Kitabı oku: «Beurteilungsgespräche in der Schule», sayfa 16

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5.2 Positionierung als Eltern

Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Analysen, die zeigen, dass das Zuschreiben von (Lehr-)Kompetenzen sowohl von Lehrpersonen als auch Eltern wechselseitig vorgenommen wird, stellt sich für die folgenden Analysen die Frage nach den erzieherischen Kompetenzen. Erziehung kann primär als Aufgabe der Eltern betrachtet werden und ausgehend von dem Verständnis einer Experten-Laien-Kommunikation in institutionellen Kontexten liesse sich demnach die ExpertInnenrolle in Erziehungsfragen den Eltern zuordnen. Ähnlich wie bei der Positionierung als Ko-Lehrpersonen zeigt sich, dass Eltern und Lehrpersonen gemeinsam an den Positionierungen beteiligt sind.

5.2.1 Erziehungskompetenz der Eltern

Eltern können sich entweder durch das Referieren auf erzieherisches Handeln als Eltern positionieren, oder sie können auch das erzieherische Handeln direkt in der Interaktion vorführen.1 Auch können die Positionierungen wechselseitig oder dann mehrheitlich durch eine Partei vollzogen werden. Einen solchen Fall der wechselseitigen Positionierung sehen wir im nächsten Beispiel. In dem Gespräch geht es gerade um die schülerseitige Entscheidung bezüglich der weiterführenden Schule (mehrheitlich als Gespräch mit dem Schüler geführt). Beide Elternteile betonen nun, dass sie dem Sohn alle Freiheiten in dieser Entscheidung überlassen haben:

# 24 Hat mit der Erziehung zu tun

(Philipp, SJ8_L8A_LMVS, 10:49–14:22, mit Auslassungen)


001Vich mäin mir hän iim wIklich (-) probiert so wEnig wie MÖGlich,ich meine wir haben ihm wirklich probiert so wenig wie möglich
002irgendwie °h scho dr WÄG ufzÄige;irgendwie schon den Weg aufzuzeigen
003oder DRUCK oder irgendwie SÄÄge oder empFEEle;oder Druck oder irgendwie sagen oder empfehlen
004((Auslassung im Transkript, ca. 45 Sek.: V und M erzählen von Philipps frühem Interesse, im eigenen Familienbetrieb mitzuhelfen und M betont, dass sie auch stets sein selbstständiges schulisches Lernen beobachteten.))
005Mdo gsEEt me notüerlich au d SÄLBständigkäit;da sieht man natürlich auch die Selbstständigkeit
006jetz [au für für äh: (---) wEle wÄg au IMmer;jetzt auch für für äh welchen Weg auch immer
007L [RICHtig; hh° richtig
008L[mh_hm;mhm
009M[die het Är SIcher die ÄIgeständigkäit;die hat er sicher diese Eigenständigkeit
010L°h und das hEt notüerlich au sEEr vil mit mit mit mit dr erZIEhig z dUE.und das hat natürlich auch sehr viel mit mit mit mit der Erziehung zu tun
011vo vo dÄm hÄr oder dass sii iim ebe die freihäite GÄÄ händ;=von von dem her oder dass Sie ihm eben diese Freiheiten gegeben haben
012=und und und und wo notüerlich ÄR sich au het chöne,und und und und wo natürlich er sich auch hat können
013°hh äh äh SO entwickle dass er äfach jetz genau sÄIt,äh äh so entwickeln dass er einfach jetzt genau sagt
014ich wäiss ganz genAU dass das nüt für mi ISCH,ich weiss ganz genau dass das nichts für mich ist
015M[jo,ja
016L[witerhin (-) °h witerhin in dr SCHUEL z sII;weiterhin weiterhin in der Schule zu sein
017((Auslassung im Transkript, ca. 2 Min.: Es geht u.a. um die guten schulischen Leistungen und Philipps Entscheidung, dennoch nicht an das Gymnasium zu wechseln.))
018MjO und suscht ebe bi dr GANze entschäidig–=ja und sonst eben bei der ganzen Entscheidung
019=MIR sin notÜerlich mir ähm–wir sind natürlich wir ähm
020(1.6) mir lön mAch em überHAUPT kä drUck;wir lassen machen ihm überhaupt keinen Druck
021öb är jetz die maTUR macht oder BRUEFSmatur,ob er jetzt diese Matur macht oder Berufsmatur
022oder WAS au Immer,oder was auch immer
023(2.79)
024M[für UNS ischs okEE.für uns ist’s okay
025L[das isch SCHÖN aso jo;das ist schön also ja
026(1.02)
027Ls isch SEER schön das z hÖÖre im nivoo pEE,es ist sehr schön das zu hören im Niveau P
028wills Oft eben au ANdersch isch;=oder,weil’s oft eben auch anders ist oder

Sowohl V (Z. 001–003) als auch M (v.a. Z. 018–024) betonen in diesen Auszügen mehrfach, dass sie möglichst keinen Druck aufsetzen und die Entscheidung in Bezug auf die schulische Karriere natürlich Philipp selbst überlassen wollten (jO und suscht ebe bi dr GANze entschäidig–=MIR sin notÜerlich mir ähm– (1.6) mir lön mAch em überHAUPT kä drUck;, Z. 018–020). Durch die Verwendung von natürlich zeigt die Mutter dabei auch eine Selbstverständlichkeit ihrer Haltung und unterstützt zusätzlich das etablierte Bild von idealtypischen Eltern, die sich nicht zu sehr einmischen möchten. M und V verkörpern diese Rolle der zurückhaltenden Eltern, die das Kind selbst entscheiden lassen und diese Entscheidung dann auch unterstützen (öb är jetz die maTUR macht oder BRUEFSmatur, oder WAS au Immer, (2.79) für UNS ischs okEE., Z. 021–024). Während sich die Eltern eher implizit zu ihren Erziehungsidealen äussern und dabei auch die Selbstständigkeit von S lobend hervorheben (Z. 004, 005, 009), reagiert L nun mit explizit geäussertem Lob zur Erziehung. Zuerst bestätigt er die Einschätzung der Mutter in Bezug auf Philipps Selbst- bzw. Eigenständigkeit (Z. 007, 008) und setzt dann die Leistungen des Schülers in direkten Bezug mit dem Erziehungshandeln der Eltern: °h und das hEt notüerlich au sEEr vil mit mit mit mit dr erZIEhig z dUE. vo vo dÄm hÄr oder dass sii iim ebe die freihäite GÄÄ händ; (Z. 010f.). Dadurch dass diese Äusserung eingebettet ist in positive Beurteilungen des Schülers, lässt sie sich als Lob an die Eltern verstehen, da sie für die Eigenständigkeit des Sohnes (in positivem Sinne) verantwortlich gemacht werden. Auch nachdem die Mutter nach einer Zwischensequenz (Z. 017) erneut betont, dass sie als Eltern einverstanden sind mit jeglichen Entscheidungen des Sohnes, zeigt L wiederum seine Anerkennung dieses Erziehungshandelns: das isch SCHÖN aso jo; (1.02) s isch SEER schön das z hÖÖre im nivoo pEE, wills Oft eben au ANdersch isch;=oder, (Z. 025–028). Indem L hier zudem einen gegensätzlichen Typ von druckaufsetzenden Eltern konstruiert, zeigt er, dass die Haltung der Eltern eben doch nicht so natürlich sei, sondern besonders positiv heraussticht.

Der Lehrer spricht den Eltern explizit ExpertInnenstatus zu, indem er ihr Handeln und ihre erzieherischen Werte positiv hervorhebt und sie für die guten Eigenschaften von Philipp (mit-)verantwortlich macht. Pillet-Shore (2012: 192) stellt fest, dass Lehrpersonen den Eltern nur selten explizit Verantwortung für die Leistungen des Kindes zuweisen, denn die Gefahr bestehe, dass bei explizitem Lob im Sinne elternseitiger Mitverantwortung gleichzeitig auch eine Mitschuld bei schlechten Leistungen impliziert werde. Dadurch erklärt sich Pillet-Shore (2012: 190ff.) auch das in ihren Daten häufig beobachtbare Lachen, welches jeweils von den Lehrpersonen selbst auf das geäusserte Lob folgt und womit die heikle Situation teilweise entschärft wird. In Beispiel # 24 wird die Sequenz jedoch weder von L noch von den Eltern oder von Philipp als heiklen Moment bearbeitet. Vielmehr scheint hier im Vordergrund zu stehen, dass durch die Anerkennung von L an die Eltern ein Gespräch unter ExpertInnen (vgl. auch Zorbach-Korn 2015: 170ff.) und damit ein symmetrisches Gespräch unter Gleichen aktiviert wird. Es kann aber auch argumentiert werden, dass die Handlung des Beurteilens und Lobens eine Asymmetrie herstellt (vgl. Zorbach-Korn 2015: 162), denn wenn L eine Aussage über gutes und richtiges Erziehungshandeln machen kann, bedingt dies seinerseits ein Expertenwissen über Erziehung. Es gibt anhand der Reaktionen der Eltern allerdings keine Hinweise dafür, dass das Lob als degradierend behandelt würde (Ratifikation in Z. 015 und nach Z. 028 wieder Fokus auf guten Leistungen von S). Auf der Beziehungsebene überwiegt hier m.E. die harmoniestiftende Wirkung des Lobens (vgl. Pillet-Shore 2012: 181).

Die Positionierung als Fachperson in Erziehungsfragen kann auch von den Eltern selbst initiiert werden. Das folgende Beispiel entstammt dem Ende des Gesprächs mit Flavio, nachdem von der Lehrerin bereits signalisiert wurde, dass von ihrer Seite her alles gesagt sei. Direkt vor dem Ausschnitt äussert sich die Mutter dazu, dass Flavio gerne zur Schule gehe und leitet dann im Folgenden eine Art Beratungsangebot zu Erziehungsfragen ein:

# 25 Jederzeit melden

(Flavio, SJ6_L6B_LMVS, 44:28–45:39)


001Mund wenn Irgendöppis ISCH?und wenn irgendetwas ist
002au vo IIrer sIte,auch von Ihrer Seite
003(so wenn IIr) denn emol irgendwie nüm z SCHLAG kömme;=(so wenn Sie) dann einmal irgendwie nicht mehr zu Schlag/zurande kommen
004=oder s gfüül hän Irgendwie isch er KOmisch oder sO:? °hoder das Gefühl haben irgendwie ist er komisch oder so
005Shehehehe
006M(-) und (.) sii mÖchten iin vilicht nid grad diRÄKT druf AAspräche;und Sie möchten ihn vielleicht nicht gerade direkt darauf ansprechen
007oder (.) wie au IMmer,oder wie auch immer
008(.) denn jEderzit [MÄLde;dann jederzeit melden
009L [jä jä do han i jetzt, ja ja da habe ich jetzt
010M°h ich mUEss vilicht emol no SAAge,=ich muss vielleicht einmal noch sagen
011L=das isch [KLAR;das ist klar
012M [ich bi am BESCHte Immer z erräiche uf em nAtel, ich bin am besten immer zu erreichen auf dem Handy
013((Auslassung im Transkript, ca. 35 Sek.: L sagt, dass sie gerade kürzlich schon auf das Handy angerufen habe, worauf M erzählt, wie sie zu diesem Zeitpunkt gerade die Hausaufgaben gelöst hätten.))
014Mnäi Äfach dass sii wÜsse dass sii AU jederzit chönnen [AAlüte–nein einfach dass Sie wissen dass Sie auch jederzeit anrufen können
015L[jO do bin ich FROO;ja da bin ich froh
016M(-) wenn er vilicht emol KOmisch wär oder [eso–wenn er vielleicht einmal komisch wäre oder so
017L [jä; ja
018(---) aber ebe MÄISCHtens wenn i öppis säg oder Aso (.) Ebe;aber eben meistens wenn ich etwas sage oder also eben
019Mjä jä;ja ja
020L(--) denn säit er GRAD,=dann sagt er gerade
021=isch GUET;ist gut
022und sÜnsch würd i mi sicher MÄLde;=und sonst würde ich mich sicher melden
023=aber dEnn würd i glaub MERke,aber dann würde ich glaub ich merken
024(-) dass <<:-)> Irgendöppis nid STIMMT;>dass irgendetwas nicht stimmt

In dieser Sequenz finden wir noch keine Beratungssituation vor, aber die Mutter bietet der Lehrerin die Möglichkeit einer zukünftigen Beratung an, falls sie mit Flavio nicht mehr zurechtkomme (Z. 003), sollte er einmal komisch sein (Z. 004, 016). Dadurch spricht sie der Lehrerin die Kompetenz ab, Flavio auch in einer schwierigen Situation im Griff zu haben und positioniert sich selbst aber als potenzielle Beraterin und Expertin. Der Lehrerin weist die Mutter dadurch die Rolle der Ratsuchenden zu, ohne dass diese sich selbst als ratlos positioniert hätte. Dass sie diese Fremdpositionierung nicht ohne Weiteres annimmt, zeigen ihre Reaktionen: Zuerst äussert sie sich erst redebegleitend und wegen abgebrochenen Sätzen nur teilweise verständlich (Z. 009, 011). Dann ratifiziert die Lehrerin das Angebot (jO do bin ich FROO;, Z. 015), distanziert sich jedoch sogleich von der Notwendigkeit einer Beratung, indem sie ihre eigene Kompetenz, durch aber als Widerspruch eingeleitet, hervorhebt: aber ebe MÄISCHtens wenn i öppis säg oder Aso (.) Ebe; (--) denn säit er GRAD,=isch GUET; (Z. 018, 020f.). Im gegebenen Kontext dient diese Äusserung als Aufwertung der zuvor erfolgten Positionierung als potenzielle Ratsuchende und damit als Laiin in Bezug auf die Disziplinierung von Flavio. Dass die hier erfolgten Positionierungen gegenseitig gesichtsbedrohend sind und sich dadurch negativ auf die Beziehung ausüben können, zeigt sich an den wechselnden Positionierungen der Lehrerin: Nachdem sie durch den etablierten Widerspruch indirekt auch das Angebot der Mutter ausschlägt, lässt sie erneut die Möglichkeit offen, sich doch zu melden (Z. 022), was sie aber wieder durch die Nachbemerkung abschwächt (Z. 023f.).

Die Zuweisung von Rollen und Kompetenzen ist in der gegebenen Konstellation heikel und führt, wie gezeigt wurde, zu weiteren Aushandlungen. Wenn auch das mutterseitige Angebot von Grund auf gut gemeint sein kann, so gefährdet es dennoch die Rolle der Lehrerin, die in der Reaktion darauf also zuerst wieder Identitätsarbeit betreiben muss. Während zuerst von umgekehrten Rollen im asymmetrischen Gefüge gesprochen werden kann, zeigt sich durch die Aushandlung wiederum ein Ausgleich in Richtung Symmetrie.

Es ist aber nicht so, dass sich Eltern nur als gute Erziehende positionieren, sondern es gibt auch Sequenzen, in denen sie ihr eigenes Handeln infrage stellen und dadurch eher eine Asymmetrie verfestigen. Auch diese Positionierung kann zu interaktiven Problemen führen. Im nächsten Gesprächsausschnitt erkundigt sich die Mutter zunächst, ob Sarah beim Klettern mutiger geworden sei und sich inzwischen im Sport mehr traue:

# 26 Im Weg stehen

(Sarah, SJ1_L1A_LMV, 17:32–18:46)


001Mund des: SCHAFFT sie dann auch wenn man dazu n bisschen mUt braucht?=weil–und das schafft sie dann auch wenn man dazu ein bisschen Mut braucht weil
002(---)
003LJÄ,ja
004Mjä;ja
005LjÄ sie geTRAUT sich jÄ;ja sie getraut sich ja
006MAh das isch GUET.ah das ist gut
007[dAs isch nämlich GUET jA jA jA–das ist nämlich gut ja ja ja
008V[jä (.) do het sii sich AU: entWICKlet;=ja da hat sie sich auch entwickelt
009=ich ha immer gfunde so uf em SPIILplatz–ich habe immer gefunden so auf dem Spielplatz
010[aso no (.) wo sii KLÄIner gsi isch,also noch wo/als sie kleiner gewesen ist
011M[pf:::pf
012V°h han i han i immer s gfüül gha;habe ich habe ich immer das Gefühl gehabt
013(.) GLIICHaltrigi schUnsch die °h klÄttere do im nU (.) problEmlos druf,Gleichaltrige sonst die klettern da im Nu problemlos darauf
014und sii isch sEEr !ÄNGSCHT!lich äigentlich gsi als-und sie ist sehr ängstlich eigentlich gewesen als
015Lmh_hm,mhm
016Vöh klÄIners KIND;öh kleineres Kind
017im ver!GLIICH! zu [glIIchaltrige;im Vergleich zu Gleichaltrigen
018M [mh_hm, mhm
019MjA das STIMMT.ja das stimmt
020?°hh
021L[jä sii isch au jEtz scho no ZRUGGhaltend;ja sie ist auch jetzt schon noch zurückhaltend
022V[so nöime GANZ ufe,so irgendwo ganz hoch
023L[aber (.) sii mAcht;aber sie macht
024V[jä jä aber sii klÄt[teret in dr zwüschezit uf d sache Ufe–ja ja aber sie klettert in der Zwischenzeit auf die Sachen hoch
025M [aber Ich glaub n TEIL haben wir auch da drAn; aber ich glaube einen Teil haben wir auch da dran
026wir haben auch immer wied[er gesacht,wir haben auch immer wieder gesagt
027V [jo_o, ja
028M<<flüsternd> hEE pass AUF fall nicht rUnter,>he pass auf fall nicht runter
029V[jo_o,ja
030M[°h und was sie hatte sie hat sich (.) ganz lange NIE gut fEstgehalten;und was sie hatte sie hat sich ganz lange nie gut festgehalten
031sie hat sich auch als bEibi nie FESTgehalten;sie hat sich auch als Baby nie festgehalten
032das war °h ANdere kinder <<:-)> halten> sich fEst?das war andere Kinder halten sich fest
033L[mh_mh,mh
034M[sie hat sich nIcht FESTgehalten;sie hat sich nicht festgehalten
035[das war AUCH immer so n teil– °hdas war auch immer so ein Teil
036V[jÄ (.) genau (.) das geKLAMmere [((unverständlich, ca. 1.2 Sek.))ja genau das Geklammere
037M [Ich hAtte <<:-)> manchmal> Angst die (se) hockt auf der SCHAUkel,= ich hatte manchmal Angst die (se) hockt auf der Schaukel
038=und vergIsst <<:-)> irgendwann dass sie da sitzt> und sich FESThalten muss.und vergisst irgendwann dass sie da sitzt und sich festhalten muss
039[°h
040V[hahahaha
041MAlso das war [wIrklich i (.) WÄISCH no?also das war wirklich i weisst du noch
042V [das STIMMT jä stimmt schO, das stimmt ja stimmt schon
043Msie hat GANZ schnell lOsgelassen irgendwie;sie hat ganz schnell losgelassen irgendwie
044(.) °h und das war au immer so <<:-)> TEIL der beFÜRCHtung;>und das war auch immer so Teil der Befürchtung
045HALT dich gut [fEst?=oder?halt dich gut fest oder
046L [jä– ja
047M°h also (.) aber ich [glaub n STÜCK?also aber ich glaub ein Stück
048V [jä jä dasch scho WOOR; ja ja das ist schon wahr
049Mich hab mAnchmal mich geFRAGT,ich hab manchmal mich gefragt
050ob wir ihr damit nicht au n stück weit im WEG stehen;=oder?ob wir ihr damit nicht auch ein Stück weit im Weg stehen oder
051statt sie einfach mal LASsen.statt sie einfach mal lassen
052Lmh–mh
053Malso (-) aber [das mit dem FESThalten [war schon immer so ne sAche;also aber das mit dem Festhalten war schon immer so ne Sache
054V [mh_mh; [mh_hm mh_hm, mh mhm mhm
055Mso ↑UH,so uh
056Vmh;mh
057(1.48)
058L°hh JO,ja
059Mgut,gut
060LdEnne: (--) gits do vier SPARte,dann gibt’s da vier Sparten

Beide Elternteile zeigen sich erfreut über die positive Entwicklung der Tochter und betonen, wie Sarah als kleineres Kind ängstlicher gewesen sei. Sie nehmen bei der Beurteilung der Entwicklung Bezug auf die Vergleichsrahmen ‚heute versus früher’ sowie ‚Sarah versus andere Kinder’ und stützen dadurch ihre Urteilskraft. Interessant sind nun diese Stellen, an denen die Mutter sich als mitverantwortlich für die kindliche Ängstlichkeit beschreibt und ihr eigenes pädagogisches Verhalten infrage stellt: In Zeile 025 äussert sie sich in Überlappung mit V zur möglichen Beeinflussung ihrerseits (aber Ich glaub n TEIL haben wir auch da drAn;), worauf sie dann u.a. mit direkter Rede (Z. 028, 044) veranschaulichend vorführt, wie sie als ängstliche Mutter auf Sarah eingewirkt hat. Sie schwächt dabei allerdings ihre Rolle wieder ab, indem sie durch mehrfache Wiederholung das mangelhafte Festhalten der Tochter fokussiert (Z. 030, 031, 032, 034, 037f., 043). Schliesslich kommt sie zum Schluss: °h also (.) aber ich glaub n STÜCK? ich hab mAnchmal mich geFRAGT, ob wir ihr damit nicht au n stück weit im WEG stehen;=oder? statt sie einfach mal LASsen. (Z. 047, 049–051). Dadurch äussert sie öffentlich Zweifel über das erzieherische Handeln und die möglichen Folgen für die Tochter. Der Vater pflichtet ihr bei (Z. 048), vom Lehrer ist allerdings nur ein minimales Rezeptionssignal hörbar (Z. 052).

Wenn wir uns die Frage stellen, welcher Zugzwang durch die Äusserung der Mutter entsteht, zeigt sich, dass ein Anschluss schwierig ist: Sie bewertet sich und den durch das inklusive wir mit einbezogenen Vater als zu ängstliche Eltern und zeigt sich als Person, die ihr eigenes Handeln hinterfragt. Dabei lässt sie offen, ob sie diese Thematik offen verhandeln möchte, indem sie die Zweifel als Frage an sich selbst formuliert und dadurch keine direkte Antwort fordert, obwohl die Formulierung als vorsichtiges Ratsuchen verstanden werden kann. Die minimale Reaktion des Lehrers zeigt, dass jegliche Bearbeitung problematisch wäre. Eine Bestätigung ihrer Einschätzung hätte eine negative Positionierung der Eltern zur Folge, würde jedoch oberflächlich Übereinstimmung ermöglichen. Ein Widerspruch hingegen könnte eine Aufwertung bewirken, würde jedoch gleichzeitig die mutterseitige Einschätzung zur Situation ablehnen. M reagiert auf diese problematische Stelle damit, dass sie den Fokus wieder auf die Tochter und ihre Schwäche lenkt und so die Thematik zum Abschluss bringt (Z. 053, 055). Es folgt nach der Ratifikation von V eine längere Pause von 1.48 Sekunden. Nun beginnt der Lehrer mit °hh JO, (Z. 058), M zeigt ihre Bereitschaft, das Thema abzuschliessen (gut,, Z. 059) und L leitet daraufhin ab Zeile 060 zum nächsten Teil über.

In der gezeigten Sequenz präsentiert M sich selbstkritisch und legt allfällige Mängel des erzieherischen Handels offen. Hier könnte L diese dargelegte Asymmetrie noch verfestigen, wenn er die Selbstkritik oder Frage aufgreifen und seine pädagogischen Kenntnisse einbringen würde. Er unterlässt dies aber und vermeidet so eine Bearbeitung der Asymmetrie. Durch diese Vermeidungsstrategie wird wiederum das schon mehrfach betonte Streben nach symmetrischen Verhältnissen in diesen Beurteilungsgesprächen bestätigt.

5.2.2 Lehrpersonen in ihrer Rolle als Eltern

Symmetrien werden auch dann relevant, wenn Lehrpersonen sich selbst in der Rolle als Eltern vorführen und damit nicht ihr Lehrpersonendasein in den Vordergrund stellen. Gemäss Goffman (1959), der für die Beschreibung von alltäglicher Interaktion das Vokabular aus der Theaterwelt entleiht, gibt die Lehrperson Einblicke in die Hinterbühne oder backstage (vgl. Goffman 1959: 111ff.). Auf der Hauptbühne agiert die Lehrperson in dem institutionellen Gespräch als Lehrperson. Kurzzeitig und mit funktionellen Implikationen tritt sie aber auf die Hinterbühne und zeigt sich in ihrer Rolle als Mutter bzw. Vater von eigenen Kindern.

Der folgende Fall stammt aus dem Gespräch über die abwesende Schülerin Zoe. Der Ausschnitt beginnt damit, dass die Lehrerin nach einer abschliessenden positiven Gesamtbeurteilung die Eltern fragt, ob Zoe denn auch gerne zur Schule komme:

# 27 Ich kenne das von meiner Tochter

(Zoe, SJ1_L2A_LMV, 25:27–27:10)


001Lchunt sii au GÄRN in d schUel?kommmt sie auch gerne in die Schule
002V(--) mh-mh
003Ljä,ja
004((Rascheln von Unterlagen))
005Lschön;schön
006((Rascheln von Unterlagen))
007Vich frage rEgelmässig (.) und (--) ist Alles in ORDnung;ich frage regelmässig und ist alles in Ordnung
008Ljä [jä schÖn;ja ja schön
009M [jä, ja
010(---)
011MzOObe gits FAAsene wo sii seer seer MÜED isch vom dAAg?abends gibt’s Phasen wo sie sehr sehr müde ist vom Tag
012Ljä;ja
013Mund denne nocher verZELLT sii,und dann nachher erzählt sie
014denn aber allwäg Eher au gegenüber !MIR!,dann aber wahrscheinlich eher auch gegenüber mir
015wo erscht zoobe spoot [HÄI chunt,wo/die erst abends spät heim kommt
016L [jä, ja
017M°hh sii heg CHOPFwee–sie habe Kopfweh
018sii heg BUUCHwee–sie habe Bauchweh
019und sii brUUch e PAUse–und sie brauche eine Pause
020sii (.) m:ög jetzt äigenlich morn NID in d schUel.sie möge jetzt eigentlich morgen nicht in die Schule
021L[jä;ja
022M[°h und denne nocher (-) versuech ich d situation eSO umzgOO,und dann nachher versuche ich die Situation so zu umgehen
023lueg jetz hesch en AAsträngende DAAG hinter [dir gha,schau jetzt hast du einen anstrengenden Tag hinter dir gehabt
024L [mh; mh
025Mdu hesch sEEr vil GSCHAFFT drzue–du hast sehr viel gearbeitet dazu
026und (xxx) Äfach mol lOs loo und SCHLOOfe.und (xxx) einfach mal loslassen und schlafen
027Lmh_hm;mhm
028Mund denn duesch MORN nomol luege [wies dir gOOt;und dann tust du morgen nochmals schauen wie’s dir geht
029L [mh (.) mh_hm mh_hm; mh mhm mhm
030(1.4)
031L°hh i ich dÄnk (.) aso das han i hüt zoobe scho mol (-) gs ähm: ANderne Eltere gsÄit?i ich denke also das habe ich heute Abend schon mal gs ähm anderen Eltern gesagt
032ich find me döfs au nid unterSCHETze was das hÄisst,ich finde man darf es auch nicht unterschätzen was das heisst
033M[jä-ja
034L[in e Erschti KLASS ko,in eine erste Klasse zu kommen
035was sII was sII LÄISCHte?was sie was sie leisten
036und d zoe isch au äini wo °h SEER Ufmerksam isch,und die Zoe ist auch eine wo/die sehr aufmerksam ist
037ich mäin das isch AAsträngend,ich meine das ist anstrengend
038M[jä,ja
039L[das wÜsse mir AU?das wissen wir auch
040aso ich (bi) wemme nöimed isch–also ich (bin) wenn man irgendwo ist
041es isch ÄIfacher sich mol e chli ZRUGGzleene–es ist einfacher sich mal ein bisschen zurückzulehnen
042und hahaha °h nid so ganz drBII [z sii–und hahaha nicht so ganz dabei zu sein
043M [jä- ja
044Lund sii °h durch dass sii so GWÜSsehaft isch–und sie durch dass sie so gewissenhaft ist
045und so pflIchtbewu:sst und °hh wiklich en UFmerksami schÜelerin;und so pflichtbewusst und wirklich eine aufmerksame Schülerin
046(.) isch dänk ich ischs (.) stück wit au norMAL,ist denk ich ist es ein Stück weit auch normal
047Ldass sii [halt äfach au chli MÜED isch;dass sie halt einfach auch bisschen müde ist
048M [jä– ja
049Vmh-mh
050Mjä [jä jä (.) jä;ja ja ja ja
051L [oder ZOObe; oder abends
052jo?ja
053(1.12)
054M[jä–ja
055L[und das das das (.) aso ich kenn das jetz vo MIner tochter dähÄi;und das das das also ich kenne das jetzt von meiner Tochter daheim
056so chli buuchwee und so;so bisschen Bauchweh und so
057ich glAub das isch denn halt scho OFT,ich glaub das ist dann halt schon oft
058Vmh_mh,mh
059Ldas Alles verDAUe,das alles verdauen
060was me [hüt dr ganz daag GSEE het und::–was man heute den ganzen Tag gesehen hat und
061M [mh_hm, mhm
062(-)
063M[mh_hm,mhm
064L[was sii was sii alles WOORnäme;was sie was sie alles wahrnehmen
065aso ich mErk das au wenn si dähäi verZELLT;also ich merke das auch wenn sie daheim erzählt
066dä het hüt DAS,der hat heute das
067und die isch DÖRT gsi,und die ist dort gewesen
068und °h dä het DAS mItbrocht,und der hat das mitgebracht
069aso °h was do ABlauft oder ähm–also was da abläuft oder ähm
070Vmh_mh,mh
071Lan sA[che wo d kinder UFnäme;an Sachen wo/die die Kinder aufnehmen
072M [jä– ja
073L(.) das DÄNK i das döf men Au nit,das denke ich das darf man auch nicht
074Mjä–ja
075Les isch VIIL,es ist viel
076V[mh–mh
077M[jä–ja

Nachdem die Frage der Lehrerin von V bereits beantwortet wurde (Z. 007), berichtet M ergänzend über Zoes müde Phasen. In indirekter Rede zählt sie die kleinen Leiden der Tochter auf (Z. 017–020) und führt dann in direkter Rede ihr pädagogisches Handeln vor (Z. 023, 025f., 028). L bestätigt M in ihrer Beobachtung und positioniert sich vorerst als Lehrerin, die diese Rückmeldung auch anderen Eltern gibt (Z. 031) und die als Institutionsvertretende die Sicht auf die Anforderungen in der Institution kennt sowie eine Einschätzung über normaltypische Ermüdung geben kann (Z. 032, 034f., 037, 046, 047). Interessant ist nun aber, dass sie diese Einschätzung aus ihrer Sicht als Lehrerin durch eine weitere Perspektive stützt und ihre Sicht als Mutter einbringt (ab Z. 055). Ähnlich wie die Mutter zuvor, berichtet auch die Lehrerin nun in direkter Rede, was ihre Tochter zu Hause erzählt und was sie erlebt. Dadurch veranschaulicht sie die vergleichbare Situation und stützt ihre These, dass die Kinder viele Eindrücke aus dem Alltag verarbeiten müssen. Diese Expansion hat also einerseits veranschaulichenden Charakter und trägt aber andererseits dazu bei, ein Gespräch unter Gleichen zu aktivieren.

Abschliessend kann festgehalten werden, dass die Erziehung nicht ausschliesslich in den Kompetenzbereich der Eltern fällt, sondern auch das pädagogische Wissen der Lehrpersonen relevant gesetzt wird. Die analysierten Sequenzen zeigen, wie das Zu- und Absprechen von Kompetenzen vorsichtig verhandelt wird, sodass insgesamt wiederum das Streben nach Symmetrie massgebend ist.