Kitabı oku: «Beurteilungsgespräche in der Schule», sayfa 15

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5.1.3 Eltern als Ko-Lehrpersonen

Dass Eltern sich als ‚gute’ Eltern (vgl. auch Pillet-Shore 2015) präsentieren und darum bemüht sind, sich als unterstützende, schulorientierte Personen mit einer optimalen Lernumgebung zu Hause zu zeigen, wurde insbesondere von Kotthoff (2012a; 2012b; 2014; 2015b) dargelegt und auch in den vorangehenden Analysen stellenweise hervorgehoben. Im folgenden Beispiel kommt diese Selbstpositionierung als gute Eltern sehr deutlich zum Vorschein. Die Anwesenden unterzeichnen am Ende des Gesprächs abschliessend die Gesprächsunterlagen, während die Lehrerin eine Seitensequenz einleitet und betont, wie toll sie es finde, dass beide Elternteile zu dem Gespräch gekommen sind:

# 19 Vaterrolle

(Tatjana, SJ5_L7B_LMVS, 28:07–29:11, mit Auslassung)


001Li finges übrigens tOll dass dir gad BEIdi as gsprääch cho sit?ich finde es übrigens toll dass Sie gerade beide ans Gespräch gekommen sind
002Mjo [i ha: won i [s formuLAR übercho–ja ich habe wo/als ich das Formular bekommen
003L [das– das
004V [jo für MI isch das::– ja für mich ist das
005[eigentlich no rÄcht WICHtig;eigentlich noch recht wichtig
006M[han is IIM:: (-) GFÖtelet?habe ich es ihm fotografiert
007V[dass i ou GNOU weiss was goot;dass ich auch genau weiss was geht
008L[jo i FINge dAs::–ja ich finde das
009jo i fInge das SUper,ja ich finde das super
010Vun grad (.) u i wott sii OU: wenn sii bi MIR isch,und gerade und ich will sie auch wenn sie bei mir ist
011chönnen irgendwie chli ungerSTÜT[ze,irgendwie bisschen unterstützen können
012L [jo, ja
013Vvilich wenns GOOT; °hvielleicht wenns geht
014LjO isch glaub [nid wÜrkch SÄUBverstÄndlich;ja ist glaub ich nicht wirklich selbstverständlich
015V [jo, ja
016Laso [(-) JO?also ja
017M [jo ÄR isch dr pApi [und [äh:::– ja er ist der Papa und äh
018V [jo, ja
019L [jo (.) i finge das SEER guet? ja ich finde das sehr gut
020((Auslassung im Transkript, ca. 10 Sek.: M berichtet, dass sie auch bei einem Halbgeschwister von S jeweils deren Vater informiere.))
021LjO (.) i finge das SEER [(guet);ja ich finde das sehr (gut)
022M [mi dünkt das isch no WICHtig au? mich dünkt das ist noch wichtig auch
023Lou dass beidi chli DRII gsee;auch dass beide bisschen hinein sehen
024Vmh_HM;mhm
025L(.) nid immer [nume s EINte oder s An[gere,nicht immer nur die Eine oder die Andere
026V [°hh [jo, ja
027und ebe de chan i ebe o öbbe mou deHEIme–und eben dann kann ich eben auch hie und da mal daheim
028jetz het sii zwar über s wucheänd kchäni UFgabe mee?jetzt hat sie zwar übers Wochenende keine Aufgaben mehr
029°hh vorhär hesch (aues) no über s WUchenänd kchA?vorher hast du (alles) noch übers Wochenende gehabt
030(-)
031Lah jo (do hämmer) dr wucheplan irgend am (.) bis am MÄÄNdi müesse ha;ah ja (da haben wir) den Wochenplan irgend am bis am Montag haben müssen
032bis am ZIISCHdi gäu bir [frou (xxxxxx) ja,bis am Dienstag gell bei Frau (xxxxxx) ja
033M [jo irgendwie SO öppis,=genau; ja irgendwie so etwas genau
034Lge[NAU;genau
035V [do han i (eifach) fasch no MEE chöne hÄufe, da habe ich (einfach) fast noch mehr helfen können
036S [((hustet))
037Vaber JETZ °hh [i ha denn o GLIICH immer e chli,aber jetzt ich habe dann auch gleich immer ein wenig
038L [guet du chönntsch jo jetz eifach ame s MÄPpli mitnää oder so? gut du könntest ja jetzt einfach manchmal das Mäppchen mitnehmen oder so
039[hehehehehehe
040S[hehehehehehe
041V[nä sii hets gloub OU,nein sie hat’s glaub ich auch
042du heschs OU scho MITgnoo;du hast es auch schon mitgenommen
043hesch OU scho [mitgnoo,du hast auch schon mitgenommen
044M [mh_hm, mhm
045V[und de hÄI mer ou scho GÜEBT;=jo,und dann haben wir auch schon geübt ja
046M[het OU scho öppis mitgnoo ka;hat auch schon etwas mitgenommen gehabt
047Lah AU[so?ah also
048V [un_d FRÜNdin isch jo ou lEErere; und die Freundin ist ja auch Lehrerin
049Ljo (.) ah [Okee,ja ah okay
050V [un de hiuft das mängisch ou e chli, und dann hilft das manchmal auch ein wenig
051Lah AUso,ah also
052Vchehehehe °hchehehehe
053Lguet GUET?gut gut

Was hier zunächst implizit bleibt, aber als Common Ground mitkommuniziert wird, ist der getrennte Wohnort der Eltern, die inzwischen beide in einer neuen Partnerschaft leben (dieses Wissen ergibt sich dann aus dem weiteren Verlauf des Gesprächs). Indem L wiederholt das Dasein beider Elternteile positiv hervorhebt (Z. 001, 008f., 014, 019, 021, 023, 025), aktualisiert sie im Umkehrschluss die soziale Wirklichkeit, dass dies bei getrennten Eltern häufig nicht der Fall ist. Diese Positionierung als gute (getrennte) Eltern wird nun interaktiv durch die Teilnehmenden weiter verfestigt. M und V bestätigen zunächst die Wichtigkeit einer Teilnahme beider Elternteile. Wenn auch die Formulierung von L keine Aussage darüber zulässt, ob sie nun positiv erstaunt über die Mitanwesenheit von M oder V ist, so wird die Positionierung dennoch in der Folge so bearbeitet, dass M als primäre Bezugsperson zu verstehen ist und ihre Anwesenheit somit zu erwarten war. Denn dadurch dass Tatjana bei der Mutter lebt und diese offenbar die Einladung zu dem Beurteilungsgespräch erhalten und sie an V weitergeleitet hat, wird V nicht direkt mit dem Zuhause des Kindes assoziiert. Interessant ist nun, dass V genau diese implizite Abstufung korrigiert, indem er an mehreren Stellen aufwändig darstellt, dass auch er für S eine optimale Lernumgebung bereitstellen und somit ebenfalls als Ko-Lehrer agieren kann. Er tut dies durch die Bekundung eines generellen Interesses an der schulischen Entwicklung von S (Z. 004f., 007) und an Unterstützungsleistungen seinerseits bei schulischen Schwierigkeiten (Z. 010f.). Weiter stellt er ausführlich dar, dass er schon in der Vergangenheit an Wochenenden bei den Hausaufgaben helfen konnte (Z. 027–029, 035, 037, 041–043, 045). Und schliesslich führt er neben seiner eigenen Ko-Lehrerschaft noch seine Partnerin, die beruflich als Lehrerin tätig ist, quasi als prototypische Ko-Lehrerin vor (Z. 048, 050). Durch diese Teilhandlungen, die von L jeweils positiv bewertet werden, etabliert V sich als guten Vater und guten Ko-Lehrer, der seine Tochter schulisch unterstützen kann.

Die Positionierung der Eltern als Ko-Lehrpersonen ist aber keineswegs nur als Selbstinszenierung oder Selbstpositionierung von den Eltern zu verstehen, wie das etwa im vorigen Beispiel gezeigt wird, sondern durchaus auch als Zuschreibung von Aufgaben im Sinne einer gewünschten Partnerschaft. So lässt sich in einigen Gesprächen eine gewisse Selbstverständlichkeit oder auch eine Erwartungshaltung in Bezug auf Ressourcen der Eltern für die Hausaufgabenhilfe aufzeigen. Diese Erwartungshaltung kann explizit formuliert werden, wie dies im nächsten Beispiel der Fall ist. Die Lehrerin erteilt hier den Eltern explizit den Auftrag, zu Hause als Ko-Lehrpersonen zu agieren, um das gewünschte Lernverhalten der Schülerin Zoe positiv zu beeinflussen:

# 20 Auch mal zu Hause erwähnen

(Zoe, SJ1_L2A_LMV, 04:14–04:53)


001Lich gAng jetz grad do über no zum SCHRIIbe?ich gehe jetzt gerade da über noch zum Schreiben
002ebe sii (het) sii schribt SCHÖN?eben sie (hat) sie schreibt schön
003°hh wirklich au schön in d LInie,wirklich auch schön in die Linie
004git sich au MÜE?gibt sich auch Mühe
005me ka IIre no,man kann ihr noch
006(.) wenn sii jetzt dehÄi mol GSEEN,wenn Sie jetzt daheim mal sehen
007no SAge,noch sagen
008sii duet amigs fascht e bItzli z FESCHT drucke–sie tut manchmal fast ein bisschen zu fest drücken
009Mmh[_HM,mhm
010L [das SAG ich iiren Amigs; das sage ich ihr manchmal
011dass sii vor lUter woorschinlich (.) s geNAU welle <<leicht lachend> mache und schÖn mache,>dass sie vor lauter wahrscheinlich es genau machen wollen und schön machen
012°h dass sii amigs gAr nit sO fescht muess DRUcke,=dass sie manchmal gar nicht so fest drücken muss
013=!UND! °h s HA:?und das ‚H’
014das isch aber wirklich s dr ÄInzig buechstabe–das ist aber wirklich s der einzige Buchstabe
015GSEEN sii dAs;sehen Sie das
016dä isch IMmer–der ist immer
017(-)
018MAH [jä;ah ja
019L [dä müessti jo ÄIgentlich bis [an d LInie ufe; der müsste ja eigentlich bis an die Linie hoch
020M [mh_HM, mhm
021L°h das han ere lEtschthin zwÄI drEI mol GSÄIT,das habe ich ihr letzthin zwei-/dreimal gesagt
022irgend[wie het sii sich das glaub so chli AAgwöönt,irgendwie hat sie sich das glaub ich so bisschen angewöhnt
023M [jä– ja
024L(--) s HA immer e chli, [hehehedas ‚H’ immer so bisschen hehehe
025M [reduZIERT. reduziert
026Laso isch nIt (.) SCHLIMM–also ist nicht schlimm
027aber wenns iinen emol UFfallt;aber wenns Ihnen einmal auffällt
028KÖNne sii das jo;können Sie das ja
029Mjä–ja
030Lau mol deHÄI erwääne;auch mal daheim erwähnen
031Mjä–ja

Die Lehrerin beginnt zuerst mit einer positiven Beurteilung von Zoes Schrift und formuliert dann eine Handlungsanweisung an die Eltern. Diese Handlungsanweisung leitet sie mit dem Pronomen man ein: me ka IIre no ((…)) SAge (Z. 005, 007). Die zunächst indirekte Adressierung durch man wird dann in einem eingeschobenen Satz disambiguiert, indem L die Eltern direkt adressiert: wenn sii jetzt dehÄi mol GSEEN (Z. 006). Die tatsächliche Anweisung vermischt sich nun mit einer negativen Beurteilung, nämlich dass Zoe mit dem Stift zu fest drückt und den Buchstaben ‚h’ nicht deutlich nach oben zieht. Die Beurteilung wird abgeschwächt, indem L eine Begründung für das feste Drücken heranzieht (Z. 011) und dadurch Zoe wieder als gute und genau schaffende Schülerin darstellt. L verweist auf ihre selbst geäusserten Korrekturen (Z. 010, 021), schwächt dann erneut die angebrachte Kritik ab (aso isch nIt (.) SCHLIMM–, Z. 026), um dann aber schliesslich die explizite Handlungsanweisung auszuformulieren: wenns iinen emol UFfallt; KÖNne sii das jo; au mol deHÄI erwääne; (Z. 027f., 030). Hier werden also die Eltern explizit angeleitet, ihre Rollen als Ko-Lehrpersonen wahrzunehmen und die von L identifizierten Schwachstellen zu Hause im Sinne der Lehrerin zu korrigieren. Die Mutter ratifiziert das Gesagte und zeigt sich mit der Rollenzuschreibung einverstanden; von dem Vater ist keine Reaktion hörbar.

Durch die gezeigten Positionierungen wird das Konzept der Partnerschaft zwischen Schule und Familie sehr ausgeprägt etabliert, wodurch annähernd symmetrische Beteiligungsstrukturen entstehen. Allerdings bleibt die Lehrerin die Person mit dem Fachwissen, welches sie in dem Gespräch offenlegt, sodass die Eltern ebenfalls fähig sind, nach ihren Kriterien das Kind zu Hause zu fördern.

Dass die Fremdzuweisung als Ko-Lehrperson durchaus auch gesichtsbedrohend sein kann und entsprechend indirekter und modalisierter hervorgebracht werden kann, zeigt der nächste Ausschnitt. Vor der gewählten Passage fragt der Lehrer den Schüler nach dem Stand einer aktuellen Gruppenarbeit und es zeigt sich in dieser Diskussion, dass Ben zu Hause insbesondere von seinem Vater bei der Erstellung der PowerPoint-Präsentation unterstützt wurde. Der Lehrer wendet sich abschliessend an die Eltern:

# 21 PowerPoint

(Ben, SJ4_L3B_LMVS, 27:16–27:40)


001L(isch) SEER intressAnt;(ist) sehr interessant
002(.) d kinder hän (---) !GANZ! unterschiidlig gschAfft;die Kinder haben ganz unterschiedlich gearbeitet
003(--) aso wirklich au mit em AAspruch an sich sÄlber;also wirklich auch mit dem Anspruch an sich selber
004(--) PAUerpoint?=PowerPoint
005=ha gsäit (---) lUeget öb das funktioNIERT?habe gesagt schaut ob das funktioniert
006(---) lueget öb iir Eltere hän wo <<lachend> euch HÄLfe;>schaut ob ihr Eltern habt wo/die euch helfen
007(--)
008Vjo guet du heschs jo (.) SÄLber heschs nit chÖne;ja gut du hast es ja selber hast du’s nicht gekonnt
009will s pro[GRAMM nit kEnnsch a[ber äh–weil du das Programm nicht kennst aber äh
010L [(näi) [jä jä; (nein) ja ja
011S [mh_mh; mhm
012Lnäi KLAR,nein klar
013(2.12)
014SsÖtt jetzt äiglech GO;sollte jetzt eigentlich gehen
015(1.03)
016Lguet,gut

Nachdem L zusammenfassend festhält, dass die Kinder sehr unterschiedlich arbeiteten (Z. 001–003), greift er als Beispiel das Arbeiten mit der PowerPoint-Software heraus und macht einerseits deutlich, dass dies keine Pflicht war (Z. 004–005). Andererseits zeigt er, dass die Mithilfe der Eltern im Falle einer Verwendung der Software vermutlich notwendig ist: lueget öb iir Eltere hän wo <<lachend> euch HÄLfe;> (Z. 006). Indem er also in seinem Selbstzitat, welches im ursprünglichen Kontext an die Klasse gerichtet war, eine Fremdpositionierung der Eltern als Ko-Lehrpersonen vornimmt, hat das redebegleitende Lachen eine abschwächende Wirkung und zeigt, dass diese Fremdpositionierung einer (gesichtsbedrohenden) Forderung an die Eltern gleichkommen könnte. Interessant ist an dieser Stelle, dass der Vater, welcher sich zuvor (der Ausschnitt ist hier nicht abgedruckt) deutlich bezüglich der PowerPoint-Frage als Ko-Lehrer etabliert hat, hier seine Rolle wieder schmälert bzw. die Schülerrolle aufwertet: Er wendet sich in den Zeilen 008f. an Ben und betont, dass er die Aufgabe nur deswegen nicht alleine habe machen können, weil er das Programm gar nicht kannte. Durch die prosodische Markierung und das anschliessende aber erhält sein Beitrag eine argumentative Wirkung. So ratifiziert er zwar seine Rolle als helfenden Ko-Lehrer, zeigt aber gleichzeitig, dass sein Sohn nicht grundsätzlich unterstützungsbedürftig wäre, jedoch in diesem Fall mindestens eine Einführung in die Software brauchte. L ratifiziert dies (Z. 010, 012) und Ben bringt sich dazu auch noch selber ein, indem er sich als nun fähig positioniert, mit der Software umgehen zu können (Z. 014).

Wir sehen hier also, wie einerseits L die Fremdpositionierung der Eltern als Ko-Lehrpersonen modalisiert, um die Notwendigkeit etwaiger Unterstützungsleistungen abzuschwächen. Dass aber gerade die Handhabung einer neuen Computer-Software durchaus Unterstützung notwendig macht, zeigt die Reaktion von V, die aber andererseits impliziert, dass seine Unterstützung die Leistung von S dennoch nicht schmälert. Eine Positionierung von Eltern als Ko-Lehrpersonen kann also durchaus die gleichzeitige Positionierung von S als hilfebedürftig beinhalten. Da es in Beurteilungsgesprächen in erster Linie um die Beurteilung von SchülerInnen geht, löst V hier diesen Konflikt, indem er seine Hilfe als selbstverständlich und nötig erklärt und den Fokus auf die Eigenleistung von S dadurch wieder möglich macht.

Bei den gezeigten Fremdpositionierungen von Eltern als Ko-Lehrpersonen zeigt sich eine gewisse Selbstverständlichkeit, die dieser Rollenzuweisung zugrunde liegt. So werden die Positionierungen nicht abgewiesen oder kontrovers ausgehandelt. Einzig im obigen Beispiel # 21 sehen wir, dass mit der Positionierung der Eltern als Ko-Lehrpersonen allenfalls eine Positionierung der SchülerInnen als unselbstständige oder unterstützungsbedürftige Lernende einhergehen kann. Dass es sich bei dem Partnermodell Schule (Lehrperson) und Familie (Ko-Lehrpersonen) also um eine implizit anerkannte Realität handelt, wird insbesondere in den folgenden Beispielen deutlich, in denen Eltern Erklärungen für ihre fehlenden Ressourcen oder ihre zurückhaltenden Hilfestellungen anbringen.

Im folgenden Beispiel wendet sich die Lehrerin explizit (mit namentlicher Adressierung) an die Mutter, nachdem sie zuvor Jonas in Bezug auf seine Hausaufgaben gelobt hat. Von der Mutter will sie nun erfahren, ob Jonas zu Hause Unterstützung brauche:

# 22 Zwei ältere Brüder

(Jonas, SJ6_L6A_LHMS, 06:12–06:46)


001Lun wie GSEEN sii das?und wie sehen Sie das
002macht er das dähäi alles SÄLBständig mit de hUsufgoobe,macht er das daheim alles selbstständig mit den Hausaufgaben
003M[jä,ja
004L[isch do (okee) (xxxxxx) (-) unterstÜtze frau KELler?ist da (okay) (xxxxxx) unterstützen Frau Keller
005M(-) °hh aso GUET,also gut
006bi dr mAthe do het er mÄnggmol:: (-) FROOge:,=bei der Mathe(matik) da hat er manchmal Fragen
007=oder verstOOts nid !GANZ! oder eso;oder versteht’s nicht ganz oder so
008?((Räuspern))
009Maber do schick en zue sine BRÜEDre;aber da schicke ich ihn zu seinen Brüdern
010L[mh–mh
011M[ähm ähm pf:: was SII do dUUre nämed;ähm ähm pf was sie/Sie da durchnehmen
012das sin SAche vo– [°h heheheh °h heh °hdas sind Sachen von heheheh heh
013L [°h h° heh heh
014M<<lachend> do mag mi NÜMM> dra erInnere;da mag/kann ich mich nicht mehr daran erinnern
015und irgendwie (-) han i au dr CHOPF nid drzUE;und irgendwie habe ich auch den Kopf nicht dazu
016[dass i mi DO nomol wider IInedänke due.dass ich mich da nochmals wieder hineindenken tue
017L[mh_HM;mhm
018Moder no find i JO?oder dann finde ich ja
019°hh die zwäi eltere brÜEder sin jo grad FRÜSCH vo däm,die zwei älteren Brüder sind ja gerade frisch von dem
020[hehehheheh
021L[mh_HM.mhm
022ah jO das isch notüerlich PRAKtisch.ah ja das ist natürlich praktisch

Dadurch dass die Frage nach Unterstützungsleistungen zu Hause explizit an die Mutter gerichtet ist, wird ihr die Rolle als potenzielle Ko-Lehrerin zugewiesen. Dass sich auch M an dieser Rolle orientiert, zeigt sich durch ihr Lachen und die aufwändigen Erklärungen. Die Rolle der Ko-Lehrperson delegiert sie an die zwei älteren Brüder von Jonas (Z. 009, 019) und begründet ihre Passung als Ersatz-Ko-Lehrpersonen, indem sie betont, dass sie den Schulstoff noch frisch aktiviert hätten. Die Begründungen ihrer eigenen fehlenden Ressourcen oder Kompetenzen sind durchzogen mit Lachen, was dadurch erklärt werden kann, dass ihr die Abweichung von der Norm – nämlich dass sie eigentlich als Ko-Lehrerin agieren müsste – durchaus bewusst ist und ihr die Positionierung als ‚schlechte’ Mutter unangenehm ist. In einem anderen Gespräch (Tatjana, SJ5_L7B_LMVS, v.a. ab 03:25) findet sich eine ähnliche Bearbeitung durch die Mutter: L stellt ebenfalls die Frage nach nötigen Unterstützungsleistungen vonseiten der Eltern, worauf die Mutter über ein spezifisches Mathematikproblem berichtet, welches sie selbst überhaupt nicht verstanden habe und dann den Onkel von Tatjana als Ersatz-Ko-Lehrer hinzuziehen musste. Auch sie trägt ihre eigene Unfähigkeit bezüglich des Problems unter viel Lachen hervor und bestätigt dadurch die Normalform, dass sie eigentlich als gute Ko-Lehrerin auftreten sollte.

Auch im nächsten Beispiel wird implizit die Erwartungshaltung an die Eltern als Ko-Lehrpersonen bestätigt, indem M die ausbleibenden Unterstützungsleistungen begründet. Vor dem gewählten Ausschnitt äussert die Lehrerin die Vermutung, dass Alex noch nicht seine Leistungsgrenze erreicht habe und die schlechten Noten daher eher auf Faulheit basieren. Sie adressiert dabei den Schüler selbst und dieser bestätigt die Einschätzung der Lehrerin. Daraufhin bringt sich die Mutter ein:

# 23 Extra nichts gesagt

(Alex, SJ7_L9A_LMS, 03:42–04:03)


001MJO und ich han en jetz Au;ja und ich habe ihn jetzt auch
002aso lEtscht joor han ich en °h (-) scho no mee (-) PUSCHT,also letztes Jahr habe ich ihn schon noch mehr gepushed
003und ha gsäit du MUESCH jetz,=und habe gesagt du musst jetzt
004=und JETZ han i au gfunde;und jetzt habe ich auch gefunden
005°h (-) etz muess er SÄLber?jetzt muss er selber
006L(.) mh_HM?mhm
007Mund han en Äfach mol lo MAche,und habe ihn einfach mal machen lassen
008damit ers–damit er’s
009will ÄR het immer gsäit;weil er hat immer gesagt
010jÄ s gOOt und [i CHAS? °hja es geht und ich kann’s
011L [jä jä– ja ja
012MUnd i ha GNUE gmAcht?und ich habe genug gemacht
013und denn han i JO etz han i Äxtra NÜT gsÄIt,und dann habe ich ja jetzt habe ich extra nichts gesagt
014damit er °h (-) s ergÄbnis SÄLber sEEt;damit er das Ergebnis selber sieht
015Lmh_HM;mhm

Im Anschluss an die Fremdpositionierung von Alex als faulen Schüler führt hier die Mutter an, weshalb sie ihre Unterstützungsleistungen reduziert hat. Einerseits zeigt sie, dass sie durchaus schulaffin agieren kann und im letzten Jahr ihren Sohn noch mehr gepushed habe, was sie auch in direkter Rede vorführt (Z. 003). Andererseits begründet sie, weshalb sie die Verantwortung nun dem Sohn selbst überlassen habe. Die Begründung wird durch die direkte Rede gestützt, sodass ersichtlich wird, dass Alex sich offenbar tendenziell überschätzt oder eben aus Faulheit nicht mehr leisten möchte (will ÄR het immer gsäit; jÄ s gOOt und i CHAS? °h Und i ha GNUE gmAcht?, Z. 009f., 012). Diese Haltung bringt die Mutter dazu, sich als Ko-Lehrerin zurückzunehmen und die Verantwortung an S zu übergeben: und denn han i JO etz han i Äxtra NÜT gsÄIt, damit er °h (-) s ergÄbnis SÄLber sEEt; (Z. 013f.). Dass sich die Mutter an dieser Stelle im Gespräch mit diesem Einschub einbringt hat die folgenden Implikationen: Durch die negative Beurteilung von Alex sieht sie sich dazu veranlasst, ihre fehlenden Hilfestellungen zu erklären. Sie zeigt, dass sie absichtlich nicht geholfen hat, damit Alex die Konsequenzen seiner schwachen Leistungen und fehlenden Bemühungen selber erfahren kann. Sie präsentiert ihr Agieren also als bewusstes Erziehungshandeln und setzt dadurch wiederum die Erwartung relevant, dass Eltern als Ko-Lehrpersonen handeln sollten. Dass sie dies nicht erfüllt, erklärt sie durch pädagogisch motivierte Überlegungen. Zudem weist sie die Verantwortung von vornherein ab, indem sie sich als informierte Mutter präsentiert und das Scheitern alleine beim Sohn verortet.

Auch in diesem Beispiel sehen wir also, dass es eine implizit akzeptierte Norm gibt, dass Eltern als Ko-Lehrpersonen agieren sollen. Die Orientierung an dieser Norm wird hier relevant gesetzt, indem die Mutter ihre fehlenden Hilfestellungen durch Rückgriff auf pädagogische Überlegungen erklärt und rechtfertigt.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Positionierung als (Ko-)Lehrpersonen ein Mittel ist, um sich und anderen Kompetenzen zuzuschreiben. Im Kontext der inter-institutionellen Beurteilungsgespräche ist dies von besonderer Bedeutung und schafft Symmetrien. Die Zuschreibung der Eltern als Ko-Lehrpersonen wird dabei sowohl vonseiten der Eltern selbst als auch vonseiten der Lehrpersonen aktiv vollzogen. Dabei lässt sich die Selbstverständlichkeit dieser Rollenzuschreibung gerade auch dann zeigen, wenn es zu keiner Passung der Zuschreibung kommt und die Eltern ausschweifend erklären, weshalb sie die Rolle nicht erfüllen können oder wollen. So verweist die Mutter im letzten Beispiel # 23 auf eine bewusste Entscheidung basierend auf erzieherischen Überlegungen. Im Folgenden geht es nun spezifischer um die Positionierung als Eltern bzw. Erziehende.