Kitabı oku: «Beurteilungsgespräche in der Schule», sayfa 31
8.4 Zusammenfassung
Anhand metakommunikativer Äusserungen erfahren wir, welchen Stellenwert die Lehrpersonen den Selbstbeurteilungen im Gespräch beimessen. Jedoch zeigen die Analysen, dass auch bei starker Fokussierung der schriftlichen Selbstbeurteilungen noch nicht gewährleistet ist, dass die geäusserten Einschätzungen der SchülerInnen auch in weitere Überlegungen einbezogen werden. So zeigt sich, dass es gelegentlich bei einer Pseudo-Involvierung bleibt, wenn die Selbstbeurteilung lediglich dazu verwendet wird, die Themenübergänge zu strukturieren.
Insgesamt zeigt sich bei den analysierten Gesprächen, in denen die Selbstbeurteilungsbögen dann auch tatsächlich bearbeitet werden, dass diese Praxis zwar Potenzial hat, jedoch auch einige Probleme aufweist. So sehen wir in Beispiel # 89, dass aufgrund der Selbstbeurteilung Einblick in die Beurteilungskriterien gewährt werden und S infolgedessen Lerntipps erhält. Der Fokus wird dadurch auf seine individuellen Leistungen und Lernziele gelenkt und weniger auf die von S zuvor relevant gesetzte Note. Die tatsächliche Sichtweise von S wird allerdings nicht erfragt und es dominiert die Fremdbeurteilung. Diese Problematik zeigt sich dann auch in den anderen Kontexten: In der Regel wird die Differenz zwischen der Selbst- und der Fremdbeurteilung konstatiert, worauf die ‚falsche’ Selbstbeurteilung in der weiteren Bearbeitung korrigiert und an die Fremdbeurteilung angeglichen wird.
In Bezug auf das Bearbeiten von divergierenden Selbst- und Fremdbeurteilungen hält Vögeli-Mantovani (2011: 254) fest:
Selbst- und Fremdbeurteilung können übereinstimmen oder sie weichen voneinander ab, was für die Beteiligten heisst, dass sie die Differenz feststellen, diese untersuchen und dabei Subjektivität abbauen.
Das bedeutet grundsätzlich, dass bei einer Differenz die individuellen Sichtweisen ergründet werden sollen und basierend auf mehreren individuellen Sichtweisen möglichst eine Objektivität erlangt werden kann. Impliziert wird, was Bohl (2009: 125) die „Angleichung von Fremd- und Selbstbewertung“ nennt. Eine Angleichung kann prinzipiell in beide Richtungen möglich sein und liegt auch dem Bild des partnerschaftlichen Gesprächs zugrunde. Jedoch zeigen die Analysen sowie ähnliche Forschungsergebnisse von Fischbach (2015: 66), dass Lehrpersonen in der Regel eine Angleichung der SchülerInnensicht an die eigene Sicht bewirken. Dies wird insbesondere durch den jeweils evaluierenden Abschluss markiert, wo deutlich wird, dass es aus Lehrpersonensicht eine richtige (Fremd-)Beurteilung und allenfalls eine zu korrigierende (Selbst-)Beurteilung gibt.
Es zeigen sich zudem Probleme, die dem Spannungsverhältnis zwischen schulischer Förderung und Selektion geschuldet sind (vgl. auch Fischbach 2015: 68). Das Instrument der Selbstbeurteilung in der Schule wird daher aus pädagogischer Sicht auch kritisiert, besonders dezidiert beispielsweise von Menzel und Rademacher (2012). Sie untersuchen Selbsteinschätzungsbögen und kommen, basierend auf theoretischen Überlegungen zu Individuum, Kontrolle und Macht von Foucault (1977) sowie Bourdieu und Passeron (1973), zum Schluss, dass durch die Selbstbeurteilung weniger das Individuum und die Selbstbeurteilungskompetenz gestärkt wird, sondern pädagogische Macht und Kontrolle ausgeübt und gleichzeitig aber verschleiert wird:
Pädagogische Orientierungen wie Individualisierung, Subjektorientierung und Kindzentrierung dienen einer ‚progressiven’ Erziehung nicht nur als Mittel der Verschleierung der schulischen Anpassungsforderungen, sondern zugleich als legitime Strategie der Unterwerfung der Schüler unter die schulischen Normen. Hinter der ‚sanften Tour’ verbirgt sich pädagogische Macht nicht lediglich, sondern dieses pädagogische Selbstverständnis ist der Unterwerfungsmechanismus, den es zugleich zu verschleiern und, in und mit dieser Verschleierung, durchzusetzen gilt. (Menzel & Rademacher 2012: 98, Hervorhebung im Original)
Sie kritisieren also, dass durch die Selbstbeurteilung die Tatsache verschleiert wird, dass pädagogische Strukturen ein Abhängigkeits- und Kontrollverhältnis schaffen und Kinder sich zuletzt den schulischen Normen anpassen müssen. Was Selbsteinschätzungsbögen denn tatsächlich zeigen, seien lediglich „Selbstauskünfte der Schüler hinsichtlich ihrer Positionierung zur schulischen Praxis“ (Menzel & Rademacher 2012: 96).
Diese Tendenz lässt sich durch die Analysen bestätigen. SchülerInnen werden in ihrer Selbstbeurteilung korrigiert, sie müssen sich bei Abweichung von Selbst- und Fremdbeurteilung rechtfertigen und am Ende wird von ihnen verlangt, ihre Selbstbeurteilung an die Fremdbeurteilung anzugleichen. Eine solche Praxis hat zur Folge, dass SchülerInnen nicht nach ihrer eigentlichen Sichtweise fragen, sondern versuchen werden, die Fremdbeurteilung zu erraten und sich dementsprechend anzugleichen.
Eine zusätzliche Problematik ergibt sich m.E. dadurch, dass die Selbstbeurteilungen im Rahmen der Beurteilungsgespräche mit anwesenden Eltern besprochen werden. So müssen sich die SchülerInnen gegenüber den Eltern und gegenüber der Lehrperson behaupten und ihre Selbstbeurteilung öffentlich rechtfertigen. Auf der anderen Seite müssen die Lehrpersonen gegenüber den Eltern als professionelle Beurteilungsinstanz bestehen und gleichzeitig die Selbstbeurteilung als eigene Sicht der Lernenden akzeptieren. Das scheint für Lehrpersonen ein unlösbarer Widerspruch zu sein. Wenn sie ihre eigene Beurteilungskompetenz vorführen und die Selbstbeurteilungen kritisch der eigenen Beurteilung angleichen, geht dies auf Kosten des eigenständigen Bestehens der Selbstbeurteilung. Und wenn sie die Selbstbeurteilung als solche akzeptieren und die eigene Beurteilung gegebenenfalls korrigieren, kann ihre Glaubwürdigkeit infrage gestellt werden.
9 Schlussbetrachtungen
„das isch ALles vo minere site;“
(Gesprächsbeendigung in Beispiel # 48)
Beurteilungsgespräche in der Schule stellen insbesondere bei der Mitanwesenheit der SchülerInnen komplexe Anforderungen an die Beteiligten. In der vorliegenden Arbeit lag der Fokus auf den Beteiligungsstrukturen, auf der Aushandlung von Rollen und Identitäten sowie auf Beurteilungen.
Im Folgenden werden abschliessend die Ergebnisse zusammengefasst und die zentralen Erkenntnisse diskutiert (Kap. 9.1). Darauf aufbauend werden Forschungsdesiderata für die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Gesprächstyp und den bearbeiteten Bereichen der Gesprächsforschung formuliert (Kap. 9.2). Und schliesslich runden Überlegungen zur Relevanz der Ergebnisse für die Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen die Schlussbetrachtungen ab (Kap. 9.3).
9.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
Diese Studie präsentiert gesprächsanalytische Ergebnisse zu Aspekten der interaktiven Aushandlung von Gesprächsbeteiligung und Positionierung am Beispiel von Beurteilungsgesprächen in der Schule. Bei der Interaktion zwischen Lehrpersonen, Eltern sowie SchülerInnen handelt es sich um einen noch wenig untersuchten Gesprächstyp. Zwar gibt es viel Ratgeberliteratur sowie einige Fragebogenstudien, jedoch war bis anhin noch nicht sehr viel über die tatsächlichen Gesprächsereignisse bekannt. Der induktive und qualitativ ausgerichtete Forschungszugang der Gesprächsanalyse eignet sich dabei besonders gut, um zu erfassen, wie die Beteiligten die soziale Wirklichkeit des Beurteilungsgesprächs gemeinsam herstellen.
Nachdem in Kapitel 1 Einführungen zum Forschungsfeld im Fokus standen, wurden in Kapitel 2 zunächst die für die Forschungsarbeit relevanten theoretischen Konzepte vorgestellt. Den theoretischen und methodischen Rahmen bildet die ethnomethodologisch geprägte Gesprächsanalyse mit dem dezidiert empirischen Zugang. Die theoretischen Ausführungen umfassten Konzeptionen der Interaktion und Kooperation zwischen Gesprächsbeteiligten, wobei es im Spezifischen um das konversationsanalytische Konzept des Recipient Designs ging. Weiter wurden theoretische Überlegungen zu Beteiligungsstrukturen und Steuerungsaktivitäten eingeführt. Und schliesslich wurden verschiedene Ansätze zur Identitätskonstruktion und zur Positionierung diskutiert.
In Kapitel 3 wurden die methodischen Überlegungen reflektiert sowie das untersuchte Korpus präsentiert. Es liegen Audioaufnahmen von vierzehn Beurteilungsgesprächen vor, die insgesamt 487 Gesprächsminuten umfassen. Die Gespräche fanden in verschiedenen Schulen mit unterschiedlichen Leistungsniveaus und Altersstufen statt, sodass ein heterogenes Datenmaterial mit Gesprächen zwischen dem ersten und zwölften Schuljahr zustande kam. Die Gespräche wurden sequenzanalytisch untersucht.
Es folgte der empirische Teil mit den Analysekapiteln 4–8. In Kapitel 4 wurden die Eröffnungen und Beendigungen der Gespräche betrachtet, um erste Erkenntnisse zu Inhalten, Beteiligungsstrukturen und Positionierungen zu erlangen. In Kapitel 5 standen die sozialen Rollen von Lehrpersonen und Eltern im Fokus der Betrachtungen. Ab Kapitel 6 ging es spezifisch um die Rolle der SchülerInnen. Untersucht wurden die gemeinsame Herstellung interaktiver Beteiligung (vgl. Kap. 6), die sprachliche Praktik der animierten Rede, welche in Bezug auf Beteiligungsstrukturen, Positionierungsaktivitäten sowie Beurteilungspraktiken funktional ist (vgl. Kap. 7), und schliesslich die Selbstbeurteilungen von SchülerInnen, welche stets im Verhältnis zu den entsprechenden Fremdbeurteilungen verhandelt werden (vgl. Kap. 8). Während sich die detaillierteren Resümees jeweils direkt im Anschluss an die Analyseteile finden (vgl. Kap. 4.3, 5.5, 6.3, 7.4, 8.4), geht es in den folgenden Ausführungen nun darum, die Forschungsleistung in den einzelnen Teilbereichen aufzuzeigen.
Zusammenfassend leistet diese Studie einen Beitrag zur Erforschung der folgenden Bereiche:
Die Interaktion zwischen Lehrpersonen, Eltern und oftmals auch SchülerInnen wurde bislang zu sehr der Ratgeberliteratur überlassen, ohne dass Erkenntnisse darüber bekannt waren, wie die Gespräche ausgestaltet sind. Es ist also für die Grundlagenforschung höchst relevant, sich genauer mit dem Gesprächstyp des Beurteilungsgesprächs zu befassen. Die vorliegende Arbeit leistet dabei einen wichtigen Beitrag und ermöglicht, dass in Zukunft im Sinne der Angewandten Gesprächsforschung ein Transfer der Erkenntnisse in die Praxis stattfinden kann.
Die Erforschung des schulischen Beurteilungsgesprächs ermöglicht zudem, einen vertieften Blick auf Prinzipien der inter-institutionellen Kommunikation zu werfen. Denn während die institutionelle Kommunikation in der Gesprächsanalyse einen grossen Forschungsbereich einnimmt, handelt es sich bei der inter-institutionellen Kommunikation um einen wenig untersuchten Spezialbereich. In dieser Studie konnte nun anhand der Analyse sozialer Rollen gezeigt werden, wie die Lehrpersonen und die Eltern Selbst- und Fremdpositionierungen vornehmen, die Symmetrien begünstigen und dadurch die Gespräche als inter-institutionelle Gespräche etablieren.
Das konversationsanalytische Konzept Recipient Design gilt zwar schon lange als grundlegendes Prinzip sprachlicher Interaktion, wurde jedoch meistens eher beiläufig erwähnt und selten genauer untersucht. In dieser Studie wurden spezifische Design-Aktivitäten herausgearbeitet, die ihre Bedeutung jeweils im Zusammenhang mit Merkmalen der inter-institutionellen Mehrparteieninteraktion, der Kind-Erwachsenen-Interaktion oder des spezifischen Gesprächstyps erlangen. In Bezug auf die Beteiligtenkonstellation sind die verschiedenen Adressierungsverfahren als Design-Aktivitäten zu verstehen. Es wurde einerseits gezeigt, dass explizite Adressierungen wie die namentliche Adressierung oder die Verwendung von Anredepronomen verwendet werden, die zur Disambiguierung der Sprecherauswahl beitragen. Andererseits werden vielfach rasche Wechsel sowie unspezifische Referenzen verwendet, die wiederum die Ambiguität der Adressiertheit verstärken. Dieses Nebeneinander von widersprüchlichen Verfahren kann dadurch erklärt werden, dass die explizite Sprecherauswahl zwar im Hinblick auf eine zu erwartende Antwort förderlich ist, aber jeweils die Involvierung aller Beteiligten verunmöglicht. So dient der Gebrauch wechselnder und ambiger Referenzen als kommunikative Ressource, um in der Mehrparteieninteraktion alle Beteiligten im Gespräch einzubeziehen.
Weiter wurden Design-Aktivitäten identifiziert, die der Konstellation der Kind-Erwachsenen-Interaktion geschuldet sind und insbesondere die Adressierung und die Redeübergabe an das Kind unterstützen. So kann ein Turn Design so ausgestaltet sein, dass metakommunikativ verdeutlicht wird, wer wen adressiert und durch die deutliche Markierung einerseits das Kind als nächste Sprecherin gewählt und andererseits die Eltern als direkt Adressierte abgewählt werden. Zudem kann das langsame und deutliche Sprechen oder das Zuflüstern den Zuschnitt auf das anwesende Kind unterstützen. Im Zusammenhang mit Schweigephasen an Stellen im Gespräch, an denen eine Antwort von dem anwesenden Kind relevant gesetzt wird und dadurch erwartbar wäre, reagieren die Erwachsenen häufig mit verschiedenen Design-Aktivitäten auf allfällige Verstehens- oder Formulierungsschwierigkeiten des Kindes. Es handelt sich bei diesen Design-Aktivitäten um Reformulierungen, Veranschaulichungen anhand konkreter Beispiele und Situationen, konkretisierende Nachfragen, variierende Frageformate sowie Rederechtsübernahmen. Mit variierenden Frageformaten sind diejenigen Kontexte gemeint, in denen die Lehrperson bei ausbleibenden Antworten vonseiten des adressierten Kindes zu geschlossenen Fragen mit teilweise vorformulierten Auswahlantworten wechselt. Während diese Strategie in der Regel tatsächlich dazu führt, dass die SchülerInnen eine Antwort liefern, zeigen die Analysen jedoch auch, dass es sich dabei mehrheitlich um das Wiedergeben einer vorformulierten Auswahlantwort der Lehrperson handelt und von SchülerInnen selten darüber hinaus neue Informationen kommuniziert werden. Je nachdem ob das Ziel die Involvierung oder aber auch das Erhalten neuer Information sein soll, müsste diese Praktik demnach überdacht werden. Und dass erwachsenenseitige Rederechtsübernahmen ebenfalls als Design-Aktivität zu verstehen sind, sehe ich darin bestätigt, dass Eltern davon einerseits Gebrauch machen, wenn sie ihr Kind im Folgenden optimaler positionieren oder andererseits, wenn sie dem Kind die Fähigkeit absprechen, die Antwort selber zu geben. In beiden Fällen verstehe ich Rederechtsübernahmen als Unterstützungsleistungen.
Auch verschiedene Formen der Redewiedergabe wurden als Design-Aktivitäten betrachtet, die eine Veränderung der Beteiligungsstruktur bewirken. So kann die direkte Redewiedergabe dazu genutzt werden, bei Verbalisierungsschwierigkeiten vonseiten der SchülerInnen die Beteiligung des Kindes zu verstärken, indem es als AutorIn der wiedergegebenen Rede in dem aktuellen Dialog eingebunden wird. Zudem zeigt sich die animierte Rede in vieler Hinsicht funktional, was im Folgenden separat diskutiert wird.
Die sprachliche Praktik der animierten Rede wurde bisher vor allem in Bezug auf Alltagsgespräche untersucht. In der vorliegenden Studie zeigt sich nun zudem, dass die animierte Rede als spezifische Design-Aktivität verstanden werden kann, die in schulischen Beurteilungsgesprächen mit anwesenden SchülerInnen besonders funktional ist.
Im Rahmen der besprochenen Komplexität der Beteiligungskonstellation zeigt sich die animierte Rede als Möglichkeit, die Entscheidung zwischen Sprechen mit jemandem oder Sprechen über jemanden zu umgehen und aus der Sicht des Kindes bzw. des/der Jugendlichen selbst zu sprechen. So werden in imaginierten Szenarios Selbst- und Fremdpositionierungen vorgenommen, anhand derer Bewertungen von gegenwärtigen oder zukünftig erwünschten Einstellungen, Verhaltensweisen, Handlungen, Äusserungen oder Gedanken vermittelt werden. Die indirekte und oftmals implizite Bewertung geschieht durch mehrschrittige Kontrastierungen von vermuteten und unerwünschten sowie möglichen und erwünschten Identitätsentwürfen.
Wie dies auch für die direkte Redewiedergabe typisch ist, geht mit der Verwendung der animierten Rede eine involvierende Funktion einher. So zeigt sich in den überwiegenden Fällen, dass sich die in animierter Rede dargestellten SchülerInnen jeweils entweder durch Ratifikation oder Widerspruch bzw. Reparatur zu dem Gesagten positionieren.
Zudem wird die animierte Rede als Veranschaulichungsverfahren genutzt, um bei antizipierten Verstehensproblemen der SchülerInnen das Gesagte zu konkretisieren. Beispielsweise konnte gezeigt werden, wie sich v.a. die Lehrperson im Gespräch mit Marc an der schülerseitigen Zurückhaltung bezüglich der Entscheidung zu Schulbesuch bzw. Schulwechsel orientiert und die Veranschaulichung durch die animierte Rede dafür nutzt, ihn schrittweise von der Idee zu überzeugen (vgl. Beispiel # 80 in Kap. 7.2.2).
Die Strategie der animierten Rede wird im vorliegenden Korpus nur in denjenigen Gesprächen genutzt, bei denen die SchülerInnen mitanwesend sind. Dies deutet darauf hin, dass die Beteiligtenkonstellation die Funktionalität beeinflusst und demnach die animierte Rede eine spezifische Design-Aktivität bei anwesenden Lehrpersonen, Eltern und SchülerInnen in Beurteilungsgesprächen darstellt.
Und schliesslich wurde die schriftliche Selbstbeurteilung von SchülerInnen sowie deren Bearbeitung im Beurteilungsgespräch untersucht. Da es sich dabei um ein neueres Beurteilungsformat handelt, wurde diese Praktik in der Forschung noch wenig beachtet. Die Analysen zeigen, dass es sich bisweilen eher um eine Pseudo-Inklusion der SchülerInnen handelt. Und auch wenn es im Gespräch zu weiteren Bearbeitungen und Aushandlungen der Selbstbeurteilungen kommt, dominiert dabei meist die Sicht der Lehrperson und es kommt nicht selten zur Beurteilung der Selbstbeurteilung. Dennoch konnte in einigen Gesprächssequenzen auch ein grundlegendes Potenzial des Einbezugs schriftlicher Selbstbeurteilungen aufgezeigt werden.
9.2 Ausblick I: Forschungsdesiderate
Ausgehend von den Analysen und den Ergebnissen möchte ich im Weiteren Forschungsdesiderate zu ausgewählten Bereichen formulieren.
Die Erkenntnisse in dieser Studie basieren auf einem Korpus von Audioaufnahmen. Zwar geben diese Daten bereits viele Einblicke in die kommunikative Praxis des schulischen Beurteilungsgesprächs, jedoch wäre es beispielsweise in Bezug auf das Recipient Design und die entsprechenden Design-Aktivitäten aufschlussreich, die gesamten multimodal konstituierten Interaktionsereignisse zu betrachten. Zukünftige Forschungsprojekte, die sich mit dem Recipient Design in institutionellen, aber auch alltäglichen Kontexten befassen, sollten daher nach Möglichkeit auch Videoaufnahmen einbeziehen.
Für die vorliegende Studie wurde ein heterogenes Korpus gewählt, was den Vorteil hatte, dass die soziale Wirklichkeit des untersuchten Gesprächstyps in der Breite abgebildet werden konnte. Gerade zu einem Zeitpunkt, als der Gesprächstyp noch nahezu als unerforscht galt, war ein Weitblick sinnvoll. Jedoch würde es sich für zukünftige Forschungen zu Beurteilungsgesprächen anbieten, basierend auf bereits erlangten Ergebnissen einzelne Aspekte zu fokussieren und entsprechend homogene Gruppen zu untersuchen. So liessen sich Spezifika einzelner Gesprächstypen (z.B. reguläre Standortgespräche versus freiwillige Elternsprechstundengespräche, Gespräche mit/ohne Selbstbeurteilungsbögen etc.) gezielt erfassen und auch altersspezifische Faktoren könnten besser berücksichtigt werden.
In dieser Studie lag der Fokus auf den tatsächlichen Interaktionen und hierfür bietet die Gesprächsanalyse mit dem mikroskopischen Blick auf die Gesprächsereignisse die passenden Analysewerkzeuge. Jedoch wären m.E. auch ergänzende Erhebungsmethoden denkbar, die das kommunikative Ereignis noch aus anderen Blickwinkeln zu erfassen vermögen. So wäre eine Methodentriangulation erfolgsversprechend, die auch die Auswertung von Interviews und/oder Fragebögen mit den verschiedenen Beteiligten zum Ziel hätte. Diese zusätzlichen Ergebnisse könnten neben den gesprächsanalytischen Analysen dafür genutzt werden, das nötige Berufswissen für (angehende) Lehrpersonen aufzubereiten. Um Fragen des Transfers in die Praxis geht es nun im abschliessenden Kapitel.