Kitabı oku: «Beurteilungsgespräche in der Schule», sayfa 27
7.2.2 Überzeugungsarbeit mithilfe von Szenarios
Die Veranschaulichung mithilfe von Szenarios kann auch die Funktion haben, eine Entscheidung voranzutreiben. Dabei geht es hier ebenfalls um die Imaginierung zukünftiger Ereignisse, jedoch mit dem spezifischen Ziel, eine Entscheidung herbeizuführen.
Im folgenden Beispiel finden sich in der Mitte des Gesprächs zwischen Minute 19 und 45 (das Gespräch dauert insgesamt 64 Minuten) mehrere Einbettungen von Szenarios, die als Entscheidungshilfe fungieren. Es geht dabei um die zuvor von L entwickelte Idee, dass S an einem Tag eine tiefere Niveau-Klasse einer anderen Schule besuchen soll, um herauszufinden, ob er wegen dauernder Überforderung frühzeitig die Schule wechseln soll. Dass die Veranschaulichung nur teilweise reüssiert, zeigt sich insbesondere gegen Ende der Sequenz. Die Teilausschnitte 1–5 werden zuerst jeweils einzeln kontextualisiert und dann als Gesamtes betrachtet.
# 80 Entscheidung
(Marc, SJ7_L9B_LMPS, 19:21–44:15, mit Auslassungen)
[Teilausschnitt 1]
001 | L | es goot mer DRUM,es geht mir darum |
002 | °h dass mer dIr eifach ou mol e chli chönti dr BAMmel nää;dass wir dir einfach auch mal ein bisschen könnten den Bammel nehmen | |
003 | du gsächtisch mou (--) wie das dööt LOUFT?du sähst mal wie das dort läuft | |
004 | du [hätsch emou °h äh zwÖI intressAnti stunde chönne go AAluege?du hättest einmal äh zwei interessante Stunden anschauen gehen können | |
005 | S | [ja, ja |
006 | L | vilech e so ne MATHstund go AAluege,vielleicht so eine Math(ematik)stunde anschauen gehen |
007 | und vilech no ne GSCHICHT,und vielleicht noch eine Geschichte | |
008 | oder e BIOstu:nd,oder eine Bio(logie)stunde | |
009 | oder °hh was es denn halt uf em taPEET het,oder was es dann halt auf dem Tapet hat | |
010 | aber öppis wo (--) wo wo di würd WUNder nää;aber etwas wo/das wo/das wo/das dich Wunder nehmen/interessieren würde | |
011 | wie LOUFT das dööt;wie läuft das dort | |
012 | FRANzi vilecht;Franzi/Französisch vielleicht | |
013 | (-) ÄNGlisch?Englisch | |
014 | M | [mh_mh,mh |
015 | L | [weisch DO wo [du °h vilicht gad so chli dini SCHWACHpünkt hesch?weisst du da wo du vielleicht gerade so bisschen deine Schwachpunkte hast |
016 | S | [ja– ja |
017 | L | (-) go LUEge (-) wie das dÖÖten Isch,schauen gehen wie das dort ist |
018 | und <<p> ah do chan i du (.) föifevierzg minUte und ha AUes ver↑STANde.>und ah da kann ich du fünfundvierzig Minuten und habe alles verstanden | |
019 | (-) hätt i etz SPIIlend chöne mitmache (.) problEmlos,hätte ich jetzt spielend mitmachen können problemlos | |
020 | °h und bi !MIR! (.) hock i IIne und CHNOORZ nume,und bei mir hocke/setze ich mich herein und knorze nur | |
021 | und (-) WO simmer jetzt,und wo sind wir jetzt | |
022 | und (--) MAG i noche,und mag/komme ich nach | |
023 | °hh (--) das chönte mer !GÄRN:! (.) organisIEre;=das könnten wir gerne organisieren | |
024 | =ou um dIr ou bitz (1.08) d entschEIdig hüufe (.) z unger↑STÜTze.auch um dir auch bisschen die Entscheidung helfen zu unterstützen |
Vor diesem Ausschnitt hat L konkrete Überlegungen angestellt, an welchem Wochentag S welche Klasse besuchen könnte. S zeigt sich unsicher, da es bei einem allfälligen Schulwechsel noch nicht sicher wäre, ob er dann auch in diese einmalig besuchte Klasse käme. Dort setzt L in Teilausschnitt 1 an. Sie erklärt die Absichten hinter einem solchen Schulbesuch und inszeniert in animierter Rede ein mögliches Interesse von S, wenn sie mit aber öppis wo (--) wo wo di würd WUNder nää; wie LOUFT das dööt; (Z. 010f.) seine Perspektive entwirft. L nennt ein paar schwache Fächer von Marc und von S (Z. 016) sowie von M (Z. 014) sind bestätigende Rezeptionssignale hörbar. In den Zeilen 018–022 wechselt L dann erneut in die animierte Rede und imaginiert die zukünftig möglichen Gedanken von S während des geplanten Schulbesuchs: <<p> ah do chan i du (.) föifevierzg minUte und ha AUes ver↑STANde.> (-) hätt i etz SPIIlend chöne mitmache (.) problEmlos, °h und bi !MIR! (.) hock i IIne und CHNOORZ nume, und (-) WO simmer jetzt, und (--) MAG i noche,. Eingeleitet und markiert wird diese Sequenz durch und (Z. 018), durch prosodische Markierung sowie durch wechselnde Referenzen. Diese imaginierten Gedanken werden von L nicht als entweder/oder-Gedanken präsentiert, sondern sind bereits in der Erwartung formuliert, dass die besuchte Schule für S eine passable Lösung wäre. Sie animiert also die möglichen zukünftigen Gedanken der Figur S, lässt aber als Auftraggeberin ihre eigene Überzeugung einfliessen. Dadurch veranschaulicht L den Schulbesuch so, dass das Resultat bereits als positives projiziert wird.
Im Anschluss an Teilausschnitt 1 zeigt S sich immer noch skeptisch und er tendiert dazu, eher mal noch abzuwarten und erst zu handeln, wenn er wegen den ungenügenden Leistungen gehen muss. Da Schulwechsel in der Regel nicht so rasch planbar seien, spricht sich L, in Übereinstimmung mit M, dafür aus, diesen Schulbesuch doch schon jetzt zu planen und sie beginnt, konkretere Überlegungen zu Zeitplan und Klasse anzustellen:
[Teilausschnitt 2, nach Auslassung von ca. 2.75 Min.]
001 | L | das wär denn für DI en unter!STÜT!zig für d ent↑SCHEIdig.das wäre dann für dich eine Unterstützung für die Entscheidung |
002 | das isch NID,das ist nicht | |
003 | M | mh_hm;mhm |
004 | L | dass du mIr jetzt [SEISCH;dass du mir jetzt sagst |
005 | S | [ja– ja |
006 | L | i i will i will WÄCHSle,ich ich will ich will wechseln |
007 | und nur wäge dÄm dörfsch du dööt go ↑SCHNUPpere;und nur wegen dem darfst du dort schnuppern gehen | |
008 | M | [mh_hm;mhm |
009 | L | [°hh du dÖfsch denn dööt go SCHNUPpere;du darfst dann dort schnuppern gehen |
010 | °h !ZUM! dir d entscheidig [entsprächend z erLIECHteren;=oder,um dir die Entscheidung entsprechend zu erleichtern oder | |
011 | M | [mh_hm; mhm |
Durch die kontrafaktische Aussage von S i will WÄCHSle (Z. 006) schwächt L die Entscheidungslast ab und orientiert sich so an der geäusserten Skepsis und Unsicherheit von S. Sie rahmt also die aktuelle Entscheidung (für oder gegen einen Schulbesuch) als Unterstützung für die dann folgende Entscheidung (Wechsel der Schule versus Wiederholung einer Klassenstufe an derselben Schule) und spricht von dürfen. Diese Wortwahl ist insofern interessant als der Schulbesuch von S seit Anfang skeptisch aufgenommen wird und die Idee hauptsächlich von L kommt, dies aber mit der zunehmenden Unterstützung von M und P. L leistet hier Überzeugungsarbeit und lässt durch Wortwahl und Szenarios die Überlegungen als von S gemachte und gewünschte aussehen.
Vor dem Teilausschnitt 3 geht es um weitere Themen, u.a. um die generelle Frage nach dem passenden Schulabschluss, die gute soziale Anschlussfähigkeit von S und die sinkende Motivation von S aufgrund der schlechten Noten. L leitet hier gerade wieder über zur Idee des Schulbesuchs und betont, dass das gerade zum jetzigen Zeitpunkt eine gute Möglichkeit für S wäre, die Schule einmal kennen zu lernen:
[Teilausschnitt 3, nach Auslassung von ca. 5.5 Min.]
001 | L | °h (.) du bisch jetz in ere situaTION,du bist jetzt in einer Situation |
002 | wo das (.) Alles AAgnäämer isch,wo das alles angenehmer ist | |
003 | weder vilech i dr situaTION,als vielleicht in der Situation | |
004 | °h vom Ungnüegende ZÜGnis.vom ungenügenden Zeugnis | |
005 | (-) döt stoosch jo de vilech e chli mEE unger STROM;dort stehst du ja dann vielleicht ein bisschen mehr unter Strom | |
006 | und unger DRUCK.und unter Druck | |
007 | das WEISCH jo jetz noni wie sich de das AAfüelt;das weisst du ja jetzt noch nicht wie sich dann das anfühlt | |
008 | M | [mh_hm;mhm |
009 | L | [°h und !DENN! nÄchene müesse GOO–und dann nachher gehen müssen |
010 | °hh (.) dööt go Ine sitze,dort hineinsitzen gehen | |
011 | mit däm (.) im HINterchopf z ha,mit dem im Hinterkopf zu haben | |
012 | i han es Ungnüegends ZÜGnis,ich habe ein ungenügendes Zeugnis | |
013 | und das wenn i wenn is NID schaff;und das wenn ich wenn ich’s nicht schaffe | |
014 | bin i EInewäg do;bin ich ohnehin da/hier | |
015 | und einglech PASSTS mer nid,und eigentlich passt’s mir nicht | |
016 | °hh aber JETZ chöne z goo;aber jetzt gehen zu können | |
017 | °h ooni dass me muess ANGSCHT ha;ohne dass man Angst haben muss | |
018 | dass es de NID längt;dass es dann nicht reicht | |
019 | i ha jo när wider es halbs joor zIt zum [SCHAFfe,ich habe ja nachher wieder ein halbes Jahr Zeit zum Arbeiten | |
020 | M | [mh_hm, mhm |
021 | L | [wenn i de GSEE, °hhwenn ich dann sehe |
022 | M | [isch vilech (bald schläuer),ist vielleicht (bald schläuer) |
023 | L | ui: !DO! möcht i NID hii;ui da möchte ich nicht hin |
024 | (.) de cha !DAS! ou gad <<:-)> e motiva[TIONSschub sii,>dann kann das auch gerade ein Motivationsschub sein | |
025 | M | [ja: das STIMMT, ja das stimmt |
026 | [mh_hm,mhm | |
027 | L | [°h für sich vilech O noMOL äh::–für sich vielleicht auch noch mal äh |
028 | nÖIme no bitz bEsseri effiZIÄNZ anezbechoo;=oder?irgendwo noch bisschen bessere Effizienz hinzukriegen oder | |
029 | (1.24) | |
030 | M | mh_hm;mhm |
L orientiert sich wiederum an der abwartenden Haltung von S und demonstriert hier nun mögliche Gedanken von S, wie sie zu einem späteren Zeitpunkt auftauchen könnten: i han es Ungnüegends ZÜGnis, und das wenn i wenn is NID schaff; bin i EInewäg do; und einglech PASSTS mer nid, (Z. 012–015). Der zukünftige Schulbesuch wird hier als von S unangenehm, da ausweglos, dargestellt, während im Anschluss daran die möglichen Gedanken bei einem frühzeitigen Schulbesuch deutlich motivierter ausfallen: i ha jo när wider es halbs joor zIt zum SCHAFfe, wenn i de GSEE, °hh ui: !DO! möcht i NID hii; (Z. 019, 021, 023). Durch diese konträr aufgezeigten Szenarios gibt L Einblick in mögliche Auswirkungen je nach Zeitpunkt eines Schulbesuchs und die Veranschaulichung lässt den baldigen Schulbesuch positiver ausfallen, was somit die Entscheidung vereinfachen soll. L betont nach der Szenarioentwicklung auch die möglichen positiven Auswirkungen auf die Motivation, falls der Schulbesuch nicht überzeugend ausfällt. Die Veranschaulichung ist der Lehrerin insofern gelungen, als dass die Mutter von der Idee nun überzeugt ist. Von S ist allerdings noch keine eindeutige Zustimmung ersichtlich.
Vor dem nächsten Teilausschnitt geht es um Schulfreundschaften, M erzählt aus ihrer eigenen Schulzeit und holt dann in einer längeren Sequenz aus über Schul- und Berufskarriere von der Schwester von S. Die Sequenz wird stark von M dominiert und schliesslich lenkt L wieder zur Entscheidung und fragt, ob sie die Organisation des Schulbesuchs nun in Angriff nehmen sollen. M zeigt deutliche Zustimmung:
[Teilausschnitt 4, nach Auslassung von ca. 4.5 Min.]
001 | L | °h und OOni druck z goo,und ohne Druck zu gehen |
002 | M | [mh_hm;mhm |
003 | L | [°h isch doch AAgnäämer,ist doch angenehmer |
004 | me het denn vilech ou dene CHING gägenüberztrÄtte,man hat dann vielleicht auch diesen Kindern gegenüberzutreten | |
005 | °h (.) me het nid im HINterchopf,man hat nicht im Hinterkopf | |
006 | (-) bui: (--) i b chume jetzt do [HÄne, °hbui ich b komme jetz da/hier hin | |
007 | M | [mh_mh, mh |
008 | L | wills mer nid so rund LOUFT i dr schUel?weil’s mir nicht so rund läuft in der Schule |
009 | sondern I chume jetz do HÄne,=sondern ich komme jetzt da/hier hin | |
010 | =will i wott luege wie dirs HEIT.weil ich schauen will wie ihr’s habt | |
011 | M | [mh_mh,mh |
012 | L | [isch en Anderi situa[TION;=oder,ist eine andere Situation oder |
013 | M | [ja und du chaschs de o so SÄge, ja und du kannst dann auch so sagen |
014 | du sigsch am überlEge wüll du heigsch d WAAL.du seist am Überlegen weil du hättest die Wahl |
Das Szenario in Teilausschnitt 4 zeigt ein Abwägen von zwei möglichen Einstellungen, die je nach Zeitpunkt des Schulbesuchs eintreten können (Z. 006, 008 und 009f.). Wieder wird die imaginierte Einstellung bei einem frühzeitigen Schulbesuch vorteilhaft präsentiert. Im Anschluss daran entlockt L bei S die Zustimmung, dass sie den Schulbesuch für ihn organisieren kann (vgl. Beispiel # 64). Das Gespräch wird danach weniger fokussiert, sie sprechen noch über die neue Französischlehrerin, dann allgemein über Schulentwicklungen, da P an einer anderen Schule ebenfalls als Lehrer tätig ist. M leitet nun in Teilausschnitt 5 abschliessend erneut zum Thema des Schulbesuchs über und zeigt sich überzeugt von der Idee:
[Teilausschnitt 5, nach Auslassung von ca. 9.5 Min.]
001 | M | i finge jetz das !GANZ! e gueti idEE mit dere SCHUELstund.ich finde jetzt das eine ganz gute Idee mit dieser Schulstunde |
002 | (--) | |
003 | ? | [ja–ja |
004 | M | [und de gEIsch nämlech DU:?und dann gehst nämlich du |
005 | und DU hocksch ja ir schUel;und du hockst ja in der Schule | |
006 | nid MIR,nicht wir | |
007 | L | ja–ja |
008 | M | (-) und DU chasch es lUege;und du kannst es sehen |
009 | und de chunsch wider HEI?und dann kommst du wieder heim | |
010 | und de °h seisch ↑uh NEI a_a;und dann sagst du uh nein a | |
011 | L | ja,ja |
012 | M | oder ↑JA: das fing i jetz no GUET;oder ja das finde ich jetzt noch gut |
013 | L | ja,ja |
014 | (1.24) | |
015 | S | jo zwar wenns de jetz vilech [när !O! nid GUET,ja zwar wenns dann jetzt vielleicht nachher auch nicht gut |
016 | M | [(gäll,) (gell) |
017 | S | nid !SO:! gUet isch oder so;nicht so gut ist oder so |
018 | de de °h (--) weiss is jo när irgendwie OU nid,dann dann weiss ich’s ja nachher irgendwie auch nicht | |
019 | wies [de (.) wenn i no würd BLIIbe (xxx);wie’s dann wenn ich noch würde bleiben (xxx) | |
020 | L | [°hh mh ↓JO aber mir chönted de vilech drfür umso Eher äh– mh ja aber wir könnten dann vielleicht dafür umso eher äh |
021 | AAsträngige träffe;Anstrengungen treffen |
Wie zuvor L, nutzt M ebenfalls die Form eines Szenarios, um die zukünftigen Äusserungen von S zu demonstrieren. Es geht jedoch nicht mehr um ein Abwägen oder um eine Entscheidung, denn der Schulbesuch wird nun von L organisiert. M zeigt, welche Erkenntnisse S aus diesem Schulbesuch erlangen wird, nämlich die Gewissheit, ob ein Schulwechsel infrage kommt (↑JA: das fing i jetz no GUET;, Z. 012) oder nicht (↑uh NEI a_a;, Z. 010). Obwohl die Entscheidung eigentlich schon feststeht, klinkt sich S nun in diese Darstellung wieder ein und zeigt erneut Skepsis. Er greift dabei die Worte seiner von M animierten Figur auf und stellt sich dagegen: jo zwar wenns de jetz vilech när !O! nid GUET, nid !SO:! gUet isch oder so; de de °h (--) weiss is jo när irgendwie OU nid, wies de (.) wenn i no würd BLIIbe (xxx); (Z. 015, 017–019). Er stellt dadurch erneut die Sinnhaftigkeit des jetzigen Schulbesuchs infrage, da die tatsächliche Klasse dann dennoch unklar wäre etc. L unterbricht den Einwurf von S und schliesst die Sequenz (hier nur unvollständig abgedruckt) rasch ab, indem sie auf weitere Abklärungen an anderen Schulen verweist.
In diesen Teilsequenzen zeigen sich von verschiedenen Seiten die Bemühen, eine Entscheidung von S herbeizuführen. Die animierte Rede ist dabei als spezifische Design-Aktivität zu verstehen, die in ständigem Abgleich mit den erzielten schülerseitigen Reaktionen genutzt wird, um S von dem Schulwechsel zu überzeugen. Während L als Reaktion auf die Unsicherheiten von S konkretisierende Szenarios entwirft, die eine klare Tendenz zur Entscheidung für einen baldigen Schulbesuch zeigen, lässt sich M (und später auch P) von der Veranschaulichung überzeugen und auch von S wird zeitenweise Übereinstimmung erlangt. In dieser letzten Teilsequenz zeigt sich allerdings, dass S nach wie vor die Entscheidung nicht aus eigener Überzeugung trifft, sondern seine Zweifel noch immer vorhanden sind. Veranschaulichung kann also, muss aber nicht zwingend gelingen (vgl. auch Brünner 2013: 40) und sie gelingt hier, wie gezeigt, vor allem in Bezug auf M und P, jedoch nur bedingt in Bezug auf den eigentlichen Akteur, den Schüler.
Auffallend ist in allen Teilsequenzen (wie auch allgemein in diesem Gespräch) die Passivität von Marc. So stehen die vielen Bemühungen von L (und zunehmend auch von M und P), S durch verschiedene sprachliche Mittel zu überzeugen (animierte Rede mit möglichen Gedanken von S, Wortwahl), in starkem Kontrast zur minimalen Beteiligung von S. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Idee eines Schulwechsels insbesondere von L und durch wachsende Zusprachen durch M Schritt für Schritt entwickelt wird, obwohl Marc sich im Gespräch (z.B. Min. 20:57) sowie gemäss Aussage von M im Vorfeld des Gesprächs (z.B. Min. 05:27) skeptisch bezüglich eines Schulwechsels geäussert hat.
Eine andere Erklärung findet sich im sequenziellen Verlauf eines an früherer Stelle diskutierten Beispiels, in welchem Marcs aktivere Beteiligung von M zuerst explizit gefordert und jedoch gleich im Anschluss wieder verhindert wird (muesch nid JETZ gad?, Z. 008, Beispiel # 43). Marc erhält dadurch widersprüchliche Anweisungen bezüglich des erwünschten Verhaltens im Gespräch und zeigt sich allenfalls auch deshalb im weiteren Verlauf zurückhaltend.
Im Folgenden geht es ebenfalls um die überzeugende Funktion, jedoch im Sinne von konkreten Empfehlungen. Diese betreffen einerseits Einstellungen und Gedanken, andererseits Handlungen.
7.2.3 Imaginierung erwünschter Einstellungen
In einigen der analysierten Gespräche geht es u.a. um die Frage nach den erwünschten Haltungen und Einstellungen der SchülerInnen zur Schule und zum Lernen. Dabei fungiert die animierte Rede als Veranschaulichung dieser von Erwachsenenseite her bestehenden Vorstellungen.
Das nächste Beispiel steht im Kontext der Forderung an den Schüler David, sich aktiver und offener mit dem Thema Bewerbungen und Stellensuche zu beschäftigen. Während S die Ansicht vertritt, dass er sich nur dann bewerben möchte, wenn ihn die Stelle wirklich interessiert, vermitteln die Lehrerin und der Vater die erwünschte Einstellung, dass jede Stelle eine Chance birgt und eine erste Berufserfahrung ermöglicht. Im folgenden Ausschnitt spricht mehrheitlich der Vater, die gemeinsame Sicht der beiden Erwachsenen wird aber durch die vielen Beipflichtungen der Lehrerin unterstrichen:
# 81 Berufserfahrung
(David, SJ12_L5A_LVS, 45:11–46:07)
001 | V | es isch wiklich äfach e: °h (-) Inneri blockade sich z verCHAUfe.es ist wirklich einfach eine innere Blockade sich zu verkaufen |
002 | (1.06) | |
003 | V | das isch (.) ich so (-) isch für mi vo mIr usgsee äigentlich s HAUPTproblem;das ist ich so ist für mich von mir ausgesehen eigentlich das Hauptproblem |
004 | (.) °h sich z verCHAUfe,sich zu verkaufen | |
005 | u:nd (--) vo Irgendemene:: ideAL,und von irgendeinem Ideal | |
006 | V | (--) chönen ABstand z nÄÄ und z sAge,Abstand nehmen zu können und zu sagen |
007 | °h es goot drum re!A!li erfAArige z mache;es geht darum reale Erfahrungen zu machen | |
008 | imene beRIICH won i vilicht nächär ka sAge;in einem Bereich wo ich vielleicht nachher sagen kann | |
009 | (---) i ha (1.15) ich ha BRUEFSerfaarig–ich habe ich habe Berufserfahrung | |
010 | aso ich cha prAktis PRAKtischi erfAArig vorwIIse;also ich kann praktis praktische Erfahrung vorweisen | |
011 | °h und i WÄISS au,und ich weiss auch | |
012 | dass es: (.) dAs !GANZ! sicher nid muess [sii.dass es das ganz sicher nicht sein muss | |
013 | L | [geNAU. genau |
014 | V | (-) Oder (.) s goot n das SIN:D–oder es geht n das sind |
015 | me cha: imene POsitive sinn finde;man kann in einem positiven Sinn finden | |
016 | jÄwoll do chan i WIter mache,jawohl da kann ich weiter machen | |
017 | oder °h OU das ischs aber NID so gsi;oder oh das ist’s aber nicht so gewesen | |
018 | und i cha sage i ha do dAs und dAs GMACHT,und ich kann sagen ich habe da das und das gemacht | |
019 | und ich bechUmm atteschTIERT,und ich bekomme attestiert | |
020 | dass ich mir °h äh: mi AAgschträngt ha;dass ich mir äh mich angestrengt habe | |
021 | und interesSIERT zäigt ha;=oder,und interessiert gezeigt habe oder | |
022 | L | mh_mh;mh |
023 | V | o es goot um di um DAS;o es geht um dich um das |
024 | es goot nid drum: °h dr Ideali TSCHOP z fInden;=oder,es geht nicht darum den idealen Job zu finden oder | |
025 | wo die nächschte hundert joor ähm: äh: a dr glIIche stell BLIBSCH;wo du die nächsten hundert Jahre ähm äh an der gleichen Stelle bleibst | |
026 | L | geNAU;genau |
Der Vater nennt hier die beiden Hauptprobleme von S, nämlich sich zu verkaufen und sich von der Vorstellung eines perfekten oder idealen Jobs zu lösen (Z. 001–006). In Zeile 006 leitet er mit der Infinitivkonstruktion und zu sagen zur ersten animierten Rede über. V animiert in den Zeilen 007–012 und 016–021 die Figur von S mit einer zukünftig erwünschten Einstellung von S. Diese Imaginierung erstreckt sich über mehrere Äusserungseinheiten, wird von der Lehrerin kurz ratifiziert und nochmals mit weiteren Differenzierungen von V weitergeführt. Die Darlegungen ab Zeile 014 orientieren sich im Sinne einer Design-Aktivität an der von S gezeigten Zurückhaltung (vor dem hier präsentierten Ausschnitt) in Bezug auf Bewerbungen für Stellen, die ihn nicht gänzlich überzeugen. V imaginiert hier zwei verschiedene Möglichkeiten, wie S mit seinen ersten Berufserfahrungen umgehen kann: S kann die Einstellung entwickeln, dass ihm die Stelle gefällt (jÄwoll do chan i WIter mache,, Z. 016) oder er kann – basierend auf den Erfahrungen – entscheiden, dass diese spezifische Berufsrichtung nichts für ihn ist (OU das ischs aber NID so gsi;, Z. 017). Diese zweite Möglichkeit wird allerdings nur insofern als akzeptierte Einstellung gerahmt, als dass S auch bei der ablehnenden Haltung eine positive Grundeinstellung zur gemachten Erfahrung an den Tag legt: und i cha sage i ha do dAs und dAs GMACHT, und ich bechUmm atteschTIERT, dass ich mir °h äh: mi AAgschträngt ha; und interesSIERT zäigt ha; (Z. 018–021). In dieser Imaginierung sind zudem verschiedene erwünschte Einstellungen enthalten. V baut einerseits eine Erwartungshaltung auf, welche die Grundeinstellung zu Berufserfahrungen darlegt. Und andererseits zeigt er in diesem Szenario auch das gewünschte Verhalten von S bei einer Arbeitsstelle an: Er soll sich anstrengen und sich interessiert zeigen, damit dies am Ende auch attestiert werden kann.
Hier wird ein mehrschrittiges Szenario aufgebaut und in animierter Rede jeweils die erwünschte Einstellung von S dargestellt. Diese zukunftsgerichteten Positionierungen basieren auf gegenwärtigen Einstellungen von S, die durch die Imaginierungen in ihrer erwünschten Form dargestellt werden. Dadurch werden die gegenwärtigen Einstellungen implizit als unerwünscht oder unpassend bewertet.