfahren, kennen sich gut und lernen sich immer besser kennen.

Sie differenzieren Übertragungs- und Gegenübertragungsgefühle und agieren sie in der Therapie nicht aus.

Sie können ihren Resonanzboden als Diagnostikum und Therapeutikum nutzen.

Die Haltung der IIFS-Therapeut*innen und der Umgang mit eigenen Anteilen wird in Teil 4 ausführlich beschrieben. Sie beinhaltet die vorigen Punkte; zusätzlich möchte ich hier schon einige Charakteristika erwähnen:

In der IIFS arbeiten die Therapeut*innen aus sich SELBST heraus und/oder mithilfe entlasteter Therapeuten-Teile.

 Sie beziehen natürlich die körperliche Wahrnehmung und Körpersprache bei sich und den Klienten mit ein.

 Sie können den intrapsychischen und interpersonellen Dialog aus sich SELBST heraus führen und sprechen nicht aus ihren Therapeuten-Teilen heraus.

 Die Beziehungsebenen gestalten sich sowohl intrapsychisch im eigenen System wie interpersonell zwischen dem System des Klienten und der Therapeuten. Die Therapeuten haben beide Ebenen im Gewahrsein.

 Geschieht die Arbeit aus den SELBST-Qualitäten heraus, in Verbundenheit mit den Persönlichkeitsanteilen, wie es die systemische Therapie mit der inneren Familie vorsieht, kann sie lebenslang Freude bereiten, kann gleichsam leicht, überraschend wie tiefgründig sein, sich entwickeln und ist unangestrengt.

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Die Achtsame Wahrnehmungsschulung
Achtsamkeit

Achtsamkeit ist eine dem Menschen innewohnenden Fähigkeit des Bewusstseins, sich selbst und seine Umgebung im gegenwärtigen Moment wahrzunehmen. Zwar absichtsvoll, jedoch ohne Bewertung, richtet sich die Aufmerksamkeit auf das, was im Moment wahrzunehmen ist: Körperempfindungen, Gedanken, Gefühle, Erfahrungen, innere Bilder, Fantasien u.v.a.m. Es entsteht ein Gewahrsein und gleichzeitig eine Annahme dessen, was ist, so wie es gerade im Moment ist. Auch kann ich wahrnehmen, wie sehr ich präsent bin, oder eben nicht, und/oder in welcher Rolle ich mich gerade befinde – so wie ich bin oder so, wie ich oder andere es von mir verlangen. Achtsamkeit schafft eine Präsenz im Sein, die als Energie wahrnehmbar ist. Mit der aufmerksamen Wahrnehmung nehme ich wahr, was im Moment ist. Ich bin da, wo ich bin. Ich höre, was ich höre, sehe, was ich sehe, fühle, was ich fühle, denke, was ich denke. Wenn ich gehe, dann gehe ich, wenn ich stehe, dann stehe ich, wenn ich laufe, dann laufe ich … und nichts mehr. Achtsamkeit kann dem Menschen den Unterschied anzeigen zwischen Da-Sein (so wie er ist) und seinem So-Sein (so wie er in seiner Rolle sein sollte).

Achtsamkeit ist Praxis vieler spiritueller Richtungen und besonders im Buddhismus vertreten. Vor einigen Jahrzehnten hat unter anderem der Mönch und Friedensaktivist Thich Nhat Hanh die Achtsamkeits­praxis aus dem Buddhismus den Menschen im Westen nähergebracht. Dabei ist Achtsamkeit an keine Religion gebunden und verfolgt keine konkreten Ziele. Die Achtsamkeitspraxis, wie sie von Thich Nhat Hanh verkörpert wird, hält Übungen für die Ehrfurcht vor dem Leben, die wahre Liebe und das wahre Glück, für liebevolles Sprechen und tiefes Zuhören, für Nahrung und Heilung bereit. Für erstrebenswert hält sie die Ideale von miteinander leben können in Verständnis und Mitgefühl, Frieden, Freude und Wohlbefinden. Transformation und Heilung werden mit dieser Haltung unterstützt. Alle Übungen und Meditationen sind mit achtsamem Atmen verbunden. Jon Kabat-Zinn ist mit der Entwicklung der schon erwähnten Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR) eine Methode zu verdanken, die weltweit Menschen zu mehr Selbstwahrnehmung, Entspannung und Stressverminderung verholfen hat und ihnen die Fähigkeit zur Regulierung der eigenen Emotionen und zur Schulung ihrer Wahrnehmung an die Hand gegeben hat. Sie ist in acht Wochen zu erlernen und setzt regelmäßiges Üben voraus. Auch hier macht Übung den Meister und belohnt mit einem Seins-Gefühl von Klarheit und Intensität u.v.a.m.

Achtsamkeitstraining verhilft dem Menschen zu mehr Freiheit, den Raum zwischen Reiz und Reaktion selbst zu gestalten und nicht mehr aus dem »Autopiloten«, also unbewusst zu reagieren. Es stärkt damit die Fähigkeit zu Selbstwahrnehmung, Selbstreflexion, Selbstmitgefühl, Selbstbestimmung und Selbstregulation. Regelmäßige Achtsamkeitspraxis öffnet uns für die ganze Bandbreite an Gefühlen, verändert die Schmerzwahrnehmung, stärkt das Konzentrationsvermögen, macht nachsichtiger und gnädiger mit sich selbst und stärkt die Hilfsbereitschaft für andere. Bei vielen seelischen Erkrankungen stärkt sie das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Sie fördert nachgewiesenermaßen die Neuroplastizität des Gehirns und schafft damit Möglichkeiten, neue neuronale Netzwerke zu aktivieren und alte, dysfunktionale, den Menschen an seinem eigenen Leben hindernde Muster nachhaltig zu verändern. Achtsamkeit ist zudem die Voraussetzung für Empathie für sich selbst und andere.

Es gibt also eine Menge von Gründen, Achtsamkeit zu erlernen und sich darin zu üben – und es gibt viele Möglichkeiten, sie zu praktizieren. Da sind die formellen Achtsamkeitsübungen in der Bewegung wie Tai-Chi, Qigong, Yoga, die Atemmeditationen, geleitete Meditationen und viele unterschiedliche Meditationsformen. Die Alltagsmeditationen, bei denen ich das, was ich gerade sowieso tue, mit Achtsamkeit tue und im Moment bin, lassen sich ohne großen äußeren Aufwand praktizieren und stellen sich bei ausreichender Übung immer öfter von alleine ein. Wenn ich mir die Hände wasche, auf die Toilette gehe, zur Arbeit gehe/fahre, esse, mich bewege, dann kann ich das genauso gut achtsam tun. Dann habe ich am Morgen schon eine Gehmeditation oder eine Bewegungsmeditation erlebt, mit meinen Sinnen die Umgebung wahrgenommen, eine achtsame Essmeditation erfahren. Ich bin da, wo ich bin – mit Körper, Seele und Geist. Körpermeditationen sind ebenfalls leicht in den Alltag zu integrieren. Und wenn ich mir am Stück mehr Zeit nehmen möchte, dann bietet sich ein Bodyscan, eine geleitete Meditation unterschiedlicher Länge oder eine Fantasiereise an. Und an zahlreichen Meditationsverfahren mangelt es ja auch nicht. Jede*r kann sich die passende Möglichkeit auswählen. Es sollte sich stimmig anfühlen.

Neurophysiologische Untersuchungen haben ergeben, dass bei Menschen, die täglich eine Viertelstunde für zwei Monate eine meditative Achtsamkeitspraxis ausüben, eine sichtbare Beruhigung der Stresszentren im Gehirn in der Positronen-Emissions-Tomographie nachzuweisen war. Es findet eine Stärkung des präfrontalen Kortex statt. Dieser hilft, bewusst zu denken, fühlen und zu handeln. Gleichzeitig wird die Amyg­dala, der Rauchmelder der Gefühle und die neuronale Angstzentrale, gedämpft. Der Cortisolspiegel, ein Indikator für Stress, sinkt. Durch diese Nachweise öffneten sich schließlich die Türen für die Anwendungen von Achtsamkeitspraxis in der Medizin und der Psychotherapie. Bei neueren Psychotherapieverfahren wie der Dialektisch-Behaviorale ­Therapie (DBT) nach Marsha Linehan, der Acceptance- and Commitment-­Therapy (ACT), der Mindfulness Based Cognitive Therapy (MBCT) sowie bei Selbstmitgefühl-basierten Therapien gehören Achtsamkeitsverfahren zur Grundausstattung.

Viele humanistische Psychotherapieverfahren wie die integrative Gestalttherapie, die Hakomi-Therapie, das Focusing, die Al Pesso-Therapie und die Systemische Therapie mit der Inneren Familie praktizieren schon seit Jahrzehnten die Prinzipien der Achtsamkeit als unverzichtbare Grundlage ihrer Therapien. Im gegenwärtigen Moment zu sein und mit nichtwertender Aufmerksamkeit den Fokus in absichtlicher Absichtslosigkeit auf Atem, Sinneswahrnehmungen, Körperempfindungen, Gefühle, Gedanken, Wünsche, Bedürfnisse der Innenwelt etc. zu lenken und in eine tiefe Wahrnehmung einzusteigen, ist Ausgangspunkt dieser Therapien.

Mit der Praxis des achtsamen Wahrnehmens entsteht ein kleiner Abstand zum Innenleben und damit eine Instanz der Beobachtung.

Ich kann meine Sinnesempfindungen wahrnehmen, also bin ich mehr als meine Sinneswahrnehmungen. Ich kann meine Körperempfindungen wahrnehmen, also bin ich mehr als meine Körperempfindungen. Ich kann meine Gedanken wahrnehmen, also bin ich mehr als meine Gedanken. Ich kann meine Gefühle wahrnehmen, also bin ich mehr als meine Gefühle. Ich kann meine Wünsche und Bedürfnisse wahrnehmen, also bin ich mehr als meine Wünsche und Bedürfnisse. Ich kann meine Innenwelt wahrnehmen, also bin ich mehr als meine Innenwelt.

Diese beobachtenden Instanzen sind nicht wertend, eher neutral, registrierend, akzeptierend, auch wohlwollend, gütig, mitfühlend und gelassen. Sie tragen in den unterschiedlichen Psychotherapien verschiedene Namen wie der »innere Beobachter«, »der innere Zeuge«, »der Generaldirektor«, »der Dirigent«, der »Parlamentspräsident«, das »Oberhaupt« u. a.m.

Der SELBST-Begriff in der IIFS geht über diese ähnlichen Eigenschaften der beobachtenden Instanz noch hinaus; ihm wohnt die Qualität des Da-Seins inne. Außerdem ist dieses Zentrum SELBST als unsichtbarer, jedoch psychisch und physisch erlebbarer Partner im inneren Austausch und Dialog zu erfahren. Das macht seine Besonderheit und seine einzigartige Wirkung aus. Dazu mehr in Teil 2.

Die innere Achtsamkeit ist nach innen gerichtete, nicht-wertende Aufmerksamkeit und eine Grundlage für Selbstwahrnehmung, Selbstreflexion und Selbstfürsorge. Tägliches Innehalten und kurze Übungen sind hilfreich, um das innere Erleben differenziert zu erfahren. Es verschafft gleichermaßen einen stärkeren Kontakt zu sich selbst, wie es auch durch das Einschalten des inneren Beobachters eine Möglichkeit bietet, sich mit einer gewissen Distanz differenzierter zu erleben, ja überhaupt den Kontakt zu dem innewohnenden »Du« (das, was ich wahrnehme als Gegenüber) zu ermöglichen. Durch das Praktizieren von Achtsamkeit erweitert sich das innere Spektrum und die Bewusstheit. Eine Folge davon kann mehr Entspannung, Wohlbefinden, Bewusstheit für innere Vielfalt und Reichtum, Zufriedenheit und Gelassenheit sein. Mit dem Versuch, das Wahrgenommene möglichst ohne Wertung zu betrachten, nämlich als das, was es ist (und falls man doch wertet, registriert der innere Beobachter dies als solches), erweitern sich nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere Menschen Einfühlungsvermögen, Verständnis, Horizont und Toleranz. Und bei aller Erweiterung der Wahrnehmungsfähigkeit sollten wir auch die Grenzen dessen, was dem Bewusstsein überhaupt zugänglich sein kann, im Blick behalten.

Wahrnehmung

Alles, was wir als wirklich zu erkennen glauben, entsteht in unserem Gehirn. Dazu gehört nicht nur das Kopfgehirn, sondern auch das Bauchgehirn. In beiden Hirnen fließen unzählige Informationen geistiger, seelischer, materieller und intellektueller Art zusammen, visuelle, taktile, auditive und kinästhetische. Sie weben ein Netz mit oft unvorhersehbaren Verknüpfungen und sind individuell sehr verschieden. Unser Bewusstsein kann Teile dieses Netzes wahrnehmen. Und alles, was der Mensch wahrnimmt und welchen Sinn er dem Wahrgenommen gibt, ist die Wahrnehmung speziell dieses einen Menschen. Die Wahrnehmung ist zunächst subjektiv und selektiv. Sie ist geprägt durch unseren bewussten und unbewussten persönlichen, familiären, gesellschaftlichen, kulturellen und geschichtlichen und zeitgeschichtlichen Hintergrund. Unser Weltbild und Menschenbild, unsere Emotionen und Erfahrungen sowie im speziellen therapeutisch-medizinischen Bereich die Einstellung bezüglich Gesundheit und Krankheit färben auf die Wahrnehmung ab. Aber auch unsere Gegenwärtigkeit, die Tagesereignisse, die Lebensumstände, die Laune und die Einstellung färben die Wahrnehmung, sowohl für den Blick zurück in die Vergangenheit als auch für unsere Zukunftsperspektive. Wahrnehmung ist immer auch sinnliche Wahrnehmung, leiblich erfahrbar und leiblich gespeichert. Sie geht mit Gefühlen, Gedanken, Verhalten und einem Ausdruck im Körper einher.

Was es ist

Es ist Unsinn

Sagt die Vernunft.

Es ist was es ist

Sagt die Liebe.

Es ist Unglück

Sagt die Berechnung.

Es ist nichts als Schmerz

Sagt die Angst.

Es ist aussichtslos

Sagt die Einsicht.

Es ist was es ist

Sagt die Liebe.

Es ist lächerlich

Sagt der Stolz.

Es ist leichtsinnig

Sagt die Vorsicht.

Es ist unmöglich

Sagt die Erfahrung.

Es ist was es ist

Sagt die Liebe.

Erich Fried

Wahrnehmung in der Gestaltpsychotherapie

Der Gestalttherapeut Hilarion Petzold beschreibt menschliche Wirklichkeit und somit die Wahrnehmungsmöglichkeiten recht komplex:

»Der mitmenschliche Kontext, das Erleben, Fühlen, Handeln und Agieren sowie die interpersonelle und intrapsychische Dynamik des Menschen wird eher als holistisch, analogisch und räumlich angeordnet betrachtet als als flächig, punktuell oder linear.«1

Sie geht von einer leibbegründeten Hologramm-Theorie des Gedächtnisses aus. Als Gedächtnisspeicher dient neben dem Gehirn der Leib. Den Leib nehmen wir im Gegensatz zum Körper (der rein biologisch gesehen und von außen wahrgenommen wird) vom Spüren her wahr. Im Leib ist die gesamte Biografie verinnerlicht. Wir sprechen von »verleiblichten Szenarien«, von einem szenarischen Leib-Gedächtnis.

Hier werden alle Szenen, Ereignisse, Atmosphären, mitsamt seinen Gefühlen, Körpergefühlen, Gedanken, die ihm im Laufe seines Lebens begegnet sind, wahrgenommen, in einen Sinnzusammenhang gestellt und gespeichert. »Über dieses Leibgedächtnis sind die Ereignisse usw. ein Teil dieses Menschen geworden.« (Hausmann/Neddermeyer) Das Leibgedächtnis ist dem Bewusstsein des Menschen mehr oder weniger zugänglich. »Eine Einzeladresse« einer im Leibarchiv abgespeicherten Szene (zum Beispiel eine Berührung, ein Geruch, eine bestimmte Bewegung, eine Tonart), evoziert die ganze Fülle historischer Daten mit ihren emotionalen, kognitiven, interaktionellen und archetypischen Eindrücken« (Peter Osten), zu vergleichen mit dem Begriff »Trigger« aus der Psycho-Traumatherapie.

Treffen nun zwei Menschen aufeinander, so findet, ob gewollt oder nicht, ein Kontakt zweier Leiblichkeiten statt; die jeweiligen Wirklichkeiten und Atmosphären werden unbewusst miteinander verwoben, auch wenn er den Personen nicht immer bewusst zugänglich ist. Der Behandler muss sich also selbst in den interpersonellen Kontext mit einbeziehen, wenn er annähernd zu einer adäquaten Sichtweise einer »Gemeinsamen Wirklichkeit« mit seinem Patienten gelangen will. (Peter Osten) Nach dem Gestaltmodell ist jeder Mensch auch das, was er verkörpert. Gleichermaßen hat er die Fähigkeit zu externalisieren. In der Gestalttherapie wird davon ausgegangen, dass aufgrund von früheren Verletzungen, Traumatisierungen und dramatischen Lebensumständen die »Gestalt« eines Menschen verletzt wurde und bestimmte grundlegende menschliche Bedürfnisse in den Hintergrund treten mussten. An der immer wieder aufbrechenden Narbe der »Gestalt« treten diese Bedürfnisse in Form von Figuren aus dem Hintergrund der Persönlichkeit auf die innere Bühne ihres Menschen in den Vordergrund und drängen auf Schließung der Gestalt. Hier sind sie dann der Bearbeitung zugänglich. Diese Figuren sind den Persönlichkeitsanteilen in der IFS sehr ähnlich. Die geschulte Wahrnehmung der körperorientierten Integrativen Gestaltpsychotherapie ist sehr achtsam und fein auf den Körper mit all seinen Empfindungen, Gefühlen, Reaktionen, Haltungen, Bewegungen, Ausdrucksweisen, Mustern und seiner verinnerlichten Geschichte gerichtet. Die integrative Gestalttherapie findet Zugang zu den Erinnerungen, die im Körper wie »Leibliche Szenarien« gespeichert und manches Mal verbal noch nicht zugänglich sind. Mithilfe bestimmter Techniken, am bekanntesten zum Beispiel die Stuhl-Technik, ist es möglich, bestimmte Figuren, Gefühle, Szenen, Körperteile, Symptome etc. zu externalisieren und so einen Kontakt zu ihnen herzustellen. Durch empathisches und physisches Hineinversetzen in das Externalisierte findet die Klientin einen erfahrbaren Zugang zu ihrer Geschichte, den Figuren, Gefühlen, Körperteilen, Szenen oder Symptomen. Diese entspannen oft schon allein durch das empathische Gesehenwerden. Auch hier ermöglicht die gerichtete wertfreie, aufmerksame Wahrnehmung eine neuronale Veränderung.