Kitabı oku: «SELBST-geführte Psychotherapie», sayfa 7

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Manager

Manager sind die Beschützer des Systems. Sie tun alles, um das Individuum vor Schmerz und Ablehnung zu bewahren, sodass die Person in jeder Beziehung und Situation die Kontrolle behalten kann. Nie wieder soll ihr Mensch Gefühle von Zurückweisung oder Erniedrigung spüren. Dies erreichen sie durch ein unbewusstes, ausgeklügeltes System des Zusammenspiels mehrerer Teile. Sie können auch (zunächst) absolut nichts Positives darin sehen, dass in einer Psychotherapie die Aufarbeitung der persönlichen Geschichte geschehen soll. Sie möchten die alten Sachen lieber ruhen lassen, wehren sich heftig dagegen (Widerstände). Sie haben Angst, dass ihre Person in ein schwarzes Loch gezogen wird, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt; Angst, dass die Verbannten die Führung übernehmen und das System mit Inhalten aus dem Erleben der Verbannten überschwemmt wird. Sie befürchten, dass Grausiges zutage kommt, (Familien-)Geheimnisse aufgedeckt werden könnten, Verrat an geliebten Personen begangen werden muss. Ihre Person könnte abhängig, bedürftig oder verletzlich werden, ohne die schützende Hülle der Manager, und ihren Alltag nicht mehr bewältigen. (Was tatsächlich gar nicht so selten geschieht, wenn einem Klienten bei einem stationären Aufenthalt seine organisatorischen, selbstverantwortlichen Beschützerteile »abgenommen« werden und/oder ein Teil von ihm sich danach sehnt, von anderen versorgt zu werden. Oder auch wenn die psychischen Beschützer bei zu schnell aufdeckender Therapie und/oder bei herausdrängenden Verbannten ausgeschaltet werden. Dann überfluten die Verbannten schnell das innere System – mit der Folge von noch stärker auftretenden Beschützern.)

Auch könnte jede Berührung mit dem Schmerz ohne die Manager heftigste, zerstörerische Feuerbekämpfer-Anteile (selbstverletzende, suizidale, dissoziative Suchtanteile) auf den Plan rufen, was noch gefährlicher wäre (und auch nicht unrealistisch ist). Außerdem befürchten sie, dass der Therapeut mit den Verbannten nicht klarkommt, sie nicht aushält, angeekelt oder ebenfalls überschwemmt werden könnte und dann den Klienten ebenfalls im Stich lassen würde. Eine weitere große Sorge ist, dass sie ihre Aufgabe verlieren, in der Bedeutungslosigkeit versinken oder gar vernichtet werden sollen. Daher ist es unabdingbar, den Beschützern (das gilt für Manager und Feuerbekämpfer) mit Wahrhaftigkeit, Ernsthaftigkeit, Interesse, Achtsamkeit und Absichtslosigkeit zu begegnen. Das ist für die Therapeutin nicht immer leicht, springen doch gerade hier die bewertenden Therapeuten-Teile an). Als Therapeutin weckt man das eigene Interesse und das der Klienten (Selbsteigenschaften), um die Ängste, Bedenken und Befürchtungen der Beschützer kennenzulernen und um herauszufinden, wie sie denn ihre Aufgabe tun und was sie beschützen wollen. Ehrliche Verhandlungsangebote vom Selbst der Therapeuten und des Klienten an die Beschützer sind hilfreich. Jegliches Manipulieren, was vielleicht von einem Teil des Therapeuten oder des Klienten ausgehen könnte, der schnelle Veränderung möchte, wird sofort durchschaut und ist daher nutzlos. Aber Beschützer sind offen für Veränderung, wenn sie nicht befürchten müssen, ausgestoßen zu werden, und wenn sie die Hoffnung haben, dass ihrem Menschen anderweitig geholfen werden könnte. Sobald sie die Präsenz des SELBST spüren können, sind sie zur Kooperation bereit und übernehmen gerne ihnen entsprechende andere Aufgaben für das System – in Kooperation mit dem SELBST. Manager sind auch diejenigen Anteile, die unser Leben in Ordnung halten und dafür sorgen, dass wir gut funktionieren. Sie können sich in unterschiedlichsten Verhaltensweisen und Systemen zeigen. In entlasteter Form arbeiten sie gerne dem SELBST zu. Arbeite ich viel aus Therapeuten-Manager-Teilen heraus, werde ich am Abend k.o. sein, müde und erschöpft. Arbeite ich jedoch mit viel SELBST-Qualität, wird mich die gleiche Arbeit nicht anstrengen.

Feuerbekämpfer

Feuerbekämpfer beschützen ebenfalls das System, jedoch in einer ihnen spezifischen Art und Weise. Feuerbekämpfer heißen sie deswegen, weil sie das emotionale Feuer (wie verletzte Gefühle und Entwertungen) der Verbannten löschen wollen, sobald dieses droht, ausgelöst zu werden, oder die Manager mit ihrer Arbeit in ihren Augen den Schutz nicht mehr gewährleisten können. Feuerbekämpfer schützen das System auf heroische, impulsive, machtvolle, reaktive und spontane Art und Weise und gehen dabei, ohne Rücksicht auf Verluste, oftmals zerstörerisch oder selbstzerstörerisch vor. Sie zeigen sich in Süchten und Exzessen aller Art, in Suizidalität oder Gewalt, in einem übererregten oder komplett abgestumpften Nervensystem sowie in foudroyant verlaufenden Krankheiten. Sie geben so lange keine Ruhe, bis das emotionale Feuer gelöscht ist. Dafür ist ihnen jedes Mittel recht. Ablenkung und Dissoziation gehören ebenfalls zu ihren Strategien. Für die Feuerbekämpfer-Beschützer gilt im Prinzip das Gleiche wie für die Manager, und mit ihnen ist im Wesentlichen ebenso respektvoll umzugehen wie mit Managern. Sie sind hochsensibel für jegliche Art der Unaufrichtigkeit, der Verharmlosung, der Manipulation. Von ihrer Art her aktivieren sie im Therapeuten leicht ängstliche, bewertende oder den Klienten retten wollende Teile. Hier müssen die Therapeuten zuerst mit ihren eigenen Teilen arbeiten, um eine echte Anerkennung und Wertschätzung für die Feuerbekämpferteile des Klienten entwickeln zu können. Mit Feuerbekämpfern zu verhandeln erfordert viel Selbst vonseiten des Therapeuten. Ist der Feuerbekämpfer im Kontakt mit dem Selbst des Therapeuten und dem des Klienten, dann ist er bereit zu sagen, wen er wie beschützt und wofür er diese schwere Rolle trägt.

Wenn wir einen suizidalen Menschen fragen, was denn für ihn besser wäre, wenn er nicht mehr leben würde, hören wir oft die Antwort, dass dann endlich Ruhe in seinem Kopf herrsche (zwischen den sich widerstreitenden Teilen)! Die Ruhe wäre also das »Gute«, was der suizidale Teil erreichen möchte – und vielleicht ist diese auch durch etwas anderes als den Suizid zu erreichen und dann nicht endgültig?! Wenn die innerlich kämpfenden Teile des Klienten einen Kontakt mit dem Selbst erfahren (dem des Therapeuten und dem des Klienten), kann eine spürbare wirkliche Ruhe im Inneren entstehen. Diese Hoffnung dürfen wir dem Feuerbekämpfer des Klienten mitgeben. Es kann eine neue Ordnung im inneren System entstehen. Wie verzweifelt muss der suizidale Teil sein, wenn er zu solch harten Maßnahmen greifen muss? Welchen schützenswürdigen, verbannten Teil beschützt er? Welche Not, welche Verantwortung muss er spüren? Wie ist das für ihn, das alles zu tragen? Was möchte er davon loswerden? Und was befürchtet er? Viele IFS-spezifische Fragestellungen vom Selbst aus können dem Klienten helfen, das Vertrauen zu seinen Feuerbekämpfern aufzubauen und auf diese Weise eine neue Beziehung zu ihnen. Wenn das Selbst des Therapeuten und das Selbst des Klienten einen Feuerbekämpfer um Erlaubnis bitten, mit dem Verbannten, den er beschützt, zu arbeiten, kann Entlastung gelingen, und damit die Notwendigkeit, so heroisch zu schützen, entfallen. Der Feuerbekämpfer darf sich für andere Aufgaben vorbereiten, die auch noch seiner Natur entsprechen. Vielleicht gefällt ihm die Rolle des Blitzmerkers für verletzte Gefühle, die er seinem Menschen demnächst zuerst mitteilt, bevor er sofort mit den Löschfahrzeugen ausfährt?

Ein alltägliches Beispiel in Beziehungskonflikten für den Einsatz von Feuerbekämpfern und den Umgang mit ihnen können Sie im 2. Kapitel unter der Überschrift: »SELBST spricht für Teile statt: Teile sprechen aus sich heraus« lesen

Ein Beispiel, das veranschaulicht, wie die Teile eines früher entstandenen belasteten Systems mit der Person SELBST durch die IIFS eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen, und wie beschützende und ehemals verbannte Teile zu ihren neuen Rollen finden können, ist im Kapitel 16 zu lesen.

Die Weiterentwicklung von IFS zu IIFS
Inhaltlich

Richard Schwartz verband mit IFS die in den 80er-Jahren in der Psychotherapie verbreiteten Strömungen von der Multiplizität der Persönlichkeit mit einer systemischen Denkweise. Einflüsse aus anderen Teile-Therapien, wie zum Beispiel der Transaktionsanalyse und der Objektbeziehungs­theorien, sowie die Weisheiten des Buddhismus trugen zu seiner offenen Sichtweise auf das Innenleben seiner Klient*innen wesentlich bei. Dass er das Selbst eines Menschen als den von den Teilen abgegrenzten, dem Menschen innewohnenden Wesenskern herausarbeiten konnte, mit dem die Teile in Verbindung treten können, ist sein einmaliges Verdienst. Dafür u. a. danke ich Richard Schwartz sehr. Durch den Schlusssatz in der ersten Ausgabe seines sehr lesenswerten Buches Die Systemische Therapie mit der Inneren Familie gab er den Raum für weitere Entwicklungen: »Die Beiträge der Therapeuten, die dieses Modell gut genug kennen, erweitern dieses Modell (…) Ich bin neugierig, wohin sie führen werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass das gegenwärtige IFS-Modell nur an der Oberfläche dessen kratzt, was möglich ist.«

Susan McConnell gebührt als IFS- Körperpsychotherapeutin das Verdienst, auf ihre Weise die Hakomi-Körperarbeit in die IFS integriert und Somatic-IFS geschaffen zu haben. Sie lehrte fast 20 Jahre in Deutschland. Beide Anwendungsarten von IFS, die »männliche« (R. Schwartz) und die »weibliche« (S. McConnell) haben ihre Erfolge und können sich ergänzen.

Das hat mich in der Weiterentwicklung zur integrativen IFS zu IIFS ermutigt, also meine ganzheitlichen, humanistisch-­psychotherapeutischen Wurzeln mit psychosomatischen, körperpsychotherapeutischem und traumatherapeutischem Hintergrund in die Lehre, Ausbildung, Therapie und Supervision mit einfließen zu lassen, einschließlich der Professionellen SELBST-Fürsorge und der achtsamen Wahrnehmungsschulung mit all ihren Facetten. Plötzlich entstanden in der Arbeit mit Klient*innen und Patient*innen, in der Supervision oder in Seminaren mit Kolleg*innen weitere kreative Neuerungen und Erkenntnisse. Die langjährige Erfahrung aus Seminaren zur »Weiterentwicklung der Emotionalen und Psychosozialen Kompetenz für Ärzt*innen und Therapeut*innen« und zur »Professionellen SELBST-Fürsorge« im Verbund mit IFS wuchsen zusammen und so entstand die Integrative humanistische Psychotherapie Innerer Systeme und Professionelle SELBST-Fürsorge – IIFS. Im weiteren Verlauf werde ich, alle inspirierenden Wurzeln dankbar würdigend, von der Integrativen IFS, der IIFS sprechen.

Im Außen

Die »Systemische Therapie mit der Inneren Familie« hat in den letzten 35 Jahren in USA eine große Verbreitung erfahren und zählt dort seit 2015 als evidenzbasiertes Verfahren. Seit 1999 wurden viele Basis- und Fortgeschrittenentrainings in Europa durchgeführt.

2012 habe ich in Deutschland das 1. IIFS-Institut für Integrative Systemische Therapie mit der Inneren Familie gegründet, ermutigt durch Richard Schwartz. Dem IIFS-Institut Heidelberg folgte 2014 das IFS-­Institut München. 2015 entstand das IIFS-Institut Berlin, das heute mit dem IIFS-Institut in Heidelberg verschwistert ist. Auch in Deutschland erfährt IIFS in der Psychotherapie eine zunehmende Verbreitung und Akzeptanz. Bekannte Autorinnen und Psychotherapeutinnen wie Dagmar Kumbier beziehen die Haltung und Methode von IIFS in ihre Theorien und Ausbildungen mit ein. Seit über zehn Jahren findet es in der Focusing-Akademie seinen Platz. Es ist seit 2018 Bestandteil der Ausbildung der Berner Fachhochschule, Departement Soziale Arbeit, »Systemische Beratung mit inneren Persönlichkeitsteilen, IIFS«. 2020 wurde die IIFS in den Ausbildungskatalog für die Richtlinienpsychotherapie zum »Systemischen Psychologischen Psychotherapeuten« am universitären HIP-Institut in Heidelberg, 2021 am Systemischen Institut der Universität Freiburg in das Curriculum mit aufgenommen.

Die Seminare der IIFS-Institute Heidelberg und Berlin wurden und werden von den Landespsychotherapeutenkammern Baden-Württemberg und Berlin zertifiziert.

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Das Konzept des Selbst – eine Annäherung von Ruthild Haage-Rapp

Auf was nur einmal ist

Manchmal fragt man sich: ist das das Leben?

Manchmal weiß man nicht: ist dies das Wesen?

Wenn du aufwachst, ist die Klappe zu.

Nichts eratmet, alles angelesen,

siehe, das bist du.

Und du denkst vielleicht: ich gehe unter,

bodenlos und fürchterlich –:

Einer aus dem großen Graupelhaufen,

nur um einen kleinen Flicken bunter,

siehe, das bin ich.

Aber dann, aufeinmalso, beim Schlendern,

lockert sich die Dichtung, bricht die Schale,

fliegen Funken zwischen Hut und Schuh:

Dieser ganz bestimmte Schlenker aus der Richtung,

dieser Stich ins Unnormale,

was nur einmal ist und auch nicht umzuändern:

siehe das bist du.

Peter Rühmkorf4

Einführung

Auf den folgenden Seiten möchte ich mich dem Kerngedanken in der IIFS-Arbeit annähern: dem Konzept des SELBST, das sowohl den Ausgangspunkt wie auch das Ziel des psychotherapeutischen Prozesses darstellt. Zur Schreibweise eine kurze Vorbemerkung: Der Begriff des Selbst hat ganz unterschiedliche Bedeutungen. Wenn es um den Selbstbegriff als dem zentralen Konstrukt in der IIFS-Therapie geht, wird SELBST zur leichteren Einordenbarkeit auch in diesem Kapitel in Großbuchstaben geschrieben.

Uns Menschen ist es wichtig, immer wieder einig und im Reinen mit uns selbst zu sein, trotz der inneren Widersprüche, die wir alle kennen, so wie es im Gedicht von Peter Rühmkorf anklingt. Dieses »Im-Reinen-mit-sich-selbst-Sein« heißt in der Sprache der IIFS: eine gute Verbindung zwischen dem Wesenskern des Menschen, der hier SELBST genannt wird und all den verschiedenen Facetten der Persönlichkeit, hier Persönlichkeitsteile genannt, herzustellen. In der IIFS-Psychotherapie geht es also um die fortwährende Vertiefung und Festigung einer guten inneren Beziehung zwischen SELBST und Teilen.

Was ist nun mit diesem SELBST, dem inneren Kern der Persönlichkeit, gemeint? Wie kann es erlebt, wahrgenommen, unterstützt, aber auch gedacht werden?

Als ich vor zehn Jahren das IFS- Modell, Ausgangsmodell für das in diesem Buch dargestellte IIFS-Modell, näher kennenlernte, war ich bereits mit verschiedenen humanistischen und tiefenpsychologisch fundierten Therapiekonzepten vertraut. Am IFS-Ansatz gefiel mir der kraftvolle, zuversichtliche Ausblick auf die menschliche Selbstgestaltungskraft, aber auch die Strukturiertheit und der Ressourcenfokus dieses Therapiemodells. Ganz besonders inspirierend erlebte ich aber den authentischen und sicheren Selbsterforschungsraum, den ich in der Ausbildungssituation antraf.

Gleichzeitig setzte ich mich durchgängig mit dem Selbst-Begriff in der IFS-Theorie auseinander, mit der Frage: Ist es einfach ein nützliches Konstrukt, angenehm für die Selbst- und Fremdwahrnehmung und praktisch für die psychotherapeutische Arbeit oder taugt der Begriff des Selbst für mich als anthropologische Grundlage?

Als Heranwachsende war ich mit idealistischen, ethisch-moralischen Überzeugungen und deren zwiespältigen Auswirkungen auf mein Leben und das meiner Mitmenschen konfrontiert. Vor diesem Hintergrund ist mir seither jeder Hauch von Bekenntnishaftigkeit im Bereich der Psychotherapie suspekt. Skepsis oder, in der IIFS- Sprache ausgedrückt, skeptische Teile, melden sich da sofort in mir. Und weil ich diese inneren Skeptiker schätze und ihnen für ihre klärenden Hinterfragungen dankbar bin, sind sie wesentlich daran beteiligt, dass ich dieses Kapitel über das SELBST schreiben wollte.

Dieses Kapitel ist als ein eigenständiger, für sich lesbarer Text verfasst, der auf den Begriff des Selbst aus verschiedenen Perspektiven fokussiert. Daher wiederholen sich zwangsläufig Gedanken, die auch an anderer Stelle in anderem Kontext benannt werden.

Im ersten Teil werde ich eine Annäherung an das SELBST aus verschiedenen Blickwinkeln der Philosophie, Psychologie und Psychotherapie skizzieren, die zum Selbstbegriff der IFS – IIFS hinführen.

Im zweiten Teil wird vom »Selbst« in der Therapietheorie von Richard Schwartz, dem Begründer der IFS-Therapie, die Rede sein.

Im dritten Teil wird es um Achtsamkeit und die Bedeutung des Körpers als Zugangswege zum Selbst gehen.

Im Fazit findet sich eine zusammenfassende Sicht auf den Selbstbegriff im IIFS-Ansatz und dessen Bedeutung für die therapeutische Arbeit.

Weil ich Gedichte selbst so sehr liebe und ich manches mir Wichtige mit ihrer Hilfe leichter ausdrücken kann, sind assoziativ ein paar von meinen liebsten Gedichten eingestreut, viel Freude beim Lesen, auch damit!

Zweifle nicht

an dem,

der dir sagt,

er hat Angst.

Aber hab Angst

vor dem,

der dir sagt,

er kennt keinen Zweifel.

Erich Fried5

Selbstkonzepte in Philosophie, Psychologie, Psychotherapie
Philosophischer Hintergrund

Die Frage nach dem Wesenskern der menschlichen Persönlichkeit ist seit jeher eine der Grundfragen in den geistesgeschichtlichen Denksystemen. Entsprechend vielfältig und uneinheitlich sind die Konzepte des Selbst. Der Selbstbegriff ist aufgrund der Natur der Sache, die ja weder Natur noch Sache ist, schwer zu fassen.

»Selbst« ist insgesamt ein uneindeutiger Begriff, der oft auch bedeutungsgleich mit »Ich«, »Identität«, »Zentrum des Bewusstseins« oder »innerer Wesenskern« verwendet wird.

Mit den folgenden Ausführungen möchte ich auf Markus Gabriels Buch: Ich ist nicht Gehirn verweisen, dessen prägnante Zusammenfassung mich beim Schreiben inspiriert hat.

In der mittelalterlichen Philosophie, die damals immer auch Theologie war, wird das, was wir Selbst nennen als »Seele« oder »das Göttliche im Menschen« bezeichnet. Das umfasst unhinterfragt den transzendenten, über das Individuelle hinausgehenden Aspekt des Selbstbegriffs. Bemerkenswert äußerte sich dazu der Philosoph, Mystiker und Theologe Meister Eckhart (1260–1327). Er führte als Erster das substantivierte »Ich« in die deutsche Sprache ein und wurde, gerade aufgrund seines freien Denkens, von seiner Kirche als Häretiker angeklagt. Sein Werk gilt heute als Wegbereiter der Aufklärung.

Meister Eckhart sieht das Göttliche im Menschen verankert und sieht Gott ohne den erkennenden Menschen als nicht existent an, da es der Mensch ist, der Gott denkt und wahrnimmt. Seine Folgerung ist: Ohne Mensch kein Gott. Er schreibt »…jede Kreatur ist Gottes voll und ist ein aufgeschlagenes Buch und wer darin zu lesen weiß, braucht keine Predigt mehr … Du brauchst Gott weder hier noch dort zu suchen, er ist nicht weiter als vor der Tür des Herzens. Dort steht er und harrt und wartet.«6

Der Körperverachtung vieler seiner Zeitgenossen widersprechend fährt er fort: »Wo Leib und Seele miteinander in Eintracht sind, sind alle Werke den Menschen süß und lustvoll«. So ist es für uns heute beeindruckend zu sehen, wie Meister Eckhart vor über 700 Jahren das Prinzip des Göttlichen in den Menschen selbst hineinverlagert. Heute könnten wir sagen: in das menschliche Selbst – und dann auch noch Leib und Seele zusammenbringt, statt, wie zu seiner Zeit vorherrschend, das eine dem anderen zu unterwerfen.

Geh in deinen eigenen Grund

Inwendig

Im Innersten der Seele

Da ist Dein Leben

Und da allein lebst du.

Meister Eckhart

Auch die Mystikerin, Heilkundige, Ur-Psychosomatikerin und Universalgelehrte Hildegard von Bingen (1098–1179) benennt das Zusammenspiel von Leib und Seele integrativ und poetisch: »Der Atem ist der lebendige Hauch der Seele, weil sie ihn trägt und sein Schwingungsvermögen ist, und zwar jedes Mal, wenn der Mensch seinen Atem in sich einziehen und wieder ausströmen lässt, um so leben zu können.« Und an anderer Stelle: Unsere »Augen sind die Fenster der Seele«.

Das Selbst des Menschen wird als der Sitz des Bewusstseins aufgefasst. Auf der Suche nach dem Bewusstsein/Selbstbewusstsein/Selbst ist die Philosophie der Unmöglichkeit konfrontiert, die philosophische Frage nach dem Sitz des Bewusstseins zu lösen, da Widersprüche in der Sache selbst liegen. So konnte beispielsweise Immanuel Kant das Selbstbewusstsein hinter dem Bewusstsein nicht definieren. Er sagte, vereinfacht ausgedrückt, man habe es, aber man könne es nicht festmachen, denn man könne nicht hinter seine Vorstellung kommen, um dort eine verborgene Instanz, sei es die unsterbliche Seele oder einen Gott zu finden. Dies wird als das Zirkelproblem in der Philosophie bezeichnet.

Ein vorläufiges Entrinnen aus diesem Erkenntnisdilemma des nicht festmachbaren Bewusstseins fanden Johann Gottlieb Fichte und Georg Wilhelm Hegel im sozialen Interaktionismus: Nicht das eine Bewusstsein, sondern das Zusammenwirken vieler »Bewusstseine« ermöglicht Selbstbewusstsein, durch das, was wir später Resonanz und Spiegelung nennen. Damit kommt die Philosophie dem Begriff des Selbst der Psychologie und Psychotherapie näher. Prägnant formulierte Fichte, einer der besonders psychologischen Philosophen, »der Mensch wird nur unter Menschen ein Mensch… Sollen überhaupt Menschen sein, so müssen mehrere sein«.7 Er entwickelte den Begriff der gegenseitigen »Anerkennung«, über die wir Menschen in einem gegenseitigen Wahrnehmungsprozess Selbstbewusstsein erlangen, und so Selbst werden, im Sinne von »seiner selbst bewusst« werden. Heute würden wir diesen Prozess als identitätsstiftende Spiegelung bezeichnen.

Diese Überlegungen werden von der Phänomenologie und der Existenzialphilosophie weitergeführt, wie sie unter anderem durch so unterschiedliche Vertreter wie Hegel, später Husserl, Heidegger, Sartre, vertreten sind. Zusammenfassendes Zitat des zeitgenössischen Existenzialisten John Searle: »Das Besondere am (Selbst-)Bewusstsein ist also, dass es die Voraussetzung für so ziemlich alles darstellt, was wichtig ist«8.

Eine wegweisende Annäherung zum Konzept Selbst findet sich bei Soeren Kierkegaard (1813–1855). Die Schriften dieses rebellischen, schwermütigen und freiheitsersehnenden dänischen Philosophen ­wurden erst nach seinem Tod in der Breite wahrgenommen. Heute sieht man in ihm den Vorläufer des Existenzialismus. Ihm, der im biederen Protestantismus des 19. Jahrhunderts in Kopenhagen aufwuchs, ging es um die Freiheit des Denkens, darum, die Welt nicht so hinzunehmen wie sie ist. Er weist auf die oft wenig beachteten, nicht vom Verstand geleiteten Dimensionen der menschlichen Existenz hin und befasst sich ausführlich mit der menschlichen Angst, die vor allem die Angst vor der nichtangepassten menschlichen Freiheit ist. Zum Selbstbegriff formuliert er: Unser »Lebensziel ist, das Selbst zu sein, das man in Wahrheit ist«.9 Selbstsein ist bei Kierkegaard als ausbalanciertes »dynamisches ­Gleichgewicht in der Bewegung«, in der »Doppelbeziehung« zwischen den Grundpolen des Menschseins wie Zeitlichkeit und Ewigkeit, Freiheit und ­Notwendigkeit, formulierbar.10 Und an anderer Stelle: »Was aber ist denn dies, mein Selbst? Wollte ich … einen ersten Ausdruck dafür, so ist meine Antwort: Es ist das Abstrakteste von allem, das doch zugleich das Konkreteste von allem ist, es ist die Freiheit.«11

Unsere tiefste Angst ist nicht die,

dass wir unzulänglich sind.

Unsere tiefste Angst ist die,

über alle Maßen kraftvoll zu sein.

Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit,

was uns am meisten erschreckt.

Marianne Williamson12

Karl Jaspers, 1883–1969, Heidelberger Philosoph und Psychiater, schließt hier an Kierkegaard an. Auch ihm ging es um Existenz, Freiheit, um das eigentliche Menschsein. Sein Denken ist sowohl auf der sokratischen Philosophie wie auch auf der Aufklärung Kants und auf Hegels, Husserls, Merleau-Pontys phänomenologischem Ansatz begründet. Jaspers sagt, dass die geistigen Fragen des menschliches Seins, wie Bewusstsein, Existenz, Transzendenz, nicht absolut beantwortbar, aber notwendigerweise denk- und bearbeitbar seien. Für seinen Blick auf das hier thematisierte SELBST ist die Anerkennung der Begrenztheit des menschlichen Wissenkönnens bedeutsam. Sinn und Auftrag des Menschen sei es, innerhalb aller letztlichen Ungewissheit zu dem zu werden, der wir in Wirklichkeit sind. In einer stufenweisen Abfolge, über die zunächst biologische, dann bewusste, dann geistige Seinsweise gelange der Mensch zur existenziellen Ebene dessen, was er sein kann. Dies sei die Ebene des eigentlichen Selbstseins. Die Notwendigkeit hierfür sei die grenzenlose Kommunikation der Menschen untereinander mit dem Willen, bei aller Unterschiedlichkeit der Meinungen, den anderen und sich selbst zu verstehen und dabei entschieden man selbst zu sein.

In der Weiterführung des kommunikativen Aspekts des Selbstseins differenziert Hans Georg Gadamer (1900 – 2001) die Bedeutung und das Wesen des Gesprächs aus. Er unterscheidet Gespräch vom Diskurs, von der Debatte und von dem Gerede. Das gelingende Gespräch, so Gadamer, setze Resonanz voraus, es anerkenne die Andersartigkeit des Anderen und könne sich zum Gemeinsamen hin wandeln. Das Gespräch sei »die Brücke über den fließenden Fluss des Andersseins«.13 So kommen wir aus einem echten Gespräch anders heraus, als wir hineingegangen sind.

Der Beziehungs- und Religionsphilosoph Martin Buber (1887–1965, Hauptwerke zu unserem Thema sind: »Ich und Du«, »Das dialogische Prinzip«) benennt als Grundvoraussetzung für das Selbstsein das unverzichtbare Gegenüber. Er schreibt »Ich werde am Du (…) Alles wirkliche Leben ist Begegnung.«14 Buber spricht direkt den psychotherapeutischen Kontakt an und sieht diesen als Herausforderung und Wagnis des »rückhaltlosen Gegenübertretens, das Aufgeben des Psychologismus«. Um eine heilsame Begegnung zu ermöglichen, sollten zwischen Ich und Du nicht Konzepte und Deutungen dazwischengestellt werden, denn »die Aufgeschlossenheit ist das kostbarste menschliche Gut.«15

Wie wir später sehen werden, wird im IFS/IIFS-Modell dieses dialogische Prinzip im Innenraum des Menschen erforscht, im inneren Dialog zwischen SELBST und Teilen.