Kitabı oku: «Beurteilungsgespräche in der Schule», sayfa 8
Abschliessend stellt sich noch die Frage, inwiefern die Gespräche heikel sind und weshalb in vielen Fällen nur sehr zögerlich auf das Forschungsvorhaben reagiert wurde. Besonders im Hinblick auf die inzwischen lange Forschungstradition der Arzt-Patienten-Kommunikation erscheinen die potenziell heiklen Themen in einem schulischen Beurteilungsgespräch verschwindend klein und die Datenschutzfrage bei gewährleisteter Anonymisierung geklärt zu sein. Spekulativ lässt sich die Vermutung anstellen, dass es nicht so sehr um sensible Informationen zum Kind oder weiteren Beteiligten geht, sondern dass die am Gespräch Beteiligten in Bezug auf die Gesprächspraktiken und die Beziehungsebene unsicher sind. Gerade deswegen ist es wichtig, die Forschungsfragen dieser Arbeit anzugehen: Was geschieht in diesen Gesprächen? Welche Praktiken und Ressourcen werden von den Gesprächsteilnehmenden verwendet? Welche Ziele werden von den einzelnen Beteiligten verfolgt und auf welche Weise? Und wie positionieren sich die Beteiligten in den Gesprächen, wie handeln sie ihre Rollen aus? Die Reflexion des Erhebungsprozesses zeigt einerseits, in welchem Umfeld die Studie angesetzt ist und welche AkteurInnen involviert sind, andererseits lassen sich durch den Einbezug dieses Kontextes erste Fragen an das Datenmaterial entwickeln.
Erhebung der Gesprächsdaten
Das Erteilen der Informationen an die beteiligten Parteien sowie das Einholen der entsprechenden Einwilligungen waren je nach Schule und persönlichen Kontakten unterschiedlich organisiert. In der Regel bestand ein Kontakt zwischen Forscherin und Schulleitung sowie Lehrperson. Die Eltern wurden dann brieflich, oder in Einzelfällen telefonisch, direkt von der Lehrperson angefragt. In einigen wenigen Fällen liefen alle Kontakte zu den Gesprächsteilnehmenden via Schulleitung und sind somit der Forscherin nicht bekannt. Nur in einem Fall sind der Forscherin die Eltern bekannt, da es sich um einen persönlichen Kontakt handelt.
Dass es in den meisten Fällen nicht zu einer Begegnung zwischen Forscherin und Eltern kam, wurde teils implizit, häufig aber explizit gewünscht und so wurde auch die Übergabe des Aufnahmegeräts sowie die Aufnahme selbst entsprechend organisiert (vgl. auch ten Have 2007: 84). Mondada (2013: 38) nennt das Setting, die Vertraulichkeit sowie die Bereitschaft der Teilnehmenden als wichtige Einflussfaktoren, welche die Entscheidung zur Gestaltung des Aufnahmeprozesses mitgestalten: „The decision depends on the setting, the intimacy of the action recorded and the degree of collaboration from the participants“. Im vorliegenden Projekt wurden von den Teilnehmenden mehrheitlich Vorbehalte bezüglich Datenschutz sowie Störung des natürlichen Gesprächs geäussert und insofern wurde von der Anwesenheit der Forscherin (und dadurch auch von der teilnehmenden Beobachtung als zusätzliche Erhebungsmethode) abgesehen.
Mit der Abgabe der Kontrolle über den Aufnahmeprozess an Gesprächsbeteiligte geht ein gewisses Risiko einher, welches sich auch auf die vorliegenden Daten auswirkt. So wurden zwar die Lehrpersonen jeweils instruiert, das Aufnahmegerät so früh wie möglich ein- und so spät wie möglich auszuschalten, damit auf der Aufnahme möglichst die Gesprächsränder für die Analyse zugänglich sind. Teilweise wurde jedoch das Gerät erst nach der Begrüssung und informellen Vorphase des Gesprächs eingeschaltet oder schon vor der Verabschiedung ausgeschaltet und so sind die für Vor- und Nachphasen typischen Praktiken nicht in allen Fällen vollständig vorhanden.
Ebenfalls aufgrund der Besorgnis um Datenschutz und Störung der Gespräche vonseiten der Schulen, war es im gegebenen Kontext nicht möglich, die Interaktionen auf Video aufzuzeichnen,1 obwohl dadurch das Interaktionsgeschehen detailgetreuer hätte analysiert werden können. Je ganzheitlicher die fokussierte soziale Praxis aufgenommen wird, desto eher kann gewährleistet werden, dass die soziale Wirklichkeit annähernd in ihrer Gesamtheit abgebildet wird – obwohl dieser Anspruch wohl nie ganz erfüllt werden kann (vgl. Mondada 2013: 55). Seit die technischen Möglichkeiten bestehen, werden daher Videodaten in der Gesprächsforschung bevorzugt, da die Körperlichkeit bei der Kommunikation eine grosse Rolle spielt und so auch mit registriert werden kann (vgl. Mondada 2013: 39). Ten Have (2007: 72) fügt an, dass auch dann grundsätzlich Videodaten empfohlen werden, wenn in der Analyse nicht spezifisch auf visuelle Aspekte der Kommunikation eingegangen wird, da diese Daten bei der Transkription (z.B. bei der teilweise unklaren Zuordnung von Sprecherbeiträgen in Mehrparteieninteraktionen), aber auch bei der Detailanalyse helfen können. Auch lassen sich Pausen mit Videodaten klarer interpretieren, da Schweigen oder fehlende Antworten nicht unbedingt bedeuten, dass keine Interaktion stattfindet. Eine Beschränkung auf Audiodaten birgt also die Gefahr, dass an gewissen Stellen keine abschliessenden Aussagen zur lokalen Bedeutung der interaktiven Praktiken gemacht werden können. Neben den genannten Vorzügen von Videoaufnahmen besteht jedoch auch die Gefahr, durch die Installation von Videokameras die Aufnahmesituation stärker zu beeinflussen oder gar zu stören (vgl. auch Kotthoff 2012b: 5). Audioaufnahmen können hingegen mit inzwischen sehr kleinen und unauffälligen Geräten in hoher Qualität erzielt werden und es wurde mir von Lehrpersonen bestätigt, dass die Aufnahmesituation dadurch schon nach wenigen Minuten in Vergessenheit geraten sei.
Erhebung ethnografischer Daten
Für die weitere Einbettung der Daten im Kontext dienen einerseits die Vor- und Nachbesprechungen mit den Mitgliedern der Schulleitungen (vgl. auch die Diskussion zu dem Feldzugang), den Lehrpersonen sowie vereinzelt den Eltern. Andererseits diente ein kurzer Fragebogen dazu, weitere Eckdaten zu den Gesprächsteilnehmenden zu erhalten sowie Angaben zur Gesprächssituation einzuholen. Es wurde dabei nach dem Gesprächsanlass gefragt und weiter interessierte, welche eigenen Anliegen oder Erwartungen die Gesprächsteilnehmenden an das Gespräch hatten und wie sie mit dem Verlauf des Gesprächs zufrieden waren.
Die Rücklaufquote der Fragebögen war leider gering und da teilweise aus Gründen des Datenschutzes die Studienteilnehmenden weder mit Namen bekannt sind, noch je von mir gesehen wurden, war eine erneute Nachfrage meinerseits nicht in jedem Fall möglich. Die Fragebögen werden aufgrund der schmalen Datengrundlage nicht systematisch ausgewertet, sondern dienen bei der Präsentation des Datenmaterials zu einer detaillierteren Beschreibung. So fliessen bei der Besprechung des Korpus ergänzende Hinweise zu den Gesprächen ein (Kap. 3.2.1) und in einem weiteren Teil werden ausgewählte Metakommentare aus den Fragebögen diskutiert (Kap. 3.2.2).
3.1.2 Datenaufbereitung
Bei der Aufbereitung der Daten ist gemäss Deppermann (2008a: 32ff.) so vorgegangen worden, dass zuerst von jedem Gespräch ein Inventar erstellt wurde. Jedes Gesprächsinventar enthält einerseits Informationen zur Aufnahmesituation sowie zum Bearbeitungsstand des Gesprächs und andererseits dokumentiert es den Ablauf des Gesprächs.
Unter den allgemeinen Angaben wird festgehalten, an welcher Schule sowie wann und mit wem das Gespräch geführt wurde und wie lange es gedauert hat. Weiter werden die Sprechersiglen eingeführt, die für die Zuordnung im Gespräch verwendet werden und anonymisiert sein müssen. Für die vorliegenden Daten wurde entschieden, gesprächsübergreifend die institutionellen Rollenbezeichnungen zu verwenden, also L für Lehrperson, M für Mutter, V für Vater (bzw. in einem Fall P für Partner), S für SchülerIn sowie in einem Fall H für Heilpädagogin. Häufig reicht jedoch die blosse Einführung von Sprechersiglen nicht, da die Namen der Gesprächsteilnehmenden sowie teilweise weitere sensible Daten wie Personennamen, Schulnamen, Ortsnamen, Datumsangaben etc. in den Gesprächen explizit genannt werden und aus Datenschutzgründen anonymisiert werden müssen. Bei den Decknamen, den sogenannten Maskierungen, wurde jeweils darauf geachtet, dass die Silbenstruktur sowie beispielswiese die ethnische oder regionale Zugehörigkeit mit den entsprechenden Merkmalen der originalen Benennungen übereinstimmen (vgl. Deppermann 2008a: 31).
Der zweite Teil des Gesprächsinventars dokumentiert den Gesprächsablauf und erfasst hierfür die groben thematischen und strukturellen Entwicklungen im Gespräch. Dadurch dient das Gesprächsinventar dem vereinfachten Auffinden von Phänomenen und Gesprächsphasen. Weiter wird jeweils angegeben, wer wann spricht und in welchen Sequenzen es Auffälligkeiten gibt (z.B. in Bezug auf Geräusche, Veränderungen in der Teilnehmendenkonstellation etc.). In einer letzten Spalte werden Hinweise und Notizen für mögliche Forschungsfragen angebracht. Diese Informationen werden häufig erst nach genaueren Analysen ergänzt oder aber verändert und präzisiert. Die Gesprächsinventare ermöglichen einen raschen Überblick über die Einzelgespräche und dienen der Identifizierung von spezifischen Phänomenen und Sequenzen, die für die Analyse transkribiert werden. Ausserdem lassen sich davon ausgehend die makroskopischen Entwicklungen nachzeichnen (vgl. Deppermann 2008a: 32).
Die nächsten Schritte können unterschiedlich organisiert sein: Entweder erstellt man vollständige Transkripte aller Gespräche und beginnt dann mit der Selektion von Analysesequenzen (so beispielsweise empfohlen bei Hutchby & Wooffitt 2008: 69ff.), oder man wählt ausgehend von den Inventaren die für die Analyse relevanten Passagen und transkribiert entsprechend nur diese Auswahl. Deppermann (2008a: 37) schlägt Letzteres vor, um „zeitintensive Transkriptionen [zu sparen], die nicht ausgewertet werden“. In der vorliegenden Arbeit wurde ein gemischtes Vorgehen gewählt: Etwa von der Hälfte des Korpus wurden mithilfe der FOLKER-Transkriptionssoftware (Schmidt & Schütte 2010; 2011)1 komplette Minimaltranskripte nach GAT 2 (Selting et al. 2009) erstellt. Vor allem zu Beginn schien es wichtig, in die detailreiche Tiefe der Gespräche einzutauchen und beim mehrfachen Anhören, was für eine Transkription unabdingbar ist, die Spezifika der Gespräche besser zu erkennen. Nach den ersten Analysen wurde jedoch aus Zeitgründen auf komplette Transkriptionen verzichtet. Die Transkriptionen wurden bei den restlichen Gesprächen nur für die ausgewählten Phänomene angefertigt. Für diejenigen Auszüge, die für die Detailanalyse ausgewählt wurden, wurden detaillierte GAT 2-Basistranskripte ausgearbeitet.
Da es sich bei den vorliegenden Daten um Gespräche in schweizerdeutschen Dialekten handelt, die nicht als Schriftsprachen existieren, wurden die Transkriptionskonventionen zudem in Anlehnung an die Dieth-Schrift erweitert (Dieth 1986; vgl. auch Burger et al. 1998). Die wichtigsten Änderungen betreffen die Notation von Langvokalen: Während im Standarddeutschen verschiedene Varianten wie ‚ie’, Dehnungs-‚h’ oder auch Doppelvokal für die Anzeige eines Langvokals zur Verfügung stehen, wird im Schweizerdeutschen nur auf die letztgenannte Variante zurückgegriffen. D.h. Langvokale werden systematisch durch Doppelvokal dargestellt. Die zusammengestellten Transkriptionskonventionen finden sich in einer Übersicht im Anhang. Die Transkripte wurden zur besseren Verständlichkeit jeweils interlinear in das Standarddeutsche übersetzt.2
In einigen Gesprächen sprechen einzelne Personen (umgangssprachliches) Standarddeutsch, was dementsprechend gemäss orthografischen Regeln transkribiert wird. Es sind dies die Mutter von Sarah (SJ1_L1A_LMV), der Vater von Zoe (SJ1_L2A_LMV), die Heilpädagogin von Jonas (SJ6_L6A_LHMS) und teilweise der Schüler Ben (SJ4_L3B_LMVS), der sich damit an der Norm, dass Standarddeutsch die Schulsprache ist, orientiert.
In allen Fällen gilt, dass nicht die Transkriptionen als Primärdaten behandelt werden, sondern immer die Aufnahmen selbst. Transkriptionen haben damit nur den Stand eines Hilfsmittels, um die flüchtige Sprache für die genaue Betrachtung zu fixieren. Jedoch gehört das wiederholte Anhören der Aufnahmen zu einem wichtigen Prozess während den Analysen (vgl. z.B. Hutchby & Wooffitt 2008: 69ff.). Zwar wird der Anspruch erhoben, mit einer Transkription möglichst detailgetreu aufzuzeichnen, was in einer Aufnahme zu hören ist, es ist aber beinahe unmöglich, alle Facetten mündlicher Kommunikation in schriftlicher Form festzuhalten. Und es lässt sich auch kaum verhindern, dass nicht auch die eigene Interpretation oder ein spezifischer Analysefokus die Transkription beeinflusst. Beispielsweise werden Pausen oder Lachen unterschiedlich fokussiert und dementsprechend unterschiedlich detailliert transkribiert. Jefferson (1985: 25) kommt daher zum Schluss, dass unsere Aufmerksamkeit auf einzelne Phänomene die Transkription beeinflusst: „It depends a great deal on what we are paying attention to“ (vgl. auch Sidnell 2011: 25). Damit also keine fehlgeleiteten Analysen auf Basis der Transkriptionen entstehen können, ist der ständige Rückgriff auf die Primärdaten notwendig.
3.1.3 Analysevorgehen
Der analytische Zugang basiert auf den vorgestellten Prämissen und Konzeptionen der Gesprächsanalyse (vgl. Kap. 2.1.1) und der Positionierungsanalyse (vgl. Kap. 2.4.3). Als Grundsatz gilt, trotz der Forschungsperspektive von aussen auf das Gespräch, jeweils die Perspektive der Interagierenden einzunehmen und für die Analyse fruchtbar zu machen. Die analytische Aufgabe besteht also darin nachzuvollziehen, wie die Gesprächsteilnehmenden interaktiv Sinn herstellen und einander anzeigen, wie sie das Gesagte verstehen (vgl. Deppermann 2008a: 50; Sacks, Schegloff & Jefferson 1974: 729). Um bei der Analyse diesen Perspektivenwechsel zu vollziehen, wird nach dem Prinzip des next-turn proof procedure vorgegangen (vgl. z.B. Sidnell 2013: 79), d.h. es wird der jeweilig nächste Turn in die Sequenzanalyse einbezogen.
Der erste Analysezugang beginnt aber nicht erst mit der konkreten Sequenzanalyse, sondern schon bei der Erstellung von Gesprächsinventaren als Teil der Datenaufbereitung (vgl. Kap. 3.1.2). Nach der Datenerhebung habe ich jeweils zeitnah für jedes Gespräch ein Inventar erstellt (vgl. Deppermann 2008a: 32ff.). Darin wurden Angaben zu Inhalt und Ablauf sowie erste Beobachtungen und Hinweise für allfällige Forschungsfragen notiert. Diese Inventare dienen einerseits dazu, die Gespräche als Gesamtereignisse zu erfassen und so die Makrostruktur des Gesprächstyps zu identifizieren. Andererseits lassen sich anhand dieser Gesprächsübersicht und den Notizen zu interessanten Phänomenen auch die relevanten Stellen für die mikroskopische Analyse einfacher wiederfinden.
Es wurden dann erste Transkripte erstellt, die ebenfalls den Status einer Erstanalyse einnehmen. Denn durch das mehrfache Anhören der gleichen Stellen entwickelt sich ein Verständnis für auffällige Muster in den Daten. Von den identifizierten Phänomenen wurden Datenkollektionen erstellt, da jedes weitere Datum in spezifischem Kontext neue Facetten desselben Einzelphänomens zutage führen kann (vgl. z.B. Gülich & Mondada 2008: 18; Sidnell 2011: 31). Dabei geht es nicht um erschöpfende Datenkollektionen, die alle Fälle eines Einzelphänomens enthalten, sondern es handelt sich um eine spiralförmige Theoriebildung im Sinne des theoretical sampling in der Grounded Theory (Glaser & Strauss 1967; vgl. auch Charmaz 1995; Mey & Mruck 2011): Nach der Gegenstandskonstitution, welche basierend auf ersten Sequenzanalysen gebildet wird, werden so lange vergleichende Fälle gesammelt (sampling) und nach den Prinzipien der Sequenzanalyse analysiert (Gegenstandsanalyse), bis eine theoretische Sättigung erreicht wird, d.h. bis bei neuen Daten keine weiteren Aspekte mehr auftreten, die die Analyse noch ergänzen (vgl. Deppermann 2008a: 94ff.). Dabei kommt es immer wieder zu Anpassungen und Neudefinitionen der Gegenstandskonstitution und somit zu neuen Strukturierungen der Datenkollektionen.
Bei der Auswahl von analyserelevanten Passagen für die Datenpräsentation geht es schliesslich darum, besonders klare Fälle zu identifizieren, die prototypisch für den Gesprächstyp oder für ein bestimmtes Phänomen sind (vgl. Deppermann 2008a: 52). Dadurch dass die Gesprächsanalyse mit der Positionierungsanalyse kombiniert wird, ist allerdings häufig die Präsentation längerer Transkriptausschnitte notwendig, als dies in der klassischen Konversationsanalyse gängig ist. Da nämlich die verschiedenen Positionierungen jeweils im gegebenen Kontext eingebettet sind und die Dynamik der Folgeaktivitäten mitbestimmen, sind die Analysen nur nachvollziehbar, wenn diese Kontexte verfügbar gemacht werden. So werden teilweise mehrseitige Transkriptausschnitte dargeboten, obwohl die fokussierten konversationellen Aktivitäten (vordergründig) nur wenige Äusserungen umfassen.
Eine Frage, die im Diskurs zur Gesprächsanalyse immer wieder auftaucht, ist die der Verallgemeinerung und Quantifizierung gesprächsanalytischer Ergebnisse (vgl. dazu die dezidierte Stellungnahme im Postscript von Schegloff 1996b: 22ff.). In der Gesprächsanalyse liegt der Fokus grundsätzlich nicht auf der Frage, wie oft ein Phänomen vorkommt, sondern wie in einem konkreten Kontext Ordnung hergestellt wird (vgl. z.B. Hutchby & Wooffitt 2008: 108ff.; Psathas 1995: 2f.; ten Have 2007: 39). Auch besteht die Gefahr, dass die Quantifizierung von Phänomenen zu voreiligen Kategorisierungen führt, die bei Detailanalysen in den spezifischen Kontexten eine weniger klare oder andere ‚Ordnung’ aufzeigen würden (vgl. Hutchby & Wooffitt 2008: 110); ein Problem, das Deppermann (2008a: 37) ebenfalls im Rahmen der in der Gesprächsanalyse typischen Datenkollektionen nennt. Da also häufig die spezifischen Kontexte das Interaktionsereignis beeinflussen und sich kaum verlässliche Verallgemeinerungen und Voraussagen machen lassen, spricht Peräkylä (2004: 297) eher von einer Verallgemeinerung der sprachlichen Möglichkeiten („social practices that are possible, i.e. possibilities of language use“). Demnach wird zwar keine Aussage über die tatsächlichen Ausprägungen sprachlicher Aktivitäten in anderen Settings getroffen, jedoch zeigt die Analyse der Bearbeitung einer spezifischen kommunikativen Aufgabe in einem Kontext die konkreten Möglichkeiten auf, wie diese kommunikative Aufgabe gelöst werden kann und wie sie demnach potenziell auch in anderen Kontexten gelöst wird.
3.2 Datenmaterial
Das Datenmaterial stammt aus sechs unterschiedlichen Schulen in drei verschiedenen deutschschweizerischen Kantonen. Es sind Primarschulen, Sekundarschulen, Gymnasien sowie eine Wirtschaftsmittelschule vertreten und so finden sich unter den Aufnahmen Gespräche aus dem ersten bis zum zwölften Schuljahr.
Das untersuchte Korpus besteht aus vierzehn Audioaufnahmen von schulischen Beurteilungsgesprächen. Durchschnittlich dauern die Gespräche etwa 45 Minuten, wobei es Schwankungen zwischen acht und 64 Minuten gibt. Insgesamt umfasst das Korpus 487 Minuten mündliche Gesprächsdaten, was etwa acht Stunden entspricht.
In Bezug auf die anwesenden Gesprächsteilnehmenden gibt es ebenfalls Unterschiede. Zuerst gilt anzumerken, dass von einigen Lehrpersonen zwei oder in einem Fall drei Gespräche aufgenommen wurden und so befinden sich im Korpus Gespräche von neun unterschiedlichen Lehrpersonen. In zwei Gesprächen sind die Schülerinnen nicht mitanwesend, von den Müttern ist nur eine Mutter beim Gespräch nicht dabei und die Väter (bzw. in einem Fall der im gemeinsamen Haushalt lebende Partner der Mutter) nehmen in zehn von vierzehn Gesprächen teil. In einem Gespräch ist zusätzlich zur Lehrerin noch eine Heilpädagogin dabei, die den betroffenen Schüler im Unterricht begleitet. Insgesamt resultiert dies in 45 unterschiedlichen Gesprächsteilnehmenden in vierzehn Interaktionen und es sind dies: fünf Lehrerinnen, vier Lehrer, dreizehn Mütter, neun Väter, ein Partner einer Mutter, vier Schülerinnen, acht Schüler sowie eine Heilpädagogin.
Die Ausgangslage variiert in den Gesprächen teilweise erheblich. In einigen Fällen werden die Beurteilungsgespräche flächendeckend mit allen Eltern geführt, unabhängig von den Leistungen oder dem Verhalten der SchülerInnen. In einem dieser Gespräche geht es zudem um den Übertritt in weiterführende Schulen und es werden im Gespräch Empfehlungen ausgesprochen und Entscheidungen ausgehandelt. Im Gegensatz zu diesen Beurteilungsgesprächen finden sich aber auch sogenannte Elternsprechstundengespräche im Korpus, die sich merklich unterscheiden. Elternsprechstunden werden an einigen Schulen, insbesondere ab der Oberstufe, in regelmässigen Abständen angeboten und Eltern können sich bei Bedarf anmelden. In der Regel melden sich zu diesen Sprechstunden nur diejenigen Eltern an, die bei ihrer Tochter oder ihrem Sohn schulische Schwierigkeiten feststellen. Demnach unterscheidet sich die Ausgangslage von jener in Routinegesprächen. Und schliesslich findet sich ein Gespräch im Korpus, welches ausserordentlich von der Lehrerin einberufen wurde, da es beim betroffenen Schüler zu mehreren Verwarnungen kam und nun der Schulabschluss gefährdet ist.
Die Mehrzahl der Gespräche findet an Wochentagen ab spätem Nachmittag statt, zwei Gespräche werden am Mittag geführt. Die Gespräche werden in Räumlichkeiten der jeweiligen Schulen, meistens in den Klassenzimmern, geführt. In diesen Räumen befinden sich jeweils nur die Gesprächsteilnehmenden.
Im Folgenden wird zuerst das entstandene Korpus vorgestellt. Dann werden ergänzende Kommentare aus den Fragebögen präsentiert, die eine weitere Perspektive auf die Gesprächssituation ermöglichen. Es geht dabei insbesondere um formulierte Anliegen und Erwartungen sowie um die allgemeine Zufriedenheit mit der Gesprächssituation.1