Kitabı oku: «Beurteilungsgespräche in der Schule», sayfa 11
Ankündigung von Inhalten und Zielen des Gesprächs
In der Mehrzahl der Gespräche wird zu Beginn der Ablauf offengelegt oder es werden Gesprächsziele kommuniziert. Dadurch werden Wissensbestände verhandelt und bei den Gesprächsteilnehmenden abgeglichen, sodass die Strukturierung des Gesprächs nicht nur der Lehrperson bekannt ist.
Im ersten Beispiel etabliert der Lehrer Common Ground, indem er Gesprächsinhalte ankündigt, die für die Eltern und die Schülerin noch nicht zu den individuellen Wissensbeständen gehören. Zudem weist er für das Gespräch vorläufig geltende Beteiligungsrollen zu:
# 1 Lernbericht
(Emma, SJ4_L3A_LMS, 00:02–00:43)
001 | L | jo,ja |
002 | (1.68) | |
003 | °hh denn fÖmmer doch AA,dann fangen wir doch an | |
004 | (.) °hh (.) ich wOtt gärn äh (---) mit DIR Emma,ich will gerne äh mit dir Emma | |
005 | °h über di LERNbricht (.) rEde,über deinen Lernbericht reden | |
006 | °hh und (.) natÜrlig wärde mir säbst DRITT ins gsprÖÖch ko–und natürlich werden wir zu dritt ins Gespräch kommen | |
007 | °h Über gwüssi PÜNKT;über gewisse Punkte | |
008 | °h ähm ich wOtt mit dir (.) ((Blättern in Unterlagen)) und mit dinere mUetter TESCHTS dureluege,ähm ich will mit dir und mit deiner Mutter Tests durchsehen | |
009 | (-) wo du GMACHT hesch in däm schUeljoor;wo/die du gemacht hast in diesem Schuljahr | |
010 | °h und so wÄrde mir e bitz GSEE,und so werden wir ein bisschen sehen | |
011 | wien Ich: (.) au uf die beURteilig do ko bi;wie ich auch auf diese Beurteilung da gekommen bin | |
012 | im im LERNbricht?im im Lernbericht | |
013 | (1.26) | |
014 | S | mh_hm,mhm |
015 | L | mh_hm (.) aber ZERSCHT wott ich di frOOge;mhm aber zuerst will ich dich fragen |
016 | ähm (.) du hesch dr lErnbricht jo GSEE?ähm du hast den Lernbericht ja gesehen | |
017 | (.) und dr und AAgluegt ka mit dine Eltere;und ihn und angeschaut gehabt mit deinen Eltern | |
018 | (--) was SÄISCH drzue.was sagst du dazu |
Das Gespräch wird durch die Gesprächspartikel jo sowie den metasprachlichen Zusatz denn fÖmmer doch AA, (Z. 001–003) eingeleitet. Dieser Kommentar dient als Steuerungsmittel (vgl. Tiittula 2001) und ist insofern interessant, als dadurch der Beginn des offiziellen Gesprächsteils noch verstärkter abgegrenzt wird.1 Daran anschliessend führt der Lehrer nun aus, wie er den Ablauf des Gesprächs strukturieren will und stellt damit Common Ground für alle Anwesenden her: Er möchte den Lernbericht besprechen und gemeinsam Tests anschauen. Allerdings gleicht er nicht nur den Wissensstand bezüglich des zu erwartenden Gesprächsablaufs ab, sondern er weist auch Beteiligungsrollen zu. L macht S zur adressierten Rezipientin und zeigt an, dass die Besprechung des Lernberichts mit ihr geführt werden soll (Z. 004). Diese Adressierung und Zuwendung zu S findet auf mehreren Ebenen sehr deutlich statt: Der Lehrer spricht Emma beim Namen an, er duzt sie, er bildet einfache Sätze und spricht langsam. Seine Design-Aktivitäten zeigen also, dass er das Gesagte auf das anwesende Kind zuschneidet. Kurzzeitig wird dadurch der Mutter die Rolle der Zuhörerin zugewiesen, die aber mit dem Nachtrag °hh und (.) natÜrlig wärde mir säbst DRITT ins gsprÖÖch ko– °h Über gwüssi PÜNKT; (Z. 006f.) dahin verändert, dass M Mitadressatin ist. Hiermit orientiert sich L an allen Gesprächsteilnehmenden und zeigt durch die Präzisierung säbst DRITT, dass es sich um ein inklusives wir handelt, dass also sowohl der Sprecher als auch die beiden Anwesenden, M und S, damit gemeint sind. Nach diesem Einbezug der anwesenden Mutter richtet sich L wieder an S und referiert nur noch in dritter Person auf M: °h ähm ich wOtt mit dir (.) ((Blättern in Unterlagen)) und mit dinere mUetter TESCHTS dureluege, (-) wo du GMACHT hesch in däm schUeljoor; (Z. 008f.). Dadurch dass M ebenfalls als Akteurin bei der Tätigkeit des Durchsehens von Tests genannt wird, wird in dieser Ankündigung von L trotz sprachlicher Adressierung von S auch M als mitgemeinte Adressatin konstruiert. Auch wird M in den Zeilen 010–012 durch das wir erneut einbezogen (°h und so wÄrde mir e bitz GSEE, wien Ich: (.) au uf die beURteilig do ko bi; im im LERNbricht?). In Bezug auf Common Ground geht aus dieser letzten Formulierung des Gesprächsziels hervor, dass L über Wissensbestände zum Hergang seiner Beurteilung verfügt, die M und S noch nicht teilen und es im folgenden Gespräch um die gemeinsame Etablierung dieses Wissens geht. Während es sich nämlich bei den zuvor genannten Inhalten für M und S zwar in dem Sinne um neues Wissen handelt, dass sie nun Kenntnis über den von L intendierten Ablauf des Gesprächs haben, sind die zu verhandelnden Inhalte für sie nicht unbekannt. Denn sie besprechen einen Lernbericht, den sowohl S als auch M (und V) schon gesehen haben (Z. 016f.) und sie schauen Tests an, die S selber geschrieben hat (Z. 008f.) und die sie somit auch kennt. Bei der Zielformulierung hingegen wird angesagt, dass M und S erfahren werden, wie L auf die Beurteilungen im Lernbericht gekommen ist. Die Ankündigung zeigt also auf, dass am Ende des Gesprächs die lehrerseitigen Wissensbestände zum Common Ground aller Beteiligten gehören werden. Die Ratifikation von S (Z. 014) zeigt, dass sie die Rolle als Adressatin akzeptiert und mit dem geplanten Ablauf einverstanden ist. Ab Zeile 015 leitet L über zum ersten Thema, nämlich zu Emmas Einschätzung des Lernberichts. Durch seine metakommunikativ gerahmte, explizite Fremdwahl in Zeile 015 adressiert er S erneut sehr eindeutig und wählt sie als nächste Sprecherin. Gerade dieses deutliche Recipient Design in diesem Ausschnitt zeigt an, dass noch eine weitere Rezipientin (M) anwesend ist, die aber als potenzielle nächste Sprecherin abgewählt wird. Die Frage an S markiert hier die Überleitung zum ersten Thema und damit zur Gesprächsmitte.
In Beispiel # 1 ist auffallend, dass L durchgehend die Besprechung von Unterlagen ins Zentrum stellt und nicht die Beurteilung von S, wie es ebenso denkbar wäre. So geht es um die Besprechung des Lernberichts (Z. 005) und der Tests (Z. 008) mit dem Ziel, dass die Beurteilungen im Lernbericht nachvollzogen werden können (Z. 010f.). Dadurch dass über Unterlagen gesprochen wird, lässt sich die Struktur Sprechen über das Kind vermeiden, was sich positiv auf die Involvierung des Kindes auswirken kann (vgl. Kap. 6). Die Beteiligung von S wird zudem durch die direkte Adressierung begünstigt, welche durch die Nennung des Namens (Z. 004) noch verstärkt wird.
Insgesamt lässt sich an Beispiel # 1 zeigen, dass sich L in der Eröffnungssequenz an den Gesprächsbeteiligten orientiert, indem er offenlegt, welche Wissensbestände verhandelt werden sollen und indem er durch Positionierungsaktivitäten aufzeigt, welche Rollen die einzelnen im Gespräch einnehmen. Er positioniert sich als denjenigen mit dem Wissensvorsprung und zeigt damit eine gewisse Asymmetrie auf. Diese wird aber ausgeglichen, indem L die Gesprächsinhalte für alle transparent macht. Die Mutter wird durch Fremdpositionierung als Mithörerin sowie als Gesprächspartnerin Über gwüssi PÜNKT (Z. 007) konstruiert und der Schülerin wird die Rolle als direkte Gesprächspartnerin zugewiesen, die sie durch Ratifikation (Z. 014) sowie späteres Beantworten ab Zeile 019 (hier nicht abgedruckt) annimmt.
Die Asymmetrie zwischen den Beteiligten variiert je nach gegenseitigem Bekanntheitsgrad sowie je nach Vertrautheit der Eltern mit dem Gesprächssetting. Im nächsten Beispiel kann daher weniger von einer Etablierung von Wissen gesprochen werden, sondern hier ist die Eröffnungssequenz charakterisiert durch die Aktualisierung von bereits vorhandenem Common Ground:
# 2 Alte Hasen
(Zoe, SJ1_L2A_LMV, 00:06–00:23)
001 | L | jO si kenne das jo Au scho BITZli?ja Sie kennen das ja auch schon bisschen |
002 | M | hh° hehehehehehe |
003 | L | (si) sin jo scho langsam (.) alti HAse i dem,=oder?(Sie) sind ja schon langsam alte Hasen in dem oder |
004 | [hahahahaha °h hehehahahahaha hehe | |
005 | M | [hehe (xxxxxx)hehe (xxxxxx) |
006 | L | °hh °h jo ((räuspert sich)) aso ich verzell Au wider zerscht (.) über d FÄcher öppis;=ja also ich erzähle auch wieder zuerst über die Fächer etwas |
007 | =und am schluss no über (.) lErn Arbets und soZIAL (.) verhAlte.und am Schluss noch über Lern-, Arbeits- und Sozialverhalten | |
008 | M | [mh_HM?mhm |
009 | [((Rascheln von Unterlagen)) |
Die Lehrerin positioniert die Eltern als Mitwissende, die durch ihre Erfahrung mit dem Gesprächstyp bereits den Ablauf kennen und dadurch gewissermassen als ExpertInnen bzw. als ‚alte Hasen’ gelten können: jO si kenne das jo Au scho BITZli? (si) sin jo scho langsam (.) alti HAse i dem,=oder? (Z. 001, 003).2 Dadurch orientiert sich die Lehrerin am geteilten Wissen zwischen ihr und den Eltern und aktiviert diesen Common Ground für die folgende Interaktion. Gleichzeitig wird durch das gemeinsame Lachen eine lockere Stimmung etabliert, was Einblick in die Beziehungsgestaltung ermöglicht. Nach diesem Einschub setzt L erneut mit hörbarem Einatmen und der Gesprächspartikel ja an, räuspert sich und beginnt dann mit der Gesprächspartikel also ihre Ankündigung des Ablaufs. Die Verwendung von auch wieder (Z. 006) weist erneut darauf hin, dass L dieses Wissen als bekannt voraussetzt und das Gesagte demnach nur als Aktualisierung des Common Grounds aufzufassen ist. Damit rahmt sie das Gespräch auch als routinierte Interaktion, die nach gewissen Regeln abläuft.
In Bezug auf Beteiligungsrollen ist hier interessant, dass L ihre zukünftigen Handlungen als Bericht ankündigt und dadurch die Eltern als Zuhörerende positioniert: aso ich verzell Au wider zerscht (.) über d FÄcher öppis;= =und am schluss no über (.) lErn Arbets und soZIAL (.) verhAlte. (Z. 006f.). Das Gespräch wird hier nicht als Gespräch konzeptualisiert, sondern als ‚Erzählung’ oder Bericht der Lehrerin über die Fächer, das Lern-, Arbeits- und Sozialverhalten von S. Dadurch wird den Eltern signalisiert, dass L für längere Zeit das Rederecht in Anspruch nehmen wird, was sich von Beispiel # 1 absetzt, in welchem L ein gemeinsames Gespräch ankündigt.
Die beiden besprochenen Sequenzen stammen aus Beurteilungsgesprächen, die mit allen Eltern einer Klasse geführt werden und sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Lehrperson jeweils das Gespräch eröffnet und ihre bzw. seine Ziele bekannt gibt. Bei Sprechstundengesprächen, die auf Wunsch der Eltern stattfinden, werden die Gesprächseröffnungen abweichend gestaltet, da von der Lehrperson nicht zwingend Ziele formuliert werden (können). Das folgende Beispiel zeigt, wie die Lehrperson durch andere Praktiken das Gespräch einleitet:
# 3 Progymnasium
(Selina, SJ9_L4A_LMS, 00:01–00:21)
001 | L | A:lso (.) i begrüess sii zu däm EltreGSPRÖÖCH,also ich begrüsse Sie zu diesem Elterngespräch |
002 | M | jo dAnke [GLICHfalls, he hehja danke gleichfalls he heh |
003 | L | [und äh: (.) heh °hhh wAs (.) FÜERT sii zu mir? hh° und äh heh was führt Sie zu mir |
004 | M | ich wÖtt äigentlich mol (.) ALLgemäin wüsse,ich will eigentlich mal allgemein wissen |
005 | L | jä–ja |
006 | M | ÄH::m (.) wies mit dr selIna GOOT,=ähm wie’s mit der Selina geht |
007 | =will sii het jo GWÄCHSlet,weil sie hat ja gewechselt | |
008 | vom (-) vo dr SEK i:ns (.) gYmi, (.) °hvom von der Sek(undarschule) ins Gym(nasium) | |
009 | L | jä–ja |
010 | M | (-) °h aso s PROgymnasium,also das Progymnasium |
011 | (--) | |
012 | M | jo.ja |
013 | (--) | |
014 | ? | hm–hm |
015 | M | obs LAUFT <<p> oder nit so lauft [(im momÄnt)?>ob’s läuft oder nicht so läuft (im Moment) |
016 | L | [JÄ jä, ja ja |
In Beispiel # 3 gibt der Lehrer nach einer kurzen Begrüssung3 die Steuerung an die Mutter ab, indem er sie nach ihren Anliegen fragt (Z. 003). Durch die Frage wAs (.) FÜERT sii zu mir? (Z. 003) zeigt L sich in einer passiven Rolle und etabliert das Gespräch als offene Sprechstunde. Dabei legt er keine eigenen Ziele für das Gespräch offen, sondern zeigt, dass er von M erwartet, eigene Fragen und Ziele bereit zu haben. Auch wenn in dieser Initiierung von L keine eigenen Ziele kommuniziert werden, wird in dieser Eröffnung dennoch eine für institutionelle Gespräche grundlegende Zielorientierung impliziert, die in diesem Fall der Mutter zugeschrieben wird. In der Formulierung von M zeigt sich der ungleiche Wissensstand von L und M, den M in diesem Gespräch gerne ausgleichen möchte. Sie will ALLgemäin wüsse ((…)) wies mit dr selIna GOOT, (Z. 004, 006) und fordert damit Informationen bzw. Einschätzungen des Lehrers ein.
In dieser Eröffnung wird also ebenfalls auf Wissensbestände referiert, die erst zum Common Ground werden sollen. Der Lehrer kennt seinerseits die Anliegen und somit den Ablauf des Gesprächs nicht und muss dieses Wissen erfragen und durch M etablieren lassen. Und vonseiten der Mutter herrscht ein Ungleichgewicht in Bezug auf das Wissen über die schulischen Leistungen ihrer Tochter, die sie von dem Lehrer einfordern möchte. Die anwesende Schülerin formuliert selber keine Wünsche für das Gespräch, auch beteiligt sie sich noch nicht (verbal). Von der Mutter wird sie als Objekt konstruiert, indem über sie etwas in Erfahrung gebracht werden soll.
In den gezeigten Beispielen geht es jeweils darum, Wissensbestände zu verhandeln, indem über Gesprächsinhalte gesprochen wird. Gleichzeitig werden Beteiligungsrollen zugeschrieben.
Direkter Einstieg und lokale Strukturierung
Das Gespräch kann auch direkt ohne Ankündigung der Gesprächsinhalte begonnen werden, wie das nächste Beispiel zeigt:
# 4 Begriffe
(Ben, SJ6_L6B_LMVS, 00:45–01:06)
001 | L | GUET Also;gut also |
002 | ((schnalzt)) WÄISCH du scho was du muesch mAche;weisst du schon was du machen musst | |
003 | mit dene beGRIFF;mit diesen Begriffen | |
004 | S | äh::m NÄʔäh? h°ähm nein |
005 | L | du muesch se (.) °h zerscht nochär denn mol DUrelääse?du musst sie zuerst nachher dann mal durchlesen |
006 | und wennd se DUreglääse hEsch;und wenn du sie durchgelesen hast | |
007 | °hh chasch du drEi vIer USwääle?kannst du drei vier auswählen | |
008 | wo du GÄRN öppis wü (.) drzue würdsch sÄÄge;wo du gerne etwas wü dazu sagen würdest | |
009 | wo dir grad WICHtig isch,wo/das dir gerade wichtig ist | |
010 | (--) du chasch au sache zämme kombiNIEre?du kannst auch Sachen zusammen kombinieren | |
011 | (-) °h wo du findsch das PASST grad zämme.wo du findest das passt gerade zusammen | |
012 | S | Oke;okay |
Die Lehrerin lenkt in diesem Gespräch nach einer Vorphase zu Bens Kleidung und Frisur die Aufmerksamkeit auf Begriffskarten, anhand derer sie den Einstieg in das Beurteilungsgespräch strukturiert. Die Fokussierung gelingt ihr zum einen durch die Verwendung der Diskurspartikeln gut also (Z. 001) und zum anderen durch die Frage an Flavio, ob er schon wisse, was er mit den Begriffen tun solle (Z. 002f.). Diese Frage klärt den Wissensbedarf und orientiert sich an der Möglichkeit, dass Flavio bereits von seinen MitschülerInnen etwas zum standardisierten Gesprächseinstieg erfahren hat, was dieser aber verneint (Z. 004). Nach dieser kurzen Vorsequenz, welche die Funktion hat, die Erläuterungen möglichst optimal am Wissensstand des Rezipienten anzupassen, setzt L mit der Ankündigung der Aufgabe ein. Im Gegensatz zu den vorigen Beispielen handelt es sich hier jedoch nicht um eine Ankündigung der globaleren Gesprächsinhalte, sondern L informiert über die lokalen nächsten Schritte.
Auch im weiteren Verlauf des Gesprächs wird den Rezipierenden eher lokal angezeigt, was als nächstes besprochen wird. Sie erfahren jedoch nichts über die gesamte ‚Agenda’ der Lehrerin und sind daher im Ungewissen, welche Inhalte noch zu erwarten sind. Aus Sicht der Gesprächsteilnehmenden (und Forschenden) können also primär lokale Strukturierungen wahrgenommen werden. Jedoch sagt uns dies noch nichts über die Strukturierung des Gesprächs aus Sicht der Lehrperson. Denn diese kann sich auch an einem strengen Ablauf orientieren, der jedoch nur für sie ersichtlich ist und für die Gesprächsteilnehmenden nicht transparent gemacht wird.
Fokus auf die Ausgangslage
Bei Sprechstundengesprächen und ausserordentlich stattfindenden Gesprächen werden die Einstiege weniger ziel- und ablauforientiert, sondern eher rückblickend gestaltet. So nutzen Lehrpersonen eher die Strategie, die Ausgangslage oder gewissermassen den Status Quo darzulegen, um dann von da ausgehend das Gespräch zu gestalten. Ich illustriere dies an drei Fällen. Im ersten Beispiel kommt das Gespräch auf Wunsch der Lehrperson zustande und sie beginnt damit, dieses Zusammentreffen zu begründen, indem sie die Ausgangslage schildert:
# 5 Verwarnung
(David, SJ12_L5A_LVS, 00:10–00:44)
001 | L | °hh gUet so Usgangslaag isch jo (–) die verWARnig,gut so Ausgangslage ist ja diese Verwarnung |
002 | de hIdrospiid wo so (.) de lEtschti: ((Rascheln von Unterlagen)) TROPfe gsI isch;der Hydrospeed wo/der so der letzte Tropfen gewesen ist | |
003 | uf e (.) häissi STÄI?auf den heissen Stein | |
004 | MEE oder wEniger;mehr oder weniger | |
005 | °hh Äh::m (--) °hh U:nd (.) won ich iine denn AU gsäit ha;ähm und wo ich Ihnen dann auch gesagt habe | |
006 | dass–dass | |
007 | ? | verSPÖtige.Verspätungen |
008 | L | (-) d verSPÖtige;die Verspätungen |
009 | und und halt dass sii scho im LETSCHte (.) semEschter,und und halt dass Sie schon im letzten Semester | |
010 | ja Immer wider öppe mal nid im TURne °hh erschIne sind;ja immer wieder öfter mal nicht im Turnen erschienen sind | |
011 | aso (.) wie SII scho gschribe hend;=oder,also wie Sie schon geschrieben haben oder | |
012 | °hh das äh: bitz sElektive (---) FÄÄLe,das äh bisschen selektive Fehlen | |
013 | det wo mes nid WICHtig findt.dort wo man’s nicht wichtig findet |
Die Lehrerin schafft durch die Gesprächspartikel guet (Z. 001) eine Fokussierung auf die gemeinsame Interaktion und beginnt dann mit der Darlegung der Ausgangslage. Sie nimmt dabei Bezug auf eine Verwarnung (Z. 001), auf einen Hydrospeedanlass1 (Z. 002–004), auf Verspätungen2 sowie Absenzen (Z. 005–013). In Zeile 011 verweist sie auf eine bereits schriftlich vorhandene Fixierung der Absenzenthematik3, was darauf schliessen lässt, dass der Einstieg in das Gespräch hier weniger ein Etablieren, als ein Aktualisieren von Wissen bzw. Common Ground leistet. Diese Interpretation wird durch zusätzliches Datenmaterial gestützt: Es liegen Kopien der schriftlichen Verwarnung an David sowie des Briefes an Davids Eltern vor. Darin werden die auch im Gespräch genannten Punkte aufgeführt: ein versäumter Sportanlass (Hydrospeed) und dabei entstandene Kosten, Absenzen sowie Verspätungen. In diesem Zusammenhang bittet die Lehrerin die Eltern zu einem Gespräch. Das bedeutet also, dass alle Anwesenden bereits wissen, worum es im Gespräch gehen wird und ein diesbezüglicher Wissensausgleich demnach nicht nötig wäre. Dennoch wird dieses allgemein bekannte Wissen hier verhandelt. Diese Beobachtung zeigt, dass Interaktionen in jedem Fall aktiv von den Teilnehmenden hergestellt werden müssen und auch bei bekannten Zielen oder Inhalten nicht unmittelbar beginnen können. Hier wird also, um das Gespräch einzuleiten, die Ausgangslage wiederholt ausformuliert, was hier aber den Zweck erfüllt, die versammelten Leute aktiv im Hier und Jetzt auf den gemeinsamen Gesprächsgegenstand zu fokussieren.
Der nächste Ausschnitt stammt aus einem Sprechstundengespräch mit anwesender Lehrerin, Mutter und dem betroffenen Schüler Alex. Diese Sprechstunde findet auf Wunsch der Eltern (bzw. der Mutter) statt und steht im Zusammenhang mit den aktuell kommunizierten Zwischennoten:
# 6 Die Noten studiert
(Alex, SJ7_L9A_LMS, 00:00–00:33)
001 | L | °h GRÜESsech mitenAng;grüezi miteinander |
002 | M | GRÜEzi frau [hermann;]grüezi Frau Hermann |
003 | S | [GRÜEzi; ] grüezi |
004 | L | HOI Alex;hallo Alex |
005 | S | (hallo)(hallo) |
006 | L | GRÜESsech frau kunz;grüezi Frau Kunz |
007 | M | grüezi frau HERmann;grüezi Frau Hermann |
008 | L | nÄme sii PLATZ?nehmen Sie Platz |
009 | M | jä MERci,ja danke |
010 | ((Schritte und Stühlerücken, ca. 9.6 Sek.)) | |
011 | L | °h Alex hesch scho: mit em mAmi zäme (.) d schUelnetz AAgluegt;Alex hast du schon mit der Mama zusammen die Schulnetze angeschaut |
012 | d nOte mitenander gstu[DIERT;die Noten miteinander studiert | |
013 | S | [jä h° (.) aso ÄINGlech mit mim gÖtti; ja also eigentlich mit meinem Patenonkel |
014 | L | mitem GÖTti zÄme [ja;mit dem Patenonkel zusammen ja |
015 | S | [jä– h° ja |
016 | L | °h hesch gsEE dass es äh zimlich RO:ti farb het,hast du gesehen dass es äh ziemlich rote Farbe hat |
017 | und wEniger SCHWARZ;=gäll?und weniger schwarz gell | |
018 | S | jä–ja |
019 | L | das GSEET me;das sieht man |
020 | i has USdruckt,ich habe es ausgedruckt | |
021 | das wird jetz do e chli Orangsch °hh derhÄr cho,das wird jetzt da ein wenig orange daherkommen | |
022 | un:d (.) äh ich ha denn dO näbeDRAA,und äh ich habe dann da daneben | |
023 | °h äifach äh d de wÄrt de RUNdigswärt,einfach äh d den Wert den Rundungswert |
Die Lehrerin (Frau Hermann) befindet sich schon im Raum, den nun die Mutter (Frau Kunz) und der Schüler (Alex) betreten. Nach der Begrüssung4, die zuerst aus der Distanz (Z. 001–003) und dann nochmals im direkten Kontakt (Z. 004–007) stattfindet, bittet die Lehrerin Platz zu nehmen (Z. 008). Obwohl das Gespräch auf Initiative der Eltern stattfindet, übernimmt die Lehrerin die Steuerung in dieser Gesprächseröffnung. Sie fragt in Zeile 011 den Schüler, ob er die Noten schon mit der Mutter studiert habe, was dieser zuerst ratifiziert, dann aber um den Zusatz aso ÄINGlech mit mim gÖtti; (Z. 13) ergänzt. Mit der Frage von L wird der aktuelle Wissensstand von S und M eingeholt, nämlich darüber, ob sie die Noten schon kennen. Die Frage ist an den Schüler adressiert, es wird aber explizit auch der Wissensstand der Mutter erfragt, indem sowohl auf sie referiert wird (mit em mAmi zäme, Z. 011) als auch das gemeinsame Studieren der Noten verbalisiert wird (zäme, Z. 011; mitenander, Z. 012). Dass nun der Schüler nach seiner Ratifikation eine präzisierende Reparatur anbringt, hat zweierlei Implikationen. Zum einen macht er dadurch deutlich, dass er seine Noten zwar kennt, die aber nur mit seinem Patenonkel angeschaut hat und daher die beim Gespräch anwesende Mutter noch keine Kenntnis über den aktuellen Stand hat. Zum anderen bestimmt S die Beziehung zwischen sich und seiner Mutter, die in diesem Fall nicht als Vertrauensperson oder Lernbegleiterin positioniert wird, sondern der Patenonkel diese Rolle zu übernehmen scheint.5 Dadurch dass die Mutter sich in dieser Eröffnungssequenz nicht verbal beteiligt, zeigt sie sich in der Rolle der stillen Zuhörerin, die dem Gespräch zwischen L und S schweigend folgt und die Rollenzuweisung akzeptiert. L orientiert sich trotz des Wissens, dass M die Noten noch nicht gesehen habe, im Weiteren an S und präzisiert in ihrer Frage °h hesch gsEE dass es äh zimlich RO:ti farb het, und wEniger SCHWARZ;=gäll? (Z. 016f.) den Common Ground dahin, dass dem Schüler (und der mithörenden Mutter) bereits klar ist, dass es viele ungenügende Noten gibt. So lässt sich bei # 6 zwar zeigen, dass L den Common Ground aller Gesprächsbeteiligten relevant setzt, indem sie den Wissensstand bei S und M abfragt. Allerdings zeigt L keine (verbale) Neuausrichtung an M, nachdem sie nun erfährt, dass sie die Noten noch nicht gesehen hat, sondern sie wendet sich weiterhin an S und verstärkt dadurch die Rolle von M als stille Zuhörerin. Im weiteren Verlauf wechselt L zuerst zum Pronomen man (Z. 019) und adressiert danach aber wieder S und erklärt anhand einer Notenübersicht das Verhältnis von genügenden und ungenügenden Noten. Geht man davon aus, dass S diese Übersicht – wie er sagt – schon mit seinem Patenonkel studiert hat, so ist die Information für ihn nicht mehr neu. Die Aktivierung des Common Grounds scheint also hier bei dem Gesprächsbeginn insbesondere die Funktion zu haben, eine gemeinsame fokussierte Situation zu gestalten.
In dieser Sequenz ist auffällig, dass die Fokussierung auf die Noten von S unmittelbar nach der Begrüssung und der Platzierung von L vorgenommen wird und das Gespräch dadurch eine sehr zielgerichtete, institutionelle Rahmung erhält. Das Gesprächsthema, nämlich die schulischen Leistungen von S, wird schon in den ersten Sekunden festgelegt und eingeleitet. Ebenfalls gleich zu Beginn zeigt L eine Orientierung an den Gesprächsbeteiligten, indem sie den Wissensstand abfragt und die Beteiligtenrollen bestimmt.
In allen bisher besprochenen Eröffnungen findet nach knapperen oder längeren Vorphasen eine rasche Fokussierung auf die Gesprächsziele statt. Auch initiiert in der Regel die Lehrperson die fokussierte Situation (vgl. auch Ackermann 2014: 21). Eine Ausnahme bildet das Gespräch mit Marc, in welchem die Mutter nach einer relativ langen Vorphase die Fokussierung einleitet. Die Art und Weise, wie die Lehrerin diesen Redebeitrag der Mutter bearbeitet, bestätigt allerdings die Norm, dass die Gesprächseröffnung im Grunde der Institutionsvertretenden obliegt.6 Vor dem gewählten Ausschnitt wird durch die ausgeprägte Vorphase u.a. Beziehungsarbeit geleistet. Die Anwesenden sprechen über die Tür, die klemmt, über einen nichtverstellbaren Stuhl, über die Sitzordnung bzw. die Beobachtung, dass Leute sich in Sitzungsräumen immer an denselben Platz setzen etc. Dabei wird viel gelacht, wodurch sich die Gesprächsteilnehmenden als wohlwollende Interagierende positionieren.7 Nun wird mit dem Redebeitrag der Mutter erstmals der Fokus auf das Beurteilungsgespräch gelenkt:8
# 7 Ich als Lehrperson
(Marc, SJ7_L9B_LMPS, 01:33–02:08)
001 | M | ((Rascheln von Unterlagen)) etz hei mer da NO–jetzt haben wir da noch |
002 | aber vilech mÜesse mer ja NÜT schriibe; [((lacht kurz))aber vielleicht müssen wir ja nichts schreiben | |
003 | L | [ja eh heh ja eh heh |
004 | M | i ha drum da no öppis usDRUCKT vom internEt?=aber,ich habe darum da noch etwas ausgedruckt aus dem Internet aber |
005 | L | JAwoll.jawohl |
006 | M | (-) wötsch DUs AAluege oder wÄr?willst du’s anschauen oder wer |
007 | (.) du?du | |
008 | ((Rascheln von Unterlagen)) | |
009 | M | du hesch [es scho GSEE?=gäu,du hast es schon gesehen gell |
010 | P | [(xxx xxx) |
011 | M | mir heis scho mitenAng mau [AAgluegt,]wir haben’s schon miteinander mal angeschaut |
012 | L | [mh_HM? ] mhm |
013 | M | es isch vilech no ANGers züg [dezUe cho. ]es ist vielleicht noch anderes Zeug dazugekommen |
014 | P | [isch da nöd] s GLIICH wie bim zwÜschezüg[nis. ] ist das nicht das Gleiche wie beim Zwischenzeugnis |
015 | M | [DOCH?] doch |
016 | das wo mer hei AAgluegt [zäme;das wo/welches wir angeschaut haben zusammen | |
017 | L | [JAwoll. °hh jawohl |
018 | M | Efach as mers drBII hei.einfach dass wir’s dabei haben |
019 | L | i ha mir !OU! en Usdruck gmAcht–ich hab mir auch einen Ausdruck gemacht |
020 | °hh das isch Äh:m wien Ich äh wien I d AAsicht ha as as LEERperson druf;das ist ähm wie ich äh wie ich die Ansicht habe als als Lehrperson darauf | |
021 | °hh wo me de nÄchere immer grad GSEET,wo man dann nachher immer gerade sieht | |
022 | M | [MH_hm.mhm |
023 | L | [wenn: dr SCHNITT nid äh: (.) es vier komma nUll erräicht;wenn der Schnitt nicht äh eine Vier Komma null (=4.0) erreicht |
Die Mutter initiiert das fokussierte Beurteilungsgespräch, indem sie eine Kopie der aktuellen Schulnoten hervorholt und thematisiert. Sie führt sich als informierte Person vor, die einerseits vorbereitet mit Unterlagen erscheint und andererseits die Kompetenz hat, das Gespräch einzuleiten, da sie weiss, worum es im Gespräch geht. Während M organisiert, wer die Unterlagen anschauen möchte und mit P klärt, worum es sich handelt, sind zuerst von L nur Rezeptionssignale hörbar: Sie lacht (Z. 003) und bestätigt (Z. 005, 012, 017). In Zeile 017 kündigt sie durch das Einatmen einen Redebeitrag an, der ab Zeile 019 dann auch folgt: L übernimmt den von M initiierten Fokus und bringt nun ihre eigenen Unterlagen ins Spiel, die sich dadurch von der Kopie der Mutter unterscheiden, dass sie die Ansicht der Lehrperson aufzeigen. Zentral scheint mir hier die Äusserung in Zeile 020: °hh das isch Äh:m wien Ich äh wien I d AAsicht ha as as LEERperson druf;. Der Fokusakzent liegt auf dem Wort Lehrperson und weitere Nebenakzente liegen u.a. auf den beiden Tokens von ich, womit sich die Lehrerin abgrenzt und sehr deutlich auf ihre institutionelle Rolle beruft. Sie übernimmt an dieser Stelle nun auch die Gesprächsführung und erklärt im Detail die Sachlage9 aus ihrer professionellen Sicht (hier im Ausschnitt nur ansatzweise abgedruckt).
In diesem Gespräch leitet zwar die Mutter die fokussierte Interaktion ein. Durch die deutliche Positionierung und Berufung auf ihre Rolle zeigt aber die Lehrerin, dass sie für die Gesprächsführung zuständig ist. Es handelt sich also bei diesem Fall nur scheinbar um einen Ausnahmefall, denn die lehrerinseitige Reaktion und Positionierung bestätigt die Norm, dass die Gesprächsführung Aufgabe der institutionenvertretenden Person ist.
In allen Gesprächen ist in der Eröffnungsphase das Verhandeln von Wissensbeständen dominant. Entweder wird das Gespräch eröffnet, indem nach der Fokussierung ein Common Ground etabliert wird, oder indem ein bereits vorhandener Common Ground in Anwesenheit aller aktualisiert wird. Zudem zeigt sich gleich zu Beginn, wie die Beteiligten die Situation und die Rollen definieren.