Kitabı oku: «Beurteilungsgespräche in der Schule», sayfa 30

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8.3 Bearbeitung und Aushandlung der schriftlichen Selbstbeurteilungen

Im Folgenden werden diejenigen Kontexte untersucht, die eine weitere Bearbeitung der Selbstbeurteilung durch die Lehrperson aufweisen. Es kann dabei unterschieden werden zwischen dem förderorientierten Aufzeigen von Entwicklungspotenzial (Kap. 8.3.1), dem Angleichen der Selbstbeurteilung an die Fremdbeurteilung (Kap. 8.3.2), dem Beurteilen der Selbstbeurteilung (Kap. 8.3.3) und dem Ausräumen von kindseitigen Missverständnissen bezüglich der Beurteilungskriterien (Kap. 8.3.4).

8.3.1 Aufzeigen von Entwicklungspotenzial

Wie in Kapitel 2.4.4 dargelegt, steht die Selbstbeurteilung im Zusammenhang mit förderorientierten Beurteilungsformen, die sich gemäss Lötscher und Roos (2005: 14ff.) an der Individualnorm und der Lernzielnorm orientieren sollen. Entsprechende Sequenzen der förderorientierten Beurteilung finden sich in den Gesprächen jedoch selten. Gezeigt wird ein Beispiel aus dem Gespräch mit Timo. In Minute 04:16–04:21, also eine knappe Minute vor dem gewählten Ausschnitt, hat Timo seine schriftlich vorverfasste Selbstbeurteilung vorgelesen und L greift hier einen von S erwähnten Schwachpunkt im Texteschreiben auf:

# 89 Texte schreiben

(Timo, SJ5_L7C_LMVS, 05:09–06:16)


001L°hh und im TEXTschriibe;und im Texteschreiben
002(.) was hesch de DÖT für nes gfÜel;was hast du denn dort für ein Gefühl
003S(---) mh:– h°mh
004(2.91)
005Ldu SEISCH vo dIr,du sagst von dir
006du hesch s GFÜEL,du hast das Gefühl
007du chöngsches nId SO guet;du könntest es nicht so gut
008(1.54)
009LwohÄr chunnt das GFÜEL?woher kommt das Gefühl
010(1.67)
011Shm vo dr NOte,hm von der Note
012L(.) aha (.) GUET.aha gut
013(.) Oke °hhh ähm–okay ähm
014(1.8) weisch no was dÖrt hesch KCHA?weisst du noch was du dort gehabt hast
015S(-) es VIER bis [fÖifi;eine Vier bis Fünf (4.5)
016L [vIer bis FÜfi; vier bis fünf (4.5)
017°hh ähm (.) dU hesch gueti AAsätz im tExtschriibe,ähm du hast gute Ansätze im Texteschreiben
018mÄngisch han i ds GFÜEL,manchmal habe ich das Gefühl
019du hesch eifach !EI! iDEE,du hast einfach eine Idee
020und nächer BLIBSCH bi deren idEE bis am schlUss,und nachher bleibst du bei dieser Idee bis am Schluss
021und ZIESCH se eifach dÜre?und ziehst sie einfach durch
022°h und vergissisch MÄNgisch vilicht,und vergisst manchmal vielleicht
023no e chli rÄchts und no ne chli LINKS z lUege.noch ein bisschen rechts und noch ein bisschen links zu schauen
024°hhh und de isch (.) de isch zum TEIL,und dann ist dann ist zum Teil
025isch de die gAnzi gschicht au vilicht fasch e chli CHURZ grOOte.ist dann die ganze Geschichte auch vielleicht fast ein bisschen kurz geraten
026°h hingÄge bin i mir SIcher,hingegen bin ich mir sicher
027wenn (.) wenn se nes ZWÖITS mol,wenn wenn du sie ein zweites Mal
028(.) °h no einisch würsch überARbeite;noch einmal überarbeiten würdest
029vilicht zwöi drüü ähm HÜLfestellige würsch bechOO;vielleicht zwei drei ähm Hilfestellungen bekommen würdest
030dass du dIe no einisch VÜU,dass du die noch einmal viel
031°hh i säge nId LÄNger wird;ich sage nicht länger wird
032aber vilicht no ne chli intereSANter,aber vielleicht noch ein bisschen interessanter
033und no ne chli VIUsitiger;und noch ein bisschen vielseitiger
034°h aber weisch wenn EInisch es vIerehalbi hesch gha,aber weisst du wenn du einmal eine Viereinhalb gehabt hast
035darfsch di vo däm aso jetz nid (.) °h lo DÜÜsche,darfst du dich von dem also jetzt nicht täuschen lassen
036i chAs NID;ich kann’s nicht
037(-) und dr nÖchscht (.) LIGT dr vilicht besser;und der nächste liegt dir vielleicht besser
038und de GEITS ou bEsser;=und dann geht’s auch besser
039=das isch bim SCHRIIbe mÄngisch no so chli,das ist beim Schreiben manchmal noch so bisschen
040°h jo chli es Ufe und Abe.ja bisschen ein Auf und Ab

L verweist auf die zuvor geäusserte Selbstbeurteilung von S und fragt ihn nach seinem Gefühl bzw. nach den Gründen seiner schwachen Selbstbeurteilung (Z. 001f. sowie Reformulierung nach längeren Pausen in Z. 005–007, 009). Durch die Verwendung des Wortes Gefühl wird eine subjektive Einschätzung relevant gesetzt und so überrascht es (aus Sicht der Analytikerin als auch aus Sicht der Lehrerin, erkennbar an ihrer Reaktion in Z. 012), dass S sich auf seine Note beruft (Z. 011). Er verlässt sich dadurch gerade nicht auf sein eigenes Gefühl, sondern orientiert sich an der Fremdbeurteilung in Form einer Note. Winter (2004: 52f.) weist auf die Problematik hin, dass Noten wenig Aufschluss über die individuelle Leistungsfähigkeit geben und nur innerhalb einer Klasse aussagekräftig sind. Demnach ist der schülerseitige Bezug auf die Fremdbenotung für ihn nicht zielführend, da er sich dabei gerade nicht auf seine individuellen Fähigkeiten fokussiert, sondern sich an der Klasse und damit an der Sozialnorm orientiert. Dieser Problematik verschafft L nun Abhilfe, indem sie einerseits die Note in Worten ausführt und eine detailliertere Leistungseinschätzung liefert (Z. 017–025) sowie Entwicklungspotenzial bzw. Verbesserungsvorschläge formuliert (Z. 026–033). Andererseits schwächt sie die Beurteilungskraft von Noten in Bezug auf die individuelle Fähigkeit ab und verweist auf typische Schwankungen bei schriftlichen Leistungen (Z. 034–040).

Die Thematisierung der Selbstbeurteilung in dieser Gesprächssequenz bietet für die Lehrperson die Gelegenheit, die eigene Beurteilung so auszuformulieren, dass nicht die Sozialnorm im Vordergrund steht, sondern die individuelle Leistung des Schülers im Sinne einer Standortbestimmung und im Hinblick auf nötige Entwicklungen und Lernziele. Der Schüler erhält dadurch ein differenzierteres Bild seiner Leistungen und konkrete Anhaltspunkte für zukünftige Arbeiten. Die Rolle der anwesenden Eltern ist die der stillen Zuhörenden.

Was hier im Zentrum des Gesprächs steht, ist, wie in den meisten Bearbeitungen von Selbstbeurteilungen, allerdings die Fremdbeurteilung. Es wird durch keine Rückfragen o.ä. geklärt, ob S anhand dieser Fremdbeurteilung zu einer neuen Sicht über seine Leistungen gelangen konnte. Winter (2004: 240) nennt „metakognitive Fähigkeiten zur Überwachung, zur Prüfung und zur Bewertung der eigenen Handlungen“ als ein wichtiges Ziel der Selbstbeurteilung. Um zu prüfen, ob diese Besprechung für S eine Lernumgebung darstellt, müsste ein intersubjektiver Abgleich stattfinden, d.h. es müsste geklärt werden, ob S zu neuen Erkenntnissen gelangen konnte. Trotz dieser Problematik zeigt sich in dieser Sequenz grundsätzlich aber deutlich das Potenzial der Aushandlung von Fremd- und Selbstbeurteilung, da dadurch eine differenziertere und für S transparentere Beurteilung möglich wird.

8.3.2 Angleichen an die Fremdbeurteilung

Ähnlich wie im vorigen Beispiel # 89 orientiert sich auch Chiara in Beispiel # 90 an der Fremdbeurteilung und gestaltet ihre Selbstbeurteilung dementsprechend aus der Fremdperspektive. Es soll hier aber zudem gezeigt werden, wie S zu einer Korrektur der Selbstbeurteilung aufgefordert wird. Vor dem folgenden Ausschnitt aus dem Gespräch mit Chiara geht es um die (Selbst-)Beurteilung der einzelnen Fächer und nun wechselt L zum Lern- und Sozialverhalten:

# 90 Ist das dein Gefühl

(Chiara, SJ5_L7A_LMVS, 07:48–08:52)


001L°hh i wett eiglech nid uf jede PUNKT IIgoo;ich will eigentlich nicht auf jeden Punkt eingehen
002u i ha do EIfach zwöi drüü,und ich habe da einfach zwei drei
003°h zum bispiil ich beteilige mich AKtiv am unterricht;zum Beispiel ich beteilige mich aktiv am Unterricht
004do HESCH du gseit,da hast du gesagt
005jO trifft TEILweise zu;ja trifft teilweise zu
006(-) das heisst für MI,das heisst für mich
007du bhouptisch vo DIR,du behauptest von dir
008°h jo i mÄlde mi eignlech i mÄlde mi eignlech fasch NÜT;ja ich melde mich eigentlich ich melde mich eigentlich fast nicht
009ISCH das so.ist das so
010(1.26)
011Loder isch das dis GFÜEL.oder ist das dein Gefühl
012S(-) äh h° °hh (1.41) i weiss NI,äh ich weiss nicht
013aber das isch mängisch <<:-)> so im WUcheplan> gstange;aber das ist manchmal so im Wochenplan gestanden
014Mwäge DÄM,=gäll?wegen dem gell
015LaHA wäg [DÄM?aha wegen dem
016M [äHÄ, ähä
017L(-) oKEE?okay
018°hh aso I ha ds gfüel;also ich habe das Gefühl
019(.) d chiara (.) sii MÄLdet sich scho.die Chiara sie meldet sich schon
020Mmh_hm;mhm
021Lund ähm (.) es isch nid dass du eifach deHINge hocksch,und ähm es ist nicht dass du einfach dahinten hockst
022und di NID duesch mälde.und dich nicht melden tust
023°h und es isch ou GANZ klar,und es ist auch ganz klar
024dass je nach !THE!ma wo chunt,dass je nach Thema wo/das kommt
025was dr BESser ligt,was dir besser liegt
026(.) mäldisch di MEE?meldest du dich mehr
027°h und was dr WEniger ligt,und was dir weniger liegt
028mäldisch di äuä WEniger,meldest du dich wohl weniger
029°h und was sii derfür OU no macht,und was sie dafür auch noch macht
030zwüschine ou no ähm irgend e zuesätzlichi FROOG steue;zwischendurch auch noch ähm irgendeine zusätzliche Frage stellen
031[ZUM !THE!ma;zum Thema
032M[mh_hm;mhm
033L[und das isch sicher OU guet;und das ist sicher auch gut
034V[ja,ja
035Lwo du [vilech no öppis gnauers wotsch WÜSse,wo du vielleicht noch etwas genauer wissen willst
036M [(no/ou) SCHÖN? (noch/auch) schön
037L°h oder vilech öppis nid gAnz verSTANge hesch.oder vielleicht etwas nicht ganz verstanden hast
038aso das fing i eigentlech °h das fing i Okee so. °hhalso das finde ich eigentlich das finde ich okay so
039Vjo de chöntsch EIS füüre,=hä?ja dann könntest du eines vor hä
040Ljo (.) DÜNKT mi etz aso EIgentlech ou;ja dünkt mich jetzt also eigentlich auch
041im ZÜGnis ischs eigentlech OU so din.im Zeugnis ist’s eigentlich auch so drin

L fokussiert die aktive Beteiligung am Unterricht und die von Chiara angekreuzte Option „trifft teilweise zu“ (Z. 005). L möchte dazu von S eine Rückbestätigung (Z. 009, 011) und nutzt hierfür die Ressource der Reformulierung (Z. 008). Interessant ist dabei, dass die Kategorie trifft teilweise zu umgedeutet wird zu eigentlich fast nicht (Z. 008), was sicherlich keine unumstrittene Reformulierung ist und für divergierende Interpretationen aufseiten von L und S mitverantwortlich sein kann. Diese Deutung soll nun von S ratifiziert werden. Nach einigen Verzögerungsmarkern zeigt S ihre Unsicherheit und verweist schliesslich auf eine entsprechende Notiz im Wochenplan (Z. 013). Dadurch wird deutlich, dass hier keine Selbstbeurteilung im engeren Sinne vorliegt, sondern dass sich auch Chiara – wie zuvor bei Timo gezeigt (vgl. Beispiel # 89, Z. 011 sowie # 88, Z. 014) – an einer zurückliegenden Fremdbeurteilung orientiert. L wendet sich nun mit ihrer Fremdbeurteilung an die Eltern und markiert die Differenz ihrer Wahrnehmung. Sie beschreibt das Verhalten von S und relativiert dann noch, dass das Melden auch von den Themen abhängig sei und schliesst die Beurteilung mit aso das fing i eigentlech °h das fing i Okee so. (Z. 038) ab. Die Partikel okay ist hier ganz im Sinne einer abschliessenden Beurteilung auf einer binären Skala (okay versus nicht okay) zu verstehen, wie dies Pillet-Shore (2003: 311f.) in Sprechstundengesprächen an amerikanischen Schulen untersucht hat.

Interessant ist nun die Reaktion des Vaters: Er fordert S auf, ihre Selbstbeurteilung an die Fremdbeurteilung anzupassen. Dies ist paradox, denn eine Selbstbeurteilung soll ja gerade die eigene Sicht widerspiegeln. So müsste zumindest deutlich werden, dass S eine Erkenntnis über die veränderte Sicht gewonnen hat, bevor sie die Selbstbeurteilung korrigieren soll. Dass es hier in erster Linie um die Fremdbeurteilung geht, zeigt dann insbesondere die letzte Äusserung von L: im ZÜGnis ischs eigentlech OU so din. (Z. 041). Das bedeutet, dass es weniger um die von Winter (2004: 20ff.) propagierte Demokratisierung geht, sondern die Lehrperson bereits ein fertiges Zeugnis mit Noten erstellt hat und die Selbstbeurteilung an diesen ‚richtigen’ Beurteilungen gemessen wird.

So wird hier zwar die Differenz zwischen Selbst- und Fremdbeurteilung wahrgenommen und ergründet. Jedoch dominiert die Sicht von L die Bearbeitung der Selbstbeurteilung, sodass am Ende S aufgefordert wird, ihre Selbstbeurteilung an die Fremdbeurteilung anzupassen. Dass die Selbstbeurteilung keinerlei Einfluss auf die tatsächliche Beurteilung nimmt, zeigt sich im Schlusssatz über den bereits erfolgten Eintrag in das Zeugnis.

8.3.3 Beurteilen der Selbstbeurteilung

Im obigen Beispiel # 90 wurde gezeigt, wie S dazu bewegt wird, ihre Selbstbeurteilung an die Fremdbeurteilung anzugleichen. Es handelt sich dabei um eine implizite Beurteilung der Selbstbeurteilung, denn das Fazit ist, dass S sich unterschätzt hat. Auch in anderen Gesprächen werden Selbstbeurteilungen von der Lehrperson wiederum einer Beurteilung unterzogen, was sich beispielsweise in Aussagen widerspiegelt wie aso es isch au TOLL, dass sii sich !RICH!tig iischätzt; (übersetzt: „also es ist auch toll, dass sie sich richtig einschätzt“; Sarah, SJ1_L1A_LMV, 25:39), °h do hesch di EEner e chli (---) !UN!terschätzt? (übersetzt: „da/hier hast du dich eher ein bisschen unterschätzt“; Philipp, SJ8_L8A_LMVS, 01:50) oder aber auch in Selbstkorrekturen von S wie beispielsweise han i e bitz FALSCH grad IIgschätzt (übersetzt: „habe ich ein bisschen falsch gerade eingeschätzt“; Flavio, SJ6_L6B_LMVS, 23:23), ausgelöst durch zuvor geäusserte Kritik von L. All diesen Zitaten ist gemein, dass von einer ‚richtigen’ Bewertung ausgegangen wird und die Fremdbeurteilung jeweils angibt, was richtig und was falsch ist. Wer sich also unter- oder überschätzt, tut dies in Bezug auf die Fremdbeurteilung.

Dadurch gleicht das Ausfüllen einer Selbstbeurteilung für SchülerInnen bisweilen einer Testsituation, da die Resultate wiederum einer Bewertung unterzogen werden. Besonders deutlich wird dies im Gespräch mit Tatjana, die dafür gerügt wird, dass sie sich selbst zu schwach einschätzt:

# 91 Nicht so zufrieden mit dir

(Tatjana, SJ5_L7B_LMVS, 17:10–17:55)


001L((schnalzt)) sO jetz chöme mir uf d RÜCKsite;so jetzt kommen wir auf die Rückseite
002won i eigentlich NID so zfride bi mit dIr.wo ich eigentlich nicht so zufrieden bin mit dir
003(-) und zwAr hei sii dO müesse IIschätze–und zwar haben sie da/hier einschätzen müssen
004ds ARbeitsverhalte und ds soZIAlverhalte,das Arbeitsverhalten und das Sozialverhalten
005und °hhh d tatJAna isch im momÄnt scho so,und die Tatjana ist im Moment schon so
006dass sii sich TENdenziell äbe AUtomatisch,dass sie sich tendenziell eben automatisch
007(-) z TÖIF [foot afo IIstuefen;=oder,zu tief anfängt einzustufen oder
008M [loot lo KEIe, fallen lässt
009L(-) mit SÄLBSCHT[beurteile;mit Selbstbeurteilen
010V [mh_hm, mhm
011L[so:: jO: EIfach so,so ja einfach so
012V[SÄLBSCHTbwusstsii nid eso gUet isch;=jO,Selbstbewusstsein nicht so gut ist ja
013L°h JO: (.) won i muess säge,ja wo ich sagen muss
014jo aso gad SO:: (.) gad so: [schlimm isch es jetz nid,ja also gerade so gerade so schlimm ist es jetzt nicht
015M [jä het ÄÄS dAs Usgfüut. ja hat es/sie das ausgefüllt
016LSII het das [Usgfüut;sie hat das ausgefüllt
017M [AH sO; ah so
018Lzum bispiil dO won i die Orangsche gmacht ha,zum Beispiel da/hier wo ich diese orange gemacht habe
019°hh ich erscheine (.) pÜnktlich und Ordnungsgemäss zum UNterricht.ich erscheine pünktlich und ordnungsgemäss zum Unterricht
020aso (.) het sii iiri SAche drbii,also hat sie ihre Sachen dabei
021isch s zÜg ungerschriibe d HUsi drbii,ist das Zeug unterschrieben die Hausaufgaben dabei
022seit sii JO trifft TEILweise zu;sagt sie ja trifft teilweise zu
023[<<leicht genervt> hesch du mol müesse cho IIne sItze.>hast du mal hinein sitzen kommen müssen
024M[NÄ::.nein
025(1.01)
026L<genervt> !NEI!.>nein
027gUet de hesch kche GRUND di do hinge IIzstuefe.gut dann hast du keinen Grund dich da hinten einzustufen
028bispils[WIIS. °hhhbeispielsweise
029M [und z SPOOT bisch jo Ou nie? und zu spät bist du ja auch nie
030(-)
031L<<genervt> !NE:I:!.>nein
032MNEI?nein
033LNEI;nein
034V((kurzes Auflachen))

Die Lehrerin zeigt bereits in der Themenüberleitung an, dass sie unzufrieden mit Tatjanas Einschätzung ist. Sie wendet sich an die Eltern, um zu erläutern, dass es sich um den Teilbereich des Arbeits- und Sozialverhaltens handelt (Z. 003f.), und um die mangelhafte Selbstbeurteilung von S hervorzuheben (Z. 005–007, 009). Die Eltern zeigen durch Satzergänzung einerseits (M in Z. 008) und Reformulierung andererseits (V in Z. 012), dass sie die Lehrpersonensicht verstehen. Nach gebildetem Common Ground schliesst L nun an mit ihrer Aufwertung der Beurteilung: Durch jo aso gad SO:: (.) gad so: schlimm isch es jetz nid, (Z. 014) zeigt L, dass sie zwar das Verhalten von S ebenfalls schwach beurteilt, aber nicht so schlimm, wie dies S selbst einschätzt. Was darauf ab Zeile 018 folgt, kommt einer strengen Zurechtweisung gleich. L geht einzelne konkrete Punkte durch und rügt S in genervtem Ton, sie habe keinen Grund, sich so weit hinten einzustufen (Z. 027).

Paradox ist diese Form der Bearbeitung der Selbstbeurteilung insofern, dass S zwar offenbar in Bezug auf die genannten Punkte gut besteht und positiv bewertet wird und daher eigentlich gelobt werden müsste. Jedoch wird S dafür kritisiert, dass sie sich zu schwach einschätzt. Dadurch wird die Selbstbeurteilung zu einem Test, den S weniger gut oder besser bestehen kann. Im Gespräch hier wird also die ‚Leistung’ der Selbstbeurteilung negativ bewertet, während die eigentliche Leistung im Bereich des Arbeits- und Sozialverhaltens positiv bewertet wird. Es kommt zu einer Vermischung von verschiedenen Bezugspunkten und durch den Fokus auf die zu schwache Selbstbeurteilung gerät die positive Leistung aus dem Blickwinkel der Beteiligten. Es ist fraglich, ob die Schülerin bei dieser Form der Rückmeldung versteht, dass es sich indirekt um eine Anerkennung ihres Arbeits- und Sozialverhaltens handelt.

8.3.4 Umgang mit dem (Miss-)Verstehen von Beurteilungskriterien

Abschliessend möchte ich einer Frage nachgehen, die für die Praxis hochrelevant ist, nämlich: Wie lassen sich die Selbstbeurteilungsbögen altersgerecht ausformulieren? So zeigt es sich nämlich in einigen Gesprächen, dass die Fragen nicht überall richtig verstanden werden oder aber zu abstrakt sind und die aufgedeckten Differenzen von Selbst- und Fremdbeurteilung somit weniger mit der unterschiedlichen Sicht auf die Sache zu tun haben, sondern mit einem Missverständnis oder Nichtverstehen vonseiten der Lernenden. Im Beurteilungsgespräch mit Chiara wird eine solche problematische Stelle von den Beteiligten identifiziert und bearbeitet:

# 92 Überrascht

(Chiara, SJ5_L7A_LMVS, 13:15–15:37, mit Auslassung)


001Lähm (.) do Unge (.) bim soZIAlverhalte,ähm da/hier unten beim Sozialverhalten
002han i einglech nume EI punkt;habe ich eigentlich nur einen Punkt
003und zwar dä PUNKT heisst,und zwar dieser Punkt heisst
004wenn du mit Angerne ching STRIT hesch,wenn du mit anderen Kindern Streit hast
005°h (---) obs dis ZIU isch,ob’s dein Ziel ist
006möglichscht gli dä strit z l (.) ähm z beHEbe;möglichst bald diesen Streit zu l ähm zu beheben
007(---) UFzlööse;aufzulösen
008und DU hesch gschriibe,und du hast geschrieben
009naJA,naja
010(-) °hh EIgentlech machsch du das nId grad SOfort.eigentlich machst du das nicht gerade sofort
011WEISCH es heisst;weisst du es heisst
012ich bin beREIT,ich bin bereit
013konFLIKte mit anderen kindern,Konflikte mit anderen Kindern
014möglichst RASCH und GUT zu lÖsen.möglichst rasch und gut zu lösen
015°h duesch du ame wennd STRIT hesch;tust du jeweils wenn du Streit hast
016gärn no chli WIter strite.gerne noch bisschen weiter streiten
017S(---) h° aso (1.22) einglech han i DEre klass;also eigentlich habe ich in dieser Klasse
018einglech (.) no glaub no NIE strit gha;eigentlich noch glaub ich noch nie Streit gehabt
019°h aber mit de (XXX xxx) un dene,aber mit den (xxx xxx) und denen
020düemer ame eifach änang ignoRIEre.tun wir jeweils einfach einander ignorieren
021(-)
022Lmh_HM,mhm
023Sfasch e WUche lang mängisch,fast eine Woche lang manchmal
024Vah dasch WIter strite eigenlech;ah das ist weiter streiten eigentlich
025Mjo;ja
026?((leises Lachen))
027Ldasch WIter strite; heheheh °hdas ist weiter streiten heheheh
028<<:-)> het dr PApi recht;>hat der Papa recht
029EIglech isch das WIter strite;eigentlich ist das weiter streiten
030°h aso isch das jetz IMmer no so zum teil;also ist das jetzt immer noch so zum Teil
031Sänglech hämmer scho gAnz gAnz LANG nüm [strit gha.eigentlich haben wir schon ganz ganz lange nicht mehr Streit gehabt
032L [scho gAnz LANG nüm. schon ganz lange nicht mehr
033V [mh_mh; mh
034((Auslassung im Transkript, ca. 30 Sek.: L berichtet von kleineren Streitereien in der Klasse, die sie aber als unproblematisch einschätzt.))
035L°h i bi eifach nume chli überRASCHT gsi,ich bin einfach nur bisschen überrascht gewesen
036wüu dört (.) eigenlech (.) dr punkt rÄcht wit HINgen aakrüzlet hesch;=weil du dort eigentlich den Punkt recht weit hinten angekreuzt hast
037=i hätt jetz o no nie chönne °hh FESCHTsteue,=ich hätte jetzt auch noch nie feststellen können
038=dass irgendwie e riise STRIT hesch gha;=dass du irgendwie einen riesen Streit gehabt hast
039=oder dass (--) dä strIt nid hesch wöue UFlöösen;=oder,oder dass du diesen Streit nicht hast auflösen wollen oder
040dass irgend[wie nach ere LÖÖ[sig hesch wöue sueche.dass du irgendwie nach einer Lösung hast suchen wollen
041M [mh– mh
042V [aso isch d frOOg RÄCHT verstange worde.= also ist die Frage recht/richtig verstanden worden
043L=jo das isch äbe no s [ANgere;ja das ist eben noch das andere
044V [(isch jo) chli, (ist ja) bisschen
045Ljo geNAU.ja genau
046isch ou nid (.) es isch ou nid gad EIfach formuLIERT.ist auch nicht es ist auch nicht gerade einfach formuliert
047°h aber AAgno du hesch jetz wider mol strIt mit öpperem,aber angenommen du hast jetzt wieder mal Streit mit jemandem
048was hesch du für nes ZIU.was hast du für ein Ziel
049°hhh weisch wotsch–weisst du willst du
050(1.79)
051Lwas [wÜrsch DU mache;=was würdest du machen
052S [aso ZERSCH mol, also zuerst mal
053L=aber etz GANZ EErlich.aber jetzt ganz ehrlich
054S(.) würd i zersch mol ignoRIEre,würde ich zuerst mal ignorieren
055und luege was sii MAche?und schauen was sie machen
056Lmh_HM,mhm
057Sund wenns nid °h (--) wenn sii ni chöme go REde;und wenns nicht wenn sie nicht reden kommen
058(---)
059Laso du du wa (.) du wetsch REde mit ne;also du du wa du willst reden mit ihnen
060[oder dass [dass drüber GREDT wird.oder dass dass darüber geredet wird
061S[ja;ja
062M [aso däHEIM Ischs esO, also daheim ist’s so
063L[ja;ja
064M[o wenn MIR zwöi strIt hei–auch wenn wir zwei Streit haben
065chasch du das nid lAng [erTRÄÄge;kannst du das nicht lange ertragen
066S [hh°
067(--)
068LmAchts di (.) mAchts di so richtig CHRIbelig.macht’s dich macht’s dich so richtig kribbelig
069M(.) jo aso [mi DUNKTS?ja also mich dünkt’s
070L [mh_hm, mhm
071(1.25)
072LJO?ja
073Mwie DUNKTS di.wie dünkt’s dich
074Snä de gon i LIEber is zimmer und wArte?nein dann gehe ich lieber ins Zimmer und warte
075Lde bruchsch ZERSCHT gschwing–dann brauchst du zuerst geschwind
076Mja aber du chUnsch jo [OFT und seisch::, °hja aber du kommst ja oft und sagst
077V [aber du REDSCH amel grad drÜber; aber du redest jeweils gerade darüber
078[ämel MEISCHtens.jedenfalls meistens
079M[chUm mir mache wider FRIIden [oder (.) so.komm wir machen wieder Frieden oder so
080S [°h heheh heheh
081Mund mi dunkts dir ischs nid wOu mit STRIT?und mich dünkt’s dir ist’s nicht wohl mit Streit
082(1.21)
083S[jo däHÄI (xxx xxx),ja daheim (xxx xxx)
084M[aber vilich ischs jo i dr schUel [ANgersch,aber vielleicht ist’s ja in der Schule anders
085L [aHA? aha

In den ersten Zeilen zeigt L durch die mehrfachen Reformulierungen, dass sie unsicher ist, ob S die Frage auf dem Beurteilungsbogen richtig verstanden hat (Z. 001–016). Die Reformulierung fungiert hier als spezifische Design-Aktivität, durch die L einen möglichst passgenauen Zuschnitt auf Chiara zu erreichen versucht, um auch eine treffende Antwort zu erwirken. Trotz den Reformulierungen kann S die Frage zwar nicht beantworten, aber sie reagiert, nach einigen Verzögerungen, auf die Fragestellung: Sie kann zur abstrakten Frage nach ihrem Konfliktlösungsverhalten kein konkretes Ereignis aus der Schulumgebung nennen und bewerten (Z. 016f.). S schafft es dann dennoch, eine Situation zu nennen und das Ignorieren als ihre Strategie anzugeben (Z. 019f., 023), was V als Weiterstreiten einordnet (Z. 024). Aber auch hier hat S Schwierigkeiten auf die Nachfrage von L (Z. 030) einzugehen und ihre konkrete Beschreibung einer Selbstbeurteilung zu unterziehen, da sie scho gAnz gAnz LANG nüm strit (Z. 031) gehabt hat. Ab Zeile 035 drückt L ihre Überraschung bezogen auf die Differenz in der Selbst- und Fremdbeurteilung aus, worauf V einbringt, dass S doch die Frage vielleicht falsch verstanden habe (Z. 042). L setzt dort an, pflichtet bei, dass die Formulierung nicht einfach sei und ändert erneut durch eine Reformulierung die Design-Aktivität, indem sie nun nicht mehr rückblickend fragt, sondern Chiaras Einschätzung zu einer hypothetischen Situation in der Form Angenommen, du hast wieder mal Streit… einfordert (Z. 047ff.). S hält zunächst an der genannten Strategie des Ignorierens fest (Z. 052, 054f.), fügt dann aber in Zeile 057 eine unvollständige Äusserung hinzu, die von L in verstehenssichernden Reformulierungen als Wunsch nach Konfliktlösungen und Reden interpretiert wird (Z. 059f.) und von S ratifiziert wird (Z. 061). M stützt diese Interpretation zudem durch ihre Sicht zu Hause (Z. 062, 064f., 069), die von S allerdings auf direkte Nachfrage hin wieder abgelehnt wird: nä de gon i LIEber is zimmer und wArte? (Z. 074). Die Selbstwahrnehmung von S gleicht demnach der Haltung ‚Ignorieren und Abwarten’ und weniger den von L und M geäusserten Beobachtungen und Interpretationen einer Haltung ‚Reden und Problemlösen’. Die von S geäusserte Selbstwahrnehmung wird in der Folge von beiden Elternteilen zurückgewiesen, indem sie, jeweils durch ja aber und aber als Widerspruch markiert, Bezug auf konkrete Situationen nehmen und die Schilderungen u.a. durch die direkte Redewiedergabe stützen (Z. 079). Schliesslich ratifiziert S diese Darstellung, allerdings mit dem Verweis auf das Zuhause (Z. 083; die Äusserung ist nicht komplett verständlich), während M überlappend ebenfalls auf die unterschiedlichen Handlungsräume verweist: aber vilich ischs jo i dr schUel ANgersch, (Z. 084).

Es kommt also zu keiner abschliessenden Übereinstimmung zwischen den Sichtweisen und die Lehrerin ergründet dies in der Folge nicht weiter. Was hier aber deutlich wird, ist die Schwierigkeit, Beurteilungskriterien kindgerecht zu formulieren und eine Balance zwischen Abstraktheit und Konkretheit zu finden. Chiara hatte nach eigenen Aussagen noch nie Streit in der Klasse und sieht sich daher nicht in der Lage, ihr Streitlösungsverhalten zu beurteilen. Der fehlende Bezug zu einer konkreten Situation führt in diesem Fall zu einer schwachen Selbstbeurteilung von S. Der Zuschnitt der schriftlichen Frage auf S funktioniert hier nicht optimal und kann nur durch entsprechende Design-Aktivitäten im Gespräch gelöst werden – wenn in diesem Fall auch nur ansatzweise. Zwar wird geklärt, wie es zur Selbstbeurteilung kam, wo also die Schwierigkeit bei S lag, die Frage zu beantworten. Auch helfen die Eltern durch ihre ergänzende Sicht aus dem Familienalltag, eine Teilantwort zu liefern. Jedoch wird am Ende infrage gestellt, ob sich die beschriebene Situation zu Hause auf die Situation in der Klasse übertragen lässt.

Die Thematisierung der schriftlichen Selbstbeurteilung im Beurteilungsgespräch ist – wenn man dieses Beispiel betrachtet – zwingend notwendig, um eine gemeinsame Sicht zu erlangen bzw. um als Lehrperson überhaupt erst die schülerseitige Selbstbeurteilung kontextualisieren und verstehen zu können. Wenn die Fragen bei der Selbstbeurteilung abstrakt sind, scheint die Gefahr ohne entsprechende Nachbesprechung gross, dass Produzierende und Rezipierende der Selbstbeurteilung andere Bezugspunkte hinzuziehen und dadurch für das Gegenüber Leerstellen entstehen. Die Besprechung von schriftlichen Selbstbeurteilungen in Beurteilungsgesprächen hat demnach das Potenzial, Missverständnisse zu klären oder allenfalls unterschiedliche Grundannahmen aufzudecken.

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